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1994-12-01

Kommuniqué der Ministertagung des Nordatlantikrates

vom 1. Dezember 1994 in Brüssel

1.

Wir sind heute in Brüssel zum ersten Mal unter unserem
neuen Vorsitzenden und neuen Generalsekretär der Allianz,
Herrn Willy Claes, zusammengetroffen.  Wir haben die her-
ausragenden Leistungen des verstorbenen Generalsekretärs
Dr. Manfred Wörner gewürdigt, der dem Bündnis mit großer
Würde, Führungskraft und Weitblick gedient hat.

2.

Wir haben die Fortschritte bei der Umsetzung der Entschei-
dungen des NATO-Gipfels im Januar 1994 zur Kenntnis
genommen in bezug auf die Partnerschaft für den Frieden
(PfP), unsere volle Unterstützung für die Entwicklung der
Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsidentität sowie
für die Westeuropäische Sicherheits- und Verteidigungsiden-
tität sowie für die Westeuropäische Union, die Entwicklung
des Konzepts Alliierter Streitkräftekommandos (CJTF), unse-
ren Lösungsansatz zum Problem der Weiterverbreitung von
Massenvernichtungswaffen und ihrer Trägersysteme sowie die
Mittelmeerregion. Viel bleibt jedoch zu tun.

3.

Wir haben heute die essentielle Rolle erörtert, die die NATO
zur Festigung von Stabilität und Sicherheit in Europa weiter-
hin spielt. Die NATO ist seit jeher eine politische Gemein-
schaft von Staaten, verpflichtet der Förderung gemeinsamer
Werte und der Verteidigung gemeinsamer Interessen. Diese
und die Verteidigungsfähigkeiten der NATO sind das feste
Fundament, das es der Allianz ermöglicht, zu Stabilität und
Zusammenarbeit in ganz Europa beizutragen.  Eine starke
transatlantische Partnerschaft und eine weiterhin substantielle
Präsenz amerikanischer Streitkräfte in Europa, wie auf dem
Gipfeltreffen im Januar bekräftigt, sind von grundlegender
Bedeutung, nicht nur um die Kernfunktionen der Allianz zu
gewährleisten, sondern auch um unser Bündnis in die Lage zu
versetzen, zur Sicherheit in Europa wirksam beizutragen. Wir
setzen uns für die Fortsetzung des Anpassungsprozesses der
Allianz ein, der 1990 eingeleitet und auf dem Gipfeltreffen
vorangebracht wurde im Rahmen eines breitangelegten Ansat-
zes zum Aufbau politischer, militärischer und wirtschaftlicher
Stabilität für alle europäischen Länder. Wir werden uns wei-
terhin eng und in aller Offenheit mit allen unseren Partnern
über die Entwicklung der Sicherheitsarchitektur Europas
beraten.


4.

Die Bündnispartner haben bereits wichtige Schritte unternom-
men, um die Zusammenarbeit auszuweiten, und zwar durch
den Nordatlantischen Kooperationsrat (NAKR) und die
NATO-Gipfelentscheidungen vom Januar sowie die Initiative
der Partnerschaft für den Frieden.  Die Partnerschaft für den
Frieden entwickelt sich zu einem wichtigen Bestandteil
europäischer Sicherheit; sie ist Bindeglied zwischen der
NATO und ihren Partnern und bietet die Grundlage für
gemeinsames Handeln mit der Allianz zur Behandlung
gemeinsamer Sicherheitsprobleme.  Die aktive Beteiligung an
der Partnerschaft für den Frieden wird auch eine wichtige
Rolle im evolutionären Prozeß der NATO-Erweiterung
spielen.

Wir sind erfreut über den zügigen Fortschritt, der bis heute in
der Umsetzung der Partnerschaft für den Frieden erzielt wor-
den ist. 23 Länder haben sich der Partnerschaft bisher ange-
schlossen. Zehn individuelle Partnerschaftsprogramme sind
vereinbart worden; weitere stehen kurz vor dem Abschluß.  Die
Partnerschaftskoordinierungszelle in Mons ist voll arbeits-
fähig, die praktische Planungsarbeit ins angelaufen, insbeson-
dere zur Vorbereitung auf Partnerschaftsübungen im Jahre
1995.  Zusammen mit Bündnispartnern haben elf Partnerländer
bereits Verbindungsoffiziere bei ihr bestellt.  Vertreter der
Partnerländer haben ihre eigenen Arbeitsräume im neuen
Manfred-Wörner-Flügel beim NATO-Hauptquartier über-
nommen. Wir regen nachdrücklich die volle Beteiligung der
Partner im NATO-Hauptquartier wie auch in der Partner-
schaftskoordinierungszelle an.

Die drei Übungen, die im Herbst dieses Jahres im Rahmen der
Partnerschaft für den Frieden unter breiter Beteiligung durch
NATO-Staaten und Partnerländer stattfanden, haben eine
praktische militärische Zusammenarbeit eingeleitet, die unsere
gemeinsamen Fähigkeiten verbessern wird.  Wir werden unse-
ren Partnern morgen ein inhaltsreiches Übungsprogramm für
das nächste Jahr anbieten. Wir begrüßen und unterstützen die
große und wachsende Zahl von Übungen, die national im
Geiste der Partnerschaft für den Frieden ausgerichtet werden.  
Ebenso begrüßen und unterstützen wir einen Prozeß der Ver-
teidigungsplanung und -überprüfung im Rahmen der Partner-
schaft auf der Grundlage eines zweijährigen Planungszyklus,
durch den Interoperabilität gefördert und Transparenz zwi-
schen Bündnispartnem und Partnern erhöht wird. Wir laden
die Partner ein, sich ab Januar 1995 an einer ersten Runde
dieses Prozesses zu beteiligen.

Wir haben den Ständigen Rat, die Militärbehörden der NATO
sowie die Partnerschaftskoordinierungszelle ferner gebeten,
die Umsetzung der individuellen Partnerschaftsprogramme zu
beschleunigen.  Wir bekräftigen unsere Zusage, die erforder-
lichen Ressourcen bereitzustellen.  Dazu haben wir den Ständi-
gen Rat beauftragt zu untersuchen, wie die vorhandenen Res-
sourcen innerhalb der NATO-Haushalte jährlich am besten
zuzuteilen sind, um die Partnerschaft zu fördern; wir haben
ihn gebeten, uns auf unserem Frühjahrstreffen zu berichten.  
Wir haben auch die Bemühung von Bündnispartnern zur
Kenntnis genommen, substantielle bilaterale Unterstützung
zur Förderung von Partnerschaftszielen bereitzustellen, und
haben vereinbart, Informationen über unsere jeweiligen natio-
nalen Bemühungen untereinander auszutauschen, um die best-
mögliche Effizienz ihrer Verwendung sicherzustellen. Das
alles kann jedoch eigene Anstrengungen von Partnern nur
ergänzen, nicht aber die Kurz- und Langzeitplanung ersetzen,
die zur Finanzierung ihrer Teilnahme an der Partnerschaft für
den Frieden erforderlich ist.

5.

Unsere Staats- und Regierungschefs haben bekräftigt, daß die
Allianz, wie in Artikel 10 des Washingtoner Vertrags vorgese-
hen, für eine Mitgliedschaft anderer europäischer Staaten
offen bleibt, die in der Lage sind, die Prinzipien des Vertrags
zu fördern und zur Sicherheit des nordatlantischen Gebiets
beizutragen.  Wir erwarten und würden es begrüßen, wenn eine
NATO-Erweiterung demokratische Staaten im Osten von uns
erfassen würde, als Teil eines evolutionären Prozesses, unter
Berücksichtigung politischer und sicherheitspolitischer Ent-
wicklungen in ganz Europa.  Die Erweiterung würde, wenn sie
kommt, als Teil der Entwicklung einer breitangelegten
europäischen Sicherheitsarchitektur auf der Grundlage echter
Zusammenarbeit in ganz Europa sein. Sie würde niemanden
bedrohen und Stabilität und Sicherheit für ganz Europa
erhöhen. Die Erweiterung der NATO wird die Erweiterung der
Europäischen Union ergänzen, ein gleichlaufender Prozeß, der
auch seinerseits wesentlich dazu beiträgt, Sicherheit und Sta-
bilität auf die neuen Demokratien im Osten auszudehnen.

6.

Dementsprechend haben wir beschlossen, einen Prüfungspro-
zeß der Allianz einzuleiten, um das Wie der NATO-Erweite-
rung, die Prinzipien, die diesen Prozeß leiten sollen, und die
Auswirkungen der Mitgliedschaft festzustellen.  Dazu haben
wir den Ständigen Rat beauftragt, mit Beratung durch die
Militärbehörden eine umfassende Studie in Angriff zu neh-
men.  Dies schließt die Prüfung der Frage ein, wie die Partner-
schaft für den Frieden konkret zu diesem Prozeß beitragen
kann.  Wir werden die Ergebnisse unserer Beratungen interes-
sierten Partnern vor unserem nächsten Treffen in Brüssel mit-
teilen.  Wir werden den erreichten Fortschritt auf unserem
Frühjahrstreffen in den Niederlanden erörtern.

7.

Wir sind uns einig, daß es verfrüht ist, bereits jetzt den zeitli-
chen Rahmen für die Erweiterung oder die Frage zu erörtern,
welche Länder im einzelnen eingeladen werden sollen, sich
der Allianz anzuschließen.  Wir sind uns darüber hinaus einig,
daß die Erweiterung die Effizienz der Allianz stärken, zu Sta-
bilität und Sicherheit des gesamten euro-atlantischen Gebiets
beitragen und unser Ziel der Wahrung eines ungeteilten Euro-
pas fördern sollte. Sie sollte in einer Weise erfolgen, daß die
Fähigkeit der Allianz zur Durchführung ihrer Kernfunktionen
der kollektiven Verteidigung sowie zur Durchführung frie-
denserhaltender und anderer neuer Aufgaben erhalten bleibt
und die Grundsätze sowie Ziele des Washingtoner Vertrags
gewahrt bleiben. In diesem Zusammenhang rufen wir die
Präambel des Washingtoner Vertrags in Erinnerung:

Die Parteien dieses Vertrags bekräftigen erneut ihren
Glauben an die Ziele und Grundsätze der Satzung der
Vereinten Nationen und ihren Wunsch, mit allen Völkern
und allen Regierungen in Frieden zu leben. Sie sind ent-
schlossen, die Freiheit, das gemeinsame Erbe und die
Zivilisation ihrer Völker, die auf den Grundsätzen der
Demokratie, der Freiheit der Person und der Herrschaft
des Rechts beruhen, zu gewährleisten. Sie sind bestrebt,
die innere Festigkeit und das Wohlergehen im nordatlan-
tischen Gebiet zu fördern.  Sie sind entschlossen, ihre
Bemühungen für die gemeinsame Verteidigung und für
die Erhaltung des Friedens und der Sicherheit zu ver-
einigen.

Alle neuen Mitglieder der NATO werden Vollmitglieder der
Allianz sein, die die Rechte genießen und alle Verpflichtungen
aus der Mitgliedschaft übemehmen. Wir sind uns einig, daß
die Erweiterung, wenn sie erfolgt, von Fall zu Fall entschieden
wird und einige Länder sie möglicherweise früher erreichen
als andere.

8.

Wir bekräftigen unser Eintreten zur Festigung kooperativer
Sicherheitsstrukturen, die Länder in ganz Europa erfassen
können; wir stellen fest, daß die Erweiterung der NATO auch
in diesem Zusammenhang gesehen werden sollte. In diesem
Kontext möchten wir unseren Dialog weiterentwickeln und
unsere Beziehungen zu jedem unserer Partner festigen.  Nach-
dem wir gerade erst die Teilung Europas überwunden haben,
wollen wir keine neuen Trennlinien aufbrechen sehen. Wir
arbeiten hin auf eine Intensivierung der Beziehungen zwischen
der NATO und ihren Partnern, auf der Grundlage von Trans-
parenz und Gleichbehandlung. Das Recht der NATO, ihre
eigenen Entscheidungen in Eigenverantwortung und im Kon-
sens ihrer Mitglieder zu treffen, wird in keiner Weise berührt.

9.

Eine kooperative europäische Sicherheitsarchitektur erfordert
die aktive Beteiligung Rußlands. Wir bekräftigen unsere tat-
kräftige Unterstützung der politischen und wirtschaftlichen
Reformen in Rußland und begrüßen die beachtlichen Beiträge,
die Rußland zu Stabilität und Sicherheit in Europa über ein
breites Spektrum von Fragen zu leisten vermag.  Wir bekräftig-
ten auch unser Engagement zur Entwicklung einer weitrei-
chenden Beziehung, die der Größe, Bedeutung und den Fähig-
keiten Rußlands entspricht, innerhalb wie auch außerhalb der
Partnerschaft für den Frieden, auf der Grundlage gegenseitiger
Freundschaft und Achtung, zum Nutzen beider Seiten und sind
ermutigt durch den Fortschritt und die Planungen, die in den
verschiedenen Bereichen dieser Beziehung bereits erreicht
worden sind. Auch begrüßen wir ein erstes Programm für
Konsultationen und Zusammenarbeit zwischen der Allianz
und Rußland auf der Grundlage der auf dem Treffen des russi-
schen Außenministers A. Kosyrew mit dem NATO-Rat am
22. Juni 1994 vereinbarten Zusammenfassung der Ergebnisse
in den Bereichen, in denen Rußland einen einzigartigen und
besonders wichtigen Beitrag zu leisten vermag. In diesem
Zusammenhang und mit dem Ziel, Sicherheit in Europa und
weltweit zu erhöhen, schlagen wir vor, den Anlaß unserer
regelmäßigen Ministertagungen zu nutzen, um mit russischen
Ministern zusammenzutreffen, wann immer dies zweckdien-
lich ist. In demselben Sinne schlagen wir auch vor, daß unsere
Experten Schlüsselfragen als echte Partner erörtern. Wir
begrüßen den Abschluß des Abzugs russischer Truppen aus
Deutschland und den baltischen Staaten; er stellt einen bedeu-
tenden Beitrag zur Sicherheit dar und fördert die allgemeine
Stabilität in Europa.  Wir begrüßen auch die Vereinbarung zwi-
schen der Russischen Föderation und Moldau über den Abzug
der 14. Russischen Armee vom Territorium Moldaus.

10.

Wir messen der Entwicklung unserer Beziehung zur Ukraine
erhebliche Bedeutung bei.  Eine unabhängige, demokratische
und stabile Ukraine ist für die Sicherheit und Stabilität in
Europa von großer Bedeutung.  Wir sind erfreut, daß die Ukrai-
ne sich an den zwei Feldübungen im Rahmen der Partnerschaft
für den Frieden in Polen und in den Niederlanden beteiligt hat.  
Wir sehen dem Abschluß des individuellen Partnerschaftspro-
gramms der Ukraine entgegen.  Wir wollen unsere Zusammen-
arbeit mit der Ukraine noch weiterentwickeln.  Wir begrüßen
die Abstimmung des ukrainischen Parlaments für den Beitritt
der Ukraine zum NVV als einen grundlegenden Schritt, durch
den das Land in die Lage versetzt wird, dem Nichtverbrei-
tungsvertrag (NVV) als Nichtkernwaffenstaat beizutreten.

11.

Unser Treffen findet nur vier Tage vor dem KSZE-Gipfel in
Budapest statt, einer entscheidenden Möglichkeit, unserer
Vorstellung von einem einen und freien Europa näherzukom-
men. Wir werden einzeln und gemeinsam daran arbeiten,
sicherzustellen, daß die KSZE wirksam die wichtige Rolle
erfüllt, die ihr im Aufbau einer allumfassenden Sicherheits-
struktur zukommen sollte. Die Beschlüsse von Helsinki und
andere KSZE-Dokumente sind weiterhin die Grundlage unse-
rer gemeinsamen Ziele und Normen, und die KSZE definiert
die Werte wie auch die Ziele einer breiten Sicherheits- und
Kooperationsgemeinschaft. Die NATO respektiert und unter-
stützt die Prinzipien der KSZE. Die KSZE hat zweckdienliche
Verfahren zur Konfliktverhütung und präventiven Diplomatie
entwickelt, die die wichtige erste Linie für Bemühungen bie-
ten, die Grundursachen von Konflikten anzugehen. Viel Fort-
schritt in diese Richtung ist seit dem Helsinki-Gipfel im Jahre
1992 erzielt worden, aber die Herausforderungen sind seitdem
noch größer geworden.

12.

Als eine regionale Abmachung nach Kapitel VIII der Charta
der Vereinten Nationen sollte die KSZE eine Schlüsselrolle
zur Konfliktverhütung sowie Krisenbeherrschung und -beile-
gung in ihrem Gebiet spielen.  Gemäß Artikel 52 der Charta der
Vereinten Nationen sollten KSZE-Teilnehmerstaaten zunächst
jede Bemühung unternehmen, um örtliche Streitigkeiten durch
die KSZE friedlich beizulegen, bevor sie sie an den Sicher-
heitsrat der Vereinten Nationen herantragen. Wir unterstützen
die Ziele des bevorstehenden KSZE-Gipfels:

-    Bekräftigung unseres Engagements für die KSZE als das
     umfassende Forum für Konsultation und Kooperation in
     Europa;

-    Weitere Stärkung der Fähigkeiten der KSZE, auch zur Ent-
     scheidungsfindung, und ihrer Effizienz;

-    Annahme substantieller Vereinbarungen, die im Forum für
     Sicherheitskooperation erreicht worden sind: des Verhal-
     tenskodexes in Sicherheitsangelegenheiten, der Vereinba-
     rung über weltweiten Austausch militärischer Informatio-
     nen und die noch stärkere Konzentration auf Fragen der
     Nichtverbreitung, zusammen mit einer Weiterentwicklung
     des Wiener Dokuments über Vertrauensbildende Maßnah-
     men, was Rüstungskontrolle und kooperative Sicherheit
     einen gewaltigen Schritt voranbringen wird;

-    Weiterentwicklung der Fähigkeiten der KSZE zur
     Frühwarnung, Konfliktverhütung, Krisenbewältigung und
     Friedenserhaltung;

-    Bekräftigung und Stärkung der grundlegenden Rolle der
     KSZE zum Schutz der Menschenrechte und der Förderung
     demokratischer Institutionen;

-    Pflege gutnachbarlicher Beziehungen durch Abschluß
     bilateraler und regionaler Vereinbarungen zwischen und
     unter Teilnehmerstaaten; sowie

-    Erweiterung transparenter, wirksamer Rüstungskontrolle
     und Vertrauensbildender Maßnahmen im gesamten KSZE-
     Gebiet sowie auf regionaler Ebene.

Wir unterstützen uneingeschränkt die Aktivitäten der KSZE,
um eine friedliche Lösung des Konflikts in und um Berg-Kara-
bach zu erreichen.  Dies wird eine Gelegenheit sein, den politi-
schen Willen aller Teilnehmerstaaten unter Beweis zu stellen,
die KSZE-Prinzipien in die Praxis umzusetzen.

13.

Wir begrüßen den Erfolg des in Paris eingeleiteten Prozesses
für den Abschluß eines Stabilitätspaktes in Europa. Die Ein-
setzung von zwei "regionalen Tischen" hat den Fortschritt auf-
gezeigt, den Annäherung unter den europäischen Staaten mit
sich bringen kann. Diese Initiative leistet einen wesentlichen
Beitrag zu Stabilität auf unserem Kontinent. Wir empfehlen
die Fortführung dieser engen Zusammenarbeit zum Abschluß
des Stabilitätspakts in Europa als einen aktiven Beitrag zu gut-
nachbarlichen Beziehungen in Mittel- und Osteuropa.

14.

Wir begrüßen die Billigung durch den Ministerrat der WEU in
Noordwijk der vorläufigen Schlußfolgerungen zur Formulie-
rung der gemeinsamen europäischen Verteidigungspolitik, die
auch die Ergebnisse des Brüsseler NATO-Gipfels berücksich-
tigen. Wir begrüßen die Entscheidung der WEU, Überlegun-
gen über die neuen Sicherheitsgegebenheiten einzuleiten,
einschließlich des von Frankreich eingebrachten Vorschlags,
daß dies zur Erarbeitung eines Weißbuchs über europäische
Sicherheit führen sollte. Wir messen dem Prozeß der Zusam-
menarbeit, den die NATO und die WEU aufgenommen haben
und der auf die wirksame Umsetzung der Gipfelergebnisse
abzielt, große Bedeutung bei, besonders in bezug auf das Kon-
zept der Alliierten Streitkräftekommandos (CJTF) und die
Möglichkeit, der WEU Ressourcen und Fähigkeiten des Bünd-
nisses zur Verfügung zu stellen. Wir nehmen zur Kenntnis,
daß ein Bericht über Kriterien und Verfahren zur wirksamen
Nutzung der Alliierten Streitkräftekommandos (CJTF) von der
WEU erstellt worden ist und auf einem gemeinsamen Ratstref-
fen der NATO und der WEU am 29. Juni 1994 vorgelegt
wurde.

15.

Wir haben die Arbeit zur Kenntnis genommen, die zur Ent-
wicklung des Konzepts der Alliierten Streitkräftekommandos
(CJFr) geleistet worden ist. Dieses Konzept ist ein wesentli-
cher Teil der fortlaufenden Bemühung des Bündnisses, seine
Strukturen und Verfahren anzupassen und anzugleichen, um
die Aufträge der Allianz, einschließlich Friedenserhaltung,
wirksamer und flexibler durchführen zu können, um trennbare,
jedoch nicht getrennte militärische Fähigkeiten bereitzustel-
len, die durch die NATO oder die Westeuropäische Union
(WEU) genutzt werden können und um Operationen unter
Teilnahme von Nationen von außerhalb der Allianz zu erleich-
tern. Viel bleibt zu tun, um die Strukturen und Verfahren der
Allianz anzupassen und in diesem Zusammenhang das CJTF-
Konzept zu entwickeln sowie den Gesamtprozeß so zügig wie
erforderlich voranzubringen. Die Arbeit ist geleistet worden,
um dieses Konzept in Abstimmung mit der WEU im Detail zu
entwickeln, als ein Mittel zur Umsetzung der Bereitschaft des
Bündnisses, seine kollektiven Ressourcen auf der Grundlage
von Konsultationen im Nordatlantikrat für WEU-Operationen
zur Verfügung zu stellen. Wir haben den Ständigen Rat beauf-
tragt, seine Arbeit fortzuführen und Mittel und Wege zur Wei-
terentwicklung des CJTF-Konzepts zu prüfen, sobald ange-
zeigt auch durch Pilotversuche; wir erwarten einen Fort-
schrittsbericht auf unserem nächsten Treffen.

16.

Die Arbeit zur Gipfelinitiative gegen die Weiterverbreitung
von Massenvernichtungswaffen und ihrer Trägersysteme ist
durch die Einrichtung des gemeinsamen Proliferationsaus-
schusses (JCP) sowie zweier Expertengruppen, der Hoch-
rangigen Politisch-Militärischen Arbeitsgruppe für Prolifera-
tion (SGP) und der Hochrangigen Verteidigungspolitischen
Arbeitsgruppe für Proliferation (DGP), vorangebracht worden.  
Wir haben den Bericht der JCP über die von diesen Gruppen
geleistete Arbeit zur Kenntnis genommen, die auf den grund-
legenden Prinzipien des politischen Rahmens des Bündnisses
basiert, den wir auf unserem Treffen in Istanbul angenommen
und veröffentlicht haben. Wir begrüßen den Fortschritt, der
zur Intensivierung und Erweiterung der politischen und vertei-
digungspolitischen Bemühungen der NATO gegen Prolifera-
tion erzielt worden ist, die für die Allianz einer der größten
Gründe zur Besorgnis bleibt. Wir haben den Auftrag erteilt,
daß die Gruppen ihre vereinbarten Arbeitsprogramme weiter
umsetzen, um - ohne die in anderen Foren laufenden Arbeiten
zu ersetzen oder zu duplizieren - die Mittel zu untersuchen,
die zur Verfügung stehen, um die Weiterverbreitung zu ver-
hindern oder erforderlichenfalls auf sie reagieren zu können
und um die Verteidigungsvorkehrungen der NATO gegen Pro-
liferationsrisiken zu erleichtern. Wir erwarten einen weiteren
Fortschrittsbericht auf unserem nächsten Treffen im Mai. Wir
begrüßen die Konsultationen mit allen Kooperationspartnern
im NAKR-Rahmen und sehen Ad-hoc-Konsultationen mit
Rußland über die Weiterverbreitung von Massenvernichtungs-
waffen und ihrer Trägersysteme erwartungsvoll entgegen.

17.

Wir treten weiter uneingeschränkt für die unbefristete und
unkonditionierte Verlängerung des Vertrags über die Nicht-
verbreitung von Kernwaffen (NVV) auf der Verlängerungs-
und Überprüfungskonferenz im nächsten Jahr ein. Wir fordern
die anderen Vertragsstaaten hierzu ebenfalls eindringlich auf.  
Wir werden andere laufende Bemühungen weiter unterstützen,
um das internationale Nichtverbreitungssystem zu stärken.  In
diesem Zusammenhang fordern wir andere Staaten, die dem
Vertrag noch nicht beigetreten sind, eindringlich auf, dies
rechtzeitig vor der bevorstehenden NVV-Konferenz zu tun.  
Wir werden ebenfalls daran arbeiten, das Verifikationsregime
für den NVV zu stärken. In diesem Zusammenhang halten wir
den kürzlich zwischen den USA und der Demokratischen
Volksrepublik Korea "vereinbarten Rahmen" für einen Schritt,
um die Demokratische Volksrepublik Korea in volle Überein-
stimmung mit ihren Verpflichtungen aus dem NVV zu bringen
und für einen Beitrag zum Erhalt von Frieden und Stabilität in
der Region.

18.

Wir messen der uneingeschränkten Einhaltung und Erfüllung
aller Verpflichtungen aus bestehenden Abrüstungs- und
Rüstungskontrollvereinbarungen weiter besondere Bedeutung
bei. In diesem Zusammenhang begrüßen wir den erfolgreichen
Abschluß der zweiten Reduzierungsphase des KSE-Vertrags.  
Dieser Vertrag, der der Eckpfeiler für Sicherheit und Stabilität
in Europa bleibt, muß vollständig und strikt umgesetzt werden,
und seine Integrität muß erhalten bleiben. Der Prozeß der
Beseitigung ehemals sowjetischer Massenvernichtungswaffen
muß zügig weiter vorangebracht werden. Wir begrüßen den
von einigen Bündnispartnern dazu geleisteten Beitrag. Wir
messen der Verhandlung über einen weltweiten und verifizier-
baren umfassenden Teststoppvertrag große Bedeutung bei.  
Ebenfalls bedeutsam ist es, ein weltweites Verbot der Herstel-
lung von Spaltmaterial zu Waffenzwecken zu erreichen.  
Wesentliche Aufgaben sind unserer Ansicht nach weiterhin
das baldige Inkrafttreten des Übereinkommens über das Ver-
bot Chemischer Waffen und die Erarbeitung von Maßnahmen
zur Stärkung des Übereinkommens über das Verbot Biologi-
scher Waffen. Wir weisen auf die Bedeutung des Vertrags
über den Offenen Himmel zur Förderung von Offenheit und
Transparenz von Streitkräften und militärischen Aktivitäten
hin und erneuern unsere Hoffnung, daß alle Signatarstaaten,
die den Vertrag noch nicht ratifiziert haben, dies tun werden
und daß alle für das Inkrafttreten des Vertrags erforderlichen
Ratifikationsinstrumente zum frühestmöglichen Zeitpunkt
hinterlegt werden.

19.

Wir bekräftigen die Wichtigkeit, die wir Entwicklungen um
das Mittelmeer beimessen. Auf unserem Athener Treffen hat-
ten wir alle Anstrengungen zu Dialog und Zusammenarbeit
ermutigt, die die Festigung der Stabilität in dieser Region zum
Ziel haben. In diesem Zusammenhang begrüßen wir die vor
kurzem erzielten positiven Schritte im Friedensprozeß im
Nahen Osten, die helfen werden, die Hindernisse auf dem
Wege zu einer konstruktiveren Beziehung zwischen den Län-
dern der gesamten Region aus dem Wege zu räumen.  Auf dem
NATO-Gipfel im Januar wurde die (Überzeugung bekräftigt,
daß Sicherheit in Europa erheblich von der Sicherheit im Mit-
telmeer beeinflußt wird. Wie auf unserem Treffen in Istanbul
vereinbart, haben wir zur Förderung des Dialogs vorgeschla-
gene Maßnahmen geprüft und sind bereit, von Fall zu Fall
Kontakte zwischen der Allianz und nicht dem Bündnis
angehörenden Mittelmeerstaaten herzustellen, um zur Festi-
gung der regionalen Stabilität beizutragen. Wir erteilen dazu
dem Ständigen Rat den Auftrag, die Lage veiter zu überprü-
fen, die Detailfragen für den vorgeschlagenen Dialog zu erar-
beiten und geeignete erste Kontakte herzustellen.

20.

Wir bedauern die Fortdauer des Konfliktes in Bosnien, der
unendliches Leid zur Folge hat, zuletzt in und im Umfeld der
Schutzzone Bihac. Wir erneuern unsere kräftige Unterstützung
der anhaltenden Bemühungen der Völkergemeinschaft, ein-
schließlich der der Kontaktgruppe, in dem Versuch, der
Region den Frieden zu bringen. Wir sind weiterhin der
Ansicht, daß der Konflikt am Verhandlungstisch gelöst wer-
den muß. Wir fordern die bosnischen Serben und alle sie
unterstützenden Kräfte auf, ihre Offensive in Bihac zu be-
enden und fordern alle Parteien auf, einer Waffenruhe zuzu-
stimmen und diese einzuhalten und humanitäre Hilfe für die
belagerte Bevölkerung und ganz Bosnien-Herzegowina zuzu-
lassen. Die bosnischen Serben sollten unverzüglich und ohne
Bedingungen das VN-Personal freilassen, dem zur Zeit die
Bewegungsfreiheit versagt wird. Wir bekräftigen unsere Ver-
pflichtung, UNPROFOR Luftnahunterstützung bereitzustellen
und Luftstreitkräfte der NATO einzusetzen, in Übereinstim-
mung mit bestehenden Absprachen mit den UN. Wir werden
weiterhin zusammen mit der WEU die maritimen Operationen
zur Durchsetzung des Embargos in der Adria fortsetzen.  Wir
sind entschlossen, die Einheit und den Zusammenhalt der
Allianz in unserer Zusammenarbeit mit der Völkergemein-
schaft zu wahren, um eine gerechte und friedliche Lösung in
Bosnien und anderen Teilen des ehemaligen Jugoslawien zu
finden.

21.

Die Lage in Südkaukasus gibt weiterhin Grund zu besonderer
Besorgnis. Wir begrüßen den Waffenstillstand, der hergestellt
worden ist, aber dauerhafte friedliche und gerechte Lösungen
der anhaltenden Konflikte in der Region, besonders in und um
Berg-Karabach, können nur unter der Ägide der UN und durch
KSZE-Mechanismen erreicht werden. Wir hoffen, daß die
KSZE in der Lage sein wird, wirksam zum Friedensprozeß um
Berg-Karabach beizutragen, auch durch die Durchführung
einer multinationalen Friedensoperation der KSZE auf der
Grundlage der Prinzipien von Kapitel III des Helsinki-Doku-
ments 1992.

22.

Wir erneuern die Verurteilung des internationalen Terrorismus
durch die Allianz, wie auf dem NATO-Gipfel im Januar
erklärt.

23.

Wir bekräftigen unsere Verpflichtungen gegenüber den
gemeinsam finanzierten Programmen der Allianz.  Wir halten
diese Programme für entscheidende Elemente, auf denen unse-
re Militärstrukturen sich gründen, die essentielle operative
Fähigkeiten ermöglichen und den Zusammenhalt der Allianz
festigen. Wir haben dem Ständigen Rat den Auftrag erteilt,
unter Berücksichtigung der grundlegenden Überprüfung des
Militärhaushalts und der Überprüfung der Prioritäten des
Zivilhaushalts eine breitangelegte Untersuchung der Verfah-
ren und Strukturen für die Haushaltsführung der Allianz in
Angriff zu nehmen, um sicherzustellen, daß die entsprechen-
den Mittel auf die Programme gelenkt werden, die die höchste
Priorität tragen; wir erwarten einen ersten Bericht auf unserem
Frühjahrstreffen.

24.

Das Frühjahrstreffen 1995 des Nordatlantikrats auf Minister-
ebene findet im Mai in Noordwijk in den Niederlanden statt.
Quelle: Bulletin Nr. 114 vom 09.12.1994, S. 1037ff.




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