VERTRAG UEBER DIE NICHTWEITERVERBREITUNG VON KERNWAFFEN
vom 01.07.1968
Die diesen Vertrag schliessenden Staaten, im folgenden als
"Vertragsparteien" bezeichnet, - in Anbetracht der
Verwuestung, die ein Atomkrieg ueber die ganze Menschheit
bringen wuerde, und angesichts der hieraus folgenden
Notwendigkeit alle Anstrengungen zur Abwendung der Gefahr
eines solchen Krieges zu unternehmen und Massnahmen zur
Gewaehrleistung der Sicherheit der Voelker zu ergreifen,
von der Auffassung geleitet; dass die Verbreitung von Kernwaffen
die Gefahr eines Atomkrieges ernstlich erhoehen wuerde,
im Einklang mit Entschliessungen der Generalversammlung der
Vereinten Nationen worin der Abschluss einer Uebereinkunft
zur Verhinderung der weiteren Verbreitung von Kernwaffen
gefordert wird,
unter Uebernahme der Verpflichtung, zusammenzuarbeiten, um
die Anwendung der Sicherungsmassnahmen der Internationalen
Atomenergie-Organisation auf friedliche nukleare Taetig-
keiten zu erleichtern,
in dem Willen, Forschung, Entwicklung und sonstige
Bemuehungen zu unterstuetzen, die darauf gerichtet sind.
im Rahmen des Sicherungssystems der Internationalen
Atomenergie-Organisation die Anwendung des Grundsatzes
einer wirksamen Sicherungsueberwachung des Flusses von
Ausgangs- und besonderem spaltbarem Material zu fordern,
und zwar durch Verwendung von Instrumenten und andere
technische Verfahren an bestimmten strategischen Punkten,
in Bekraeftigung des Grundsatzes, dass die Vorteile der
friedlichen Anwendung der Kerntechnik einschliesslich
aller technologischen Nebenprodukte, die Kernwaffenstaaten
gegebenenfalls bei der Entwicklung von Kernsprengkoerpern
gewinnen, allen Vertragsparteien, gleichviel ob Kern-
waffenstaaten oder Nichtkernwaffenstaaten, fuer friedliche
Zwecke zugaenglich sein sollen, in der Ueberzeugung, dass
im Verfolg dieses Grundsatzes alle Vertragsparteien
berechtigt sind, an dem weitestmoeglichen Austausch
wissenschaftlicher Informationen zur Weiterentwicklung
der Anwendung der Kernenergie fuer friedliche Zwecke
teilzunehmen und allein oder in Zusammenarbeit mit anderen
Staaten zu dieser Weiterentwicklung beizutragen,
in der Absicht, zum fruehestmoeglichen Zeitpunkt die
Beendigung des nuklearen Wettruestens herbeizufuehren und
auf die nukleare Abruestung gerichtete wirksame Massnahmen
zu ergreifen,
mit der eindringlichen Empfehlung einer Zusammenarbeit aller
Staaten zur Verwirklichung dieses Zieles, eingedenk der in
der Praeambel des Vertrags von 1963 ueber das Verbot von
Kernwaffenversuchen in der Atmosphaere, im Weltraum und
unter Wasser durch dessen Vertragsparteien bekundeten
Entschlossenheit, darauf hinzuwirken, dass alle
Versuchsexplosionen von Kernwaffen fuer alle Zeiten
eingestellt werden und auf dieses Ziel gerichtete
Verhandlungen fortzusetzen,
in dem Wunsch, die internationale Entspannung zu foerdern
und das Vertrauen zwischen den Staaten zu staerken, damit
die Einstellung der Produktion von Kernwaffen, die
Aufloesung aller vorhandenen Vorraete an solchen Waffen und
die Entfernung der Kernwaffen und ihrer Einsatzmittel aus
den nationalen Waffenbestaenden auf Grund eines Vertrags
ueber allgemeine und vollstaendige Abruestung unter strenger
und wirksamer internationaler Kontrolle erleichtert wird.
Eingedenk dessen, dass die Staaten im Einklang mit der
Charta der Vereinten Nationen in ihren internationalen
Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder
die politische Unabhaengigkeit eines Staates gerichtete
oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen
unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt unterlassen
muessen und dass die Herstellung und Wahrung des
Weltfriedens und der internationalen Sicherheit unter
moeglichst geringer Abzweigung menschlicher und
wirtschaftlicher Hilfsquellen der Welt fuer Ruestungszwecke
zu fordern ist - sind wie folgt uebereingekommen:
Artikel I
Jeder Kernwaffenstaat, der Vertragspartei ist,
verpflichtet sich, Kernwaffen und sonstige Kernsprengkoer-
per oder die Verfuegungsgewalt darueber an niemanden
unmittelbar oder mittelbar weiterzugeben und einen
Nichtkernwaffenstaat weder zu unterstuetzen noch zu
ermutigen noch zu veranlassen. Kernwaffen oder sonstige
Kernsprengkoerper herzustellen oder sonstwie zu erwerben
oder die Verfuegungsgewalt darueber zu erlangen.
Artikel II
Jeder Nichtkernwaffenstaat, der Vertragspartei ist,
verpflichtet sich, Kernwaffen und sonstige Kernspreng-
koerper oder die Verfuegungsgewalt darueber von niemandem
unmittelbar oder mittelbar anzunehmen, Kernwaffen oder
sonstige Kernsprengkoerper weder herzustellen noch sonst-
wie zu erwerben und keine Unterstuetzung zur Herstellung
von Kernwaffen oder sonstigen Kernsprengkoerpern zu
suchen oder anzunehmend.
Artikel III
(1) Jeder Nichtkernwaffenstaat, der Vertragspartei ist,
verpflichtet sich, Sicherungsmassnahmen anzunehmen, wie sie
in einer mit der Internationalen Atomenergie-Organisation
nach Massgabe ihrer Satzung und ihres Sicherungssystems
auszuhandelnden und zu schliessenden Uebereinkunft
festgelegt werden, wobei diese Sicherungsmassnahmen
ausschliesslich dazu dienen, die Erfuellung seiner
Verpflichtungen aus diesem Vertrag nachzupruefen, damit
verhindert wird, dass Kernenergie von der friedlichen Nut-
zung abgezweigt und fuer Kernwaffen oder sonstige
Kernsprengkoerper verwendet wird. Die Verfahren fuer
die nach diesem Artikel erforderlichen Sicherheitsmassnahmen
werden in bezug auf Ausgangs- und besonderes spaltbares
Material durchgefuehrt gleichviel ob es in einer Hauptkern-
anlage hergestellt, verarbeitet oder verwendet wird oder
sich ausserhalb einer solchen Anlage befindet. Die nach
diesem Artikel erforderlichen Sicherungsmassnahmen finden
Anwendung auf alles Ausgangs- und besondere spaltbare
Material bei allen friedlichen nuklearen Taetigkeiten, die
im Hoheitsgebiet dieses Staates, unter seiner Hoheitsgewalt
oder unter seiner Kontrolle an irgendeinem Ort
durchgefuehrt werden.
(2) Jeder Staat, der Vertragspartei ist, verpflichtet sich,
a) Ausgangs- und besonderes spaltbares Material oder
b) Ausruestungen und Materialien, die eigens fuer die
Verarbeitung, Verwendung oder Herstellung von besonderem
spaltbarem Material vorgesehen oder hergerichtet sind, einem
Nichtkernwaffenstaat fuer friedliche Zwecke nur dann zur
Verfuegung zu stellen, wenn das Ausgangs- oder besondere
spaltbare Material den nach diesem Artikel erforderlichen
Sicherungsmassnahmen unterliegt.
(3) Die nach diesem Artikel erforderlichen
Sicherungsmassnahmen werden so Durchgefuehrt, dass sie mit
Artikel IV in Einklang stehen und keine Behinderung
darstellen fuer die wirtschaftliche und technologische
Entwicklung der Vertragsparteien oder fuer die
internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet friedlicher
nuklearer Taetigkeiten, einschliesslich des inter-
nationalen Austausches von Kernmaterial und Ausruestungen
fuer die Verarbeitung Verwendung oder Herstellung von
Kernmaterial fuer friedliche Zwecke: in Uebereinstimmung
mit diesem Artikel und dem in der Praeambel niedergelegten
Grundsatz der Sicherungsueberwachung,
(4) Nichtkernwaffenstaaten, die Vertragspartei sind.
schliessen entweder einzeln oder gemeinsam mit anderen
Staaten nach Massgabe der Satzung der Internationalen
Atomernergie-Organisation Uebereinkuenfte mit dieser, um
den Erfordernissen dieses Artikels nachzukommen.
Verhandlungen ueber derartige Uebereinkuenfte werden binnen
180 Tagen nach dem urspruenglichen Inkrafttreten dieses
Vertrags aufgenommen. Staaten, die ihre Ratifikations-
oder Beitrittsurkunde nach Ablauf der Frist von 180 Tagen
hinterlegen nehmen Verhandlungen ueber derartige
Uebereinkuenfte spaetestens am Tag der Hinterlegung auf.
Diese Uebereinkuenfte treten spaetestens achtzehn Monate
nach dem Tag des Verhandlungsbeginns in Kraft.
Artikel IV
(1) Dieser Vertrag ist nicht so auszulegen als werde dadurch das
unveraeusserliche Recht aller Vertragsparteien
beeintraechtigt, unter Wahrung der Gleichbehandlung und in
Uebereinstimmung mit den Artikeln I und II die Erforschung,
Erzeugung und Verwendung der Kernenergie fuer friedliche
Zwecke zu entwickeln.
(2) Alle vertragsparteien verpflichten sich, den
weitestmoeglichen Austausch von Ausruestungen, Material
und wissenschaftlichen und technologischen Informationen
zur friedlichen Nutzung der Kernenergie zu erleichtern,
und sind berechtigt, daran teilzunehmen.
Vertragsparteien, die hierzu in der Lage sind, arbeiten
fener zusammen, um allein oder gemeinsam mit anderen Staaten
oder internationalen Organisationen zur Weiterent-
wicklung der Anwendung der Kernenergie fuer friedliche
Zweck, besonders im Hoheitsgebiet von Nichtkern-
waffenstaaten, die Vertragspartei sind, unter gebuehrender
Beruecksichtigung der Beduerfnisse der Entwick-
lungsgebiete der Welt beizutragen.
Artikel V
Jede Vertragspartei verpflichtet sich, geeignete
Massnahmen zu treffen, um sieherzustellen, dass im Einklang
mit diesem Vertrag unter geeigneter internationaler
Beobachtung und durch geeignete internationale Verfahren
die moeglichen Vorteile aus jeglicher friedlichen Anwendung
von Kernsprengungen Nichtkernwaffenstaaten, die
Vertragspartei sind, auf der Grundlage der Gleichbehandlung
zugaenglich gemacht werden und dass die diesen
Vertragsparteien fuer die verwendeten Sprengkoerper
berechneten Gebuehren so niedrig wie moeglich sind und
keine Kosten fuer Forschung und Entwicklung enthalten.
Nichtkernwaffenstaaten, die Vertragspartei sind, koennen
diese Vorteile auf Grund einer oder mehrerer internationaler
Sonderuebereinkuenfte durch eine geeignete internationale
Organisation erlangen, in der Nichtkernwaffenstaaten
angemessen vertreten sind. Verhandlungen hierueber werden
so bald wie moeglich nach Inkrafttreten dieses Vertrags
aufgenommen. Nichtkernwaffenstaaten, die Vertragspartei
sind, koennen diese Vorteile, wenn sie es wuenschen, auch
auf Grund zweiseitiger Uebereinkuenfte erlangen.
Artikel VI
Jede Vertragspartei verpflichtet sich, in redlicher Absicht
Verhandlungen zu fuehren ueber wirksame Massnahmen zur
Beendigung des nuklearen Wettruestens in naher Zukunft und
zur nuklearen Abruestung sowie ueber einen Vertrag zur
allgemeinen und vollstaendigen Abruestung unter strenger und
wirksamer internationaler Kontrolle.
Artikel VII
Dieser Vertrag beeintraechtigt nicht das Recht
einer Gruppe von Staaten, regionale Vertraege zu schliessen,
um sicherzustellen, dass ihre Hoheitsgebiete voellig frei
von Kernwaffen sind.
Artikel VIII
(1) Jede Vertragspartei kann Aenderungen dieses Vertrags
vorschlagen. Der Wortlaut jedes Aenderungsvorschlags wird
den Verwahrregierungen uebermittelt, die ihn allen
Vertragsparteien zuleiten. Daraufhin berufen die
Verwahrregierungen auf Antrag von mindestens einem Drittel
der Vertragsparteien zur Pruefung des Aenderungs Vorschlags
ein Konferenz ein, zu der sie alle Vertragsparteien
einladen.
(2) Jede Aenderung dieses Vertrags bedarf der Genehmigung
durch Stimmenmehrheit aller Vertragsparteien
einschliesslich der Stimmen aller Kernwaffenstaaten, die
Vertragspartei sind, und aller sonstigen Vertragsparteien,
die im Zeitpunkt der Zuleitung des Aenderungsvorschlags
Mitglied des Gouverneursrats der Internationalen
Atomernergie-Organisation sind. Die Aenderung tritt fuer
jede Vertragspartei, die ihre Ratifikationsurkunde zu der
Aenderung hinterlegt hat, in Kraft mit der Hinterlegung von
Ratifikationsurkunden durch die Mehrheit aller
Vertragsparteien einschliesslich der Ratifikationsurkunden
aller Kernwaffenstaaten, die Vertragspartei sind; und
aller sonstigen Vertragsparteien, die im Zeitpunkt: der
Zuleitung des Aenderungsvorschlags Mitglied des
Gouvemeursrats der Internationalen Atomenergie-Organisation
sind. Danach tritt die Aenderung fuer jede weitere
Vertragspartei mit der Hinterlegung ihrer
Ratifikationsurkunde zu der Aenderung in Kraft.
(3) Fuenf Jahre nach dem Inkrafttreten dieses Vertrags
wird in Genf, Schweiz, eine Konferenz der Vertragsparteien
zu dem Zweck abgehalten, die Wirkungsweise dieses Vertrags
zu ueberpruefen, um sicherzustellen, dass die Ziele der
Praeambel und die Bestimmungen des Vertrags verwirklicht
werden. Danach kann eine Mehrheit der Vertragsparteien in
Abstanden von je fuenf Jahren die Einberufung weiterer
Konferenzen mit demselben Ziel der Ueberpruefung der
Wirkungsweise des Vertrags erreichen, indem sie den
Verwahrregierungen einen diesbezueglichen Vorschlag
unterbreitet.
Artikel IX
(1) Dieser Vertrag liegt fuer alle Staaten zur
Unterzeichnung auf. Jeder Staat, der den Vertrag nicht vor
seinem nach Absatz 3 erfolgten Inkrafttreten unterzeichnet,
kann ihn jederzeit beitreten.
(2) Dieser Vertrag bedarf der Ratifikation durch die
Unterzeichnerstaaten. Die Ratifikations- und die Bei-
trittsurkunden sind bei den Regierungen der Union der
Sozialistischen Sowjetrepubliken, des Vereinigten
Koenigreichs Grossbritannien und Nord-Irland sowie der
Vereinigten Staaten von Amerika zu hinterlegen; diese werden
hiermit zu Verwahrregierungen bestimmt.
(3) Dieser Vertrag tritt in Kraft, sobald die Staaten,
deren Regierungen zu Verwahrern des Vertrags bestimmt worden
sind, und viezig sonstige Unterzeichnerstaaten ihn
ratifiziert und ihre Ratifikationsurkunden hinterlegt
haben. Fuer die Zwecke dieses Vertrags gilt als
Kernwaffenstaat der Staat, der vor dem 1 Januar 1967 eine
Kernwaffe oder einen son stigen Kernsprengkoerper
hergestellt und gezuendet hat.
(4) Fuer Staaten, deren Ratifikations- oder Beitrittsurkunde
nach dem Inkrafttreten dieses Vertrags hinterlegt wird,
tritt er am Tag der Hinterlegung ihrer Ratifikations- oder
Beitrittsurkunde in Kraft.
(5) Die Verwahrregierungen unterrichten alle
Unterzeichnerstaaten und beitretenden Staaten sogleich vom
Zeitpunkt jeder Unterzeichnung und jeder Hinterlegung einer
Ratifikations- oder Beitrittsurkunde, vom Zeitpunkt des
Inkrafttretens dieses Vertrags und vom Zeitpunkt des
Eingangs von Antraegen auf Einberufung einer Konferenz
oder von sonstigen Mitteilungen.
(6) Dieser Vertrag wird von den Verwahrregierungen nach
Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen registriert.
Artikel X
(1) Jede Vertragspartei ist in Ausuebung ihrer
staatlichen Souveraenitaet berechtigt, von diesem Vertrag
zuruecktreten, wenn sie entscheidet, dass durch
aussergewoehnliche, mit dem Inhalt dieses Vertrags
zusammenhaengende Ereignisse eine Gefaehrdung der
hoechsten Interessen ihres Landes eingetreten ist. Sie
teilt diesen Ruecktritt allen anderen Vertragsparteien
sowie dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen drei
Monate im voraus mit. Diese Mitteilung hat eine Darlegung
der aussergewoehnlichen Ereignisse zu enthalten, durch
die ihrer Ansicht nach eine Gefaehrdung ihrer hoechsten
Interessen eingetreten ist.
(2) Fuenfundzwanzig Jahre nach Inkrafttreten dieses
Vertrags wird eine Konferenz einberufen, die beschliessen
soll, ob der Vertrag auf unbegrenzte Zeit in Kraft bleibt
oder um eine oder mehrere bestimmte Frist oder Fristen
verlaengert wird. Dieser Beschluss bedarf der Mehrheit
der Vertagsparteien.
Artikel XI
Dieser Vertrag, dessen chinesischer, englischer,
franzoesischer, russischer und spanischer Wortlaut
gleichermassen verbindlich ist, wird in den Archiven der
Verwahrregierungen hinterlegt. Diese uebermitteln den Re-
gierungen der Unterzeichnerstaaten und der beitretenden
Staaten gehoerig beglaubigte Abschriften.
ZU URKUND DESSEN haben die hierzu gehoerig befugten
Unterzeichneten diesen Vertrag unterschrieben.
GESCHEHEN in drei Urschriften zu
London. Moskau und Washington am
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