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Beiträge zur Geschichte  









Frankreich 1814 - 1830

Die Julirevolution in Frankreich

Nach der Rückkehr Ludwig XVIII. nach Frankreich wollten Adel und Geistlichkeit den ihnen während der Revolution fortgenommenen Grundbesitz wieder zurückerhalten. "Sie haben nichts gelernt und nichts vergessen", äußerte sich Tayllerand über die zurückgekeh rten Emigranten. Trotz des einsetzenden Terrors gegen Bonopartisten und Replubikaner war Ludwig nicht imstande, die Gesellschaftsordnung aus der Zeit vor der Revolution wiederherzustellen. Die konfiszierten Ländereien waren in die Hände von drei Millionen neuer Besitzer, von Bürger und Bauern, gelangt.

Die Verfassung von 1814

Ludwig verfolgte eine relativ gemäßigte Politik. Er ließ sogar die Verfassung in Kraft, die er noch im Jahre 1814 geschaffen hatte. Nach dieser Verfassung wurden die Mitglieder der oberen Kammer vom König aus der ihm nahestehenden Aristokratie ernannt. Zur unteren Kammer konnten von 33 Millionen Einwohnern nur 94000 wählen, da nur diejenigen das Wahlrecht besaßen, die mindestens 300 Franken direkte Steuern zahlten. Gewählt werden konnte nur, wer mindestens 1000 Franken direkte Steuern entrichtete, und da s waren im ganzen Lande nur 14.000 Steuerzahler.

Karl X. König von Frankreich

Nach dem Tode Ludwigs XVIII. wurde sein Bruder, ein Erzreaktionär, als Karl X. König von Frankreich (Emigrantenkönig). Er entschädigte durch Gesetz die Grundherren, deren Landbesitz während der Revolution beschlagnahmt worden war, mit einem Milliardengeschenk. In seiner Regierung saßen die extremsten Royalisten. Als es unter mehreren Bataillonen der Nationalgarde zu Demonstrationen kam und Rufe laut wurden: "Fort mit dem Ministerium, fort mit den Jesuiten", befahl der König die Auflösung der Nationalgarde. So wurden 20.000 Gardisten in die Reihen der Unzufriedenen getrieben. 1830 entließ Karl die Kammer und schränkte das Wahlrecht der Bürger weiter ein. Zugleich erließ er ein strenges Pressegesetz. Seine Absicht war die Wiederherstellung eines absolutistischen Königtums.

Das Finanzbürgertum an der Macht

(Allegorie der
Juli-Revoltion von Eugène Delacroix) Es kam in Paris zu Straßendemonstrationen. Am 27. Juli 1830 wurden überall in der Hauptstadt Barrikaden errichtet. Der Kampf mit den königstreuen Truppen dauerte drei Tage. Am 29. Juli war der Kampf entschieden. Karl X. entsagte dem Thron und floh nach En gland. An die Macht gelangte das Finanzbürgertum; ihr Schützling, der Herzog Louis Philippe, ein Vetter Karl X., aus einer Nebenlinie der Bourbonen, wird König von Frankreich (Bürgerkönig). Der Bankier Lafitte erklärte: "Von jetzt an werden in Frankreich die Bankiers herrschen." Louis Philippe war sehr reich; er galt als geizig, habgierig und verschlagen. Die wichtigsten Folgen der Revolution waren: Schwächung der "Heiligen Allianz", Frankreich löste sich von ihr, und in der Frage, wie die Revolutionen der dreißiger Jahre in Europa unterdrückt werden sollten, konnte keine Einigung erzielt werden.

Die Julimonarchie

In der auf die Julirevolution folgenden Woche erhielt Frankreich eine neue Verfassung. Der Hauptunterschied zwischen der "Verfassungsgebenden Charta" Ludwig XVIII. und der neuen Verfassung bestand darin, daß Ludwig sie dem französischen Volk "geschenkt" hatte, Louis Philippe sie aus den Händen der Deputiertenkammer empfing. Der Wahlzensus wurde auf 200 Franken herabgesetzt. Die Zahl der Wähler stieg dadurch von 4000 auf 240000. In der äußeren Politik verfolgte Louis Philippe eine Politik des ständigen Nachgebens England und Rußland gegenüber. Er fürchtete den Krieg. Seine Losung war: "Keinen Groschen für den Ruhm." Nur mit dem Kampfe in Afrika war er einverstanden, da nach seinen Worten "die dort fallenden Kanonenschüsse in Europa nicht zu hören seien."

Die französischen Grundbesitzer, die ihre Macht eingebüßt hatten, schlossen sich zur Partei der Legitimisten zusammen. Es kam zu Verschwörungen und Aufständen, die aber aufgedeckt und unterdrückt wurden.

Weitere Auswirkungen

In Belgien siegte eine bürgerliche Revolution, die den selbständigen belgischen Staat in Form einer bürgerlich konstitutionellen Monarchie hervorbrachte. Der polnische Unabhängigkeitskampf 1830/31, dessen Ziel die Errichtung eines unabhängigen polnischen Staates war, erlitt zwar eine Niederlage, doch verhinderte er eine Intervention des Zarismus gegen die revolutionären Bewegungen Westeuropas. In Italien, der Schweiz und in mehreren Kleinstaaten des Deutschen Bundes erschütterten revolutionäre Erhebungen die Macht der herrschenden Reaktion.

Das Bürgertum forderte eine Herabsetzung des hohen Wahlzensus und die Verbreiterung des Wählerkreises. Der Minister Louis Pilippes, Guizot, antwortete: "Eine Reform wird es nicht geben. Bereichert euch, und ihr werdet wahlberechtigt sein." Die Stärkung der Bourgeoisie fand auch ihre Widerspiegelung in der Literatur. Die Romantik wurde vom Realismus abgelöst, deren Hauptvertreter Balzac war. Balzac sah seine Aufgabe darin, ein Bild der Wirklichkeit zu geben, zu zeigen, was "überall vor sich geht." Das Hauptwerk Balzacs ist eine Reihe von Romanen unter dem Gesamttitel "Die menschliche Komödie", worin er die französische Gesellschaft in grellen Farben schildert. "Emporkommen um jeden Preis!... Das Problem, an dessen Lösung in diesem Augenblick fünfzigtausend junge Leute arbeiten, die sich in der gleichen Lage befinden wie Sie, ist: wie komme ich schnell zu Geld..." sagt einer der Helden Balzacs zu einem jungen St udenten. "Sie müssen sich gegenseitig auffressen wie Spinnen in einem Topf... Es gibt keine Grundsätze, es gibt nur Ereignisse; es gibt keine Gesetze, es gibt nur Umstände; der überlegende Mensch vermählt sich mit Ereignissen und Umständen, um sie zu lenken."



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