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1991-12-12

Kommunique der Ministertagung des Verteidigungs-Planausschusses

Am 12. und 13. Dezember 1991 in Brüssel

1.  Der Verteidigungs-Planungsausschuß der
Nordatlantikvertrags-Organisation trat am 12.  und 13.  Dezember in
Brüssel zu einer Ministertagung zusammen.



2.  Das Bündnis hat in den vergangenen achtzehn Monaten seit der
Londoner Erklärung einen weitreichenden Wandel vollzogen.  In
Anerkennung der grundlegenden Veränderungen im sicherheitspolitischen
Umfeld haben die Staats- und Regierungschefs des Bündnisses im
vergangenen Monat in Rom ein neues Strategisches Konzept gebilligt und
eine Erklärung über Frieden und Zusammenarbeit verabschiedet.  In
diesem Wandel hat die NATO eindeutig die Fähigkeit bewiesen, mit den
dramatischen Änderungen, die sie selbst mit in Gang gesetzt hat,
Schritt zu halten.

Auf unserer Tagung faßten wir eine Reihe wichtiger Beschlüsse über die
"Umsetzung des Strategischen Konzepts", über neue Streitkräfte- und
Kommandostrukturen sowie über Verstärkungsvorkehrungen (s.  S. 23)


3.  Die Gipfelerklärung von Rom enthält Vorschläge zum Ausbau unserer
Partnerschaft mit den Staaten Mittel- und Osteuropas einschließlich
Estlands, Lettlands und Litauens, deren kürzlich wiedergewonnene
Unabhängigkeit wir ausdrücklich begrüßen.  Auf der Grundlage dieser
Vorschläge und in Übereinstimmung mit den Zielsetzungen des
Nordatlantischen Kooperationsrates, der in der nächsten Woche zum
ersten Male tagen wird, haben wir, die Verteidigungsminister, unsere
Entschlossenheit unterstrichen, in diesem Zusammenhang unsere volle
Rolle zu spielen.  Die NATO hat in Fragen der Verteidigung,
einschließlich der Planung, Ausgestaltung und Umsetzung von
Verteidigungsprogrammen, der Erziehung und Ausbildung sowie der
demokratischen Kontrolle von Streitkräften, einen einzigartigen
Fundus von Erfahrungen und Sachkenntnis erworben, der für die
Regierungen Mittel- und Osteuropas von großem Wert sein könnte.  Wir
werden daher diese Erfahrung und Sachkenntnis allen am Liaison-Prozeß
beteiligten mittel- und osteuropäischen Staaten verfügbar machen.
Wir prüften, wie dies auf verschiedenen Ebenen bewirkt werden kann.
Unsere Streitkräfte werden zu diesem Prozeß durch Intensivierung der
Kontakte und durch guten Rat beitragen.


4.  Das neue Strategische Konzept des Bündnisses ist sichtbares
Zeichen der grundlegenden bedeutsamen Änderung von unserer bisherigen
Strategie. Es geht von einem breitangelegten sicherheitspolitischen
Ansatz aus, der seinen Ausdruck in den sich gegenseitig verstärkenden
Elementen Dialog, Kooperation und Wahrung einer wirksamen kollektiven
Verteidigungsfähigkeit findet. Das Konzept zielt darauf ab, die sich
aus der Verbesserung des sicherheitspolitischen Umfeldes ergebenden
Chancen im besten Sinne zu nutzen und mehren. Zugleich ist es die
gebotene Versicherung gegen mögliche Risiken, die aus vielen
Richtungen kommen und ihrer Natur nach vielgestaltig, sein können.
Wesentliche Merkmale der Strategie sind die Verhinderung und, wenn
nötig, Bewältigung von Krisen geworden, die die Sicherheit des
Bündnisses berühren.

5.  Das Strategische Konzept, als vereinbarte Grundlage für die
Streitkräfte aller Verbündeten und für die Weiterentwicklung unserer
Verteidigungspolitik, sollte auch die notwendige Komplementarität
zwischen dem gewandelten Bündnis und der sich im europäische n
Integrationsprozeß herausbildenden Verteidigungskomponente herstellen.
Die Ausbildung einer europäischen Sicherheitsidentität und Rolle in
der Verteidigung, reflektiert in der Stärkung des europäischen
Pfeilers im Bündnis, wird nicht nur den Interessen der europäischen
Staaten dienen, sondern auch die Integrität und Wirksamkeit des
Bündnisses insgesamt verstärken. Parallel dazu werden wir die
wesentliche, transatlantische Bindung ausbauen, die das Bündnis
gewährleistet, und die strategische Einheit un d die Unteilbarkeit der
Sicherheit aller unserer Mitgliedstaaten in vollem Umfang bewahren.
In diesem Zusammenhang bleibt eine bedeutsame Präsenz konventioneller
Sreitkräfte Nordamerikas sowie nuklearer Streitkräfte der Vereinigten
Staaten in Europa unve rzichtbar für die europäische Sicherheit.  In
dem Maße, in dem die Umgestaltung des Bündnisses fortschreitet, werden
wir den operationellen Verbund, auf dem unsere Verteidigung beruht,
wahren.

6.  Wir begrüßten die Übereinkunft des Europäischen Rates in
Maastricht über eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der
Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten, die in einer
längerfristigen Perspektive die Herausbildung einer gemeinsamen
Verteidig ungspolitik einschließt, welche zu gegebener Zeit zu einer
gemeinsamen Verteidigung führen könnte; eine Politik, die die
Verpflichtung der Mitgliedstaaten nach dem Nordatlantischen Vertrag
respektieren wird und die mit der gemeinsamen Sicherheits- und Ver
teidigungspolitik, die in jenem Rahmen herausgebildet wird, vereinbar
sein wird.

Wir begrüßten die Tatsache, daß die europäische Sicherheits- und
Verteidigungsidentität in einem allmählichen Prozeß aufeinander
aufbauender Phasen verfolgt wird, und daß die WEU als die
Verteidigungskomponente der Europäischen Union und als Mittel entwic
kelt wird, um den Europäischen Pfeiler im Atlantischen Bündnis zu
stärken. Wir begrüßten weiter, daß die WEU darauf eingestellt ist,
ihre engen Arbeitsbeziehungen mit dem Bündnis weiterzuentwickeln; daß
die WEU-Mitgliedstaaten ihre Rolle, Verantwortlichk eiten und Beiträge
im Bündnis stärken werden; und daß praktische Vorkehrungen entwickelt
werden, um die notwendige Transparenz und Komplementarität zwischen
der sich herausbildenden europäischen Sicherheits- und
Verteidigungsidentität und dem Bündnis zu gewährleisten, darin
eingeschlossen, daß allen europäischen Mitgliedern der Allianz die
Möglichkeit eingeräumt wird, an all ihren Aktivitäten teilzunehmen,
und daß alle NATO-Verbündeten in angemessener Weise an Entscheidungen
beteiligt werden, die ihre Sicherheit betreffen können.

7.  Mit Befriedigung haben wir von den deutlichen Fortschritten
Kenntnis genommen, die bei der Umgestaltung des
Verteidigungsdispositivs des Bündnisses erreicht wurden.  Wir
billigten detaillierte militärische Richtlinien für die militärische
Führung der NATO und ihrer Mitgliedstaaten zur Umsetzung des neuen
Strategischen Konzepts durch unsere Streitkräfteplanung und unser
Streitkräftedispositiv. Wir einigten uns auf Planungsvorgaben für die
neue Streitkräftestruktur des Bündnisses hinsichtlich der militäris
chen Konzeption, Organisation und Fähigkeiten. Im Rahmen unserer
jährlichen Überprüfung haben wir die Verteidigungspläne der
Mitgliedstaaten für den Zeitraum 1992 bis 1996 und darüber hinaus
untersucht, und wir sind zu dem Schluß gekommen, daß die derzeit
vorgesehene Gesamtplanung den künftigen Bündnisanforderungen generell
entspricht.

Die wichtigsten Änderungen im Streitkräftedispositiv, einschließlich
beträchtlicher, nach der neuen Strategie gebotener Reduzierungen des
Gesamtumfangs unserer Streitkräfte, sind bereits eingeleitet. Gute
Fortschritte wurden bei Identifizierung der erfor derlichen Beiträge
der Mitgliedstaaten zu den Reaktions-, Hauptverteidigungs- und Ver-
stärkungskräften - den drei Kategorien der neuen Streitkräftestruktur
erzielt.  Auch für die Aufstellung multinationaler Verbände innerhalb
dieser Struktur werden bereit s Pläne entwickelt.  Diese
multinationalen Streitkräfte und die Notwendigkeit größtmöglicher
Steigerung der Wirksamkeit der künftig kleineren Streitkräfte werden
besondere Anforderungen an Ausbildung, Übungen sowie die Fähigkeit zu
enger Zusammenarbeit st ellen.  Unsere Vorkehrungen für kollektive
Verteidigungsplanung, gestützt auf eine integrierte militärische
Struktur sowie auf Koordinierungsvereinbarungen, werden eine
Schlüsselrolle spielen, wenn es darum geht, die kostengünstigste
Erfüllung unserer gem einsamen Aufgaben sicherzustellen.

8.  Wir erörterten Vorschläge für eine neue NATO-Kommandostruktur, mit
dem Ziel, sie schlanker zu gestalten, im Umfang zu verringern und den
neuen Gegebenheiten anzupassen.  Als ersten wesentlichen Schritt haben
wir beschlossen, die Anzahl der Obersten NATO-Befehlshaber von drei
auf zwei, nämlich die Obersten Alliierten Befehlshaber Europa und
Atlantik, zu verringern.  Darüber hinaus haben wir entschieden, im
Alliierten Kommandobereich Europa künftig drei nachgeordnete
Oberbefehlshaber für den Süd-, Zentral- und Nordwestbereich
einzurichten, wobei die Führungsbeziehungen in den beiden letzteren
auf die Vorschläge der Studie gegründet werden, die wir auf unserer
Tagung in Taormina in Auftrag gegeben haben, Übereinstimmung besteht
bereits darüber, daß die detaillierte Planung für die Reorganisation
des Bereichs Europa-Mitte begonnen werden sollte und dabei unter
anderem die Verschmelzung der fünf heute dort bestehenden
nachgeordneten Kommandos zu zwei, nämlich eines für Land- und eines
für Luftstreitkräfte, ber ücksichtigen sollte.  Die Arbeiten zur
Weiterentwicklung der Vorschläge für die gesamte Struktur bis hinunter
zur PSC-Ebene und darunter, wo zutreffend, werden fortgesetzt,
einschließlich der finanziellen und zeitlichen Auswirkungen.


9.  Das Strategische Konzept unterstreicht die Wichtigkeit von
Verstärkungsmaßnahmen als Mittel der Allianz zu Konfliktverhütung,
Krisenbewältigung und Verteidigung. Wir billigten ein neues
Verstärkungskonzept der NATO. Es ist ein militärpolitisches Richtli-
niendokument für die Mitgliedstaaten und die militärischen und zivilen
NATO-Behörden, das zusätzliche Anleitung für einen flexiblen und
wirksamen Einsatz von Bündnisstreitkräften gibt.

10.  Der Prozeß der Umgestaltung unseres Verteidigungsdispositivs ist.
vielschichtig und dauert weiter an.  Wir erörterten bisherige
Fortschritte bei der Überprüfung unseres gemeinsamen finanzierten
Infrastrukturprogramms.  Damit soll gewährleistet werden, daß das
Programm und seine Umsetzung den Erfordernissen der neuen Strategie
sowie den neuen Streitkräfte- und Kommandostrukturen entsprechen. Wir
bekräftigten unsere Absicht, die fortlaufenden Bemühungen zur
Förderung der Rüstungszusammenarbeit zu unterstüt zen; insbesondere
billigten wir den ersten Plan für konventionelle Rüstung seit Bestehen
der NATO.  Wir nahmen Kenntnis von dem Fortgang der Arbeiten zur
Verbesserung der Bedingungen des Handels mit Verteidigungsgütern unter
den Verbündeten.  Wir überprüfen gegenwärtig unsere Vorkehrungen zur
Krisenbewältigung, um sicherzustellen, daß die Allianz den denkbaren
künftigen Risiken und Herausforderungen angemessen begegnen kann.


11.  Angesichts der fortdauernden Notwendigkeit für eine landgestützte
Präsenz von Jagdflugzeugen der NATO in der Südregion und in
Anerkennung der Beschränkungen, die die Finanzierung und damit die
Möglichkeit zum Bau des vorgesehenen Flugplatzes in Crotone ver-
hindern, haben wir die zuständigen NATO-Stellen angewiesen,
Alternativlösungen zu untersuchen, die unter Berücksichtigung des
neuen sicherheitspolitischen Umfeldes das Bündnis in die Lage
versetzen, seiner fortbestehenden Verpflichtung zur Erfüllung dies er
Notwendigkeit zu entsprechen.

12.  Unser neues Streitkräftedispositiv wird auch zukünftig von den
Grundsätzen der strategischen Einheit und kollektiven Verteidigung
bestimmt.  Ein wertvoller Beitrag zur Verbesserung der veralteten und
unbrauchbar werdenden Ausrüstung der griechischen, port ugiesischen
und türkischen Streitkräfte wird durch die gemeinsam finanzierte
Weitergabe von Ausrüstung geleistet werden, die als Folge der
geplanten Reduzierungen in Ausführung des KSE-Vertrages verfügbar
werden.  Diese Länder werden auch in Zukunft auf militärische Hilfe
angewiesen sein.

13.  Im Bereich der Rüstungskontrolle und Abrüstung messen wir einer
raschen Ratifizierung und Implementierung des KSE-Vertrags größte
Bedeutung bei.  Die Verbündeten haben aktiv und erfolgreich Einfluß
auf die KSE-IA-Verhandlungen genommen; sie haben Vorschläge zur
Begrenzung der Truppenstärken eingebracht.  Wir bleiben dem Bemühen
verpflichtet, in den VSBM- und "Open Skies"-Verhandlungen Ergebnisse
zu erzielen.  Die Verbundeten beabsichtigen in Helsinki - unter
Beteiligung aller KSZE-Staaten - einen kooperati ven Prozeß
voranzutreiben, um eine neue Qualität von Offenheit und Vertrauen zu
schaffen sowie Sicherheit und Stabilität auf dem niedrigstmöglichen,
mit den Verteidigungserfordernissen zu vereinbarenden
Streitkräfteniveau zu stärken.

14.  Wir erörterten die jüngsten Entwicklungen in der Sowjetunion und
den Republiken und appellieren an alle beteiligten Parteien den
Wandlungsprozeß friedlich zu gestalten.  Wir vertrauen darauf, daß in
diesem Prozeß die Republiken bei der Entwicklung einer gemeinsamen
Grundlage der Zusammenarbeit die internationalen
Sicherheitsverpflichtungen der Sowjetunion in vollem Umfange
respektieren, insbesondere diejenigen, die sich aus den
Rüstungskontrollvereinbarungen, vor allem aus den Verträgen über die
konventionellen Streitkräfte in Europa (KSE), die Reduzierung der
strategischen Waffen (START) und die Nuklearwaffen mittlerer
Reichweite (INF) ergeben.  Wir halten es für von höchster Bedeutung,
daß eine sichere, verantwortungsvolle,und zuverlässige Kontrolle nuk
learer Waffen in einer Hand sichergestellt ist. In dieser
lebenswichtigen Frage setzten wir unsere Erörterungen, die wir in
Taormina begonnen haben, fort und werden weiterhin eingehend und
zeitgerecht im Bündnis beraten.

15.  In unseren Erörterungen haben wir unserer tiefen Sorge über die
Vorgänge in Jugoslawien sowie unserer Unterstützung der Bemühungen der
Vereinten Nationen, der KSZE, der Europäischen Gemeinschaft und der
WEU urn Beilegung dieser Krise Ausdruck gegeben. Wir unterstreichen
den beträchtlichen Beitrag, der sowohl gemeinsam als auch einzeln von
Bündnispartnern zu diesen Bemühungen geleistet wird. Wir rufen
beteiligte Parteien auf, dem Konflikt ein Ende zu setzen.

16.  Unsere Tagung markiert einen weiteren wichtigen Schritt zur
Anpassung an das sich wandelnde Umfeld. Das Bündnis wird auch künftig
eine Schlüsselrolle beim Aufbau einer neuen, dauerhaften
Friedensordnung in Europa spielen. Wir sind auf dem Wege zu einem
Europa der Zusammenarbeit. Wir werden auch weiterhin - wo immer
möglich - konstruktive Schritte auf diesem Wege einleiten oder
unterstützen.

Auf unseren Erfolgen aufbauend und mit Blick auf die Herausforderungen
und Chancen der Zukunft, werden wir unsere Bemühungen in diesem Sinne
fortsetzen.  Die Erfolgsaussichten sind um so gewisser, als sie auf
politische Solidarität und wirksame kollektive Verteidigung innerhalb
des Bündnisses gegründet sind. Jüngste Krisen und Unwägbarkeiten
unterstreichen dieses Erfordernis.


Umsetzung des Strategischen Konzeptes der Allianz

1.  Dem Auftrag aus der Frühjahrstagung der Verteidigungsminister im
Mai 1990 und dem Londoner Gipfel entsprechend wurde eine Überprüfung
der Militärstrategie der NATO eingeleitet.  Auf dem Gipfel in Rom im
November 1991 verabschiedeten die sechzehn Staats- und
Regierungschefs die "Erklärung von Rom über Frieden und
Zusammenarbeit" sowie das "Strategische Konzept des Bündnisses".  Auf
der Grundlage dieses neuen Konzeptes hat die militärische Führung der
NATO detailliertere Richtlinien zur Umsetzung der Strate gie
erarbeitet.  Dieses Werk wurde heute durch die Verteidigungsminister
gebilligt.


2.  Das Dokument, zusammen mit anderen, das Strategische Konzept
ergänzenden Papieren, enthält ins einzelne gehende militärische
Richtlinien und bestimmt die dazugehörigen militärischen Forderungen,
um die Obersten NATO-Befehlshaber und die Mitgliedstaaten in die Lage
zu versetzen, Einsatzkonzepte und -Pläne sowie Streitkräfteund
Kommandostrukturen zu entwickeln.  In Übereinstimmung mit den im
Strategischen Konzept aufgestellten strategischen Richtlinien der
Allianz, den sicherheitspolitischen Herausforderung en und dem
breitangelegten sicherheitspolitischen Ansatz enthält es militärische,
mehr einsatzbezogene und detailliertere Vorgaben. Das Dokument
bestimmt die Forderungen an das Streitkräftedispositiv im Frieden, den
militärischen Beitrag zu Dialog und Ko operation, die Rolle der
Streitkräfte im Rahmen von Krisenbewältigung sowie die Forderungen an
eine wirksame Verteidigung.

3.  Innerhalb dieses Rahmens konzentriert sich das Dokument auf die
Mittel der Militärstrategie.  Es erläutert die spezifischen Merkmale
der künftigen Streitkräfte der NATO:

a) Die sicherheitspolitischen Herausforderungen der NATO sind jetzt
vielschichtig und kommen aus vielen Richtungen. Dies macht, zusammen
mit der Forderung nach Fähigkeit zur Gegenkonzentration, Flexibilität
und Mobilität zu grundlegenden Merkmalen der Militärstrategie der
NATO.  Flexibilität bedingt zeitgerechte und präzise
Nachrichtengewinnung und Aufklärung.  Ein Teil der Streitkräfte der
NATO muß hoch mobil sein.  Sie müssen durch entsprechende Vorkehrungen
in den Bereichen Transport, Logistik und Infrastruktur unterstützt
werden.

b) Die NATO wird sich zunehmend auf multinationale Verbände abstützen.
Multinationale Verbände der Landstreitkräfte sind im Normalfall Korps,
zusammengesetzt aus nationalen Divisionen oder Brigaden, aber auch
spezialisierte kleinere Verbände.  Multinationale Seestreitkräfte
werden normalerweise regional gebildet und setzen sich aus nationalen
Schiffseinheiten zusammen, Einsatz und Verlegung innerhalb des
Allianzgebietes sind jedoch nicht auf eine bestimmte Region begrenzt.
Die Luftstreitkräfte bilden bzw. unterstützen multinationale
Verbände.  Der wirksame Einsatz multinationaler Kräfte wird die
Anforderungen an die Fähigkeit zur Zusammenarbeit erhöhen.
Multinationale Verbände sind komplexe Formationen, die herausragende

Anforderungen an Ausbildung, Übungen und Unterstützung stellen, wenn
eine wirksame Einsatzfähigkeit geschaffen werden soll.

4.  Das Dokument beschreibt ebenfalls die Fähigkeit zum
Streitkräfteaufwuchs durch Verstärkung, Mobilmachung und Aufbau
zusätzlicher Streitkräfte. Die NATO benötigt bei Notlagen, denen
nicht mit den ursprünglich eingesetzten Kräften begegnet werden kann,
die Mittel, um ihr Kräftedispositiv in jeder Region des Bündnisses wie
auch NATOweit zu vergrößern und zu verbessern. Die Fähigkeit für
einen solchen Streitkräfteaufwuchs muß im Verhältnis zu möglichen
Bedrohungen der Sicherheit des Bündnisses sein. Dies s chließt das
Risiko einer größeren Auseinandersetzung ein, die, obschon
unwahrscheinlich, vernünftigerweise nicht auszuschließen ist.

5.  Dic Land-, See- und Luftstreitkräfte der NATO werden im Frieden so
disloziert, daß sie eine hinreichende und sichtbare militärische
Präsenz im gesamten Bündnisgebiet darstellen. Sie müssen über
angemessene Bereitschaft und Ausbildung verfügen, eine Fähig keit zur
Abwehr von Flugkörperangriffen besitzen und allesamt zum Einsatz im
Verbund und in gegenseitiger Unterstützung befähigt sein.  Die
Streitkräftestruktur der NATO wird drei Hauptgruppen umfassen:
Hauptverteidigungs-, Reaktions- und Verstärkungskräfte.

6.  Innerhalb der durch das Strategische Konzept gesetzten
Rahmenrichtlinien für die Nuklearstreitkräfte enthält das Dokument
eine stärker ins einzelne gehende Darstellung der Struktur, Führung
und Überwachung dieser Kräfte.  Dabei ist bestimmend, daß ein nuk
learer Einsatz sehr unwahrscheinlich ist. Es wird die Struktur der
nuklearen Streitkräfte des Bündnisses beschrieben, die erforderlich
ist, um die Fähigkeit, Solidarität und das gemeinsame Bekenntnis zur
Kriegsverhinderung zu unterstreichen durch fortges etzte breite
Teilhabe europäischer Bündnispartner an nuklearen Aufgaben, an der
Stationierung von Nuklearstreitkräften auf ihrem Hoheitsgebiet im
Frieden und an Führungs-, Überwachungs- und Konsultationsvorkehrungen.
- Darüber hinaus werden die Merkmale beschrieben, einschließlich
angemessener Flexibilität und Überlebensfähigkeit, die diese Kräfte
besitzen müssen, damit sie als glaubwürdiges und wirksames Element der
Strategie der Bündnispartner zur Kriegsverhinderung verstanden
werden.  Planungsgrundsätze für die Obersten NATO-Befehlshaber werden
aufgestellt, und die Notwendigkeit, flexibel planen zu können, wird
unterstrichen.  Unter allen Bedingungen wird die politische Kontrolle
dieser Streitkräfte auch weiterhin sichergestellt.

7.  Weitere Voraussetzungen sind: eine anpassungsfähige und robuste
Führungs- und Fernmeldeorganisation; Schutz der Streitkräfte und ihrer
Bewegungen, ihrer Verbindungslinien und des NATO-Luftraums; Ausbildung
und Übungen, die insbesondere auf flexiblen und mobilen Einsatz
ausgerichtet sind.  Schließlich werden die Anforderungen des
Bündnisses an die Unterstützungsstruktur beschrieben, darin
eingeschlossen Logistik, Infrastruktur, Technologie,
zivil-militärische Zusammenarbeit, wirksame Rüstungszusammenarbeit im
Bündnis tind eine verteidigungsindustrielle Basis. Die Streitkräfte
der NATO benötigen flexible logistische Unterstützung, einschließlich
der Unterstützung durch die aufnehmenden Staaten, um den
strategischen und operativen Anforderungen zu genügen.

8.  Ausgehend von diesen Forderungen legt das Dokument 1
Hauptaufgabenfelder als Grundlage für die Harmonisierung nationaler
Verteidigungsplanung, für die Festlegung von Prioritäten in der
langfristigen Planung und für die Umsetzung in nachgeordnete Pläne und
Konzepte durch die Obersten NATO-Befehlshaber fest. Diese
Hauptaufgabenfelder sind:

(a) Bewahrung eines angemessenen Streitkräftedispositivs im Frieden

(b) Beitrag zur Informationsgewinnung und Lagebeurteilung

(c) Militärischer Beitrag zu Kooperation und Dialog

(d) Militärische Unterstützung bei Krisenbewältigung

(e) Fähigkeit zu unmittelbarer Reaktion auf Angriffe

(f) Streitkräfteaufwuchs, darin Verstärkung, Mobilmachung und Aufbau
    zusätzlicher Kräfte

(g) Erhaltung und Schutz der Land-, Luft- und Seeverbindungslinien des
    Bündnisses

(h) Herstellung und Bewahrung der Kontrolle über Seegebiete

(i) Fähigkeit zum Einsatz maritimer Machtmittel

(j) Herstellung und Bewahrung einer günstigen Luftlage

(k) Schutz rückwärtiger Gebiete und Unterstützung

(l) Durchhaltefähigkeit der Streitkräfte

(m) Abwehr angreifender Landstreitkräfte und Wiederherstellung der
    territorialen Integrität der Bündnispartner

(n) Nukleare Fähigkeiten

9.  Wie im Strategischen Konzept des Bündnisses festgestellt, wird die
Strategie der NATO auch künftig die Flexibilität aufweisen, die es
erlaubt, künftige Entwicklungen im militärpolitischen Umfeld, darunter
auch die auf dem Weg zu einer europäischen Sicherh eitsidentität
erzielten Fortschritte, sowie alle Veränderungen der Risiken für die
Bündnissicherheit zu berücksichtigen.

10.  Das Dokument betrifft nur die Bündnispartner, die sich an der
gemeinsamen Verteidigungsplanung beteiligen.

Quelle: Bulletin 19. Dezember 1991 Nr. 144




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