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Beiträge zur Politik  






Hartmut Krauss

99,9 Prozent „friedliebende Muslime“?

Zur Unhaltbarkeit einer selbstbetrügerischen Standardlegende.

Als funktionsteilig organisierter und global vernetzter Tätigkeitskomplex ist die islamistische Bewegung aus westeuropäischer Sicht nicht etwa nur ein regional eingrenzbares außenpolitisches Phänomen, das nur im arabisch-muslimischen oder asiatisch-islamischen Kulturkreis anzutreffen wäre. Vielmehr ist der Islamismus im Zuge der Einwanderung muslimischer Migranten nach Mittel- und Westeuropa auch in westliche Länder importiert worden. Dabei ist dieser Migrationsimport islamistischer Mentalitäten, Strukturen und Tendenzen nicht einfach nur der spontane Effekt ‚mitgebrachter‘ Subjektivitätsmerkmale von Teilen der eingewanderten Muslime, sondern auch als gezielte Expansion bzw. strategisch ausgerichteter „Kulturexport“ anzusehen.

Im einzelnen lassen sich folgende Haupterscheinungsformen des ‚Islamismus im Westen‘ feststellen:

1) Der Auf- und Ausbau einer gegengesellschaftlichen Subkultur in Form der Etablierung abgeschotteter, islamistisch reglementierter und kontrollierter Sozialmilieus mit eigenen Moscheevereinen, Koranschulen, Kulturzentren, Freizeiteinrichtungen, Geschäften, Alltagsinstitutionen etc. Dieses Gegenmilieu – propagandistisch zusätzlich „befeuert“ durch djihadistische Internetseiten und islamisches Satellitenfernsehen – bildet gewissermaßen das „Übungsbecken“ für individuelle Ideologisierungs- und Radikalisierungsprozesse.

2) Die möglichst unauffällige Stationierung von ausgebildeten Terroristen und Djihadisten in westlichen Aufnahmeländern als logistische Teile des globalen islamistischen Terrornetzwerkes („Schläferzellen“).

3) Die Anwerbung und Rekrutierung von islamistischen Gotteskriegern und Attentätern innerhalb der radikalislamisch durchsetzten Sozialmilieus. So gab und gibt es westeuropäische Staatsangehörige (Migranten und Konvertiten) auf Seiten der Taliban, der Attentäter im Irak sowie der tschetschenischen Terrorkommandos.

4) Die Unterstützung islamistischer Bewegungen, Regimes und Terrorgruppen in den Herkunftsländern in Form von Spendensammlungen, Aufrufen, Demonstrationen etc. Das galt und gilt in Deutschland insbesondere für die Unterstützung der palästinensischen und algerischen Terrorgruppen sowie der iranischen Gottesdiktatur und der schiitischen „Hizbollah“ (Partei Gottes).

5) Die Integration des ‚zugewanderten‘ Islamismus in den westeuropäischen Rechtsextremismus und sein beträchtlicher Anteil am Aufstieg des Antisemitismus in Europa.

In der medial und politisch gesteuerten öffentlichen Debatte wird der Blick auf den inländischen Islamismus zumeist auf den Aspekt des ‚Terrorismus‘ eingeengt. Damit bleibt aber gerade der innere Verknüpfungs- und Verweisungszusammenhang zwischen orthodoxem Islam, islamistischer Radikalisierung und djihadistisch-terroristischer Praxis unaufgeklärt. Die politisch korrekte, aber realitätswidrige Standardbehauptung lautet: 99,9% der Muslime seien angeblich friedliebend, nur eine verschwindende Minderheit sei gewaltbereit.

Tatsächlich stellt aber die Herausbildung und Etablierung einer islamistischen Subkultur bzw. die Schaffung grund- und menschenrechtswidriger Sozialmilieus unter islamistischer Normierungs- und Kontrollherrschaft das wissenschaftlich und praktisch-politisch bedeutsamere Problem dar. Ohne die Existenz staatlich weitgehend unangefochtener und von der Islam-Lobby propagandistisch geschützter islamistischer Sozialmilieus und Einrichtungen (Moschevereine, Kulturzentren etc.) würde es zudem viel schwieriger sein, Djihadisten zu rekrutieren und operative Schutz- und Ruheräume für „Schläfer“ und terroristische ‚Logistiker‘ zu installieren.

Im Gegensatz zu der grobschlächtigen, schönfärberischen und im Endeffekt realitätswidrigen Aufteilung der Zuwanderer aus islamisch geprägten Staaten in 99,9% Prozent friedliebende und 0,1% terroristische Muslime ist zunächst einmal grundsätzlich zu unterscheiden zwischen politisch-kulturell integrationsbereiten Muslimen, welche die säkular-demokratischen Grundprinzipien und Menschenrechte anerkennen bzw. die kulturelle Moderne akzeptieren und jenen ‚fundamentalistischen‘ Muslimen, die das ablehnen und die demokratische Grundordnung durch ein schariatisches Herrschaftsregime ersetzen wollen. So wäre im Näheren zu unterscheiden zwischen:

a) streng gläubigen Muslimen, die den schariatischen Normenkodex befolgen und auch entgegen den europäischen Grundwerten und Verfassungsprinzipien praktizieren,

b) lau gläubigen Muslimen, die nur punktuell und/oder aus Gewohnheit an islamischen Riten festhalten und sich tendenziell einer säkularen Lebensführung anpassen,

c) „Zwangsmuslimen“, die nur aufgrund des äußeren kulturell-sozialisatorischen und (groß-)familären Drucks Mitglieder der muslimischen Glaubensgemeinschaft bleiben und

d) jenen oppositionell-demokratischen Zuwanderern, die nicht zuletzt deshalb hierher gekommen sind, um der islamischen Herrschaftsordnung und ihren Repressionen zu entrinnen (Ex-Muslime).

Bezogen auf die problemrelevante Gruppe der ‚streng gläubigen‘ bzw. ‚schariatischen‘ Muslime bilden unmittelbar gewaltbereite und -ausübende Kräfte einerseits und gegenüber dem deutschen Staat und der einheimischen Bevölkerung unmittelbar nicht gewalttätige Akteure andererseits eine funktional-strategische Wirkungseinheit. In kritischer Abgrenzung zur medial vorherrschenden Beruhigungsfloskel, nach der die gewaltbereiten Islamisten nur eine winzige Minderheit im angeblichen Gegensatz zur „Mehrheit der friedliebenden Muslime“ darstellen, sind hier noch einmal folgende Zusammenhänge hervorzuheben:

Erstens: Der Islamismus ist nicht etwa aus dem „Nichts“ entstanden und verkörpert gegenüber dem „eigentlichen“ Islam keinesfalls das illegitime „ganz Andere“. Tatsächlich ist der Islamismus inhaltlich fest im konservativen Scharia-Islam verankert, stellt eine selektive Radikalisierung dieser herrschaftskulturell vorherrschenden Ideenformation dar und basiert auf einer langen historischen Traditionslinie. D.h.: Der Islamismus mit seiner terroristischen Speerspitze ist nicht durch eine „chinesische Mauer“ vom ‚Mehrheits-Islam‘ getrennt, sondern er verfügt in zahlreichen Ländern der arabischen, afro-islamischen und asiatisch-islamischen Welt über eine Massenbasis, genießt die teils offene, teils verdeckte Unterstützung repressiver islamistischer Regime, es existieren stabile Brücken und Übergänge zum islamischen Konservatismus der Rechtsgelehrten und somit eine beträchtliche Grauzone zwischen Mehrheits-Islam und islamistischen Milieus. Für eine große Zahl von jungen islamistisch indoktrinierten Koran-Schülern in allen Teilen der Welt ist Bin Ladin ein Held/Märtyrer bzw. so etwas wie der Che Guevara der neototalitären Weltbewegung des Islamismus.

Zweitens: Zur Veranschaulichung des Islamismus als gegliederte politisch-kulturelle Erscheinung ist ein Vergleich mit dem deutschen Rechtsextremismus erhellend: Nicht jeder DVU- oder NPD-Wähler wirft Brandsätze in Asylantenheime, nicht jeder Funktionär der Neonazis beteiligt sich selbst aktiv an der rassistischen Treibjagd auf farbige Ausländer durch deutsche Innenstädte, nicht jeder gewalttätige Skinhead wiederum ist formelles Mitglied einer Neonazi-Organisation. Aber in summa existiert in Deutschland ein relativ konstantes „rechtsextremistisches Einstellungspotential“ von ca. 15 - 20 Prozent der Gesamtbevölkerung als Resonanz- und Rekrutierungsboden, als Unterstützung gewährende und Rückhalt gebende ‚Subkultur‘ sowie im Bedarfsfall als informell-spontanes „Solidaritätskomitee“. Berechtigterweise käme kein ernsthafter Politiker auf die abwegige Idee, diese nicht unmittelbar Gewalt ausübenden rechtsextremistisch ideologisierten Kräfte als „friedliebende Deutsche“ zu bezeichnen. Analog hierzu stellen nicht so sehr die unmittelbar gewaltbereiten Islamisten das gesellschaftspolitische Hauptproblem dar. Bedeutsamer ist vielmehr die zielbezogene Bündelung all jener muslimischen Kräfte, die eine feindselig-ablehnende und aktiv-kämpferische Haltung gegenüber der kulturellen Moderne einnehmen, an der ‚friedlichen‘ Installierung religiös-diktatorischer Einflußzonen und Gegenmilieus innerhalb der europäischen Gesellschaften arbeiten und damit eine totalitär orientierte Desintegrationspolitik verfolgen.

Drittens: Kritisch zu hinterfragen ist zudem der unter dem Vorzeichen der Terrorismusbekämpfung dominant gewordene, bezogen auf das reale Bedrohungspotential aber einseitige bzw. reduktionistische Gewaltbegriff. In dieser definitorisch eingeengten Perspektive werden nur jene Islamisten als „gewaltbereit“ erfasst, die an der Vorbereitung und Durchführung von Anschlägen, Attentaten, Entführungen etc. beteiligt sind. Diskursiv ausgespart bleiben dabei aber jene Kräfte, die innerhalb der muslimischen Einwanderermilieus Repressions- und Kontrollmacht ausüben und in diesem Kontext intramuslimische Gewalt anwenden oder dazu ausrufen. Das gilt zum Beispiel für die Praktiken großfamilialer Ehrenmoral sowie für die Einschüchterung und Bestrafung unbotmäßiger Frauen und Mädchen, die sich etwa dem Zwang arrangierter Ehen entziehen. Rechnet man diese interne Gewaltpraxis hinzu und bezieht auch kriminelle Gewaltanwendung muslimisch sozialisierter Tätergruppen sowie das beträchtliche homophobe Einstellungspotential unter Muslimen hinzu, dann gerät das herkömmliche Aufteilungsklischee noch stärker ins Wanken.

Das vereinigende Ziel der islamistischen Bewegung ist die Errichtung eines totalitären Gottesstaates. Angesichts der aktuellen Kräfteverhältnisse in Europa ist ein gewaltsamer Weg zu diesem Ziel auf längere Sicht ausgeschlossen. Was bleibt ist die Option einer allmählichen Islamisierung Europas durch:

a) eine im Vergleich zur einheimischen Bevölkerung nachhaltig höhere Geburtenrate, was die Aufrechterhaltung islamisch-patriarchalischer Kontrollmacht über Geist, Körper und Heiratsverhalten der unterworfenen Frauen unabdingbar macht („die Wahrheit hinter dem Kopftuch“) sowie

b) die sukzessive Eroberung und Ausdehnung sozialer Handlungs- und Herrschaftsräume, in denen islamische Normen, Gesetze, Regeln, Vorschriften etc. eine unanfechtbare Geltung erlangen. In diesen Kontext gehören der zunehmende Bau von repräsentativen Großmoscheen, die Durchsetzung eines flächendeckenden Islamunterrichts im deutschen Schulsystem, das Streben nach islamischer Kleidung im öffentlichen Dienst (Kopftuch für weibliche Beamte), die Forderungen nach islamischen Separateinrichtungen (Krankenabteilungen, Altenheime, Gräberfelder etc.), das Postulat islamkonformer Berichterstattung einschließlich entsprechender Medienkontrolle und Vieles andere mehr.

Dabei erweisen sich die „Überalterung“, Entdemokratisierung und geistig-kulturelle Dekadenz der deutschen Aufnahmegesellschaft sowie die politische und juristische Willfährigkeit des formalistischen Rechtsstaates als begünstigende Rahmenbedingungen dieser islamistischen Terraineroberung auf leisen Sohlen.

© Hartmut Kraus, Osnabrück 2007

sh. Forenbeiträge:

Anhang I - Krieg gegen die ganze Welt

Anhang II - Wie denken Muslime weltweit?

Anhang III - Junge britische Muslime wenden sich verstärkt dem Islam zu










 

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