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KAPITEL IX


Wiederaufrüstung und Kriegsfinanzierung


Die Operationen der Deutschen Bank richteten sich in den Jahren nach 1933 immer stärker darauf, Deutschlands Vorbereitungen für einen Aggressionskrieg und dessen Durchführung zu unterstützen. Die wirtschaftliche Mobilisierung Deutschlands für den Krieg verlangte in steigendem Maße die Anspannung aller Kräfte; sie bezog die gesamte Wirtschaft ein, nicht zuletzt die Finanzkreise, die im großen und ganzen für die direkte und indirekte Finanzierung des gesamten Vorhabens verantwortlich waren.

Das heißt nicht, daß die Bank keine andere Wahl hatte. Im Grunde hatte sie von 1933 an zwei Alternativen: Sie konnte ihre Geschäfte in herkömmlicher Weise fortführen, ohne sich, so weit das möglich war, besonders darum zu bemühen, der Regierung zu helfen; sie konnte aber auch das ganze Gewicht ihrer Organisation für die Unterstützung von Partei und Staat aufbieten. Die erste Alternative hätte ohne Zweifel eine drastische Verringerung der relativen Bedeutung der Bank bedeutet, eine Aussicht, die den Mitarbeitern der Bank gar nicht behagte. Die zweite Alternative entsprach sehr viel eher ihrer nationalistisch­militaristischen Einstellung. Diese grundlegende Übereinstimmung in den Ansichten überwog bei weitem mögliche Befürchtungen seitens einiger Bankiers der alten Schule, denen die verworrenen antikapitalistischen Ziele eines Teils der frühen Nazibewegung etwas merkwürdig vorkamen.(1) Vor allem bot die vollständige Zusammenarbeit mit dem neuen Regime den Bankiers Gelegenheit, Einfluß und Macht für sich und die Bank nicht nur zu erhalten, sondern noch zu steigern. Die im Laufe dieser Jahre von der Bank immer wieder zu treffenden einzelnen Entscheidungen sollen im folgenden dargestellt werden. Ungeachtet der Beteuerungen ihrer leitenden Mitarbeiter, sie hätten verzweifelt um die Einhaltung eines »konservativen« Kurses gerungen, deutet das gesamte Beweismaterial darauf hin, daß die Deutsche Bank in Wirklichkeit den Weg der uneingeschränkten Zusammenarbeit wählte.

Die Deutsche Bank war der Exponent eines starken deutschen Banksystems, jener Art von System, das die Nazis brauchten, um ebenso schnell wie reibungslos ein Kriegspotential aufzubauen. Der Beitrag der Deutschen Bank als wichtigster Handelsbank in Deutschland zur effizienten Entwicklung und Aufrechterhaltung dieses Kriegspotentials, bestand hauptsächlich in drei Arten von Aktivitäten: Beschaffung von Geldmitteln für das Reich, Finanzierung der Kriegsindustrie durch Darlehen und Plazierung neuer Wertpapiere sowie Lenkung der von der Bank kontrollierten Industrieunternehmen in »geeignete« Produktionsrichtungen.(2)

In zunehmendem Maß wurden von der Bank Kredite gewährt, um die Forderungen, die sich aus dem Wiederaufrüstungsprogramm ergaben, zu erfüllen. Praktisch alle Finanzierungsmöglichkeiten wurden mit Ausbruch des Krieges auf Unternehmen konzentriert, die auf die eine oder andere Weise mit den Kriegsvorhaben verbunden waren. Als Anlageberatungsfirma brachte die Bank Aktien und Obligationen solcher Unternehmen in der Öffentlichkeit unter. Die Finanzierung des Reiches wurde zur umfangreichsten und wichtigsten Aufgabe der Bank. Ihre Größenordnung und ihre besonderen Aspekte sollen darum hier zuerst behandelt werden.

Abschnitt 1 ­ Die Finanzierung des Reiches

Staatspapiere. Bei der Finanzierung des Reiches konzentrierte sich die Deutsche Bank ebenso wie die anderen Geschäftsbanken in der Hauptsache auf den Kauf von Schatzwechseln und unverzinslichen Schatzanweisungen des Reiches und der Länder, die sich als kurzfristige Schuldverschreibungen am besten für die Anlage von Mitteln eigneten, die aus laufenden Konten von Kunden stammten. Die längerfristigen Schatzanweisungen und Obligationen (Anleihen und festverzinsliche Schatzanweisungen des Reiches und der Länder) wurden meist von Sparkassen und Versicherungsunternehmen übernommen sowie in kleinerem Umfang von der Industrie, vom Handel, von der Öffentlichkeit und von Gesellschaften zur Finanzierung von Warenkrediten(3) Der Teil, der von den nicht zum Bankwesen gehörenden Einrichtungen und von individuellen Käufern übernommen wurde, war jedoch erheblich, und die Deutsche Bank war mit ihrem riesigen Apparat und ihren großen Zweigstellen sehr geeignet, als Vertreter des Reiches bei der Übernahme großer Beträge durch ihre Kunden zu fungieren. Die folgenden Bemerkungen, die dem Jahresbericht der Bank für 1937 entnommen wurden, sind in diesem Zusammenhang aufschlußreich:

»Wenn der Gesamtblock der Konsolidierung nunmehr ... etwa 83/4 Milliarden Reichsmark erreicht, so hat zu diesem finanziellen Erfolge, der im Rahmen des gesamtwirtschaftlichen Aufschwungs sehr beachtlich ist, die Mitwirkung der Kreditbanken maßgeblich beigetragen. ... Immer wieder erweist sich die laufende und enge Geschäftsverbindung der Bank mit ihrer großen Zahl von Kunden aus allen Berufs­ und Wirtschaftszweigen in ihrer Gesamtheit als ein Apparat, der für die notwendige langfristige Anleihefinanzierung der Reichsausgaben unentbehrlich ist.«(4)

Im folgenden Jahr 1938 konnten weitere 8 Milliarden RM in Staatspapieren angelegt werden. Im Jahre 1942 war die Deutsche Bank in der Lage, allein über 1 Milliarde RM an Schatzanweisungen in der Öffentlichkeit unterzubringen. Die Bank selbst behielt 479 Mill. RM in ihrem Bestand, ein Besitz, der 11,8% der Schatzanweisungen und Obligationen aller deutschen Geschäftsbanken ausmachte. Der Anteil der Bank an kurzfristigen Schatzwechseln war sogar noch größer. Er betrug 23,1% (3951 Mill. RM) aller Bestände von Geschäftsbanken.

Während bis 1937 der Besitz der Bank an kurzfristigen Schatzwechseln zwischen 200 bis 300 Mill. RM lag, erfolgte, wie aus der folgenden Aufstellung hervorgeht, in den nachfolgenden Jahren eine gewaltige Zunahme:

1937202 880 532 RM
1938529 674 690 RM
19391 148 758 779 RM
19402 079 256 329 RM
19412 908 564 808 RM
19423 950 696 413 RM
19434 635 278 845 RM
19447 502 694 558 RM

Für das Jahr 1944 bedeutete dies eine Anlage von 66% des Gesamtvermögens der Bank (11374 Mill. RM) in Schatzwechseln. Wenn man zu dieser Zahl Schatzanweisungen und Obligationen (412 Mill. RM), Eigenwechsel der Deutschen Golddiskontbank (873 Mill. RM) und Anleihen mit Reichsgarantie für Sonderprojekte des Reiches (etwa 560 Mill. RM) hinzuzählt, stellt man fest, daß über 82% des Vermögens der Deutschen Bank Ende 1944 für die direkte und indirekte Finanzierung des Staates verwendet wurden. Eine Übersicht der vorangegangenen Jahre zeigt folgende Prozentzahlen (vergleiche Tabelle I, Kapitel II):

193944 %
194063 %
194171 %
194273 %
194373 %

Die immer stärker in den Vordergrund tretende Finanzierung des Reiches durch direkte Anlage des Vermögens der Bank entsprach einer wohlüberlegten Geschäftspolitik. In ihrem Bericht für das Jahr 1940 verweist die Bank stolz auf ihre Leistungen, wenn sie sagt:

»Im Jahre 1940, in dem Deutschlands Wehrmacht Siege geschichtlichen Ausmaßes errang, hat auch die deutsche Kriegswirtschaft die von ihr geforderte Leistungsprobe bestanden ... Die Kreditbanken haben damit vor allem zu der erfolgreichen Durchführung der kurzfristigen Reichsfinanzierung einen wesentlichen Beitrag geleistet.«(5)

Doch neben der erwähnten Finanzierungstätigkeit leistete die Bank der Regierung durch Aufnahme verschiedener Arten von speziellen Papieren zur Finanzierung des Reiches unschätzbare Hilfe.

Arbeitsbeschaffungswechsel und Steuergutscheine. Außer auf die Ausgabe von Schatzpapieren stützte sich der Nazistaat von Anfang an stark auf Sonderwechsel und Gutscheine für die Finanzierung der gewaltigen Anforderungen zunächst bei der sogenannten Arbeitsbeschaffung und später beim Wiederaufrüstungsprogramm. Die Deutsche Bank hatte bedeutenden Anteil am Erfolg dieser Programme, indem sie den verschiedenen kurzfristigen Papieren ein ständig erweitertes Limit einräumte. Hitlers erster Vierjahresplan von 1933 sah Ausgaben von 4,5 Mrd. RM für öffentliche Bauten und den Bau der strategisch wichtigen »Reichsautobahnen« vor. Dieses »Arbeitsbeschaffungsprogramm« war natürlich nur das erste Stadium der Remilitarisierung und Kriegsvorbereitung.(6) Die Finanzierung erfolgte durch Ausgabe von »Arbeitsbeschaffungswechseln«, wobei es sich um Wechsel handelte, die von den Unternehmern auf besondere Finanzinstitutionen des Reiches ausgestellt und bei Fälligkeit immer wieder verlängert wurden. Die Verwendung dieser Wechsel ging nach 1934 zurück, ebenso der Umlauf der Steuergutscheine, die aus der Zeit unmittelbar vor der Naziherrschaft übernommen worden waren.

Mefo­Wechsel. Nach 1935, als Hitler den Rückzug Deutschlands aus der Abrüstungskonferenz und die Wiedereinführung der Wehrpflicht verkündete, ließ man die öffentlichen Baumaßnahmen zur Arbeitsbeschaffung allmählich auslaufen und ersetzte sie durch ein Programm der direkten Produktion für die Wiederaufrüstung.(7) Das neue Programm wurde durch Wechsel finanziert, die von Februar 1936 bis Ende März 1938 unter dem harmlosen Namen »Sonderwechsel« ausgestellt wurden. Später wurden sie als »Mefo-Wechsel« bekannt. Aus einem Schreiben des Direktoriums der Reichsbank vom 27. Januar 1936 an alle Filialen und Kreditinstitutionen der Reichsbank konnte die deutsche Bankwelt einen Überblick über dieses neue System gewinnen (Beweisstück 104).(8)Im folgenden ein Auszug:

»Hinsichtlich der Zwischenfinanzierung von Reichsausgaben für Zwecke der Arbeitsbeschaffung mit besonderer Betonung des Aufbaus der Wehrmacht informieren wir Sie vertraulich über folgendes: Wir ersuchen Sie, diese Nachricht als streng vertraulich zu behandeln und besonders darauf zu achten, daß kein Teil ihres Inhalts in die Zeitungen gelangt. Ab 1. Februar 1936 erhalten Industrieunternehmen, die Reichsaufträge ausführen, vorwiegend sechsmonatige Akzepte der Metallurgischen Forschungsgesellschaft m.b.H. anstelle der üblichen Barzahlung. Diese Wechsel tragen die Unterschrift des Industrieunternehmens als Trassanten und ersten Indossanten und ein weiteres Indossament der Handelsgesellschaft für Industrieerzeugnisse m.b.H.«

Die Metallurgische Forschungsgesellschaft (Mefo) war nichts anderes als ein Tarnwerkzeug für die Finanzierung der deutschen Wiederaufrüstung im Rahmen des Vierjahresplans. Sie fungierte als Strohmann für die Reichsbank und das Reichsministerium für Finanzen und sollte lediglich ihren Namen für die Akzeptierung der besonderen Rüstungswechsel hergeben. Durch Akzeptierung dieser Mefo­Wechsel als Diskontmaterial gaben die Deutsche Bank sowie die anderen Geschäftsbanken wissentlich der Wiederaufrüstung Deutschlands finanzielle Rückendeckung und trugen dazu bei, daß der Umfang dieser Finanzierung und daher das Ausmaß der Wiederaufrüstungsbestrebungen ein wohlgehütetes Geheimnis blieb. Während die Mefo­Wechsel in Wirklichkeit nichts weiter als ein Darlehen an das Reich waren, ermöglichte es ihre Verwendung zur Finanzierung der Reichsausgaben der Reichsbank, die 400 Mill. RM, die sie den gesetzlichen Bestimmungen gemäß der Regierung leihen durfte, um viele Milliarden zu überschreiten. Dr. Schniewind, zu jener Zeit Mitglied des Direktoriums der Reichsbank, erklärte, als er über die Mefo­Wechsel befragt wurde: »Wir glaubten, daß die Mefo­Wechsel bei Fälligkeit in bar gezahlt würden, und wir waren überzeugt, daß durch Drosselung dieser Finanzquelle der ganze nationalsozialistische Spuk plötzlich zum Verschwinden gebracht würde.« (Beweisstück 105)(9)

So groß war die Bedeutung dieses Finanzierungsmittels.

Die Deutsche Bank begann 1936 die Mefo­Wechsel zu diskontieren. Hans Rummel, Mitglied des Vorstandes der Deutschen Bank, erklärte, daß die Wechsel bei der Deutschen Bank von Unternehmen eingereicht wurden, die Aufträge für die deutsche Wehrmacht ausführten. Er erinnerte sich, daß vor allem Daimler­Benz und möglicherweise die Maschinenfabrik Augsburg­Nürnberg (MAN) solche Wechsel in besonderem Maße hinterlegten (Beweisstück 105 a).(10) Eine Überprüfung der Mefo­Wechselgeschäfte der Mannesmannröhren­Werke Düsseldorf und einiger ihrer Tochtergesellschaften zeigt, daß sie allein mehr als 3 Mill. RM in solchen Wechseln im Jahre 1936 und insgesamt etwa 12,5 Mill. RM von 1936 bis 1938 bei der Deutschen Bank einreichten (Beweisstück 106).(11) Im Bewußtsein der Bedeutung ihrer Rolle bei dieser Art der Finanzierung fügte die Deutsche Bank in ihren Bericht für das Jahr 1936 folgende Bemerkung ein:

»Da auch die Kreditrückzahlungen im ganzen größer waren als die Neuinanspruchnahmen, konnten erhebliche Beträge frei gewordener Mittel zum Ankauf von Sonderwechseln des Reiches verwendet werden. Die Banken haben sich damit ebenso wie in den Vorjahren für die Vorfinanzierung der Staatsausgaben zur Verfügung gestellt, die noch nicht aus dem erhöhten Steueraufkommen bestritten werden können.«(12)

Mefo­Wechsel besaßen zunächst eine Laufzeit von sechs Monaten, waren jedoch auf unbestimmte Zeit verlängerbar; drei Monate nach Ausstellung waren sie bei der Reichsbank rediskontfähig. Die Deutsche Bank diskontierte nicht nur Mefo­Wechsel von Kunden, sie kaufte diese Wechsel auch auf dem offenen Geldmarkt und von der Reichsbank auf Beweisstück 107 zeigt den Erwerb eines Pakets von Mefo­Wechseln in Höhe von 20 Mill. RM von der Reichsbank.(13)

In einer Kampagne zur Konsolidierung der kurzfristigen Verschuldung des Reiches wurde die Ausgabe von Mefo­Wechseln an Lieferanten am 31. März 1938 eingestellt. Alle Wechsel sollten der Reichsbank als dem Vertreter des Reiches während der folgenden sechs Monate zur Einlösung vorgelegt werden. Von dem ausstehenden Gesamtbetrag von etwa 12 Mrd. RM wurden etwa 90% von den Geschäftsbanken vorgelegt. In Wirklichkeit löste das Reich die Wechsel damals nicht ein. Die Reichsbank erwarb sie als Treuhänder für das Reich und behielt sie als Belege für die Ausstellung von sogenannten Mefo­Wechsel­Bescheinigungen (Beweisstück 108),(13a) die in runden Nennwerten mit Fälligkeiten von drei Monaten bis zu einem Jahr ausgegeben wurden. Dieses neue Papier wurde von der Reichsbank sofort bei Kreditinstituten untergebracht, die willige Käufer waren. Der Hauptanreiz für die Banken war die Tatsache, daß sie diese Bescheinigungen (wie die Mefo­Wechsel) in ihren Bilanzen unter »Handelswechsel« ausweisen konnten. Dadurch wurde ihr wahrer Charakter einer Staatsobligation verschleiert und die Gesamtinvestition der Bank in das Reich zu gering angesetzt. Aus der Perspektive der Naziregierung gestattete diese Methode die Verschleierung der Gesamtausgaben des Reiches und besonders jener Ausgaben, die der Wiederaufrüstung Deutschlands zugute kamen und geltende Verträge verletzten. Das Reich begann 1941 mit der Einlösung der Mefo­Wechsel, und die Ausgabe von Mefo­Wechsel­Bescheinigungen wurde von der Reichsbank im Juli 1943 eingestellt.

Die Bedeutung der Mefo­Wechsel in der deutschen Wiederaufrüstungswirtschaft wird daran deutlich, daß sie 1940 12% der gesamten deutschen Staatsschulden ausmachten. Auf einer Sitzung des Aufsichtsrates der Deutschen Bank (Beweisstück 109) wurde bekanntgegeben, daß sich die gesamte Staatsschuld Staatssekretär Reinhardt zufolge 1940 so zusammensetzte:(14)

Ausgewiesene Schulden des Reiches
einschließlich
79 000 Mill. RM
Steuergutscheine 12 000 Mill. RM
Mefowechsel 2 300 Mill. RM
Schulden der Länder 8 000 Mill. RM
Schulden der Gemeinden 101 300 Mill. RM

Der gesamte Umfang der Transaktionen mit Mefo­Wechseln durch die Deutsche Bank kann derzeit nicht ermittelt werden. Der Betrag von Mefo­Wechseln oder Bescheinigungen, die sich am Ende eines Jahres von 1936 bis 1943 in ihrem Besitz befanden (Ende 1944 waren keine mehr in ihrem Besitz), wird jedoch in der folgenden Tabelle dargestellt, die Beweisstück 110 entnommen wurde:(15)

1936405 055 500 RM
1937572 810 200 RM
1938241 357 200 RM
1939212 143 900 RM
1940349 528 300 RM
1941510 241 800 RM
1942617 840 300 RM
1943341 621 000 RM

Lieferungsschatzanweisungen. Nachdem die Ausgabe der Mefo­Wechsel eingestellt worden war, wurde vom Reich ein neues Papier für die kurzfristige Finanzierung von Rüstungsausgaben geschaffen. Den Lieferanten wurden sogenannte »Lieferungsschatzanweisungen« als Zahlung für Lieferungen übergeben. Diese Lieferungsschatzanweisungen waren im Gegensatz zu den Mefo­Wechseln bei der Reichsbank nicht rediskontierbar. Sie wurden am Ende von 6 Monaten ohne Verlängerung von der Reichskasse eingelöst.

Die Deutsche Bank erwarb Lieferungsschatzanweisungen von Kunden und auf dem offenen Markt und machte sich damit für dieses neue Mittel der Rüstungsfinanzierung stark. Die Geschäfte erreichten nach Aussagen von Mitarbeitern der Deutschen Bank einen beträchtlichen Umfang, doch genaue Zahlen waren nicht zu erhalten. Lieferungsschatzanweisungen wurden in der Bilanz unter »Schatzanweisungen und zinslose Schatzwechsel des Reichs und der Länder« aufgeführt. In ihrem Bericht für das Jahr 1938 erläutert die Deutsche Bank ihren eigenen Beitrag und den der anderen Handelsbanken wie folgt:

»Die Einschaltung der Banken in die Vorfinanzierung erfolgte seit dem Frühjahr 1938 in Gestalt der Übernahme der vom Reich den Unternehmern in Zahlung gegebenen Lieferungsschatzanweisungen. Die Einführung dieses neuen Finanzierungsinstruments hat äußerlich die Entwicklung der Bankbilanzen und damit auch die unsrige Berichtsjahre stark gekennzeichnet; einer Verminderung des Wechselbesitzes als Folge des Fälligwerdens der Sonderwechsel stand eine starke Zunahme der Bestände an Schatzanweisungen gegenüber.«(16)

Der obigen Tabelle zufolge gingen die Mefo­Wechsel zwischen 1937 und 1938 um 331 Mill. RM zurück. Die Jahresbilanzen weisen im gleichen Jahr dagegen eine Erhöhung der Schatzanweisungen von 327 Mill. RM aus.

Dego­Solawechsel. Mit der Einlösung der Mefo­Wechsel gewannen die Solawechsel der Deutschen Golddiskontbank (Dego) eine beträchtliche Bedeutung. Sie waren vorher nur in geringem Maße in Umlauf. Die Deutsche Bank unterstützte das Reich durch erhebliche Aufkäufe dieser Degowechsel. Die folgende Tabelle, die auszugsweise dem Beweisstück 110 entnommen wurde, zeigt den entsprechenden Bestand der Deutschen Bank am Ende eines jeden Jahres von 1937 bis 1944:

193712 300 000 RM
193839 600 000 RM
1939107 400 000 RM
1940160 000 000 RM
1941138 000 000 RM
194283 500 000 RM
1943422 500 000 RM
1944872 950 000 RM

Wie die Mefo­Wechsel boten die Solawechsel der Dego der Deutschen Bank Gelegenheit, ihre Bilanz zu frisieren. Entsprechend den Instruktionen der Reichsbank konnten sie als Handelswechsel aufgeführt werden. Die Errichtung einer solchen Fassade war in der Tat vonnöten, da der Besitz der Deutschen Bank an echten Handelswechseln infolge der verstärkten finanziellen Beteiligung am Staat Ende 1944 bis auf etwa 84 Mill. RM zurückgegangen war. Durch Zusammenfassen dieses Betrages mit den Dego­Wechseln war die Deutsche Bank in der Lage, einen Bestand an Handelswechseln von 95 7 Mill. RM für jenes Jahr anzugeben.

Der uneingeschränkte Nachdruck, mit dem die Deutsche Bank den Großteil ihrer Mittel in die Kasse lenkte, aus der das Reich seine Ausgaben, vorwiegend militärischer Art, finanzierte, ist ein Zeichen für die grundlegende Übereinstimmung der Bank mit der Politik, die diesen Ausgaben zugrunde lag. Die direktere Beschaffung von Geldmitteln für »strategische« Industrieunternehmen in Form von Anleihen und Konsortialoperationen, obgleich gegenüber der Staatsfinanzierung vom Umfang her zweitrangig, und die Operationen der von der Bank kontrollierten Industrieunternehmen sind ein noch aufschlußreicherer Beweis für die Bereitschaft der Bank, dem Ziel der Nazis zu dienen ­ der Welt den Willen Deutschlands mit Waffengewalt aufzuzwingen.(17)

Bereits 1934 bewertete die Deutsche Bank ihre wirtschaftliche Tätigkeit nach Gesichtspunkten der »Wehrpolitik«. In einem im Februar 1934 an die Deutsche Golddiskontbank (Dego) geschickten Schreiben (Beweisstück 111) versuchte die Bank, die Unterstützung der Dego für die Finanzierung eines deutschen Konsortiums zu erhalten, das von der Deutschen Bank geleitet wurde und sich gemeinsam mit türkischen Interessenten der Ausbeutung einer Kupfererzlagerstätte im asiatischen Teil der Türkei widmete. Das Konsortium der Deutschen Bank war bestrebt, alle Aufträge für die bei diesem Bergbauprojekt benötigten Maschinen bei deutschen Herstellern unterzubringen. Hinsichtlich der Bedeutung des Unternehmens sagte die Deutsche Bank:

»Das Unternehmen stellt einen wertvollen Gewinn für die Wirtschaftstätigkeit Deutschlands im Ausland dar. Unter Berücksichtigung seiner propagandistischen Wirkung als Muster für die Leistungsfähigkeit der deutschen Industrie sowie unter Berücksichtigung der Tatsache, daß dieses Kupferbergwerk nicht nur hervorragende Schürfstellen besitzt, sondern auch das einzige in der Türkei ist, gewinnt es große allgemeine Bedeutung und für uns besonders wehrpolitische Bedeutung. Es erscheint uns von außerordentlicher Wichtigkeit, den deutschen Einfluß auf das Unternehmen zu sichern und zu festigen.« (Beweisstück 111)(18)

Diese Feststellung bewies wirkliche Weitsicht. Besonders während der Kriegsjahre wurde die Türkei eine sehr wertvolle Quelle von lebenswichtigen Rohstoffen für Deutschland. Obgleich sich solch frühe Auslandstätigkeit der Deutschen Bank als bedeutend für den Erfolg der deutschen Kriegsplanung erwies, bestand doch die Tätigkeit der Bank zur Unterstützung der deutschen Wiederaufrüstung zumindest anfänglich größtenteils aus Inlandsgeschäften. Inlandsanleihen wurden von der Bank in steigendem Maße gewährt, um direkten oder indirekten Rüstungsanforderungen wie der Gründung und Entwicklung von neuen Rohstoffindustrien und der Entwicklung und Erweiterung aller Arten von Produktionsunternehmen der Rüstungsindustrie gerecht zu werden.

In ihrem Jahresbericht für das Jahr 1937 führte die Deutsche Bank aus:

»Häufig überstieg aber namentlich der Finanzierungsbedarf der Vierjahresplanvorhaben und der damit verbundenen Betriebserweiterungen die verfügbaren Mittel und machte die Heranziehung von Bankkrediten erforderlich. Dadurch steigerte sich unsere Kreditgewährung gerade in den höheren Größenklassen erheblich gegen das Vorjahr.«(19)

In ihrem Bericht für 1938 stellte die Bank erneut fest:

Sie habe beträchtliche Kredite für die Schaffung von Einrichtungen zur Herstellung neuer Grundstoffe gewährt.(20)

Die ständige Zunahme der Anzahl großer Einzelkredite ist aus einer Tabelle der neuen über 1 Mill. RM liegenden Kredite und deren Verhältnis zum Gesamtbetrag der neu gewährten Kredite ersichtlich:

Neue Kredite über 1 Mill. RM

- Jahr Anzahl der
Kredite
Betrag in RM Prozentanteil an
den insgesamt
gewährten Krediten
- 1933 35 58 112 600 8%
- 1934 51 114 025 100 14%
- 1935 65 147 987 731 16%
- 1936 73 223 379 061 21%
- 1937 99 245 663 918 20%
- 1938 129 328 500 481 22%
- 1939 136 434 282 889 26%
- 1940 153 508 198 843 33%
- 1941 160 544 387 928 35%

Das ständige Wachstum der Kredite in den höheren Kategorien stimmte mit der Tendenz zur industriellen Konzentration überein. Dieses Wachstum drückte sich nicht nur in der Anzahl der Kredite über 1 Mill. RM aus, sondern auch in ihrem durchschnittlichen Betrag, der von 1,7 Mill. RM (1933) auf 3,4 Mill. RM (1941) anstieg.

Zweifellos stiegen große Kredite für Munitionsproduzenten sowohl ihrer Anzahl als auch ihrer durchschnittlichen Höhe nach in den Jahren nach 1941, für die keine detaillierte Aufstellung vorliegt, weiter an. Die Kriegsindustrien hatten sich bis dahin stark auf die Vorauszahlungen bei Reichsaufträgen als Quelle für ihr Betriebskapital verlassen. Als die Regierung im Winter 1942/43 diesen Vorauszahlungen zumindest zeitweilig ­ strenge Einschränkungen auferlegte, verzeichnete die Deutsche Bank einen weiteren Anstieg der Nachfrage nach Krediten. Die Deutsche Bank weist in ihrem Jahresbericht für das Jahr 1943 darauf hin:

»Neu in Anspruch genommen oder zugesagt wurden im Laufe des vergangen Jahres 70 331 Kredite (84 49 1) mit einem Gesamtbetrag von 210 7 Mill. RM (1877 Mill. RM). In dem Ansteigen der Kredite kommt eine Belebung der Kreditnachfrage auf breiter Front nicht zum Ausdruck. Der zusätzliche Bedarf konzentrierte sich infolge der eingangs erwähnten Ursachen auf eine beschränkte Zahl von Kreditnehmern, vornehmlich solche aus der Rüstungswirtschaft, die zur Erfüllung neuer Aufgaben oder wegen des Wegfalls der staatlichen Vorauszahlungen auf die Inanspruchnahme fremder Mittel angewiesen waren.«(21)





Anmerkungen:



1 Aber hier sorgten noch im Jahr 1933 die Tagungen der Bankenenquêtekommission für die erforderlichen Klarstellungen. Als die mittelständisch­nazistischen Wortführer des Kampfs gegen die »Zinsknechtschaft des Geldes« in der Umgebung Gottfried Feders versuchten, die Aufarbeitung der Bankenkrise von 1931/32 als Vehikel zur Zähmung des großen Bankkapitals zu nutzen, holten sie sich eine Abfuhr, die gleich zu Beginn des »Dritten Reichs« die Fundamente für den ungehemmten Wiederaufschwung der Aktienbanken legte. Die Vorstandsmitglieder der Deutschen Bank schlugen im übrigen bei diesen Auseinandersetzungen die große Bresche. Ein Kapitel aus der Geschichte des »Dritten Reichs«, das dringend aufgearbeitet werden müßte! Vgl. dazu die umfangreichen Bestände in BA, R 2/ 13 682 ff., RD 51/8 ff. Vgl. auch Untersuchung des Bankwesens 1933, 2 Teile in mehreren Bänden, Berlin 1933 f.

2 Obwohl die Verfasser des Berichts immer wieder auf ihren Mangel an originalem Urkundenmaterial hinweisen, war das Fazit, das sie hier zogen, keineswegs auf Sand gebaut. Sie betrieben »oral history« gegenüber den Verantwortlichen, die ­ sicher im Bemühen, dem wirksamen Instrument des »automatischen Arrests« zu entkommen ­wirklich substanzielle Informationen preisgaben. Aufgabe der historischen Forschung wäre es nun, diese Ergebnisse archivalisch zu überprüfen und ggf. zu untermauern. Dabei wird sich manche Feststellung noch präzisieren lassen, aber an der Grundaussage wohl schwerlich etwas ändern. Eher im Gegenteil. Beispielsweise wußten die Ermittler der Finance Division 1946/47 noch nicht, daß ein Repräsentant der Deutschen Bank im sog. Siebenerausschuß der Deutschen Golddiskontbank mit dabei war, als darüber entschieden wurde, welche Kredite für die Rüstungsproduktion eine Reichsbürgschaft erhalten sollten, und welche nicht. Klarer läßt sich gar nicht belegen, daß die Deutsche Bank im internen Kern der Macht über die Investitionslinien der gesamten Rüstungswirtschaft mit entschied. Über den Siebenerausschuß der Deutschen Golddiskontbank vgl. BA, R 2/13 554.

3 Über diese Arbeitsteilung in Sachen lang­ und kurzfristiger Schuldenfinanzierung durch das Bankwesen vgl. vor allem Willi Albers, Finanzpolitik in der Depression und in der Vollbeschäftigung, in: Deutsche Bundesbank (Hrsg.), Währung und Wirtschaft in Deutschland 1876­1975, Frankfurt/M. 1976, 331 ff; Ruth Andexel, Staatsfinanzen ­ Rüstung ­Krieg, Berlin 1966; Fritz Federau, Der zweite Weltkrieg ­ Seine Finanzierung in Deutschland, Tübingen 1962; und wegen seines Zynismus noch immer unübertroffen Lutz Graf Schwerin von Krosigk, Wie wurde der zweite Weltkrieg finanziert? in: Bilanz des zweiten Weltkrieges, Oldenburg­Hamburg 1953, 311 ff.

4 Geschäftsbericht der Deutschen Bank für 1937, S. 7.

5 Deutsche Bank, Geschäftsbericht für 1940, S. 9.

6 Dazu knapp, aber alles wesentliche zusammenfassend: Hans­Erich Volkmann, Die NS­Wirtschaft in Vorbereitung des Krieges, in: Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hrsg.), Das Deutsche Reich und der zweite Weltkrieg, Bd. 1, Stuttgart 1979, S. 232 ff.; Kurt Gossweiler, Der Übergang von der Weltwirtschaftskrise zur Rüstungskonjunktur in Deutschland 1933 bis 1934, in: JWG, 1968, T. IL 55 ff.

7 Die Datierung der Rüstungsumstellung auf das Jahr 1935 gilt heute als zu spät. Den entscheidenden Einschnitt bildete Schachts außenwirtschaftlicher »Neuer Plan«, der die Entscheidung zum Rüstungsboom flankierte und ermöglichte. Vgl. Volkmann ebenda, S. 254 ff.; Dietmar Petzina, Autarkiepolitik im Dritten Reich, Der nationalsozialistische Vierjahresplan, Stuttgart 1968. Auch die weiter oben gemachte Äußerung über Hitlers »ersten Vierjahresplan« ist heute überholt; es erscheint nicht mehr sinnvoll, die zunächst unkoordinierte Abfolge von Arbeitsbeschaffungsprogrammen als Ausdruck eines homogenen Plans zu bezeichnen. Vgl. dazu auch D. Petzina, Hauptprobleme der deutschen Wirtschaftspolitik 1932/33, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 15, 1967, 18 ff.

8 Beweisstück 104: Rundschreiben des Reichsbank­Direktoriums über Finanzierungsprobleme der Reichsausgaben, vom 27.1.1936.

9 Beweisstück 105: Undatierte Erklärung von Otto Schniewind, ehemaliges Mitglied des Direktoriums der Deutschen Reichsbank.

10 Beweisstück 105a: Vernehmungsprotokoll von Hans Rummel, Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, vom 12.12. 1945.

11 Beweisstück 106: Erklärung der Bankabteilung der Mannesmannröhren­Werke über Rolle und Abwicklung der »Mefo­Wechsel« innerhalb des Mannesmann­Konzerns, vom 31. 1. 1946.

12 Geschäftsbericht der Deutschen Bank und Disconto­Gesellschaft 1936, S.5.

13 Beweisstück 107: Kopie eines Schreibens der Deutschen Reichsbank an die Geldstelle der Deutschen Bank in Berlin vom 12.6.1937.

13a Beweisstück 108: Exemplar eines Mefo­Wechsels.

14 Beweisstück 109: Protokoll einer Sitzung des Aufsichtsrats der Deutschen Bank vom 27. 3. 1941.

15 Beweisstück 110: Von den DB­Mitarbeitern Erhard Ulbricht und Theodor Arnold verfaßter Kassenbericht mit Übersicht über das Wechselgeschäft, 23. 4.1946.

16 Deutsche Bank, Geschäftsbericht für 1938, S. 5 f.

17 Dazu E. W. Schmidt, Leiter der Volkswirtschaftlichen Abteilung der Deutschen Bank, rückblickend 1940: »Unter den ausstehenden Krediten hat der Großkredit gegenüber dem Klein und Mittelkredit an Bedeutung gewonnen, und die durchschnittliche Kreditsumme ist damit angestiegen. Die Ursachen hierfür liegen in den veränderten Aufgaben, die Aufrüstung und Krieg der Wirtschaft gestellt haben. Einen besonderen Rang nehmen dabei nach wie vor die sogenannten Vierjahresplankredite ein ... Es sei z. B. an die namhaften Beträge erinnert, die von Bankenkonsortien für den Ausbau der Zellwolle­ oder der Benzinerzeugung gegeben worden sind.« E. W. Schmidt, Die deutsche Bankwirtschaft im Jahre 1940, in: Die Deutsche Volkswirtschaft, 194 1, Nr. 1/2, S. 64.

18 Beweisstück 111: Schreiben der Deutschen Bank an die Deutsche Golddiskontbank vom 7.2.1934 über ein Konsortialprojekt zur Ausbeutung einer türkischen Kupferlagerstätte.

19 Geschäftsbericht der Deutschen Bank für 1937, S. 7.

20 Geschäftsbericht der Deutschen Bank für 1938, S. 5. Die folgende Übersicht über die Vergabe von Neukrediten seit 1933 ist aus den Geschäftsberichten 1933­1941 zusammengestellt.

21 Deutsche Bank, Bericht über das Geschäftsjahr 1943, Bericht des Vorstands, ohne Seitenangabe.

Aus: Ermittlungen gegen die Deutsche Bank - 1946/1949 -, herausgegeben von Hans Magnus Enzensberger, verlegt bei Franz Greno, Nördlingen 1985.




 




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