1999-02-22
Deutscher Bundestag: Drucksache 14/397 vom 22.02.1999
Antrag
der Bundesregierung
Deutsche Beteiligung an der militärischen Umsetzung eines Rambouillet-
Abkommens für den Kosovo sowie an NATO-Operationen im Rahmen der
Notfalltruppe (Extraction Force)
Schreiben des Chefs des Bundeskanzleramtes vom 22. Februar 1999:
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Deutsche Bundestag stimmt im Anschluß an die Beschlüsse vom 16.
Oktober 1998, 13. November 1998 und 19. November 1998 dem Einsatz
bewaffneter deutscher Streitkräfte entsprechend dem von der
Bundesregierung am 22. Februar 1999 beschlossenen Beitrag zur
militärischen Umsetzung eines Rambouillet-Abkommens für den Kosovo
sowie zu NATO-Operationen im Rahmen der Notfalltruppe (Extraction
Force) zu.
Begründung
Die Bundesregierung mißt der Umsetzung eines Rambouillet-Abkommens
höchste politische Bedeutung bei. Nur durch die Umsetzung eines solchen
Abkommens können die Voraussetzungen für eine dauerhafte Stabilität in
der Region geschaffen werden. Das Engagement der NATO soll entscheidend
dazu beitragen, eine humanitäre Katastrophe abzuwenden und die
Bedingungen zu schaffen, die den Weg für ein friedliches Miteinander
ermöglichen, den Schutz und die Menschenrechte der Bevölkerung sichern
sowie den Flüchtlingen die Rückkehr in ihre Heimat erleichtern.
In einem Rambouillet-Abkommen werden die Konfliktparteien der
Entsendung einer multinationalen Friedenstruppe von NATO- und Nicht-
NATO-Staaten zur militärischen Umsetzung des Abkommens für den Kosovo
einvernehmlich zustimmen. Die Konfliktparteien werden bekräftigen, daß
sie die Regelungen zur Durchführung der militärischen Aufgaben der
multinationalen Friedenstruppe uneingeschränkt anerkennen und voll
unterstützen.
In einem Rambouillet-Abkommen wird der Sicherheitsrat der Vereinten
Nationen ersucht, eine Resolution mit dem entsprechenden Mandat für
eine multinationale Friedenstruppe zu verabschieden.1) Der NATO-Rat hat
entsprechende Beschlüsse zur Durchführung der Operation gefaßt.
Deutschland wird zu dieser NATO-geführten Operation einen angemessenen
Beitrag leisten.
Durch Vorausverlegung von ersten Einsatz- und Unterstützungskräften
soll für die Region ein sichtbares Zeichen für die Bereitschaft der
internationalen Gemeinschaft zur raschen Absicherung des Friedens
gesetzt werden. Zugleich werden damit die Voraussetzungen geschaffen,
unmittelbar nach Unterzeichnung des Friedensvertrages erste Kräfte in
die Region entsenden zu können.
Kommt es zu einer Notfallsituation, bevor die volle Einsatzbereitschaft
der multinationalen Friedenstruppe KFOR hergestellt ist, gilt es, dafür
Sorge zu tragen, ggf. alle Verifikateure der OSZE herauszulösen. Das
Bündnis hält hierfür entsprechende Notfallplanungen vor. Der NATO-Rat
hat am 30. Januar 1999 das diesbezügliche ergänzende Operationskonzept
zu NATO-Operationen im Rahmen der Notfalltruppe und am 5. Februar 1999
die für diese Operationen erforderliche Luftunterstützung gebilligt.
Der NATO-Rat hat am 17. Februar 1999 dem Operationsplan zur
militärischen Absicherung eines eventuellen Friedensabkommens im Kosovo
vorläufig zugestimmt.
Die Bundesregierung hat deswegen beschlossen, unter dem Vorbehalt der
konstitutiven Zustimmung durch den Deutschen Bundestag zur Vorbereitung
eines deutschen Beitrages für die Beteiligung an der militärischen
Umsetzung eines Rambouillet-Abkommens für den Kosovo sowie für NATO-
Operationen im Rahmen der Notfalltruppe (Extraction Force) nachstehend
aufgeführte Kräfte einzusetzen.
1. Für die deutsche Beteiligung an einer NATO-geführten
multinationalen Friedenstruppe für den Kosovo (Kosovo Force, KFOR)
werden bereitgestellt:
a) ein teilstreitkraftübergreifendes Kontingent unter Führung des
Heeres, bestehend aus einem Großverband mit
- einem Brigadestab,
- Panzer-, Panzergrenadier-, Panzeraufklärungs- und
Infanteriekräften,
- Pionierkräften,
- Heeresfliegerkräften,
- Aufklärungskräften, einschließlich Kräften für Drohnenaufklärung
und elektronische Aufklärung,
- Stabs-, Sicherungs-, Führungs- und Einsatzunterstützungskräften
einschließlich Sanitätseinsatz- und Hafenumschlagskräften;
b) ein Luftwaffenkontingent, bestehend aus
- Aufklärungs- und ECR-Flugzeugen,
- Lufttransport- und Luftumschlagskräften,
- Stabs-, Unterstützungs- und Sicherungskräften,
- Kräften für Medizinische Evakuierung (MEDEVAC);
c) Marinekräfte, bestehend aus
- See- und Seeluftstreitkräften einschließlich Einheiten für die
elektronische Aufklärung;
d) Personal und Führungsunterstützungskräfte für die internationalen
Hauptquartiere einschließlich AWACS.
2. a) Mit den Beschlüssen vom 16. Oktober 1998, vom 13. November
1998 und vom 19. November 1998 hat der Deutsche Bundestag Kräfte für
- begrenzte und in Phasen durchzuführende Luftoperationen(1),
- die NATO-Verifikationsmission EAGLE EYE2,
- den Anteil an der Notfalltruppe(3),
in einer Größenordnung von rd. 1 000 Soldaten bereits gebilligt.
Ein KFOR-Kontingent wird bis zu 4 500 Soldaten umfassen, sowie eine
Ausgleichszahl von bis zu 500 Soldaten, die zur Herstellung und
Aufrechterhaltung der Einsatzstärke während der Vorbereitungs-
/Aufbauphase und zur Bewahrung der Einsatzstärke bei Personalrotation
notwendig ist.
Die bereits gebilligten Kräfte können zusätzlich in das KFOR-
Gesamtkontingent integriert werden.
Vorauskräfte und erforderliches Gerät werden mit Zustimmung der
Aufnahmestaaten in Griechenland und Mazedonien und - soweit notwendig -
in anderen Staaten vorausstationiert. Umfang und Zusammensetzung des
deutschen Luftwaffenkontingentes sollen einen Einsatz von bis zu 14
Aufklärungs- und ECR-Tornado-Flugzeugen einschließlich der
erforderlichen Aufklärungs- und Unterstützungskräfte ermöglichen. Auf
Kräfte und Logistik der SFOR-Operation JOINT FORGE kann zurückgegriffen
werden, sofern die Auftragserfüllung im Rahmen dieser Einsätze nicht
eingeschränkt wird.
b) Die Kräfte können mit Zustimmung des Aufenthaltsstaates eingesetzt
werden, sobald das Rambouillet-Abkommen unterzeichnet ist, der
Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit der Sache befaßt ist und ein
entsprechender Beschluß des NATO-Rats vorliegt.
c) Der deutsche Beitrag orientiert sich zeitlich an den Regelungen
eines Rambouillet-Abkommens.
3. Kommt es zu einem Notfall, bevor die volle Einsatzbereitschaft der
multinationalen Friedenstruppe (KFOR) hergestellt ist, können die
Kräfte auch im Rahmen der Notfalltruppe (Extraction Force) auf der
Grundlage eines entsprechenden Beschlusses des NATO-Rates eingesetzt
werden, wenn die Bundesrepublik Jugoslawien ihren Verpflichtungen zum
Schutz des OSZE-Personals nicht nachkommt.
4. Im Rahmen dieser Operationen können Personal und
Führungsunterstützungskräfte für die internationalen Hauptquartiere mit
Zustimmung des Aufnahmestaates verlegt werden, bevor die unter Nummer
2. b genannten Voraussetzungen vorliegen.
5. Es kommen zum Einsatz
- nur Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit sowie
- Soldaten, die Grundwehrdienst, freiwilligen zusätzlichen
Wehrdienst oder eine Wehrübung leisten, nur, wenn sie sich für
besondere Auslandsverwendungen freiwillig verpflichtet haben.
6. Im Rahmen dieser Operationen kann der Einsatz von deutschem
Personal in Kontingenten anderer Nationen sowie der Einsatz von
Personal anderer Nationen im Rahmen des deutschen Kontingentes auf der
Grundlage bilateraler Vereinbarungen und in den Grenzen der für
Soldaten des deutschen Kontingents bestehenden rechtlichen Bindungen
genehmigt werden.
7. Bei dem Einsatz handelt es sich um eine besondere
Auslandsverwendung im Sinne des § 58 a des Bundesbesoldungsgesetzes.
8. Die zusätzlichen Kosten dieses Einsatzes werden nach ersten
Schätzungen für einen Zeitraum von 12 Monaten ca. 620 Mio. DM betragen.
Entsprechende Haushaltsmittel sind in dem Verteidigungshaushalt nicht
veranschlagt. Wegen der bestehenden Verpflichtungen des Einzelplans 14,
insgesamt rd. 400 Mio. DM im Haushaltsjahr 1999 für alle bereits
gebilligten internationalen Einsätze erwirtschaften zu müssen, werden
die Kosten dieses Einsatzes aus Haushaltsmitteln der Allgemeinen
Finanzverwaltung (Einzelplan 60) abgedeckt.
(1) Formulierung steht unter Vorbehalt es genauen Textes von Rambouillet.
Seite 3, Drucksache 14/397:
(1) Bundestagsbeschluß vom 16. Oktober 1998: Begrenzte und in Phasen
durchzuführende Luftoperationen zur Abwendung einer humanitären Katastrophe
im Kosovo-Konflikt
(2) Bundestagsbeschluß vom 13. Novermber 1998: Luftüberwachungsoperation über
dem Kosovo.
(3) Bundestagsbeschluß vom 19. Novermber 1998: Operationen zum Schutz und
Herausziehen von OSZE-Beobachtern aus dem Kosovo in Notfallsituationen.
Quelle: Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode, Drucksache 14/397 vom
22.02.1999
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