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  Geschichte   

 


KAPITEL V

Die Dresdner Bank - eine Konzentration
wirtschaftlicher Macht

Die sechs deutschen Großbanken beherrschten das gesamte Bankwesen des Landes und kontrollierten oder beeinflußten fast alle Bereiche der deutschen Industrie. Gemeinsam mit der NSDAP und dem Nazi-Staat bildeten sie und die Großunternehmen den Nazismus.

Nach der Deutschen Bank war die Dresdner Bank das zweitgrößte Kreditinstitut in Deutschland. Obwohl die sechs Großbanken zahlenmäßig nur l% der gesamten deutschen Geschäftsbanken (650) ausmachten, belief sich ihr Anteil an den Gesamtaktiva auf mehr als 50% und der aller Einlagen einschließlich Spareinlagen und Einlagen von Kreditinstituten auf über 60%. Allein der Anteil der Dresdner Bank an den Gesamtaktiva machte 14% oder 8,6 Milliarden Reichsmark aus.

Gemessen an der Zahl ihrer Beschäftigten (13.700 im Jahr 1943) und ihrer Filialen (368 im Jahr 1941) wurde sie nur von der Deutschen Bank übertroffen.

Nur die Tatsache, daß sie eine gigantische Konzentration wirtschaftlicher und finanzieller Macht darstellte, erlaubte es der Dresdner Bank, in einer Weise aktiv zu werden, wie dieser Bericht es in späteren Kapiteln beschreibt.

Hinter dem deutschen Staat stand eine Organisation von Trusts und Konzernen, die flexibler, dauerhafter und fester zusammengeschlossen waren als die offizielle Regierung und praktisch eine zweite Regierung bildeten. Diese Konzerngiganten waren das Herzstück der deutschen Industrie, die Schrittmacher des deutschen Wirtschaftslebens. Aber sie standen wiederum in ihren Entscheidungen unter dem beherrschenden Einfluß der Großbanken. Zum Machtbereich der Großbanken sagte Baron Kurt von Schröder:

    »Der Einfluß der Großbanken auf die deutsche Industrie erreichte ein derartiges Ausmaß, daß es kaum einen Teil der deutschen Industrie gab, der nicht unter ihrer Kontrolle stand.« (Beweisstück 21)

Die Dresdner Bank kannte die verschiedensten Mittel und Wege, ihren Interessen in der Industrie Geltung zu verschaffen: vom Aktienbesitz über die Vertretung großer Aktienpakete auf den Jahreshauptversammlungen der Industrieunternehmen und persönliche Bindungen in Form von Überkreuzverflechtungen der Aufsichtsräte bis hin zum wohl wichtigsten Hebel, der Kreditbewilligung, die es der deutschen Industrie in der Zeit von 1933 - 1944 erlaubte, so sehr zu expandieren, daß sie die Aggressionspläne des Nazi-Regimes ausführen konnte.

Eine knappe Analyse jeder dieser Methoden der Dresdner Bank wird zeigen, daß ihr Einfluß auf die Aktivitäten bestimmter Industriezweige alles in allem groß genug war, um die Forderung zu rechtfertigen, sie mitverantwortlich für Taten zu machen, die irgendeiner dieser Konzerne begangen hat und die unter die Definition von Kriegsverbrechen sowie von Verbrechen gegen den Frieden und die Menschlichkeit fallen.

Die Dresdner Bank hatte nur vergleichsweise geringe Aktienanteile an Industrieunternehmen in ihrem direkten Besitz, da die großen Gesellschaften darum bemüht waren, den Großteil ihrer Aktien selbst in der Hand zu behalten. Lediglich 1931 - 1932, während der industriellen Reorganisation, die der Weltwirtschaftskrise folgte, kam sie durch die Umwandlung eingefrorener Kredite in Gesellschaftsanteile zu beachtlichen Aktienmengen. Wegen des damit verbundenen Risikos hatte sie jedoch kein Interesse daran, sie zu behalten. Sie zog es im allgemeinen vor, ihre Industriebeteiligungen gestreut an ihre Kunden zu verkaufen, wobei sie sich die Vertretung der Anteile auf den Hauptversammlungen vorbehielt.

Es war in Deutschland immer schon üblich, daß Aktionäre ihre Wertpapiere ins Depot ihrer Bank gaben und ihr das Stimmrecht auf den Hauptversammlungen der Gesellschaft übertrugen. Dr. Otto Schniewind, ehemaliger Leiter der Abteilung für Bankwesen im Reichswirtschaftsministerium, erklärte, daß die Großbanken aufgrund dieser Praxis in fast allen deutschen Industriekonzernen die Stimmenmehrheit kontrollierten und somit die Geschäftspolitik fast jeden Unternehmens von einiger Bedeutung entscheidend beeinflußten (Beweisstück 22). Ein Teil der Aktien, für die die Bank das Stimmrecht ausübte, gehörte zu ihrem eigenen Bestand, der weitaus größere Teil aber war ihr von Kunden zur Verwahrung anvertraut. Indem also die Dresdner Bank die Aktien in ihrem Kundenkreis hielt, sicherte sie sich das Stimmrecht. Beweisstück 22A zeigt, für welche Aktienmenge allein die Frankfurter Filiale der Dresdner Bank im Jahr 1943 das Depotstimmrecht ausübte. Damit konnte die Bank einerseits ihr Risiko minimieren und andererseits ihren Einfluß auf bestimmte Industrieunternehmen behalten. Hans Rinn, bis 1939 Leiter der Konsortial-Abteilung in der Zentrale der Dresdner Bank und später Leiter der Börsen-Abteilung, erklärte, daß die Bank die meisten Aktientransaktionen außerhalb der Börse vornahm. »Wir zogen es vor, solche Aktienanteile unter unseren Kunden zu verteilen, um eine gewisse Kontrolle über die Stimmrechte zu behalten.« (Beweisstück 23) Hätte man die Aktien an Außenstehende verkauft, wäre diese Kontrollmöglichkeit verlorengegangen.

Sich die Stimmrechte zu erhalten war um so wichtiger, als sie in den meisten Fällen den Verteilungsschlüssel für die Quoten lieferten, nach denen die Banken an großen Anleihen und Krediten einschließlich Konsortialgeschäften beteiligt wurden. Im allgemeinen richtete sich der Anteil einer Bank an einem Konsortialgeschäft nach ihrem Stimmenanteil an der betreffenden Gesellschaft oder wurde zumindest davon beeinflußt. Trotz gewisser gesetzlicher Beschränkungen (Aktiengesetz von 1937, § 110 und § 114 Absatz 4, wonach die Bank eine schriftliche Ermächtigung des Kunden braucht, um ihn in der Hauptversammlung zu vertreten) übten die Banken weiterhin freizügig das Depotstimmrecht für ihre Kunden aus, und die schriftliche Ermächtigung wurde reine Routinesache (Beweisstück 24). Ein weiterer Faktor, der den Stimmenanteil der Bank erhöhte, war die Tatsache, daß die Sicherheiten für ein Darlehen häufig in Gesellschaftsanteilen bestanden; selbstverständlich vertrat sie diese Aktien ebenso wie die übrigen.

Die engen Beziehungen zwischen der Dresdner Bank und der Industrie kamen in den Überkreuzverflechtungen der Aufsichtsräte deutlich zum Ausdruck. Die Männer, die in der Dresdner Bank an den Hebeln der finanziellen Macht saßen, übten auch auf die Industrie einen gewaltigen, konzentrierten Einfluß aus, der durch ihre Präsenz in den Aufsichtsräten der Industriekonzerne sichergestellt war.

Aus Beweisstück 25 geht die Zahl der Positionen hervor, die Führungskräfte der Dresdner Bank in anderen Firmen bekleideten. Die Tabelle gibt den Stand von 1944 wieder und führt, nach Industriezweigen untergliedert, Unternehmen des In- und Auslands auf; sie erfaßt 92% der gesamten Führungsspitze der Dresdner Bank, in der 34 Vertreter insgesamt 451 Positionen in anderen Gesellschaften innehatten. Diese Männer kontrollierten große Bereiche der Schlüsselindustrien in Deutschland. Über sie und über die Einflußmöglichkeiten, die ihr die Kontrolle der Aktienanteile eröffnete, nahm sie eine strategische Position im Wirtschaftsleben Deutschlands ein.

Es wurde darauf verzichtet, diesen statistischen Informationen noch Angaben über Verflechtungen auf der Ebene der Filial- und Abteilungsleiter hinzuzufügen, obwohl sie in der Tat erheblich zum Kontrollsystem beitrugen, das die Dresdner Bank über die Wirtschaft aufgebaut hatte. Jedoch gibt ein internes Memorandum vom 18. August 1942, das sich mit Überkreuzverflechtungen beschäftigt, Aufschluß über deren Ausmaß. In den 117 aufgeführten Firmen waren 80 Aufsichtsratssitze von Mitarbeitern besetzt, die nicht in der Berliner Zentrale beschäftigt waren (Beweisstück 26). Die Dresdner Bank bemühte sich tatkräftig, diese verzweigten Verflechtungen herzustellen, wie ein Brief von Hans Rinn vom 17. April 1942 deutlich zeigt. Darin ging es um die Verteilung des Aktienkapitals der Schering AG in Höhe von 29.585.000 Reichsmark, wovon die Dresdner Bank etwa 25% kontrollierte. Rinn schlägt vor:

    »Aus all diesen Gründen wäre daher doch die Frage zu prüfen, ob man nicht zu gegebener Zeit wegen einer engeren Verbindung, evtl. Erlangung eines Aufsichtsratsmandats bei Schering entsprechende Fühlung aufnehmen sollte.« (Beweisstück 27)

Bei diesen Aufsichtsratsposten handelte es sich nicht um bloße Ehrenmitgliedschaften, es ging vielmehr um einen Weg, sich die Kontrolle über die Geschäftspolitik einer Gesellschaft zu sichern. Eine interne Aktennotiz über die geplante Finanzierung einer neu »erworbenen« Firma im Protektorat beschäftigt sich mit diesem Aspekt. Es heißt dort:

    »Da der bisherige Detag-Vorstand für die Bewältigung der neuen Aufgaben nicht zureichend erscheint, vor allem seine Ergänzung durch einen industriell orientierten Textilmann nötig ist, habe ich Herrn Elkmann... davon in Kenntnis gesetzt, daß uns Herr Schlüter, der Trübau kennt, und dem Herr Achter, Gladbacher Wolle, die Leitung in Trübau anvertrauen wollte, geeignet erschiene.« (Beweisstück 28)

In der Organisation des deutschen Geschäftslebens gab es eine Besonderheit, die weiterreichende Einflußmöglichkeiten eröffnete, als es auf den ersten Blick erscheint. Eine Aktiengesellschaft konnte Gesellschafterin einer GmbH sein, wodurch ihre Haftung auf die Höhe ihrer Beteiligung beschränkt war. Die beherrschende Stellung innerhalb einer Aktiengesellschaft erstreckte sich daher auch auf die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, an denen sie beteiligt war. Die Dresdner Bank schöpfte dieses Mittel so weit wie möglich aus. Der riesige Chemiekomplex Deutsche Gold- und Silber-Scheideanstalt bestand zum Beispiel aus insgesamt 42 separaten Unternehmenseinheiten, von denen 12 Aktiengesellschaften und 30 Gesellschaften mit beschränkter Haftung waren. Die Dresdner Bank war nur in den Aufsichtsräten der Schlüsselkonzerne vertreten, reichte aber aufgrund der bestehenden Gesellschaftsverträge mit ihrem Einfluß in alle Zweiggesellschaften hinein.

Da die großen Firmen häufig die Dienste mehrerer Großbanken in Anspruch nahmen, ist es manchmal schwer auszumachen, ob sie unter der ausschließlichen Kontrolle einer bestimmten Bank standen.

Bei genauerer Betrachtung zeichnen sich jedoch gewisse eindeutige Tendenzen ab. Die gesamte deutsche Flugzeugindustrie war Hauptdomäne der Dresdner Bank. Das gleiche gilt für Krupp, Wintershall, Brabag und so weiter. Ihr Verhältnis zur Flugzeugindustrie wird in einem anderen Kapitel behandelt.

Die Stellung der Familie Krupp innerhalb der deutschen Schwerindustrie und ihr Anteil an der Planung und Vorbereitung des Ersten und des Zweiten Weltkrieges bedarf keiner weiteren Erörterung. Die Dresdner Bank war die Hausbank des Kruppkonzerns. Ihre engen Verbindungen gehen bis ins Jahr 1890 zurück. Der einzige Vertreter einer Bank im Aufsichtsrat von Krupp war ein Vorstandsmitglied der Dresdner Bank. Bis 1932 war dies Henry Nathan, dem Samuel Ritscher folgte; als er sich 1937 angesichts der Nazi-Rassengesetze gezwungen sah, sich aus der Geschäftsführung der Bank zurückzuziehen, übernahm Carl Goetz, die führende Persönlichkeit in der Dresdner Bank, seinen Platz.

Umgekehrt war die Krupp AG immer im Aufsichtsrat der Dresdner Bank vertreten, bis 1937, als Alfried Krupp Mitglied des Aufsichtsrats wurde, durch Buschfeld, den Direktor der Einkaufsabteilung bei Krupp. 1939 kam ein weiteres Mitglied der Krupp-Geschäftsleitung, Ewald Löser, hinzu. Es ist bezeichnend, daß damit zwei der drei Männer des Krupp-Führungsgremiums im Aufsichtsrat der Dresdner Bank waren. Die Bindungen zwischen Krupp und der Dresdner Bank setzten sich auch auf regionaler Ebene fort, wo Busemann, Finanzdirektor der Krupp AG, dem Länderausschuß der Dresdner Bank für Westfalen angehörte.

Die Dresdner Bank erwies der Krupp AG große Dienste, indem sie Anleihen für die Firmenexpansion zeichnete und ihr und ihren Tochtergesellschaften langfristige Kredite verschaffte. 1936 zeichnete sie eine Anleihe von 53,8 Millionen Reichsmark. 1937 stellte sie der Krupp-Tochter, Krupp Treibstoffwerke, Essen, (Aktienkapital 20 Millionen Reichsmark) 10 Millionen Reichsmark zum Bau und Betrieb einer Anlage für synthetischen Treibstoff auf der Basis von Kohle-Nebenprodukten zur Verfügung. Zweck dieses Unternehmens war, »sich an ähnlichen Gesellschaften (für synthetische Treibstoffe) zu beteiligen oder solche zu erwerben.« 1939 verlängerte sie eine langfristige Anleihe von 40 Millionen Reichsmark. Damit waren die wesentlichen Anleihen bewilligt, die die Friedrich Krupp AG für ihre Geschäfte brauchte, und die Dresdner Bank stellte ihr diese Geldmittel zur Verfügung (Beweisstück 29).

Die enge Zusammenarbeit der beiden Unternehmen beschränkte sich jedoch nicht auf die Verflechtung der Aufsichtsräte und die Bewilligung von Darlehen. Als 1937 das Aktienkapital der Dresdner Bank aus staatlichem in privaten Besitz überführt wurde, kaufte die Krupp AG Anteile im Wert von über 1 Million Reichsmark.

Die Dresdner Bank stellte Krupp die Möglichkeiten ihrer Auslandsfilialen und -zweigniederlassungen zur Verfügung. So räumte zum Beispiel die Orientbank in der Türkei Krupp einen Kredit von 5 - 10 Millionen Reichsmark zur Deckung seiner Im- und Exportgeschäfte mit diesem Land ein.

Die Führung des Krupp-Konzerns gehörte zu den 22 Angeklagten der internationalen Prozesse gegen Kriegsverbrecher in Nürnberg. Die Dresdner Bank trägt eine große Mitverantwortung, da sie die Krupp-Aktivitäten finanzierte.

Die Dresdner Bank war nicht nur mit Krupp, dem führenden Unternehmen der Schwerindustrie, aufs engste verbunden, sondern auch mit der Wintershall AG - dem Hauptproduzenten von Pottasche und nach der I.G. Farben dem größten Chemiekonzern in Deutschland -, deren Hausbank sie war. Auf der Jahreshauptversammlung dieser Firma vertrat sie ein ansehnliches Aktienpaket von etwa 15 - 20%.

Henry Nathan vertrat die Bank im Aufsichtsrat von Wintershall bis 1932, Carl Goetz bis 1935 und anschließend Karl Rasche. Der führende Mann und Aufsichtsratsvorsitzende bei Wintershall, Heinrich Schmidt, war Mitglied des Aufsichtsrats der Dresdner Bank, wo er neben der Vertretung eines großen Industriekonzerns auch eine politische Funktion erfüllte, da er Keppler und seinem Kreis sehr nahe stand. Gustav Römer, Direktor bei Wintershall, gehörte dem Länderausschuß der Dresdner Bank in Hessen-Nassau an.

Die Dresdner Bank gewährte der Gesellschaft in der Zeit von 1938 - 1942 zwei Darlehen von je 10 Millionen Reichsmark und leitete das Bankenkonsortium, das Wintershall eine Anleihe von 60 Millionen Reichsmark verschaffte.

Für die Rüstung und den geplanten Krieg brauchte man mehr Öl, als Deutschland aus eigenen Quellen fördern konnte. Ziel war die Entwicklung synthetischer Herstellungsverfahren. Daher wurde schon 1934 auf Anordnung von Hjalmar Schacht und unter Beteiligung aller deutschen Braunkohlegesellschaften die Brabag (Braunkohle-Benzin AG, Berlin) gegründet.

Nach seiner ersten Unterredung mit den Braunkohleproduzenten wandte sich Schacht an Karl Rasche von der Dresdner Bank mit dem Ergebnis, daß dieser ein Bankenkonsortium zusammenführte, welches die Finanzierung der Brabag übernehmen sollte. Das Unternehmen war von Anfang an im großen Stil geplant, was ein entsprechendes Kapital erforderte. Die Zeugenaussage Gustav Brechts, des stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden der Brabag, belegt die führende Rolle, die die Dresdner Bank hierbei spielte (Beweisstück 30). Das Bankenkonsortium unter ihrer Leitung gewährte 25 Millionen Reichsmark; davon übernahm die Dresdner Bank einen Anteil von 25%. Aufsichtsratsvorsitzender der Brabag war Keppler, weitere Mitglieder waren Kranefuß, Rasche, Flick, führende Vertreter der Dresdner Bank - alle zuverlässige Anhänger der Nazis.

Auch wenn die Dresdner Bank mit führenden Teilen der deutschen Schlüsselindustrien in engster Verbindung stand, reichte ihr Einfluß weit tiefer und durchdrang alle Industriebereiche in Deutschland. Ihr wichtigstes Mittel bestand dabei in der Bewilligung von Anleihen und Krediten, die ein sprunghaftes Wachstum der Industrie in der Zeit von 1933 - 1944 möglich machten.

Eine unvollständige Liste der Industrieanleihen, die unter Leitung der Dresdner Bank nach 1933 gewährt wurden, gibt einen Einblick in ihren Einflußbereich.

CHEMIE

Wintershall
Kapital: 150 RMAnleihe: 50 Mio RM
Personelle Verflechtung über: Karl Rasche, Heinrich Schmidt

Deutsche Gold- und Silber-Scheideanstalt
Kapital: 35,6 Mio RMAnleihe: 30 Mio RM
Personelle Verflechtung über: Wilhelm Avieny, Carl Goetz

EISEN UND STAHL

Krupp
Kapital: 160 Mio RMAnleihe (1936): 53,8 Mio RM
(1937): 10 Mio RM
(1939): 40 Mio RM
Personelle Verflechtung über: Ewald Löser, Alfried Krupp v. Bohlen u. Halbach, Carl Goetz

Mitteldeutsche Stahlwerke AG
Kapital: 75 Mio RMAnleihe: 29,4 Mio RM
Personelle Verflechtung über: Friedrich Flick, Alfred Busch
Zu fast 100% im Besitz von Flick.

Erzbergbau und Hüttenbetrieb Göringwerke
Kapital: 560 Mio RMAnleihe: 25 Mio RM
Stärkste Persönlichkeit in den Göring-Werken war Hellmuth Roehnert, Aufsichtsratsmitglied der Dresdner Bank.

Röchling'sche Eisen- und Stahlwerke
Kapital: 36 Mio RMAnleihe (1936):15 Mio RM
(1943): 25 Mio RM

ELEKTROINDUSTRIE UND ENERGIEERZEUGUNG

Lech Elektrizitätswerke AG
Kapital: 40,5 Mio RMAnleihe: 5 Mio RM
20 Mio RM

Kontrolliert vom RWE (Rheinisch Westfälisches Elektrizitätswerk AG), das über Ernst Henke und Carl Goetz mit der Dresdner Bank verflochten war. Die Dresdner Bank war auch im Vorstand vertreten.

C. Lorenz AG (Telefonbau)
Kapital: 9,5 Mio RMAnleihe: 15 Mio RM
Personelle Verflechtung über: Alfred von Feronce von der Dresdner Bank, hier Aufsichtsratsvorsitzender; Emil Meyer Vorstandsmitglied beider Firmen

Rheinisch Westfälisches Elektrizitätswerk AG
Kapital: 246 Mio RMAnleihe: 25 Mio RM
Das RWE war das größte Energieversorgungsunternehmen in Deutschland.
Personelle Verflechtung über: Ernst Henke, Carl Goetz

SYNTHETISCHE TREIBSTOFFE

Braunkohle-Benzin AG
Kapital: 100 Mio RMAnleihe: 40 Mio RM
Fünf Vertreter der Bank hatten Spitzenpositionen in der Brabag: Fritz Kranefuß, Karl Rasche, Heinrich Schmidt, Friedrich Flick und Heinrich Koppenberg.

Gelsenberg-Benzin
Kapital: 50 Mio RMAnleihe: 55 Mio RM
Den Mehrheitsanteil hielt eine Tochtergesellschaft der Vereinigten Stahlwerke.

BERGBAU

Bergbau AG, Lothringen
Kapital: 20 Mio RMAnleihe 8 Mio RM
Ein Aktienanteil von 28% war im Besitz von Wintershall.
Personelle Verflechtung über: Gustav Overbeck, Heinrich Schmidt

Grube Leopold AG, Bitterfeld (AEG)
Kapital: 10,5 Mio RMAnleihe: 5,33 Mio RM
Die Dresdner Bank war mit der AEG über ihre Beteiligung an Gesfurel (Gesellschaft für Elektrische Unternehmungen) verbunden und personell verflochten über Friedrich Flick und August Goetz, den stellvertretenden Vorsitzenden des AEG-Aufsichtsrats.

KOHLE

Gelsenkirchener Bergwerke

Kapital: 200 Mio RM Anleihe: 130 Mio RM
Dies war die größte Unternehmenseinheit der Vereinigten Stahlwerke.

Die Dresdner Bank stellte den deutschen Industriegiganten immense Geldsummen zur Verfügung. Allein im Jahr 1941 bewilligte sie folgende große Kredite:
AEG
I.G. Farben-Komplex
Hermann Göring-Werke
Vereinigte Stahlwerke
Haniel-Konzern
Zentral-Textilien
Junkers
Flick
39 290 000 RM
34 838 000 RM
125 000 000 RM
39 000 000 RM
35 000 000 RM
31 000 000 RM
32 000 000 RM
38 553 000 RM
An Firmen, die von der Vierjahresplanbehörde
mit Rohstoffbeschaffung beauftragt waren
49 000 000 RM

Beweisstück 31 enthält eine Tabelle der 20 größten Kredite, die die Frankfurter Filiale in den Jahren 1934 - 1944 vergeben hat. Alle aufgeführten Darlehen gingen an Unternehmen im Einzugsgebiet dieser Filiale und nicht etwa an große nationale Firmen. Dennoch betragen sie im Durchschnitt ungefähr 500.000 Reichsmark, wobei das größte bei fast 9 Millionen Reichsmark liegt. Und das sind nur die Kredite einer der beinahe 350 Filialen dieser Großbank.

Eine der wichtigsten Kontrollmöglichkeiten, deren sich die Dresdner Bank bediente, bestand darin, Posten in den Firmen, denen sie Kredite oder Anleihen bewilligt hatte, mit ihren Aufsichtsrats- oder Vorstandsmitgliedern besetzen zu lassen.

Die Wirkungsweise dieser Methode wird am Beispiel eines Briefes (Beweisstück 32) deutlich, den die Flugzeuggesellschaft Henschel an Dr. Meyer von der Dresdner Bank schrieb, um ihn von seiner bevorstehenden Wahl in den Aufsichtsrat der Firma zu benachrichtigen. Seine Mitgliedschaft sollte jedoch nur bis zur Rückzahlung des Kredits in Höhe von 2,5 Millionen Reichsmark an die Bank bestehen.

Auf diesem Wege erhielt die Bank auch Informationen über industrielle und finanzielle Entwicklungen aus allen Wirtschaftsbereichen und konnte bestimmen oder zumindest beeinflussen, welche Richtung die hochintegrierte deutsche Wirtschaft einschlug.

Dieser Einfluß reichte allerdings weit über die Grenzen Deutschlands hinaus, da die Vertreter der Bank in zahlreichen Auslandsunternehmen Ämter innehatten und auch die deutschen Firmen, in denen sie vertreten waren, Auslandskontakte unterhielten. Zudem besaß die Dresdner Bank direkt oder über Mehrheitsanteile viele Kreditinstitute außerhalb Deutschlands, die ihrerseits über ein Netz von Filialen und Zweigstellen verfügten und innerhalb der Industrie ihrer Region ihre Interessen geltend machten. Der Verlauf der Verhandlungen, die die Dresdner Bank im Frühjahr 1938 mit dem Bevollmächtigten der Banque des Pays de l'Europe Centrale, Reuter, über den Kauf der Länderbank Wien, einer österreichischen Tochtergesellschaft der Banque des Pays de l'Europe Centrale, führte, lassen das Ausmaß ihrer Macht erkennen. In einer Verhandlungsphase ging es um die Entscheidung über Führungskräfte und Inhaber von Spitzenpositionen innerhalb der Unternehmen, die die Länderbank Wien kontrollierte. Durch den Erwerb der Länderbank erhielt die Dresdner Bank unumschränkte Vollmacht, diese Leute zu entlassen oder zu ersetzen (Beweisstück 32A).

Ein Auszug aus der Liste der Beteiligungen und personellen Unternehmensverflechtungen der Länderbank Wien vermittelt einen Eindruck von der Größe des Einflußbereichs, den die Dresdner Bank durch die Übernahme dieses Kreditinstituts in der österreichischen Industrie hinzugewann (Beweisstück 33).

Die Länderbank Wien war mit 30-40% an der Perlmooser Zementwerke AG beteiligt, deren Aktienkapital 19,5 Millionen Reichsmark und deren Aktiva 36 Millionen Reichsmark betrugen. Der Konzern besaß 16 Zweigwerke in ganz Österreich.

Ihr Anteil an den Papierfabriken Pötschmühle-Steyrermühl AG belief sich auf 25-30% des Aktienkapitals von insgesamt 12 Millionen Reichsmark. Das Unternehmen umfaßte 14 Betriebe, darunter Papierfabriken, Sulfat- und Elektrizitätswerke.

Direktor Wolzt, Länderbank, saß in den Aufsichtsräten folgender Firmen:

Zellwolle- und Papierfabrik Lenzing AG
Aktienkapital: 25 Mio RMAktiva: 41 382 341 RM

Litega Linoleum - Teppiche - Gardinen AG

Aktienkapital: 1,5 Mio RM

Allgemeine Elernentar-Versicherungs-AG
Aktienkapital: 6 Mio RMAktiva: 26 227 726 RM
Steirische Magnesit-Industrie AG
Aktienkapital: 2,4 Mio RMAktiva: 4 375 660 RM

Brucker Zuckerindustrie AG

Leykam-Josefsthal AG, Papierindustrie
Aktienkapital: 12 Mio RMAktiva: 31 641 120 RM
Kremenetzki AG, Glühlampenfabrik
Aktienkapital: 2,5 Mio RMAktiva: 10 479 226 RM

Direktor Wilhelm Lehr, Länderbank, saß in den Aufsichtsräten folgender Firmen:

Waagner-Biro AG (Stahlwerke)
Aktienkapital: 6,336 Mio RMAktiva: 25 435 292 RM

Gaskoks Vertriebs-Gesellschaft mbH
Pölser Zellulose AG
Aktienkapital: 5 Mio RMAktiva: 9 745 247 RM
Lihag, Landwirtschaftliche Industrie- und Handels AG

Direktor Adolf Warnecke, Länderbank, saß in den Aufsichtsräten folgender Firmen:

Papierfabriken Pötschmühle-Steyrermühl AG
Aktienkapital: 12 Mio RMAktiva: 11 504 025 RM
Vorarlberger Zementwerke Lorüns AG
Aktienkapital: 2 733 300 RMAktiva: 4 858 845 RM
Perlmooser Zementwerke AG
Aktienkapital: 19,48 Mio RMAktiva: 35 945 489 RM
Gaskoks-Vertriebs-Gesellschaft mbH Julius Meinl AG (Lebensmittelimport)
Aktienkapital: 8 Mio RMAktiva: 39 553 542 RM
Vereinigte Lederwerke Franz Schmitt AG
Aktienkapital: 1 Mio RMAktiva: 2 162 420 RM
Vereinigte Lederfabriken AG
Aktienkapital: 2 363 500 RMAktiva: 3 491 352 RM

Als die Dresdner Bank im Gefolge der deutschen Eroberungen weitere Banken und Niederlassungen übernahm, stieg proportional dazu auch die Zahl der Industriebetriebe, die sie in den besetzten Gebieten kontrollierte. Dr. Otto Schniewind, ehemaliger Leiter der Abteilung für Bankwesen im Reichswirtschaftsministerium, sagte aus:

    »Infolge der deutschen Expansion und der Besetzung fremder Gebiete erhielten die deutschen Banken die Gelegenheit, ausländisches Vermögen zu erwerben. Alle Großbanken machten von dieser Möglichkeit Gebrauch und übernahmen im Zuge der deutschen Besatzung Anteile an ausländischen Banken. Die Dresdner Bank hatte, wohl aufgrund ihrer ungewöhnlich engen Beziehungen zur Partei, in dieser Hinsicht größere Vorteile als die anderen Banken.« (Beweisstück 22)

Mit Hilfe der gleichen Mittel, die ihren Einfluß auf die deutsche Industrie sicherten, dehnte sie nun ihre Kontrolle auf die Wirtschaft der Länder aus, die die deutschen Truppen überrannt hatten.

1939, nach dem Einmarsch in die Tschechoslowakei, übernahm sie die BEB (Böhmische Escompte-Bank) in Prag. Zu den bedeutenderen Unternehmen, an denen sie beteiligt war und die nun in den Machtbereich der Dresdner Bank fielen, gehörten:

Elbekosteletzer Zuckerraffinerie AG, Prag
Aktienkapital: 10 Mio RMAktiva: 123 317 728 RM
Beteiligung: etwa 35%
Vereinigte Carborundum Electrit-Werke
Aktienkapital: 3,5 Mio RMAktiva: 8 270 209 RM
Beteiligung: etwa 40%
Königshofer Zementfabrik AG, Prag
Aktienkapital: 9,6 Mio RMAktiva: 20 501 632 RM
Beteiligung: etwa 20%
Poldihütte, Prag
Aktienkapital: 25 Mio RMAktiva: 79 417 490 RM
Beteiligung: etwa 9%
»Sphinx« Vereinigte Emaillewerke AG, Prag
Aktienkapital: 3,7 Mio RMAktiva: 9 391 898 RM
Beteiligung: etwa 40%
Zigarettenpapierfabrik Olleschau, Prag Aktienkapital: 3,5 Mio RM
Beteiligung: etwa 35-40%
Aktiengesellschaft für Spiritusindustrie, Prag
Aktienkapital: 2,4 Mio RMAktiva: 4 314 933 RM
Beteiligung: etwa 20-25%
Milchindustrie AG, Prag
Aktienkapital: 1,4 Mio RMAktiva: 3 682 891 RM
Beteiligung: etwa 20%
Brosche AG, Prag
Aktienkapital: 1,8 Mio RMAktiva: 6 963 086 RM
Beteiligung: etwa 20-25%
Holliner Spiritusfabrik, Prag
Aktienkapital: 1,26 Mio RMAktiva: 6 063 000 RM
Beteiligung: etwa 20-23%

Außerdem besaß die BEB zahlreiche personelle Verflechtungen zu verschiedenen tschechischen Industrieunternehmen, deren Reichweite sich an der folgenden Teilliste ablesen läßt:

»Direktor Novotny, BEB, Prag
    Elbekosteletzer Zuckerraffinerie AG
    Vereinigte Carborundum Elektrit-Werke (Chemikalien)
    Poldihütte, Prag
    Pilsener Aktienbrauerei
    Vereinigte Mährische Zuckerfabriken, Olmütz
    Melantrichverlag AG, Prag (Papier und Druck)
    Königshofer Zementfabrik AG, Prag
    AG für Spiritusindustrie, Prag
    Nordmährische Brauerei, Mähr. Schönberg
    Prager Eisenindustrie AG, Prag
    Moldavia Versicherungs AG, Prag
Direktor von Lüdinghausen, BEB, Prag
    Königshofer Zementfabrik AG, Prag
    »Sphinx« Vereinigte Emaillewerke AG, Prag
    Waffenwerke Brünn, Brünn
    Erste Brünner Maschinenfabrik AG, Brünn
    Berauner Textilwerke AG, Prag
    Skoda-Werke, Pilsen (Munition)
    Brosche AG, Spiritus-Industrie AG, Prag
    Ringhoffer Tatra Werke, Prag (Schwermetall und Maschinen)
    Milchindustrie AG, Prag
Direktor Dr. Hölzer, BEB, Prag
    Roth Kosteletzer Spinnerei AG, Prag
    Zigarettenpapierfabrik Olleschau, Prag
    Inwald Glaswarenfabrik, Prag
    Julius Meinl AG, Prag (Lebensmittel)
    Kolliner Spiritus AG, Prag
    Fanto Werke AG, Prag (Chemikalien)
    Berghütte, Prag
    Prag-Neusiedler Papierfabriken, Prag« (Beweisstück 34)

Diese sehr unvollständige Liste der personellen Verflechtungen, die die BEB in der Tschechoslowakei besaß, zeigt schon, welchen Machtzuwachs die Dresdner Bank innerhalb der tschechischen Industrie allein durch die Übernahme einer Bank erzielte.

Die BEB ist kein Einzelfall. Sie ist nur eines der zahlreichen Kreditinstitute, die die Dresdner Bank an sich brachte (Beweisstück 35) und mit deren Hilfe sie die Reichweite ihres Einflußbereichs auf die Wirtschaft der besetzten Gebiete in ganz Europa ausdehnte.

Ihr indirekter Einfluß ging sogar noch weiter, da die Führungskräfte der von ihr oder ihren Filialen kontrollierten Firmen wiederum in anderen Unternehmen Spitzenpositionen einnahmen, woraus sich ein dichtes Netz personeller Verflechtungen ergab, das ungeachtet aller politischen Grenzen ganze Wirtschaftssysteme durchzog und in alle Teile der Welt vordrang.

Aus: Ermittlungen gegen die Dresdner Bank - 1946 -, herausgegeben von Hans Magnus Enzensberger, verlegt bei Franz Greno, Nördlingen 1986.

Fortsetzung Kapitel VIII


 




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