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1. Wir sind heute in Brüssel zum ersten Mal unter unserem neuen Vorsitzenden und neuen Generalsekretär der Allianz, Herrn Willy Claes, zusammengetroffen. Wir haben die her- ausragenden Leistungen des verstorbenen Generalsekretärs Dr. Manfred Wörner gewürdigt, der dem Bündnis mit großer Würde, Führungskraft und Weitblick gedient hat. 2. Wir haben die Fortschritte bei der Umsetzung der Entschei- dungen des NATO-Gipfels im Januar 1994 zur Kenntnis genommen in bezug auf die Partnerschaft für den Frieden (PfP), unsere volle Unterstützung für die Entwicklung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsidentität sowie für die Westeuropäische Sicherheits- und Verteidigungsiden- tität sowie für die Westeuropäische Union, die Entwicklung des Konzepts Alliierter Streitkräftekommandos (CJTF), unse- ren Lösungsansatz zum Problem der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen und ihrer Trägersysteme sowie die Mittelmeerregion. Viel bleibt jedoch zu tun. 3. Wir haben heute die essentielle Rolle erörtert, die die NATO zur Festigung von Stabilität und Sicherheit in Europa weiter- hin spielt. Die NATO ist seit jeher eine politische Gemein- schaft von Staaten, verpflichtet der Förderung gemeinsamer Werte und der Verteidigung gemeinsamer Interessen. Diese und die Verteidigungsfähigkeiten der NATO sind das feste Fundament, das es der Allianz ermöglicht, zu Stabilität und Zusammenarbeit in ganz Europa beizutragen. Eine starke transatlantische Partnerschaft und eine weiterhin substantielle Präsenz amerikanischer Streitkräfte in Europa, wie auf dem Gipfeltreffen im Januar bekräftigt, sind von grundlegender Bedeutung, nicht nur um die Kernfunktionen der Allianz zu gewährleisten, sondern auch um unser Bündnis in die Lage zu versetzen, zur Sicherheit in Europa wirksam beizutragen. Wir setzen uns für die Fortsetzung des Anpassungsprozesses der Allianz ein, der 1990 eingeleitet und auf dem Gipfeltreffen vorangebracht wurde im Rahmen eines breitangelegten Ansat- zes zum Aufbau politischer, militärischer und wirtschaftlicher Stabilität für alle europäischen Länder. Wir werden uns wei- terhin eng und in aller Offenheit mit allen unseren Partnern über die Entwicklung der Sicherheitsarchitektur Europas beraten. 4. Die Bündnispartner haben bereits wichtige Schritte unternom- men, um die Zusammenarbeit auszuweiten, und zwar durch den Nordatlantischen Kooperationsrat (NAKR) und die NATO-Gipfelentscheidungen vom Januar sowie die Initiative der Partnerschaft für den Frieden. Die Partnerschaft für den Frieden entwickelt sich zu einem wichtigen Bestandteil europäischer Sicherheit; sie ist Bindeglied zwischen der NATO und ihren Partnern und bietet die Grundlage für gemeinsames Handeln mit der Allianz zur Behandlung gemeinsamer Sicherheitsprobleme. Die aktive Beteiligung an der Partnerschaft für den Frieden wird auch eine wichtige Rolle im evolutionären Prozeß der NATO-Erweiterung spielen. Wir sind erfreut über den zügigen Fortschritt, der bis heute in der Umsetzung der Partnerschaft für den Frieden erzielt wor- den ist. 23 Länder haben sich der Partnerschaft bisher ange- schlossen. Zehn individuelle Partnerschaftsprogramme sind vereinbart worden; weitere stehen kurz vor dem Abschluß. Die Partnerschaftskoordinierungszelle in Mons ist voll arbeits- fähig, die praktische Planungsarbeit ins angelaufen, insbeson- dere zur Vorbereitung auf Partnerschaftsübungen im Jahre 1995. Zusammen mit Bündnispartnern haben elf Partnerländer bereits Verbindungsoffiziere bei ihr bestellt. Vertreter der Partnerländer haben ihre eigenen Arbeitsräume im neuen Manfred-Wörner-Flügel beim NATO-Hauptquartier über- nommen. Wir regen nachdrücklich die volle Beteiligung der Partner im NATO-Hauptquartier wie auch in der Partner- schaftskoordinierungszelle an. Die drei Übungen, die im Herbst dieses Jahres im Rahmen der Partnerschaft für den Frieden unter breiter Beteiligung durch NATO-Staaten und Partnerländer stattfanden, haben eine praktische militärische Zusammenarbeit eingeleitet, die unsere gemeinsamen Fähigkeiten verbessern wird. Wir werden unse- ren Partnern morgen ein inhaltsreiches Übungsprogramm für das nächste Jahr anbieten. Wir begrüßen und unterstützen die große und wachsende Zahl von Übungen, die national im Geiste der Partnerschaft für den Frieden ausgerichtet werden. Ebenso begrüßen und unterstützen wir einen Prozeß der Ver- teidigungsplanung und -überprüfung im Rahmen der Partner- schaft auf der Grundlage eines zweijährigen Planungszyklus, durch den Interoperabilität gefördert und Transparenz zwi- schen Bündnispartnem und Partnern erhöht wird. Wir laden die Partner ein, sich ab Januar 1995 an einer ersten Runde dieses Prozesses zu beteiligen. Wir haben den Ständigen Rat, die Militärbehörden der NATO sowie die Partnerschaftskoordinierungszelle ferner gebeten, die Umsetzung der individuellen Partnerschaftsprogramme zu beschleunigen. Wir bekräftigen unsere Zusage, die erforder- lichen Ressourcen bereitzustellen. Dazu haben wir den Ständi- gen Rat beauftragt zu untersuchen, wie die vorhandenen Res- sourcen innerhalb der NATO-Haushalte jährlich am besten zuzuteilen sind, um die Partnerschaft zu fördern; wir haben ihn gebeten, uns auf unserem Frühjahrstreffen zu berichten. Wir haben auch die Bemühung von Bündnispartnern zur Kenntnis genommen, substantielle bilaterale Unterstützung zur Förderung von Partnerschaftszielen bereitzustellen, und haben vereinbart, Informationen über unsere jeweiligen natio- nalen Bemühungen untereinander auszutauschen, um die best- mögliche Effizienz ihrer Verwendung sicherzustellen. Das alles kann jedoch eigene Anstrengungen von Partnern nur ergänzen, nicht aber die Kurz- und Langzeitplanung ersetzen, die zur Finanzierung ihrer Teilnahme an der Partnerschaft für den Frieden erforderlich ist. 5. Unsere Staats- und Regierungschefs haben bekräftigt, daß die Allianz, wie in Artikel 10 des Washingtoner Vertrags vorgese- hen, für eine Mitgliedschaft anderer europäischer Staaten offen bleibt, die in der Lage sind, die Prinzipien des Vertrags zu fördern und zur Sicherheit des nordatlantischen Gebiets beizutragen. Wir erwarten und würden es begrüßen, wenn eine NATO-Erweiterung demokratische Staaten im Osten von uns erfassen würde, als Teil eines evolutionären Prozesses, unter Berücksichtigung politischer und sicherheitspolitischer Ent- wicklungen in ganz Europa. Die Erweiterung würde, wenn sie kommt, als Teil der Entwicklung einer breitangelegten europäischen Sicherheitsarchitektur auf der Grundlage echter Zusammenarbeit in ganz Europa sein. Sie würde niemanden bedrohen und Stabilität und Sicherheit für ganz Europa erhöhen. Die Erweiterung der NATO wird die Erweiterung der Europäischen Union ergänzen, ein gleichlaufender Prozeß, der auch seinerseits wesentlich dazu beiträgt, Sicherheit und Sta- bilität auf die neuen Demokratien im Osten auszudehnen. 6. Dementsprechend haben wir beschlossen, einen Prüfungspro- zeß der Allianz einzuleiten, um das Wie der NATO-Erweite- rung, die Prinzipien, die diesen Prozeß leiten sollen, und die Auswirkungen der Mitgliedschaft festzustellen. Dazu haben wir den Ständigen Rat beauftragt, mit Beratung durch die Militärbehörden eine umfassende Studie in Angriff zu neh- men. Dies schließt die Prüfung der Frage ein, wie die Partner- schaft für den Frieden konkret zu diesem Prozeß beitragen kann. Wir werden die Ergebnisse unserer Beratungen interes- sierten Partnern vor unserem nächsten Treffen in Brüssel mit- teilen. Wir werden den erreichten Fortschritt auf unserem Frühjahrstreffen in den Niederlanden erörtern. 7. Wir sind uns einig, daß es verfrüht ist, bereits jetzt den zeitli- chen Rahmen für die Erweiterung oder die Frage zu erörtern, welche Länder im einzelnen eingeladen werden sollen, sich der Allianz anzuschließen. Wir sind uns darüber hinaus einig, daß die Erweiterung die Effizienz der Allianz stärken, zu Sta- bilität und Sicherheit des gesamten euro-atlantischen Gebiets beitragen und unser Ziel der Wahrung eines ungeteilten Euro- pas fördern sollte. Sie sollte in einer Weise erfolgen, daß die Fähigkeit der Allianz zur Durchführung ihrer Kernfunktionen der kollektiven Verteidigung sowie zur Durchführung frie- denserhaltender und anderer neuer Aufgaben erhalten bleibt und die Grundsätze sowie Ziele des Washingtoner Vertrags gewahrt bleiben. In diesem Zusammenhang rufen wir die Präambel des Washingtoner Vertrags in Erinnerung: Die Parteien dieses Vertrags bekräftigen erneut ihren Glauben an die Ziele und Grundsätze der Satzung der Vereinten Nationen und ihren Wunsch, mit allen Völkern und allen Regierungen in Frieden zu leben. Sie sind ent- schlossen, die Freiheit, das gemeinsame Erbe und die Zivilisation ihrer Völker, die auf den Grundsätzen der Demokratie, der Freiheit der Person und der Herrschaft des Rechts beruhen, zu gewährleisten. Sie sind bestrebt, die innere Festigkeit und das Wohlergehen im nordatlan- tischen Gebiet zu fördern. Sie sind entschlossen, ihre Bemühungen für die gemeinsame Verteidigung und für die Erhaltung des Friedens und der Sicherheit zu ver- einigen. Alle neuen Mitglieder der NATO werden Vollmitglieder der Allianz sein, die die Rechte genießen und alle Verpflichtungen aus der Mitgliedschaft übemehmen. Wir sind uns einig, daß die Erweiterung, wenn sie erfolgt, von Fall zu Fall entschieden wird und einige Länder sie möglicherweise früher erreichen als andere. 8. Wir bekräftigen unser Eintreten zur Festigung kooperativer Sicherheitsstrukturen, die Länder in ganz Europa erfassen können; wir stellen fest, daß die Erweiterung der NATO auch in diesem Zusammenhang gesehen werden sollte. In diesem Kontext möchten wir unseren Dialog weiterentwickeln und unsere Beziehungen zu jedem unserer Partner festigen. Nach- dem wir gerade erst die Teilung Europas überwunden haben, wollen wir keine neuen Trennlinien aufbrechen sehen. Wir arbeiten hin auf eine Intensivierung der Beziehungen zwischen der NATO und ihren Partnern, auf der Grundlage von Trans- parenz und Gleichbehandlung. Das Recht der NATO, ihre eigenen Entscheidungen in Eigenverantwortung und im Kon- sens ihrer Mitglieder zu treffen, wird in keiner Weise berührt. 9. Eine kooperative europäische Sicherheitsarchitektur erfordert die aktive Beteiligung Rußlands. Wir bekräftigen unsere tat- kräftige Unterstützung der politischen und wirtschaftlichen Reformen in Rußland und begrüßen die beachtlichen Beiträge, die Rußland zu Stabilität und Sicherheit in Europa über ein breites Spektrum von Fragen zu leisten vermag. Wir bekräftig- ten auch unser Engagement zur Entwicklung einer weitrei- chenden Beziehung, die der Größe, Bedeutung und den Fähig- keiten Rußlands entspricht, innerhalb wie auch außerhalb der Partnerschaft für den Frieden, auf der Grundlage gegenseitiger Freundschaft und Achtung, zum Nutzen beider Seiten und sind ermutigt durch den Fortschritt und die Planungen, die in den verschiedenen Bereichen dieser Beziehung bereits erreicht worden sind. Auch begrüßen wir ein erstes Programm für Konsultationen und Zusammenarbeit zwischen der Allianz und Rußland auf der Grundlage der auf dem Treffen des russi- schen Außenministers A. Kosyrew mit dem NATO-Rat am 22. Juni 1994 vereinbarten Zusammenfassung der Ergebnisse in den Bereichen, in denen Rußland einen einzigartigen und besonders wichtigen Beitrag zu leisten vermag. In diesem Zusammenhang und mit dem Ziel, Sicherheit in Europa und weltweit zu erhöhen, schlagen wir vor, den Anlaß unserer regelmäßigen Ministertagungen zu nutzen, um mit russischen Ministern zusammenzutreffen, wann immer dies zweckdien- lich ist. In demselben Sinne schlagen wir auch vor, daß unsere Experten Schlüsselfragen als echte Partner erörtern. Wir begrüßen den Abschluß des Abzugs russischer Truppen aus Deutschland und den baltischen Staaten; er stellt einen bedeu- tenden Beitrag zur Sicherheit dar und fördert die allgemeine Stabilität in Europa. Wir begrüßen auch die Vereinbarung zwi- schen der Russischen Föderation und Moldau über den Abzug der 14. Russischen Armee vom Territorium Moldaus. 10. Wir messen der Entwicklung unserer Beziehung zur Ukraine erhebliche Bedeutung bei. Eine unabhängige, demokratische und stabile Ukraine ist für die Sicherheit und Stabilität in Europa von großer Bedeutung. Wir sind erfreut, daß die Ukrai- ne sich an den zwei Feldübungen im Rahmen der Partnerschaft für den Frieden in Polen und in den Niederlanden beteiligt hat. Wir sehen dem Abschluß des individuellen Partnerschaftspro- gramms der Ukraine entgegen. Wir wollen unsere Zusammen- arbeit mit der Ukraine noch weiterentwickeln. Wir begrüßen die Abstimmung des ukrainischen Parlaments für den Beitritt der Ukraine zum NVV als einen grundlegenden Schritt, durch den das Land in die Lage versetzt wird, dem Nichtverbrei- tungsvertrag (NVV) als Nichtkernwaffenstaat beizutreten. 11. Unser Treffen findet nur vier Tage vor dem KSZE-Gipfel in Budapest statt, einer entscheidenden Möglichkeit, unserer Vorstellung von einem einen und freien Europa näherzukom- men. Wir werden einzeln und gemeinsam daran arbeiten, sicherzustellen, daß die KSZE wirksam die wichtige Rolle erfüllt, die ihr im Aufbau einer allumfassenden Sicherheits- struktur zukommen sollte. Die Beschlüsse von Helsinki und andere KSZE-Dokumente sind weiterhin die Grundlage unse- rer gemeinsamen Ziele und Normen, und die KSZE definiert die Werte wie auch die Ziele einer breiten Sicherheits- und Kooperationsgemeinschaft. Die NATO respektiert und unter- stützt die Prinzipien der KSZE. Die KSZE hat zweckdienliche Verfahren zur Konfliktverhütung und präventiven Diplomatie entwickelt, die die wichtige erste Linie für Bemühungen bie- ten, die Grundursachen von Konflikten anzugehen. Viel Fort- schritt in diese Richtung ist seit dem Helsinki-Gipfel im Jahre 1992 erzielt worden, aber die Herausforderungen sind seitdem noch größer geworden. 12. Als eine regionale Abmachung nach Kapitel VIII der Charta der Vereinten Nationen sollte die KSZE eine Schlüsselrolle zur Konfliktverhütung sowie Krisenbeherrschung und -beile- gung in ihrem Gebiet spielen. Gemäß Artikel 52 der Charta der Vereinten Nationen sollten KSZE-Teilnehmerstaaten zunächst jede Bemühung unternehmen, um örtliche Streitigkeiten durch die KSZE friedlich beizulegen, bevor sie sie an den Sicher- heitsrat der Vereinten Nationen herantragen. Wir unterstützen die Ziele des bevorstehenden KSZE-Gipfels: - Bekräftigung unseres Engagements für die KSZE als das umfassende Forum für Konsultation und Kooperation in Europa; - Weitere Stärkung der Fähigkeiten der KSZE, auch zur Ent- scheidungsfindung, und ihrer Effizienz; - Annahme substantieller Vereinbarungen, die im Forum für Sicherheitskooperation erreicht worden sind: des Verhal- tenskodexes in Sicherheitsangelegenheiten, der Vereinba- rung über weltweiten Austausch militärischer Informatio- nen und die noch stärkere Konzentration auf Fragen der Nichtverbreitung, zusammen mit einer Weiterentwicklung des Wiener Dokuments über Vertrauensbildende Maßnah- men, was Rüstungskontrolle und kooperative Sicherheit einen gewaltigen Schritt voranbringen wird; - Weiterentwicklung der Fähigkeiten der KSZE zur Frühwarnung, Konfliktverhütung, Krisenbewältigung und Friedenserhaltung; - Bekräftigung und Stärkung der grundlegenden Rolle der KSZE zum Schutz der Menschenrechte und der Förderung demokratischer Institutionen; - Pflege gutnachbarlicher Beziehungen durch Abschluß bilateraler und regionaler Vereinbarungen zwischen und unter Teilnehmerstaaten; sowie - Erweiterung transparenter, wirksamer Rüstungskontrolle und Vertrauensbildender Maßnahmen im gesamten KSZE- Gebiet sowie auf regionaler Ebene. Wir unterstützen uneingeschränkt die Aktivitäten der KSZE, um eine friedliche Lösung des Konflikts in und um Berg-Kara- bach zu erreichen. Dies wird eine Gelegenheit sein, den politi- schen Willen aller Teilnehmerstaaten unter Beweis zu stellen, die KSZE-Prinzipien in die Praxis umzusetzen. 13. Wir begrüßen den Erfolg des in Paris eingeleiteten Prozesses für den Abschluß eines Stabilitätspaktes in Europa. Die Ein- setzung von zwei "regionalen Tischen" hat den Fortschritt auf- gezeigt, den Annäherung unter den europäischen Staaten mit sich bringen kann. Diese Initiative leistet einen wesentlichen Beitrag zu Stabilität auf unserem Kontinent. Wir empfehlen die Fortführung dieser engen Zusammenarbeit zum Abschluß des Stabilitätspakts in Europa als einen aktiven Beitrag zu gut- nachbarlichen Beziehungen in Mittel- und Osteuropa. 14. Wir begrüßen die Billigung durch den Ministerrat der WEU in Noordwijk der vorläufigen Schlußfolgerungen zur Formulie- rung der gemeinsamen europäischen Verteidigungspolitik, die auch die Ergebnisse des Brüsseler NATO-Gipfels berücksich- tigen. Wir begrüßen die Entscheidung der WEU, Überlegun- gen über die neuen Sicherheitsgegebenheiten einzuleiten, einschließlich des von Frankreich eingebrachten Vorschlags, daß dies zur Erarbeitung eines Weißbuchs über europäische Sicherheit führen sollte. Wir messen dem Prozeß der Zusam- menarbeit, den die NATO und die WEU aufgenommen haben und der auf die wirksame Umsetzung der Gipfelergebnisse abzielt, große Bedeutung bei, besonders in bezug auf das Kon- zept der Alliierten Streitkräftekommandos (CJTF) und die Möglichkeit, der WEU Ressourcen und Fähigkeiten des Bünd- nisses zur Verfügung zu stellen. Wir nehmen zur Kenntnis, daß ein Bericht über Kriterien und Verfahren zur wirksamen Nutzung der Alliierten Streitkräftekommandos (CJTF) von der WEU erstellt worden ist und auf einem gemeinsamen Ratstref- fen der NATO und der WEU am 29. Juni 1994 vorgelegt wurde. 15. Wir haben die Arbeit zur Kenntnis genommen, die zur Ent- wicklung des Konzepts der Alliierten Streitkräftekommandos (CJFr) geleistet worden ist. Dieses Konzept ist ein wesentli- cher Teil der fortlaufenden Bemühung des Bündnisses, seine Strukturen und Verfahren anzupassen und anzugleichen, um die Aufträge der Allianz, einschließlich Friedenserhaltung, wirksamer und flexibler durchführen zu können, um trennbare, jedoch nicht getrennte militärische Fähigkeiten bereitzustel- len, die durch die NATO oder die Westeuropäische Union (WEU) genutzt werden können und um Operationen unter Teilnahme von Nationen von außerhalb der Allianz zu erleich- tern. Viel bleibt zu tun, um die Strukturen und Verfahren der Allianz anzupassen und in diesem Zusammenhang das CJTF- Konzept zu entwickeln sowie den Gesamtprozeß so zügig wie erforderlich voranzubringen. Die Arbeit ist geleistet worden, um dieses Konzept in Abstimmung mit der WEU im Detail zu entwickeln, als ein Mittel zur Umsetzung der Bereitschaft des Bündnisses, seine kollektiven Ressourcen auf der Grundlage von Konsultationen im Nordatlantikrat für WEU-Operationen zur Verfügung zu stellen. Wir haben den Ständigen Rat beauf- tragt, seine Arbeit fortzuführen und Mittel und Wege zur Wei- terentwicklung des CJTF-Konzepts zu prüfen, sobald ange- zeigt auch durch Pilotversuche; wir erwarten einen Fort- schrittsbericht auf unserem nächsten Treffen. 16. Die Arbeit zur Gipfelinitiative gegen die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen und ihrer Trägersysteme ist durch die Einrichtung des gemeinsamen Proliferationsaus- schusses (JCP) sowie zweier Expertengruppen, der Hoch- rangigen Politisch-Militärischen Arbeitsgruppe für Prolifera- tion (SGP) und der Hochrangigen Verteidigungspolitischen Arbeitsgruppe für Proliferation (DGP), vorangebracht worden. Wir haben den Bericht der JCP über die von diesen Gruppen geleistete Arbeit zur Kenntnis genommen, die auf den grund- legenden Prinzipien des politischen Rahmens des Bündnisses basiert, den wir auf unserem Treffen in Istanbul angenommen und veröffentlicht haben. Wir begrüßen den Fortschritt, der zur Intensivierung und Erweiterung der politischen und vertei- digungspolitischen Bemühungen der NATO gegen Prolifera- tion erzielt worden ist, die für die Allianz einer der größten Gründe zur Besorgnis bleibt. Wir haben den Auftrag erteilt, daß die Gruppen ihre vereinbarten Arbeitsprogramme weiter umsetzen, um - ohne die in anderen Foren laufenden Arbeiten zu ersetzen oder zu duplizieren - die Mittel zu untersuchen, die zur Verfügung stehen, um die Weiterverbreitung zu ver- hindern oder erforderlichenfalls auf sie reagieren zu können und um die Verteidigungsvorkehrungen der NATO gegen Pro- liferationsrisiken zu erleichtern. Wir erwarten einen weiteren Fortschrittsbericht auf unserem nächsten Treffen im Mai. Wir begrüßen die Konsultationen mit allen Kooperationspartnern im NAKR-Rahmen und sehen Ad-hoc-Konsultationen mit Rußland über die Weiterverbreitung von Massenvernichtungs- waffen und ihrer Trägersysteme erwartungsvoll entgegen. 17. Wir treten weiter uneingeschränkt für die unbefristete und unkonditionierte Verlängerung des Vertrags über die Nicht- verbreitung von Kernwaffen (NVV) auf der Verlängerungs- und Überprüfungskonferenz im nächsten Jahr ein. Wir fordern die anderen Vertragsstaaten hierzu ebenfalls eindringlich auf. Wir werden andere laufende Bemühungen weiter unterstützen, um das internationale Nichtverbreitungssystem zu stärken. In diesem Zusammenhang fordern wir andere Staaten, die dem Vertrag noch nicht beigetreten sind, eindringlich auf, dies rechtzeitig vor der bevorstehenden NVV-Konferenz zu tun. Wir werden ebenfalls daran arbeiten, das Verifikationsregime für den NVV zu stärken. In diesem Zusammenhang halten wir den kürzlich zwischen den USA und der Demokratischen Volksrepublik Korea "vereinbarten Rahmen" für einen Schritt, um die Demokratische Volksrepublik Korea in volle Überein- stimmung mit ihren Verpflichtungen aus dem NVV zu bringen und für einen Beitrag zum Erhalt von Frieden und Stabilität in der Region. 18. Wir messen der uneingeschränkten Einhaltung und Erfüllung aller Verpflichtungen aus bestehenden Abrüstungs- und Rüstungskontrollvereinbarungen weiter besondere Bedeutung bei. In diesem Zusammenhang begrüßen wir den erfolgreichen Abschluß der zweiten Reduzierungsphase des KSE-Vertrags. Dieser Vertrag, der der Eckpfeiler für Sicherheit und Stabilität in Europa bleibt, muß vollständig und strikt umgesetzt werden, und seine Integrität muß erhalten bleiben. Der Prozeß der Beseitigung ehemals sowjetischer Massenvernichtungswaffen muß zügig weiter vorangebracht werden. Wir begrüßen den von einigen Bündnispartnern dazu geleisteten Beitrag. Wir messen der Verhandlung über einen weltweiten und verifizier- baren umfassenden Teststoppvertrag große Bedeutung bei. Ebenfalls bedeutsam ist es, ein weltweites Verbot der Herstel- lung von Spaltmaterial zu Waffenzwecken zu erreichen. Wesentliche Aufgaben sind unserer Ansicht nach weiterhin das baldige Inkrafttreten des Übereinkommens über das Ver- bot Chemischer Waffen und die Erarbeitung von Maßnahmen zur Stärkung des Übereinkommens über das Verbot Biologi- scher Waffen. Wir weisen auf die Bedeutung des Vertrags über den Offenen Himmel zur Förderung von Offenheit und Transparenz von Streitkräften und militärischen Aktivitäten hin und erneuern unsere Hoffnung, daß alle Signatarstaaten, die den Vertrag noch nicht ratifiziert haben, dies tun werden und daß alle für das Inkrafttreten des Vertrags erforderlichen Ratifikationsinstrumente zum frühestmöglichen Zeitpunkt hinterlegt werden. 19. Wir bekräftigen die Wichtigkeit, die wir Entwicklungen um das Mittelmeer beimessen. Auf unserem Athener Treffen hat- ten wir alle Anstrengungen zu Dialog und Zusammenarbeit ermutigt, die die Festigung der Stabilität in dieser Region zum Ziel haben. In diesem Zusammenhang begrüßen wir die vor kurzem erzielten positiven Schritte im Friedensprozeß im Nahen Osten, die helfen werden, die Hindernisse auf dem Wege zu einer konstruktiveren Beziehung zwischen den Län- dern der gesamten Region aus dem Wege zu räumen. Auf dem NATO-Gipfel im Januar wurde die (Überzeugung bekräftigt, daß Sicherheit in Europa erheblich von der Sicherheit im Mit- telmeer beeinflußt wird. Wie auf unserem Treffen in Istanbul vereinbart, haben wir zur Förderung des Dialogs vorgeschla- gene Maßnahmen geprüft und sind bereit, von Fall zu Fall Kontakte zwischen der Allianz und nicht dem Bündnis angehörenden Mittelmeerstaaten herzustellen, um zur Festi- gung der regionalen Stabilität beizutragen. Wir erteilen dazu dem Ständigen Rat den Auftrag, die Lage veiter zu überprü- fen, die Detailfragen für den vorgeschlagenen Dialog zu erar- beiten und geeignete erste Kontakte herzustellen. 20. Wir bedauern die Fortdauer des Konfliktes in Bosnien, der unendliches Leid zur Folge hat, zuletzt in und im Umfeld der Schutzzone Bihac. Wir erneuern unsere kräftige Unterstützung der anhaltenden Bemühungen der Völkergemeinschaft, ein- schließlich der der Kontaktgruppe, in dem Versuch, der Region den Frieden zu bringen. Wir sind weiterhin der Ansicht, daß der Konflikt am Verhandlungstisch gelöst wer- den muß. Wir fordern die bosnischen Serben und alle sie unterstützenden Kräfte auf, ihre Offensive in Bihac zu be- enden und fordern alle Parteien auf, einer Waffenruhe zuzu- stimmen und diese einzuhalten und humanitäre Hilfe für die belagerte Bevölkerung und ganz Bosnien-Herzegowina zuzu- lassen. Die bosnischen Serben sollten unverzüglich und ohne Bedingungen das VN-Personal freilassen, dem zur Zeit die Bewegungsfreiheit versagt wird. Wir bekräftigen unsere Ver- pflichtung, UNPROFOR Luftnahunterstützung bereitzustellen und Luftstreitkräfte der NATO einzusetzen, in Übereinstim- mung mit bestehenden Absprachen mit den UN. Wir werden weiterhin zusammen mit der WEU die maritimen Operationen zur Durchsetzung des Embargos in der Adria fortsetzen. Wir sind entschlossen, die Einheit und den Zusammenhalt der Allianz in unserer Zusammenarbeit mit der Völkergemein- schaft zu wahren, um eine gerechte und friedliche Lösung in Bosnien und anderen Teilen des ehemaligen Jugoslawien zu finden. 21. Die Lage in Südkaukasus gibt weiterhin Grund zu besonderer Besorgnis. Wir begrüßen den Waffenstillstand, der hergestellt worden ist, aber dauerhafte friedliche und gerechte Lösungen der anhaltenden Konflikte in der Region, besonders in und um Berg-Karabach, können nur unter der Ägide der UN und durch KSZE-Mechanismen erreicht werden. Wir hoffen, daß die KSZE in der Lage sein wird, wirksam zum Friedensprozeß um Berg-Karabach beizutragen, auch durch die Durchführung einer multinationalen Friedensoperation der KSZE auf der Grundlage der Prinzipien von Kapitel III des Helsinki-Doku- ments 1992. 22. Wir erneuern die Verurteilung des internationalen Terrorismus durch die Allianz, wie auf dem NATO-Gipfel im Januar erklärt. 23. Wir bekräftigen unsere Verpflichtungen gegenüber den gemeinsam finanzierten Programmen der Allianz. Wir halten diese Programme für entscheidende Elemente, auf denen unse- re Militärstrukturen sich gründen, die essentielle operative Fähigkeiten ermöglichen und den Zusammenhalt der Allianz festigen. Wir haben dem Ständigen Rat den Auftrag erteilt, unter Berücksichtigung der grundlegenden Überprüfung des Militärhaushalts und der Überprüfung der Prioritäten des Zivilhaushalts eine breitangelegte Untersuchung der Verfah- ren und Strukturen für die Haushaltsführung der Allianz in Angriff zu nehmen, um sicherzustellen, daß die entsprechen- den Mittel auf die Programme gelenkt werden, die die höchste Priorität tragen; wir erwarten einen ersten Bericht auf unserem Frühjahrstreffen. 24. Das Frühjahrstreffen 1995 des Nordatlantikrats auf Minister- ebene findet im Mai in Noordwijk in den Niederlanden statt.Quelle: Bulletin Nr. 114 vom 09.12.1994, S. 1037ff.
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