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Abgegeben vom Bundesminister des Auswärtigen vor dem Deutschen Bundestag
Der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Klaus K in k e l, gab in der 240. Sitzung des Deutschen Bundestages am 22. Juli 1994 zum Thema "Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Juli 1994" folgende Erklärung der Bundesregierung ab:
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Juli hat zur Frage der Auslandseinsätze unserer Bundeswehr Klarheit ge- schaffen. Deutsche Soldaten können in Zukunft sicher sein: Ihr Einsatz außerhalb des NATO-Gebiets ist von unserer Verfas- sung gedeckt, auch der bewaffnete, wenn der Bundestag dem mit einfacher Mehrheit zustimmt. Ein zentrales außen- und sicherheitspolitisches Ziel der Bundesregierung ist damit er- reicht. Nach Wiedervereinigung und Wiedererlangung unserer vollen Souveränität ist deutsche Außen- und Sicherheitspolitik voll handlungs- und bündnisfähig. Das gilt im Rahmen der UNO wie für NATO, Europäische Union und WEU. Die Karlsruher Entscheidung ist nicht nur bei uns, sondern ebenso im Ausland mit großer Aufmerksamkeit verfolgt wor- den. Ihr Inhalt entspricht nicht nur dem politischen Ziel der Bundesregierung, sondern auch der Erwartung der Völker- gemeinschaft sowie unserer Partner und Freunde, daß das wiedervereinte Deutschland mehr weltpolitische Verantwor- tung übernimmt. Die Bundesregierung ist wegen der Einberufung dieser Son- dersitzung kritisiert worden. Zu Unrecht. Wir sind ein Rechtsstaat. Rechtsstaatlichkeit, Rechtssicherheit für unsere Soldaten im Adria- und AWACS-Einsatz verlangen unmittel- bare Reaktion. Es ist nicht vertretbar, unsere Soldaten auch nur einen Tag länger als unbedingt notwendig in einem Einsatz zu belassen, für den die erforderliche Zustimmung des Parla- ments gemäß dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht vorliegt. Im übrigen würde ich all denen, die das kritisiert haben, gem sagen: Es hat wahrlich in der Vergangenheit aus nichtigerem Anlaß Sondersitzungen des Deutschen Bundestages gegeben. Diese Sitzung gibt auch die Möglichkeit, die Einsatzregeln für unsere Soldaten in beiden Fällen denen unserer Partner anzu- gleichen. Auch das muß umgehend geschehen, und zwar nicht, weil uns irgend jemand gedrängt hat oder gedrängt hätte, sondern weil wir selbst unserer Verantwortung voll gerecht werden wollen. Meine Damen und Herren, zur herausragenden politischen Bedeutung des Bundesverfassungsgerichtsurteils stellt die Bundesregierung folgendes fest: Erstens: Die Entscheidungen über wesentliche Fragen der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik werden wieder dort getroffen, wo sie in einer Demokratie hingehören - in Regie- rung und Parlament. Genau das wollte im übrigen die Bun- desregierung. Ihr Vorschlag zu einer Verfassungsänderung, dem die Opposition nicht zugestimmt hat, enthielt das Erfor- dernis der parlamentarischen Zustimmung. Das wollten wir also. Zweitens: Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts be- deutet politisch eine klare Absage an einen deutschen Son- derweg. Das Bundesverfassungsgericht hat mit aller Deutlich- keit festgestellt, daß auch friedensschaffende Maßnahmen oder Kampfeinsätze vom Grundgesetz gedeckt sind. Das ist der politische Kern des Urteils, auch wenn die SPD das jetzt wieder hin und her und vor und zurück zu interpretieren versucht. Die Ablehnung dieser Art von Einsätzen durch die SPD war der Grund dafür, daß diese Frage in Karlsruhe entschieden werden mußte. Mit dieser Haltung, die sie auch jetzt, nach dem Urteil, aufrechterhält, stellt sie sich ins Abseits - in den Vereinten Nationen wie in Europa. Die Koalition wollte, unabhängig von unterschiedlichen Auffassungen zur Rechts- grundlage, von Anfang an friedenserhaltende und friedens- schaffende Einsätze der Bundeswehr. Das war, ist und bleibt der Unterschied zur SPD. Die Bundesrepublik Deutschland ist seit dem Kriege mit Erfolg im Konvoi der euroatlantischen Völkerfamilie gefah- ren. Bündnis- und Partnerschaftsfähigkeit waren und sind die Grundmaximen deutscher Außen- und Sicherheitspolitik. Auch in Zukunft kommen für uns nationale Alleingänge nicht in Frage. Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts stellen sich die ge- meinsamen Friedensaufgaben für NATO, Europäische Union und WEU jedoch neu. Neben die Bündnisverteidigung ist die Mithilfe bei der regionalen Konfliktvorbeugung und Kon- flikteindämmung getreten. Den Vereinten Nationen und der KSZE wurden neue Chancen für Friedenssicherung und Frie- densschaffung eröffnet. Wer heute weiter im multinationalen, multilateralen Konvoi fahren will - niemand ist mehr darauf angewiesen als Deutschland -, der muß nicht nur die Rechte, sondern eben auch die Pflichten eines UNO-Mitglieds voll übernehmen, einschließlich der in der UNO-Charta vorgesehe- nen militärischen Zwangsmaßnahmen. Karlsruhe hat das für Rechtens erklärt und den Weg dafür freigemacht. Deutschland kann von jetzt an zusammen mit seinen Freunden und Partnern im Rahmen der Vereinten Nationen notfalls - notfalls! - auch mit bewaffneten Bundes- wehreinsätzen Frieden sichern und Menschenrechte schützen. An die Adresse der SPD sage ich: Die Staatengemeinschaft lebt nicht nur davon, daß ihre Mitglieder Aggressionen unter- lassen, sondem davon, daß sie mithelfen, das Völkerrecht und Menschenrechte zu schützen. Es geht darum, die Stärke des Rechts durchzusetzen, damit nicht das Recht des Stärkeren gilt. Bei dieser Verantwortung für Frieden und Menschenrechte darf niemand abseits stehen, auch wir nicht. Gerade weil Deutschland in der Vergangenheit den Frieden gebrochen hat, ist es moralisch-ethisch verpflichtet, sich an der Verteidigung des Friedens jetzt mit ganzer Kraft zu beteiligen. Wenn sich aus der Zeit des Nationalsozialismus eine Lehre geradezu aufdrängt, dann ist es doch die, daß Gewalt eben leider manchmal nur mit Gegengewalt beseitigt werden kann. Hätten die Alliierten Hitlers Aggressionen denn tatenlos zuse- hen sollen? Soll das der nachträgliche Rat von uns Deutschen an unsere heutigen Freunde sein? Wer sich wie die SPD verweigert, darf sich nicht als Hüter der Menschenrechte aufspielen. Wer gegen Krieg ist -das sind wir alle -, aber nicht bereit ist, dem Kriegstreiber notfalls auch militärisch zu widerstehen, kann weder Frieden stiften noch Menschenrechte schützen. Er macht nur Politik der Worte. Wer der Bundesregierung vorwirft, sie strebe eine Militarisie- rung, interventionistische Aktionen an, der stellt nicht nur die UNO-Charta, der stellt das gesamte neue kollektive Sicher- heitssystem unter UNO- und KSZE-Dach in Abrede und - was für meine Begriffe viel unangenehmer ist - diffamiert auch unsere Partner, die ihre Soldaten uneingeschränkt weltweit im Dienste des Friedens im Einsatz haben. Damit uns, damit mich niemand falsch versteht. Die Bundes- regierung wünscht solche Kampfeinsätze nicht. Das wollen wir sowohl unseren Soldaten als auch denen anderer Länder, wenn es irgendwie geht, ersparen. Solche Einsätze waren im übrigen auch nie die Normalität, und sie werden es auch in Zukunft nicht sein. Keine der derzeit 16 Friedensmissionen der UNO, an denen sich immerhin 68 truppenstellende Länder mit mehr als 70 000 Soldaten beteiligen, ist ein Kampfeinsatz. Im Augenblick ist nicht ein einziger Einsatz der UNO ein Kampfeinsatz! Was aber nach Auffassung der Bundesregie- rung mit einer verantwortungsbewußten Außenpolitik nicht zu vereinbaren ist, ist die Weigerung der SPD, an friedensschaf- fenden UNO-Missionen teilzunehmen. Meine Damen und Herren, der europäische Aspekt des Karls- ruher Urteils ist nicht minder bedeutsam. Damit wurde ein ernsthaftes Hindernis für unsere Bündnis- und Partnerschafts- fähigkeit in der Allianz, in der Europäischen Union und in der WEU beseitigt und der Weg für den Aufbau einer europäi- schen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik geebnet. Denn eines steht doch wohl fest: Ohne unsere volle Mit- wirkung kann eine solche europäische Gemeinsamkeit nicht entstehen. Wie dringend notwendig diese ist, schlägt uns doch jeden Abend wahrhaftig aus den Nachrichten entgegen. Man muß, so glaube ich, nicht unbedingt am Tisch der Außenministerräte der Europäischen Union gesessen haben, um zu sehen: Die mit diesem Urteil jetzt eröffnete Normalisierung unserer außen- politischen Handlungsfähigkeit ist auch ganz wesentlicher, wichtiger weiterer Schritt hin zum vereinten Europa, das wir ja alle anstreben, und ein Riegel gegen alle Bestrebungen einer Renationalisierung der Außen- und Sicherheitspolitik. Die Bundesregierung bekennt sich nachdrücklich zu der ge- meinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik. Sie ist ein unverzichtbares Element einer freien und handlungsfä- higen Europäischen Union und eine Vorbeugung gegen Natio- nalismus und ethnisch-religiöse Auseinandersetzungen. Eine Sonderrolle unserer Bundeswehr, wie sie die SPD nach wie vor verlangt, wäre damit - das muß man auch klar und deut- lich sagen - unvereinbar. D r i t t e n s: Auch nach dem Urteil bleibt es bei der bewährten Kultur der Zurückhaltung. Wir werden uns nicht nach vorne drängeln. Außen- und sicherheitspolitische Normalität, das heißt, nicht den Weltpolizisten spielen, das heißt, nicht deut- sche Soldaten überall dorthin zu entsenden, wo es brennt. Einen Automatismus für eine deutsche Beteiligung wird es nicht geben. Worum es aber geht, ist: Regierung und Parlament haben jetzt die Möglichkeit, im Einzelfall und nach sorgfältigster Abwä- gung unserer Interessen, Verpflichtungen, Möglichkeiten und Grenzen ja oder nein zu sagen. Genau das und nicht mehr will die Bundesregierung. Der Ruf nach Beistand und Hilfe wird vermutlich immer stärker sein als die Fähigkeit der Staatengemeinschaft, zu helfen. Auch wir werden, weil wir Not und Elend dieser Welt nicht allein oder mit anderen schultern können, künftig öfter nein als ja sagen müssen. Die Entscheidung hierüber kann nicht nach einem vorgegebe- nen Raster getroffen werden, sondem nur nach Berücksichti- gung aller Umstände des Einzelfalles. Wie auch bei unseren Partnern gibt es eine Reihe von Parametern, die in einem bestimmten Fall für oder gegen eine deutsche Beteiligung sprechen können: - Eine Beteiligung an einer intemationalen Friedensmission kommt für uns nur in Frage, wenn sie völkerrechtlich eindeutig zulässig ist. - Je höher das Risiko für unsere Soldaten, um so höher muß die Meßlatte sein. Je mehr es in Richtung Kampfeinsätze geht, um so zwingender müssen die Gründe für eine deutsche Beteiligung sein. - Klares Mandat für den Einsatz, Erfüllbarkeit des militäri- schen Auftrages, Einbettung der militärischen Komponente in ein überzeugendes politisches Lösungskonzept. Auf all diese Erfordernisse wird es ankommen. Die Somalia-Mis- sion war hier in mancher Hinsicht ein Fingerzeig. V i e r t e n s: Auch nach diesem Urteil gilt: Eine Militarisie- rung deutscher Außenpolitik wird es nicht geben. Militärischer Zwang kann bei der intemationalen Friedenssicherung immer nur Ultima ratio sein. Europa- und weltpolitische Verantwortung wird für uns auch zukünftig in erster Linie politische und wirtschaftliche Zusam- menarbeit bedeuten in Richtung unserer neuen demokrati- schen Nachbarn im Osten, aber auch in Richtung Süden zur Bekämpfung von Armut, Umweltzerstörung und Be- völkerungsexplosion. Mit Panzern und Soldaten kann man diese eigentlichen Herausforderungen unserer Zeit nicht bewältigen. Deutschland trägt jetzt bereits politisch und wirtschaftlich erheblich zur weltweiten Sicherheit und Entwicklung bei. Wir sind drittgrößter Beitragszahler der Vereinten Nationen und haben etwa zwei Drittel der westlichen Hilfe für Mittel- und Osteuropa und die GUS-Staaten aufgebracht. Damit haben wir trotz unserer außergewöhnlichen Kräfteanspannung im Innern einen enormen, auch von der Welt anerkannten Beitrag zur weltweiten Sicherheit jetzt schon geleistet. Fünftens: Die Bundesregierung sieht in dem Urteil einen Ansporn, ihre multilaterale Friedenspolitik verstärkt fortzu- setzen. Die Anstrengungen auf dem Gebiet der präventiven Diplomatie, der vertrauensbildenden Maßnahmen, der Tatsa- chenermittlung und der Früherkennung von Konflikten müs- sen verstärkt werden. Die zentrale Aufgabe der internationalen Organisation muß die Brandverhütung im Vorfeld bleiben; sie darf nicht das nachträgliche Löschen sein. Künftige deutsche Friedenspolitik im Rahmen der Vereinten Nationen wird an das kontinuierliche Engagement aller Bun- desregierungen der vergangenen 20 Jahre anknüpfen. Ich erin- nere an das deutsche Engagement für eine politische Lösung in Namibia, an unsere Unterstützung der UN-Organisation im Libanon oder in Zentral- oder Lateinamerika, an Kambodscha, Somalia, den Westsahara-Konflikt und an das ehemalige Jugoslawien. Wir haben uns für die nächsten beiden Jahre um einen nicht- ständigen Sitz im UNO-Sicherheitsrat beworben. Für unseren Wunsch nach einem ständigen Sitz haben wir in den Vereinten Nationen breite Unterstützung gefunden, so wie wir die Wün- sche einzelner großer und wichtiger Länder der Dritten Welt nach einem ständigen Sitz im Sicherheitsrat voll und ganz unterstützen. Mehr Mitverantwortung verlangt auch mehr Mitsprache. Des- halb wollen wir dort präsent sein, wo heute die wichtigsten Entscheidungen über den Weltfrieden fallen. Das hat nichts mit Großmachtstreben oder mit "Wir sind wieder wer" zu tun. Zusammen mit meinem niederländischen Kollegen Kooijmans habe ich am 17. Mai in Wien Vorschläge für das nächste KSZE-Gipfeltreffen in Budapest vorgelegt. Diese Vorschläge zielen auf ein engeres Zusammenwirken zwischen KSZE und Vereinten Nationen ab. Ohne stärkeren Beitrag der Regionen ist die UNO überfordert. Der gemeinsame deutsch-niederlän- dische Vorschlag sieht deshalb in Europa den Vorrang der KSZE bei der Konfliktvorbeugung vor. Die KSZE soll dem Sicherheitsrat künftig Vorschläge für Zwangsmaßnahmen auch ohne Zustimmung der direkt beteiligten Staaten unter- breiten können. Die KSZE hat sich mit ihren Langzeitmissionen und dem Hochkommissar für nationale Minderheiten neue und durch- aus wirkungsvolle Instrumente geschaffen. In Helsinki hat sie aber auch das Mandat für eigene friedenserhaltende Operatio- nen erhalten. Zu einem solchen Einsatz könnte es erstmals im Berg-Karabach-Konflikt kommen. Die Bundesregierung hat auf Anfrage der KSZE beschlossen, sich an einer eventuellen Beobachtermission mit bis zu fünf Bundeswehrsoldaten zu beteiligen. Die jüngste Erfahrung der Zusammenarbeit zwischen NATO, WEU und Vereinten Nationen zeigt, wie wichtig es war, die euroatlantischen Sicherheitsinstrumente auf die Erfordernisse der neuen Weltlage aus- und einzurichten. Dieser Prozeß ist insbesondere in seiner europäischen Dimension noch längst nicht abgeschlossen. Die Vereinigten Staaten werden ihr En- gagement auf dem Kontinent, das Europa so sehr braucht, nur aufrechterhalten, wenn die Europäer größere Eigenverantwor- tung übernehmen. Der Ausbau der operativen Fähigkeiten der WEU und die Schaffung des Eurokorps waren wichtige Schritte auf diesem Weg. Meine Damen und Herren, am französischen Nationalfeiertag defilierten auf den Champs-Elysees neben ihren französischen, spanischen, belgischen und luxemburgischen Kameraden auch 200 deutsche Soldaten. De Gaulle hat einmal die deutsch-fran- zösische Aussöhnung als das eigentliche Wunder der Nach- kriegszeit beschrieben. Am 14. Juli dieses Jahres wurde dieses Wunder in Paris auf bewegende Art und Weise sichtbar. Krieg ist in der Europäischen Union Gott sei Dank undenkbar geworden. Die historische Aufgabe ist es nun aber, diese neue Kultur europäischen Zusammenlebens auf den gesamten Kon- tinent auszudehnen. Deutschland wird der Anwalt einer schnel- len Heranführung unserer mittel- und osteuropäischen Nach- barn an den Stabilitätskern Europäische Union, NATO und WEU bleiben. Das muß jedoch durch enge und partnerschaft- liche Zusammenarbeit mit Rußland, der Ukraine und den anderen GUS-Staaten flankiert werden. Wir haben die alten Trennlinien nicht abgebaut, um an anderer Stelle wieder neue zu errichten. Meine Damen und Herren, aus dem Urteil des Bundesverfas- sungsgerichts ergeben sich für Bundestag und Bundesregie- rung eine Reihe praktischer Konsequenzen: E r s t e n s: Es gibt nun keinen erkennbaren Grund mehr, an den seinerzeit beschlossenen Einsatzbeschränkungen bei den Adria- und AWACS-Operationen festzuhalten. Das heißt: In Zukunft sollten sich die deutschen Schiffe auch an der Auf- bringung von Embargobrechern beteiligen und die dafür vor- gesehenen Einsatzregeln anwenden können. Zur Durchsetzung des Flugverbotes sollten deutsche Soldaten im Rahmen des NATO-AWACS-Verbandes auch bei Flügen außerhalb des NATO-Teriitoriums mitfliegen können. Im Interesse der Handlungs- und Bündnisfähigkeit der Bun- desrepublik Deutschland bittet die Bundesregierung den Deut- schen Bundestag um Zustimmung zu diesen Beschlüssen. Zweitens: Das Bundesverfassungsgericht hat nicht ver- langt, aber nachdrücklich darauf hingewiesen, daß es Sache des Gesetzgebers ist, Form und Ausmaß der parlamentarischen Mitwirkung bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr näher aus- zugestalten. Das eilt nicht unmittelbar. Wir sollten uns gemein- sam das Ob und das Wie gründlich überlegen und prüfen. Meine Damen und Herren, vor nicht ganz einem Jahr haben wir den 20. Jahrestag unseres Beitritts zu den Vereinten Nationen begangen. Ich habe damals vor der Generalver- sammlung in New York daran erinnert, daß Willy Brandt 1973 den Beitritt mit dem festen Willen der Deutschen begründet hat, zum Frieden in der Welt beizutragen. Die Bundesregierung hat immer wieder in New York ihre Absicht erklärt, die innenpolitischen Voraussetzungen für eine volle Übernahme aller Rechte und Pflichten eines UNO-Mit- glieds zu schaffen. Das Bundesverfassungsgericht hat hierfür die rechtsstaatlichen Voraussetzungen geklärt und den Ball wieder an die Politik zurückgespielt. Jetzt ist es Sache von Bundesregierung und Bundestag, ihrer außen- und sicherheits- politischen Verantwortung für unser Land nachzukommen. Mit dem Jahrhundertgeschenk der Wiedervereinigung hat Deutschland den Hauptgewinn aus dem Ende des Ost-West- Konflikts, aus dem Wegfall der bipolaren Welt gezogen. Auch in der Außen- und Sicherheitspolitik ist neues Denken und Handeln verlangt. Die Zeit des "Wenn und Aber" ist vorbei; nun geht es darum, von unserem größeren Gewicht ohne Großmannssucht, aber auch ohne falsche Selbstverleugnung vernünftigen und verantwortungsbewußten Gebrauch zu ma- chen. Das sind wir uns selbst schuldig. Das erwarten auch unsere Partner und Freunde. Das erwartet die Völkergemein- schaft von uns. Dafür erbitte ich die Mithilfe des Deutschen Bundestages.Quelle: Bulletin Nr. 70 vom 26.07.1994, S. 657ff.
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