Der Unabhängigkeitskrieg und die Entstehung der Vereinigten
Staaten
Die Kolonien in Nordamerika
Die ersten Gruppen von Siedlern hatten sich schon zu Anfang des
16. Jahrhunderts nach Nordamerika begeben. Sie meinten, dort wie
in Mittelamerika Gold zu finden. Sie täuschten sich allerdings.
An der atlantischen Küste Nordamerikas war auch damals keine
Gelegenheit, Gold zu finden.
Die ersten Siedler hatten es schwer. Viele kamen durch Malaria
und andere Tropenkrankheiten um, manche mußten nach Europa
zurückkehren.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts gehörten die meisten Kolonien
in Nordamerika den Engländern. Zuerst verdrängten die
Engländer die Holländer, dann die Franzosen. Die niederländische
Kolonie "NeuAmsterdam" wurde im Jahre 1664 von
den Engländern besetzt. Diese Kolonie wurde dem Bruder des
englischen Königs, dem Herzog von York, geschenkt und New
York genannt.
Im Jahre 1763 setzten sich die Engländer in Kanada fest,
das sie im Krieg gegen die Franzosen erobert hatten.
In den Kolonien verwendete man die Arbeitskraft von weißen
Sklaven, die man aus Europa einführte. Hierbei handelte es
sich um zur Zwangsarbeit verurteilte Verbrecher oder Leibeigene,
die in Schuldsklaverei gefallen waren. In besonders großem
Ausmaße betrieb man in den Kolonien die Ausbeutung der schwarzen
Sklaven, zumal in den südlichen Kolonien, wo sich Tabakplantagen
befanden.
Die Art, wie man mit den Schwarzen umging, war sehr grausam. Entlief
ein Schwarzer von den Plantagen, so jagte man mit Hunden nach
ihm. Hatte man ihn ergriffen, so kam es vor, daß man ihm
die Arme abschlug und die Stümpfe in kochenden Teer hielt.
Nach dieser schrecklichen Folter wurden sie erhängt.
In den nördlichen Staaten, wo die Bauernwirtschaften, deren
Besitzer Farmer waren, vorherrschten, nahmen Industrie und Handel
eine schnelle Entwicklung. Dort gab es reiche Fischfänge.
Aus dem im Überfluß vorhandenen Holz baute man Schiffe.
Zum Schutze des englischen Bürgertums gegen den überseeischen
Nebenbuhler war das englische Parlament in jeder Weise darauf
bedacht, die Entwicklung von Industrie und Handel in seinen amerikanischen
Kolonien einzuengen.
Der Kampf der Engländer gegen die Entwicklung der Industrie
in den amerikanischen Kolonien
Im Jahre 1750 verbot das Parlament den Bau von Hochofenanlagen
in Amerika. Im Jahre 1754 verbot es die Herstellung irgendwelcher
Gewebe in Amerika und schrieb vor, sie fertig aus England einzuführen.
Die armen Farmer und die Arbeiter waren empört darüber,
daß der König von England im Jahre 1763 die Übersiedlung
in die westlichen Länder Nordamerikas verboten hatte. Auch
schon früher hatten die Kolonisten eigenmächtig das
Land von Großgrundbesitzern in Besitz genommen und sich
mehrmals gegen die Kolonialbehörden erhoben. Jetzt aber wurde
die Unzufriedenheit allgemein.
Im Jahre 1763 wurde ein Gesetz über eine Stempelsteuer erlassen.
Allen Handelserzeugnissen wurde die Stempelabgabe auferlegt. Sogar
jede Nummer einer Zeitung wurde mit einer hohen Steuer belegt.
Diese Abgaben mußten sich als schwere Belastung der Bevölkerung
auswirken. Der Versuch, sie einzuführen, rief Aufstände
der Bevölkerung in Boston und anderen Städten hervor.
Die Beamten, die die Steuermarken verkauften, überschüttete
man mit Teer, wälzte sie dann in Federn und trug sie an langen
Stangen durch die Straßen Bostons, wobei man mit Bratpfannen,
die man aneinanderschlug, einen ohrenbetäubenden Lärm
machte. Der Widerstand gegen dieses Gesetz war so einmütig,
daß die englische Regierung es zurückzog. Jedoch führte
das Parlament bald neue Steuern ein und sandte noch mehr Truppen
in die amerikanischen Kolonien.
Der Unabhängigkeitskrieg
Als englische Kaufleute eine große Ladung Tee, die mit Zoll
belegt war, nach Boston einführten, fiel die Bevölkerung
von Boston über die Schiffe her und warf die Teekisten ins
Meer. Dieses Ereignis wird als "Bostoner Teesturm" bezeichnet
(Dezember 1773). Im Jahre 1774 schlossen die englischen Behörden
als Strafe für diese Widersetzlichkeiten den Bostoner Hafen
für den Handel. Diese Maßnahme führte zu offenem
Aufstande in den Kolonien. Im selben Jahre 1774 sandten die amerikanischen
Kolonien ihre Abgesandten zu einem Kongreß nach Philadelphia.
Auf diesem Kongreß bat man den König ehrerbietig, die
Beschränkungen von Handel und Industrie aufzuheben und die
Kolonisten nicht ohne ihre Zustimmung mit Abgaben zu belegen.
Der König antwortete mit der Forderung auf völlige Unterwerfung
der Kolonien und erklärte, daß sie sich im Aufruhr
befänden.
Im Jahre 1775 begannen Kampfhandlungen zwischen den Truppen des
englischen Königs und der amerikanischen Kolonisten.
Anfangs gaben sich die Kolonisten noch dem Glauben hin, nicht
der König, sondern seine Beamten in Amerika hätten den
Krieg begonnen. Jeden Morgen beteten die aufständischen Amerikaner
für den König und zogen dann in den Kampf gegen die
Truppen des Königs. Der Krieg aber ging weiter. Am 4. Juli
1776 nahm der Kongreß die "Unabhängigkeitserklärung"
an, die von Thomas Jefferson, dem fortschrittlichsten Demokraten
seiner Zeit, verfaßt war, der seine eigenen Sklaven freigelassen
hatte. In dieser Erklärung wurde die Loslösung von England
verkündigt und gesagt: "Alle Menschen sind gleich geschaffen,
sie alle sind von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen
Rechten ausgestattet, so mit Leben, Freiheit und dem Streben nach
Glück." Diese Erklärung war ein Manifest der revolutionären
Klasse jener Zeit, der Bourgeoisie.
Im Jahre 1781 wurde die erste Verfassung der neuen Republik angenommen,
die aus 13 nur lose miteinander verbundenen Staaten, den ehemaligen
Kolonien, bestand. Der Kongreß aus den Vertretern der Staaten,
die auf Grund der Verfassung von 1781 handelten, brachte nur Resolutionen
zustande, die Wünsche zum Ausdruck brachten, zu deren Erfüllung
man nicht in der Lage war. Die Schwäche der Zentralgewalt
erschwerte die Führung des Krieges gegen England.
Dieser Krieg dauerte bis zum Jahre 1782. Der Oberbefehlshaber
des Heeres der Kolonisten war George Washington (17321799),
ein glühender Patriot und hervorragender Organisator.
Die Truppen der Kolonisten befanden sich in einer schwierigen
Lage. Die Engländer besetzten die Hauptstadt der abgefallenen
Kolonien, Philadelphia. Bei grimmiger Kälte überwinterten
die amerikanischen Patrioten auf offenem Felde. Es waren nicht
genug Waffen, Geld, Schuhwerk und Kleidung vorhanden. Mit Mühe
setzte Washington im Heere, das aus tapferen, aber unausgebildeten
Farmern und Handwerkern bestand, die nötige Disziplin durch.
Zudem fanden die Engländer in den amerikanischen Kolonien
selbst Bundesgenossen gegen die Kolonisten, die um ihre Freiheit
und Unabhängigkeit kämpften. Reiche Grundbesitzer, Sklavenhalter
und königliche Beamte, die in Amerika lebten, kämpften
gegen die Kolonisten.
Um sein Heer zu vergrößern, erwarb der englische König
Georg III. durch Kontrakt von den deutschen Fürsten etwa
30.000 leibeigene Soldaten, die er nach Amerika sandte. Von der
russischen Kaiserin Katharina II. wollte er weitere 20.000 Mann
erwerben. Die Zarin aber lehnte es, nach anfänglicher Zustimmung,
doch angesichts der angespannten Beziehungen zwischen Rußland
und England und des kürzlichen Bauernaufstandes Pugatschows
ab, Soldaten nach Amerika zu senden.
In jener Zeit eilten den amerikanischen Kolonisten viele Freiwillige
aus Europa zu Hilfe; unter ihnen befand sich der zwanzigjährige
französische Offizier Lafayette, der auf seine Kosten ein
Schiff mit Bemannung ausrüstete, sowie der junge Saint Simon,
der später durch seine Pläne einer Gesellschaftsreform
berühmt wurde.
In den ersten Kriegsjahren versuchte die englische Regierung,
das Hauptgebiet des Aufstandes, die nördlichen Kolonien,
einzuschließen und auszuhungern. Dieser Plan jedoch gelang
nicht. Das englische Heer, das man zur Umzingelung abgesandt hatte,
wurde zerschlagen. Darauf verlegten die Engländer die Kriegshandlungen
aus den demokratischen nördlichen Kolonien nach dem Süden,
wo englische aristokratische Sklavenhalter die Herren waren. Aber
auch hier erlitten die Engländer einen Mißerfolg. Besonders
erfolgreich verlief der Krieg für die Amerikaner, nachdem
sie unter Ausnutzung der alten Feindschaft der beiden Kolonialmächte
England und Frankreich von Frankreich bewaffnete Hilfe erhalten
hatten (1778). Die Kolonisten wandten die Taktik des Partisanenkrieges
erfolgreich an und zertrümmerten mit Unterstützung französischer
Truppen das Söldnerheer des Königs.
Im Jahre 1781 ergaben sich die Hauptkräfte der Engländer
Washington bei Yorktown im Staate Virginia. Im darauffolgenden
Jahre wurden in Versailles die Friedensbedingungen ausgearbeitet;
der Frieden selbst wurde im Jahre 1783 geschlossen. Die Engländer
erkannten die Unabhängigkeit der Kolonien an.
Der Krieg des amerikanischen Volkes um seine Unabhängigkeit
beeindruckte die fortschrittlichen Menschen in Europa stark. Man
stellte die Amerikaner in ihrem Kampfe um Unabhängigkeit
und Demokratie als Beispiel hin.
Der Aufstand Shays (1786)
Während des Krieges wurden bei Anhängern der Engländer,
reichen Landbesitzern, Ländereien beschlagnahmt. 100.000
Engländer wurden aus den Vereinigten Staaten vertrieben.
Jedoch, auch viele Farmer richtete der Krieg zugrunde. Die schwere
Staatsschuld, die der Krieg hinterlassen hatte, wollte die Regierung
durch Erhöhung der Steuern auf die Farmer umlegen. Die Folge
davon war, daß die verschuldeten Farmer, um ihre rückständigen
Steuern bezahlen zu können, Vieh, Häuser und Grundstücke
verkaufen mußten. So kam es schließlich zu einem Aufstand
der Farmer und der armen Bevölkerung in den Städten,
hauptsächlich der Handwerker in einigen nördlichen Kolonien,
an dessen Spitze ein Teilnehmer am Unabhängigkeitskriege,
Daniel Shay, stand. Nur mit Mühe wurde dieser Aufstand von
den Truppen der Vereinigten Staaten unterdrückt. Der Aufstieg
der demokratischen Bewegung zwang das Bürgertum des Nordens
und die sklavenhaltenden Plantagenbesitzer des Südens, sich
enger zusammenzuschließen. Man beschloß, die Verfassung
abzuändern, um die Zentralgewalt zu festigen.
Im Jahre 1787 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet, die im
wesentlichen ihre Gültigkeit bis heute behalten hat.
Die amerikanische Verfassung
Bisher war jeder der amerikanischen Staaten ein Herrschaftsgebiet
für sich, mit eigenen Truppen, eigenen Finanzen und eigenen
Zollgrenzen. Nunmehr wurde die Zentralgewalt etwas verstärkt,
wobei jedoch den einzelnen Staaten eine bedeutende Selbständigkeit
in örtlichen Fragen belassen wurde, Oberhaupt der vollziehenden
Gewalt ist nach der Verfassung der Präsident, der auf vier
Jahre gewählt wird. Er hat den Oberbefehl über Heer
und Flotte inne und ernennt die Beamten, mit einem Worte, er besitzt
ungeheure Vollmachten. Zum ersten Präsidenten wurde George
Washington gewählt.
Das amerikanische Parlament, der Kongreß, besteht aus zwei
Kammern. In die untere Kammer, die Kammer der Vertreter des Volkes
(Repräsentantenhaus), werden die Abgeordneten nach der Zahl
der Bewohner eines jeden Staates hineingewählt. Die obere
Kammer, der Senat, besteht aus den Vertreterin der einzelnen Staaten
(je zwei für jeden Staat).
Durch die Verfassung wurden die Rechte der Arbeitenden wesentlich
eingeschränkt. Fast in allen Staaten mußte man zur
Erlangung des Wahlrechts Eigentum an Land oder an Kapital besitzen.
Die Frauen erhielten überhaupt kein Wahlrecht. Die Sklaverei
blieb erhalten. Sklaven und Indianer hatten keine Bürgerrechte.
Eine wesentliche Einschränkung bedeutete auch die Forderung,
daß der Wähler eine bestimmte Zeit im betreffenden
Gebiete gewohnt haben mußte (Niederlassungszensus). Diese
Bestimmung nahm vielen aus der zugezogenen Bevölkerung das
Wahlrecht.
Große Vollmachten erhielt das Oberste Gericht, das aus für
Lebenszeit ernannten Mitgliedern bestand. Dieses Gericht kann
jedes beliebige amerikanische Gesetz dadurch aufheben, daß
es seine Bestimmungen als zur Verfassung im Widerspruch stehend
bezeichnet.
So hatte die republikanische Gesellschaftsschichtung in Nordamerika,
wie sie sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts herausgebildet hatte,
eine Gruppe des Handel und Industrie treibenden Bürgertums
im Norden und die der sklavenhaltenden Plantagenbesitzer im Süden
des Landes an die Macht gebracht.
Während des Unabhängigkeitskrieges und der Ausarbeitung
der Verfassung der Vereinigten Staaten wurde die für Amerika
sehr wichtige Frage der westlichen Gebiete, in denen Indianer
lebten, gelöst. Die riesigen Ländereien in den westlichen
Gebieten Nordamerikas, die noch nicht von Kolonisten besiedelt
waren, wurden zu Staatsbesitz erklärt. Die Indianer, die
in diesen Gebieten lebten, verjagte man und drängte sie in
die Tiefe des Kontinents. Wenn sie Widerstand leisteten, vernichtete
man sie. Die Ländereien bestimmte man dann zum Verkauf in
großen Stücken und zu hohen Preisen, so daß sie
den Unbemittelten nicht erschwinglich waren. So entschieden am
Ende des 18. Jahrhunderts Bürgertum und sklavenhaltende Plantagenbesitzer
diese Landfrage nach ihren Interessen.
Im ganzen hatten der Unabhängigkeitskrieg und die Verfassung
der Vereinigten Staaten von Amerika, die die entscheidenden Errungenschaften
dieses Krieges festlegte, eine große fortschrittliche Bedeutung.
Die Amerikaner hatten die Unabhängigkeit erobert; die ehemaligen
englischen Kolonien hatten sich aus Teilen einer Monarchie in
selbständige Staaten, in eine Republik verwandelt. Jetzt
konnten das englische Parlament und königlicher Machtwille
nicht mehr die Entwicklung des Handels und der Industrie Amerikas
behindern und die Besiedlung der westlichen Gebiete verbieten.
Die Zölle zwischen den früheren Kolonien, den jetzigen
Staaten, wurden abgeschafft. In den Nordstaaten wurde die Sklaverei
verboten.
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