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Auf ihrem Gipfeltreffen in London im vergangenen Juli legten unsere Staats-, und Regierungschefs unser Bündnis freier und demokratischer Staaten auf einen Anpassungsprozeß fest, angemessen den Veränderungen, die das Anlitz Europas gewandelt haben. Die von ihnen in Auftrag gegebene grundlegende Überprüfung der politischen und militärischen Bündnisstrategie wird auf allen Ebenen vorgenommen und nähert sich ihrem Abschluß. Unsere Staats- und Regierungschefs werden am 7. und 8. November 1991 in Rom zusammentreten, um diesen Prozeß zu Ende zu führen. Der mit der Londoner Erklärung eingeleitete Prozeß ist ein wichtiger Beitrag zur Stärkung der Stabilität und Sicherheit in einem freien Europa. Unsere Bemühungen, Stabilität in Frieden und Freiheit zu gewährleisten, werden die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Elemente der Sicherheit ebenso wie die unverzichtbare Verteidigungsdimension in Rechnung stellen. Das Bündnis, die EG, die WEU, die KSZE und der Europarat sind die wesentlichen Institutionen in diesem Bemühen. Unser höchstes Ziel, das uns leitet, ist die Schaffung einer gerechten und dauerhaften Friedensordnung in ganz Europa. In Verfolg dieses Zieles ist in jüngster Zeit viel erreicht worden. Nach Inkrafttreten des Vertrags über die Abschließende Regelung in bezug auf Deutschland nimmt das vereinte Deutschland zum ersten Mal an einer Ministertagung des Nordatlantikrats als voll souveräner Mitgliedstaat dieses Bündnisses teil. Wie wir in unserer gestern abgegebenen Erklärung festgestellt haben, ist die Teilung Europas überwunden. In Erfüllung der Verpflichtungen aus der Charta von Paris und der Gemeinsamen Erklärung der 22 Staaten, die im vergangenen November unterzeichnet wurden und nun immer größere Bedeutung erlangen, arbeiten wir mit der Sowjetunion und den anderen mittel- und osteuropäischen Staaten enger als je zuvor zusammen. Wir werden alles daransetzen, die bevorstehende KSZE-Außenministertagung in Berlin zu einem entscheidenden neuen Schritt in der Entwicklung des KSZE-Prozesses zu machen. In Anpassung an die neue Ära in Europa und in dem Bestreben, kooperative Sicherheitsstrukturen für das eine und freie Europa zu entwickeln, wird das Bündnis auch weiterhin seine ständigen grundlegenden Aufgaben erfüllen. Wir haben heute eine gesonderte E r k 1 ä r u n g mit den für das Bündnis maßgeblichen sicherheitspolitischen Kernfunktionen verabschiedet. Sie werden eine wesentliche Grundlage bilden, die die Verbündeten in die Lage versetzt, vollen Nutzen aus den sich beim Bau des neuen Europa bietenden Chancen zu ziehen. Eine umgewandelte Atlantische Allianz ist ein wesentliche Element in der neuen Architektur eines ungeteilten Europa, wir stimmen darin überein, daß die Allianz die Flexibilität haben muß, sich künftig so zu entwickeln, wie die Sicher- heitslage dies gebietet. Eine wichtige Grundlage für diese Umwandlung ist das Einvernehmen der Verbündeten, die Rolle und die Verantwortung der europäischen Bündnismitglieder zu stärken. Wir begrüßen die Bemühungen, im Prozeß der europäischen Integration die Sicherheitsdimension weiter zu stärken und erkennen die Bedeutung des Fortschritts an, den die Staaten der Europäischen Gemeinschaft auf dem Wege zum Ziel der Politischen Union gemacht haben, einschließlich der Entwicklung einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Diese beiden positiven Prozesse stärken sich gegenseitig. Die Entwicklung einer europäischen Sicherheitsidentität und Rolle in der Verteidigung, reflektiert in der Stärkung des europäischen Pfeilers im Bündnis, wird die Integrität und Wirksamkeit des Atlantischen Bündnisses verstärken. 2. Wir sind entschlossen, parallel zur Herausbildung und Entwicklung einer europäischen Sicherheitsidentität und Rolle in der Verteidigung die wesentliche transatlantische Bindung zu stärken, die das Bündnis gewährleistet, und in vollem Umfang die strategische Einheit und die Unteilbarkeit der Sicherheit aller unserer Mitgliedstaaten aufrechtzuerhalten. Die Allianz ist das wesentliche Forum für Konsultationen unter den Verbündeten und für die Vereinbarung von politischen Maßnahmen, die sich auf die Sicherheits- und Verteidigungsverpflichtungen ihrer Mitgliedstaaten nach dem Nordatlantikvertrag auswirken, wie in der diesem Kommunique beigefügten E r k l ä r u n g über die sicherheitspolitischen Kernfunktionen der NATO ausgesagt. Wir stimmen darin überein, daß die zur Gewährleistung der gemeinsamen Verteidigung der Verbündeten notwendigen militärischen Vorkehrungen aufrechterhalten werden müssen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der integrierten Militärstruktur für die Bündnisstaaten, die daran teilnehmen. 3. Wir sind uns darüber klar, daß es Sache der betreffenden europäischen Verbündeten ist, darüber zu entscheiden, welche Maßnahmen zur Formulierung einer gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik sowie Rolle in der Verteidigung erforderlich sind. Darüber hinaus sind wir uns einig, daß wir in dem Maße, in dem die beiden Prozesse sich entwickeln, praktische Vorkehrungen mit dem Ziel treffen werden, die gebotene Transparenz und Komplementarität zwischen der europäischen Sicherheits- und Verteidigungs- identität, so wie sie sich unter den Zwölf und in der WEU herausbildet, und dem Bündnis zu gewährleisten. Es wird insbesondere notwendig sein, geeignete Verbindungen und Konsultationsmechanismen zwischen ihnen einzurichten, um zu gewährleisten, daß die Mitgliedstaaten, die gegenwärtig nicht an der Entwicklung einer europäischen Identität zur Außen- und Sicherheitspolitik sowie Verteidigung teilnehmen, angemessen an ihre Sicherheit betreffenden Entscheidungen beteiligt werden. 4. Die Verbündeten sind davon überzeugt, daß Rüstungskontrolle und Vertrauensbildende Maßnahmen eine neue kooperative Ordnung in Europa, bei der kein Staat Befürchtungen bezüglich seiner Sicherheit hegen muß, auch künftig gestalten und festigen werden. Der KSE-Vertrag ist das Fundament einer solchen stabilen und dauerhaften Friedensordnung auf dem Kontinent. In unserer gestrigen gesonderten E r k 1 ä r u n g brachten wir unsere Hoffnung zum Ausdruck, daß eine verbindliche Übereinkunft erreicht werden kann, die Probleme zu lösen, die im Zusammenhang mit dem Vertrag entstanden sind, so daß seine baldige Ratifizierung, Inkraftsetzung und volle Anwendung möglich wird. Sobald diese Übereinkunft erzielt ist, wird uns das den Weg öffnen, in den laufenden KSE IA-Verhandlungen unverzüglich neue Vorschläge über Militärpersonal in Europa vorzulegen. In den VSBM-Verhandlungen werden wir darauf hinarbeiten, Offenheit und Stabilität weiter zu stärken. Im Bündnis schreiten die Arbeiten zur Vorbereitung neuer Verhandlungen über konventionelle Streitkräfte in Europa voran, Verhandlungen, die nach dem KSZE-Folgetreffen von Helsinki im Jahre 1992 vorgesehen sind und die allen KSZE-Mitgliedstaaten offenstehen. Wir erwarten informelle vorbereitende Konsultationen über dieses Thema mit unseren KSZE-Partnern im Herbst. 5. Die Verbündeten messen der frühest möglichen Verwirklichung eines Vertragswerks über `Offene Himmel' als wesentlichen Beitrag zur Transparenz zwischen allen Teilnehmerstaaten große Bedeutung bei. Wir haben kürzlich neue Vorschläge hier gemacht, und wir fordern alle Teilnehmer auf, gemeinsam mit uns rasch wieder ergebnisorientierte Verhandlungen aufzunehmen. 6. In den Verhandlungen über die Reduzierung strategischer Waffen (START) unterstützen die Verbündeten die Bemühungen der Vereinigten Staaten von Amerika, zu einer endgültigen Übereinkunft zu gelangen, die für die strategische Stabilität bis in das nächste Jahrhundert hinein einen Rahmen schaffen wird. Die Vorbereitungen der davon betroffenen Verbündeten für einen Rüstungskontrollrahmen für die amerikanisch-sowjetischen Verhandlungen über den Abbau ihrer Nuklearwaffen kürzerer Reichweite machen Fortschritte 7. Die Verbündeten arbeiten seit vielen Jahren daran, Fortschritte auf dem Gebiet der Nichtverbreitung und Abrüstung auf regionaler und weltweiter Grundlage zu beschleunigen. Die Golfkrise hat bewiesen, was wir schon seit langem erkannt haben: die Verbreitung nuklearer, chemischer und biologischer Waffen und als deren Träger geeignete Raketen wie auch übermäßige Lieferungen konventioneller Waffen untergraben die internationale Sicherheit und erhöhen das Risiko bewaffneter Konflikte, in aller Welt. Um dieser Herausforderung zu begegnen, bekennen wir uns erneut zur raschest möglichen Verwirklichung von Fortschritten in den mit spezifischen Verbreitungsproblemen befaßten internationalen Foren. Wir bejahen voll und ganz das Ziel, ein weltweites, umfassendes und wirksam verizierbares Übereinkommen über chemische Waffen bis Jahresmitte 1992 abzuschließen und unterstützen Präsident Bushs Initiative mit diesem Ziel vom 13. Mai. Auf der Dritten Überprüfungskonferenz zum B-Waffen-Übereinkommen kommen im September 1991 werden wir uns das Ziel setzen, dieses Übereinkommen zu stärken und zu weiteren Beitritten anzuregen. Wir werden uns in den Vereinten Nationen und anderen Organisationen nachdrücklich darum bemühen, das Problem übermäßiger Ansammlung konventioneller Waffen durch die Wahrung von Transparenz und Zurückhaltung in den Griff zu bekommen. Einige unserer führen den Politiker haben kürzlich Rüstungskontroll- und Nichtverbreitungsinitiativen vorgeschlagen, auch für den Nahen Osten. Diese Initiativen sind Ausdruck unseres Bekenntnisses zu den oben dargelegten Zielen. 8. Der Golfkonflikt bestätigte die Bedeutung von Konsultationen und Informationsaustausch im Bündnis, die zur Stärkung der politischen Solidarität unter den Verbündeten während der gesamten Krise beitrugen. Die kollektiv bekundete Unterstützung für den Verbündeten, der sich einer unmittelbaren Bedrohung gegenübersah, bewies unsere Entschlossenheit, zu unseren Verpflichtungen aus Artikel V des Nordatlantikvertrags zu stehen, und trug dazu bei, von einer Auswertung der Feindseligkeiten abzuschrecken. Obwohl das Bündnis selbst nicht am Golfkrieg beteiligt war, verschafften die seit langem geübte Zusammenarbeit, gemeinsame Verfahren, gemeinsame Verteidigungsvorkehrungen und die von der NATO aufgebaute Infrastruktur denjenigen Verbündeten wertvolle Hilfestellung, die in ihren jeweiligen Anstrengungen zur Unterstützung der UN-Sicherheitsrats-Entschließungen zum Golf von ihnen Gebrauch machten. 9. Mit Blick auf die Zukunft sind wir der Auffassung, daß gerechte und dauerhafte Lösungen der Probleme am Golf und im Nahen Osten dringend vonnöten sind. Wir unterstützen folglich die gegenwärtigen Bemühungen um umfassende Verhandlungslösungen der Probleme dieser Region. 10. Die Golfkrise unterstrich, daß wir in einer interdependenten, zunehmend von technologischen Fortschritten geprägten Welt darauf vorbereitet sein müssen, uns mit anderen unvorhersehbaren Entwicklungen auseinanderzusetzen, die über den Rahmen herkömmlicher Bündnisanliegen hinausgehen, sich jedoch unrüttelbar auf unsere Sicherheit auswirken. Mehr als je zuvor stellen weltweite, unsere Sicherheitsinteressen berührende Entwicklungen legitime Themen der Konsultation, und, wo erforderlich, der Koordination unter uns dar. Wir werden uns deshalb mit umfassenderen Problemen und neuen weltweiten Herausforderungen zunehmend auseinandersetzen müssen. Wir streben dieses in unseren Konsultationen und in den geeigneten multilateralen Foren in weitest möglicher Zusammenarbeit mit anderen Staaten an. 11. Wir sprechen Ihrer Majestät der Königin und der Regierung Dänemarks unseren tiefen Dank für die uns liebenswürdig währte Gastfreundschaft aus.
Erklärung: Die sicherheitspolitischen Kernfunktionen der NATO im neuen Europa
Der Zweck des Bündnisses Das wesentliche Ziel der Nordatlantischen Allianz, das im Vertrag von Washington niedergelegt und in der Londoner Erklärung bekräftigt wurde, besteht darin, die Freiheit und Sicherheit aller ihrer Mitglieder mit politischen und militärischen Mitteln im Einklang mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen zu gewährleisten. Auf der Grundlage der gemeinsamen Werte Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit wirkt das Bündnis seit seiner Gründung für die Schaffung einer gerechten und dau erhaften Friedensordnung in Europa. Dieses Bündnisziel bleibt unverändert. Das Wesen des Bündnisses Das Nordatlantische Bündnis verkörpert die transatlantische Bindung, die die Sicherheit Nordamerikas mit der Sicherheit Europas auf Dauer verknüpft. Es ist der konkrete Ausdruck wirksamen kollektiven Bemühens seiner Mitglieder um Förderung ihrer gemeinsamen Interessen. Grundlegendes Handlungsprinzip des Bündnisses sind gemeinsames Eintreten und allseitige Zusammenarbeit unter souveränen Staaten zur Festigung der Unteilbarkeit der Sicherheit aller seiner Mitglieder. Solidarität im Bündnis, der durch die tägliche Arbeit der NATO im politischen wie im militärischen Bereich Inhalt und Wirkung gegeben wird, bietet die Gewähr, daß kein einziger Verbündeter darauf angewiesen ist, sich bei der Bewältigung elementarer sicherheitspolitischer Herausforderungen allein auf seine eigenen nationalen Anstrengungen zu verlassen. Ohne den Mitgliedstaaten ihr Recht und ihre Pflicht abzusprechen, ihre souveräne Verantwortung im Verteidigungsbereich wahrnehmen, ermöglicht ihnen das Bündnis durch kollektives Bemühen, ihre Fähigkeit zur Verwirklichung ihrer entscheidenden nationalen sicherheitspolitischen Ziele zu stärken. Daraus erwächst, ungeachtet jeweils unterschiedlicher Gegebenheiten und nationaler militärischer Fähigkeiten, ein Gefühl gleicher Sicherheit der Bündnismitglieder. Dieses Gefühl trägt zur Gesamtstabilität in Europa und somit zu Schaffung von Bedingungen bei, die eine verstärkte Zusammenarbeit sowohl unter den Bündnismitgliedern als auch mit anderen Staaten fördern. Auf dieser Grundlage können die Bündnismitglieder, gemeinsam mit anderen Staaten, die Entwicklung kooperativer Sicherheitsstrukturen für das eine und freie Europa vorantreiben. Die grundlegenden Aufgaben des Bündnisses Zu den Mitteln, mit denen das Bündnis seine Sicherheitspolitik zur Wahrung des Friedens verfolgt, gehört auch künftig die Erhaltung militärischer Fähigkeiten, die zur Kriegsverhütung und zur Gewährleistung einer wirksamen Verteidigung ausreichen; dazu geh ört auch eine umfassende Fähigkeit, die Sicherheit seiner Mitglieder bedrohende Krisen erfolgreich zu bewältigen; dazu gehören ferner politische Anstrengungen, den Dialog mit anderen Staaten sowie die aktive Suche nach kooperativen Ansätzen in der europäischen Sicherheit einschließlich des Rüstungskontroll- und Abrüstungsbereichs zu fördern. Um sein wesentliches Ziel zu erreichen, nimmt das Bündnis die folgenden grundlegenden Sicherheitsaufgaben wahr: 1. Es bietet eines der unverzichtbaren Fundamente für ein stabiles sicherheitspolitisches Umfeld in Europa, gegründet auf dem Wachsen demokratischer Einrichtungen und auf dem Bekenntnis zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten, ein Europa, in dem kein Staat in der Lage ist, eine europäische Nation einzuschüchtern oder einem Zwang auszusetzen oder sich durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt die Vorherrschaft zu sichern. 2. Es dient gemäß Artikel IV des Nordatlantikvertrags als ein transatlantisches Forum für Konsultationen unter den Verbündeten über Fragen, die ihre vitalen Interessen einschließlich möglicher Entwicklungen berühren, die Risiken für die Sicherheit der Bündnismitglieder mit sich bringen, und als Forum für sachgerechte Koordinierung ihrer Bemühungen in Bereichen, die sie gemeinsam angehen. 3. Es schreckt von jeder Aggressionsdrohung und wehrt jeden Angriff gegen das Hoheitsgebiet eines NATO-Mitgliedstaates ab. 4. Es wahrt das strategische Gleichgewicht in Europa. Andere europäische Institutionen wie die EG, die WEU und die KSZE haben in diesen Bereichen ebenfalls Aufgaben zu erfüllen nach Maßgabe ihrer Zuständigkeit und Zielsetzung. Die Schaffung einer europäischen sicherheits- und verteidigungspolitischen Identität wird die Bereitschaft der Europäer unterstreichen, ein höheres Maß an Verantwortung für ihre Sicherheit zu übernehmen, und wird dazu beitragen, die transatlantische Solidarität zu stärken. Der Umfang seiner Mitgliedschaft und Fähigkeiten verleiht dem Bündnis jedoch eine, besondere Stellung, die es ihm ermöglicht, alle vier sicherheitspolitischen Kernfunktionen zu erfüllen. Die Allianz ist das wesentliche Forum für Konsultationen unter den Verbündeten und für die Vereinbarung von politischen Maßnahmen, die sich auf die Sicherheits- und Verteidigungsverpflichtungen ihrer Mitgliedstaaten nach dem Nordatlantik- vertrag auswirken. Mit der Formulierung der Kernfunktionen des Bündnisses im oben dargelegten Sinne bestätigen die Mitglied staaten, daß der Wirkungsbereich des Bündnisses wie auch ihre Rechte und Pflichten aus dem Nordatlantikvertrag unverändert bleiben.
Erklärung zu Mittel- und Osteuropa
Die langen Jahrzehnte europäischer Teilung sind vorbei. Wir begrüßen die beträchtliche Ausweitung von Kontakten des Bündnisses und seiner Mitglieder mit der Sowjetunion und den anderen mittel- und osteuropäischen Staaten, die die ihnen von den Staats- und Regierungschefs des Bündnisses im vergangenen Jahr in London zur Freundschaft gereichte Hand ergreifen. Wir begrüßen den Fortschritt der Völker dieser Staaten auf dem Wege zu politischer und wirtschaftlicher Reform. Wir wollen konstruktive Partnerschaften mit ihnen entwickeln, um Sicherheit und Stabilität, die die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Elemente der Sicherheit ebenso wie die unverzichtbare Verteidigungsdimension in Rechnung stellen, in einem freien und ungeteilten Europa weiter zu fördern. Präsident Gorbatschows Nobel-Preis-Rede in Oslo gestern stärkt uns in der Auffassung, daß dieses Ziel in Reichweite liegt. 2. Die Veränderungen in Europa seit 1989 haben die Sicherheit aller europäischen Staaten beträchtlich erhöht. Wir wäre Zeugen des Endes des Ost-West-Gegensatzes', von Fortschritten zur Demokratie und größeren Durchbrüchen bei der Rüstungskontrolle, der Billigung der Charta von Paris und der Unterzeichnung einer Gemeinsamen Erklärung vor 22 Staaten, deren fortdauernde Bedeutung wir unterstreichen. Wir stellen jedoch fest, daß einige Staaten noch Sicherheitsanliegen haben. Unsere Sicherheit ist mit der aller anderen europäischen Staaten untrennbar verknüpft. Die Festigung und Erhaltung demokratischer Gesellschaften auf dem gesamten Kontinent ohne jede Art von Zwang oder Einschüchterung sind daher von unmittelbarem und konkretem Interesse für uns ebenso wie für alle anderen KSZE-Staaten gemäß den Verpflichtung gen der Schlußakte von Helsinki und der Charta von Paris. Unsere gemeinsame Sicherheit kann am besten durch die Weiterentwicklung eines Geflechts ineinandergreifen- der Institutionen und Beziehungen gesichert werden, die eine umfassende Architektur bilden, deren wesentliche Elemente das Bündnis, der europäische Integrationsprozeß und die KSZE sind. Die sich herausbildenden Strukturen regionaler Zusammenarbeit werden auch wichtig sein. Im Einklang mit dem ausschließlich defensiven Charakter unseres Bündnisses werden wir weder einseitige Vorteile aus der gewandelten Lage in Europa zu ziehen suchen noch die legitimen Interessen irgendeines Staates gefährden, sondern unsere Bemühungen mit dem Ziel fortsetzen, allen Völkern Europas ein Leben in Frieden und Sicherheit zu gewährleisten. Wir wünschen kein Land zu isolieren, ebenso wenig wie eine neue Teilung des Kontinents. Unser Ziel ist es, zur Schaffung eines einen und freien Europa beizutragen. 4. Der KSZE-Prozeß und seine in Paris im vergangenen November geschaffenen Institutionen spielen beim Ausbau des Geflechts kooperativer Beziehungen in ganz Europa eine zentrale Rolle. Er bietet einen Rahmen, innerhalb dessen wir uns, sowohl als einzelne Verbündete als auch durch Institutionen einschließlich der Europäischen Gemeinschaft und des Europarats, aktiv um die Herstellung engerer Beziehungen mit den mittel- und osteuropäischen Staaten bemühen werden, die ihre demokratische Entwicklung vorantreiben. Die Verbündeten haben ein eindeutiges Interesse an der Einhaltung der Grundsätze und Bestimmungen der Schluß- akte von Helsinki und der Charta von Paris. Wir halten an der KSZE als politischem Prozeß fest. Bei seiner Entwicklung haben wir eine Schlüsselrolle gespielt, und unsere Kon- sultationen im Bündnis sind nach wie vor eine Quelle von Initiativen zur Stärkung der KSZE. 5. Wir sind entschlossen, zusammen mit den anderen KSZE- Teilnehmerstaaten daran zu arbeiten, das bevorstehende Treffen der KSZE-Außenminister in Berlin zu einem entscheidenden neuen Schritt auf dem Wege zur Stärkung der Rolle der KSZE- und zur Festigung ihrer neuen Institutionen zu machen, vor allem durch Verstärkung ihrer Verfahren zur politischen Konsultation. Wir werden insbesondere bestrebt sein, die Fähigkeit der KSZE zur Konfliktverhütung, Krisenbewältigung und friedlicher Beilegung von Streitigkeiten durch geeignete Mittel wie die Schaffung eines zweckmäßig strukturierten Krisenkonsultationsmechanismus und Stärkung des Konfliktverhütungs-Zentrums zu kräftigen. Wir arbeiten an der Architektur des neuen Europa, die fest auf den Grundsätzen und Bestimmungen der Schlußakte von Helsinki und der Charta von Paris ruht. 6. Wir werden auch künftig mit allen verfügbaren Mitteln die Reformen in den mittel- und osteuropäischen Staaten zur Schaffung demokratischer Regierungssysteme auf der Grundlage der Rechtsstaatlichkeit und der Achtung der Menschenrechte unterstützen ebenso wie die damit verbundenen Bemühungen zur Schaffung moderner, wettbewerbsfähiger Marktwirtschaften. Wir sind davon überzeugt, daß ungeachtet aller derzeitigen Übergangsbelastungen es ausschließlich gestützt auf diese Fundamente politischer und wirtschaftlicher Freiheit möglich ist, die berechtigten Bestrebungen der Völker dieser Länder zu erfüllen u nd schwerwiegende wirtschaftliche Ungleichgewichte allmählich abzubauen. Wir unterstützen auch das breite Spektrum bilateraler und regionaler Kontakte, Verträge und Programme, die sich zwischen unseren Staaten und den mittel- und osteuropäischen Staate n entwickeln, wie wir auch positive Entwicklungen in den Beziehungen zwischen diesen Staaten unterstützen. 7. Wir bekräftigen unseren Wunsch, daß im Zusammenhang mit der politischen und wirtschaftlichen Reform in diesen Staaten auftretende Schwierigkeiten friedlich und zur Zufriedenheit aller Beteiligten gelöst werden. In diesem Zusammenhang unterstützen wir die Erwartungen und berechtigten Bestrebungen der baltischen Völker. Wir appellieren an die sowjetischen Verantwortlichen, auch weiterhin durch Dialog und echte Verhandlungen mit den demokratisch gewählten Repräsentanten der drei Baltischen Republiken eine auf die Grundsätze der Schlußakte von Helsinki gestützte Verhandlungslösung anzustreben und fordern alte Beteiligten auf, Zurückhaltung zu üben. 8. Im Zusammenhang mit dem sich entwickelnden Geflecht, europäischer Sicherheitsbeziehungen begrüßen wir den Erfolg der von den Staats- und Regierungschefs des Bündnisses im vergangenen Jahr in London ergriffenen Initiative, regelmäßige diplomatische Verbindung mit den mittel- und osteuropäischen Staaten aufzunehmen. Diese Verbindung hat sich bei der Förderung neuer Formen eines konstruktiven Dialogs und freundschaftlicher Beziehungen als wertvoll erwiesen. Präsident Havels kürzliche Zusammenkunft mit dem Nordatlantikrat war ein bedeutendes Symbol für ein neues, ungeteiltes Europa, das im Entstehen begriffen ist. Wir erwarten künftige Besuche politischer Führer der Sowjetunion und der anderen mittel- und osteuropäischen Staaten. Um volles gegenseitiges Verständnis für die berechtigten Sicherheitsinteressen und die jeweilige Politik zu gewährleisten, beabsichtigen wir, unsere regelmäßige diplomatische Verbindung in dem in der Londoner Erklärung vorgegebenen Sinne in den Bereichen auszubauen, die für das Bündnis und seine neuen Partner von Interesse sind. Ebenso beabsichtigen wir, unser Programm für militärische Kontakte auf verschiedenen Ebenen zu intensivieren. Diese Bemühungen unterstreichen unsere Entschlossenheit, zur Entwicklung friedlicher und freundschaftlicher internationaler Beziehungen beizutragen im Einklang mit dem Geist von Artikel II des Nordatlantikvertrags. 9. Wir betrachten die Stärkung unserer Beziehungen mit diesen Staaten als einen sich über längere zeit erstreckenden Prozeß mit dem Ziel, sowohl beiderseitiges Sicherheitsgefühl als auch ständig engere Verbindungen zu fördern. Dabei wird das Bündnis zur Verwirklichung der Ziele der KSZE unter Wahrung ihrer Verantwortlichkeiten und Mechanismen beitragen. In Erfüllung unseres derzeitigen Programms für hochrangige politische Besuche und für regelmäßige diplomatische Verbindung sind wir entschlossen, von unseren Mitteln den bestmöglichen Gebrauch zu machen, um unserem Bekenntnis zu einer sich entwickelnden Sicherheitspartnerschaft durch Implementierung eines breiten Spektrums künftiger Initiativen Ausdruck zu verleihen, darunter: - Durchführung von Beamten- und Expertentreffen zum Austausch von Ansichten und Informationen über sicherheitspolitische Fragen, über Militärstrategien und -doktrinen und andere aktuelle Themen im Sicherheitsbereich wie z. B. Erfahrungsaustausch im Bereich der Rüstungskontrolle, der Nichtverbreitung und der Umstellung von Verteidigungsindustrien auf zivile Nutzung; - Intensivierte Militärkontakte zwischen höheren NATO-Dienststellen und den entsprechenden Stellen in den mittel- und osteuropäischen Staaten; Erörterungen mit Offizieren aus diesen Staaten im NATO-Hauptquartier, bei SHAPE und bei hohen NATO-Kommandobehörden über Angelegenheiten gemeinsamen Interesses; sowie Einladungen an Offiziere und Beamte aus diesen Staaten in NATO-Ausbildungseinrichtungen zu besonderen Informationsprogrammen, auch in Fragen, die mit der zivilen Kontrolle über den Verteidigungsbereich zusammenhängen; - Teilnahme mittel- und osteuropäischer Experten an bestimmten Bündnis-Veranstaltungen, einschließlich solcher im Zusammenhang mit den wissenschaftlichen und Umweltschutz-Programmen der "Dritten Dimension" der NATO, sowie Gedankenaustausch über Themen wie Luftraumüberwachung; - schrittweise Ausdehnung der NATO-Informationsprogramme in dieser Region, Unterstützung von Diskussionen über Sicherheitsfragen in einem demokratischen Kontekt in diesen Staaten sowie Einladungen an parlamentarische, erziehungswissenschaftliche und medientechnische Gruppen und Delegationen junger Führungskräfte zu einem Besuch des NATO-Hauptquartiers; Förderung intensiverer Kontakte zwischen den mittel- und osteuropäischen Parlamenten und der Nordatlantischen Versammlung, je nach Vereinbarung zwischen den betreffenden Parlamentariern. 10. Wir sind entschlossen, daß unser Bündnis auf dieser Grundlage einen substantiellen Beitrag zum Bau einer stabilen und dauerhaften Friedens- und Sicherheitsordnung in allen Staaten Europas leisten wird. Wir laden alle europäischen Staaten ein, dieses gemeinsame Ziel mit uns zu verwirklichen.
Erklärung zur Lösung der Probleme des Vertrags über Konventionelle Streitkräfte in Europa
1. Die Minister begrüßen mit tiefer Genugtuung die kürzlich von den Vereinigten Staaten von Amerika mit der Sowjetunion erzielten Ergebnisse zur Lösung der Probleme, die bezüglich des in Paris im vergangenen November unterzeichneten Vertrags über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE-) entstanden waren. Wir hoffen, daß die gegenwärtigen Erörterungen in Kürze zu einer verbindlichen Übereinkunft unter den 22 Vertragsparteien darüber führen werden, daß der Vertrag unversehrt gewahrt bleibt, so wie er ausgehandelt und unterzeichnet wurde. 2. Diese Übereinkunft wird sogleich nach ihrem Zustandekommen den Weg zu substantiellen Arbeiten in den KSE IA-Verhandlungen in Wien eröffnen und uns in die Lage versetzen, Verhandlungsvorschläge für Begrenzungen militärischen Personals in Europa noch in der gegenwärtigen Verhandlungsrunde einzuführen. 3. Der Vertrag ist ein Eckstein künftiger europäischer Sicherheit. Wir erwarten jetzt seine baldige Ratifizierung, Inkraftsetzung und volle Anwendung. 4. Mit diesem neuerlichen Impuls für den Rüstungskontrollprozeß hoffen wir auch, bald zu einem Einvernehmen über einen "Offene Himmel"-Vertrag zu gelangen, und wir erwarten, daß die Sowjetunion positiv auf die neuen Vorschläge der Verbündeten eingeht.
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