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  Geschichte   

 


Danton am 10. März 1793 (abends)

Für die Einrichtung des Revolutionstribunals

Seit einigen Stunden diskutiert der Konvent heftig über die Modalitäten der Einrichtung des Revolutionstribunals. Gegen sechs Uhr abends verlangt man, die Sitzung aufzuheben. Nachdem der Präsident der Versammlung die Sitzung aufgehoben hat, stürzt Danton zur Rednertribüne.

Ich fordere alle guten Bürger auf, ihren Posten nicht zu verlassen! ... (Die ganze Versammlung bleibt schweigend auf ihren Plätzen.)

Wie! Bürger, in einem Augenblick, wo - und das ist durchaus möglich - Miranda vielleicht geschlagen wird, Dumouriez bedrängt wird und vielleicht gezwungen ist, die Waffen zu strecken, wollt Ihr auseinandergehen, ohne die Maßregeln getroffen zu haben, die das öffentliche Wohl erfordert. Ich fühle, wie notwendig es ist, ein Gericht zur Bestrafung der Konterrevolutionäre einzurichten, denn für sie ist dieses Tribunal erforderlich, und dieses Tribunal muß an die Stelle des höchsten Tribunals der Volkssache treten.

Die Feinde der Freiheit heben frech die Stirn: Überall werden sie zuschanden gemacht und überall provozieren sie. - Sie sehen, wie der ehrsame Bürger in seinem Haus beschäftigt ist, der Handwerker in seiner Werkstatt, und doch bringen sie die Dummheit auf zu glauben, sie seien die Mehrheit! - Wohlan denn!, entreißt Ihr sie selbst der Rache des Volkes, die Menschheit befiehlt es Euch...

(Eine Stimme: September!... Allgemeine Empörung. Man ruft von allen Seiten den Zwischenrufer zur Ordnung.)

Nichts ist schwieriger als zu bestimmen, was ein politisches Verbrechen ist. Wenn es aber so ist, daß der Mann aus dem Volke für ein bestimmtes Verbrechen sofort bestraft wird, hingegen ein politisches Verbrechen nur schwer zu verfolgen ist, braucht man da nicht außerordentliche Gesetze, die außerhalb der gesellschaftlichen Institutionen wurzeln, welche die Rebellen schrecken und die Schuldigen treffen?

Das Wohl des Volkes verlangt jetzt große Mittel und furchtbare Maßnahmen. Ich sehe keinen Mittelweg zwischen einem ordentlichen Gericht und einem Revolutionstribunal. Diese Wahrheit wird von der Geschichte bestätigt. Und da man in dieser Versammlung gewagt hat, an jene blutigen Tage zu erinnern, über die jeder gute Bürger seufzt, sage ich nun, daß, wenn damals ein Tribunal bestanden hätte, das Volk, dem man so oft und so grausam ungerecht diese Tage zum Vorwurf macht, diese nicht mit Blut überzogen hätte, sage ich weiterhin - und ich bin mir der Zustimmung jener sicher, die Zeugen dieser Ereignisse waren -, daß es keiner menschlichen Macht möglich war, der Woge der nationalen Rache Einhalt zu gebieten.

Lernen wir aus den Fehlern unserer Vorgänger. Tun wir, was die Gesetzgebende Versammlung nicht getan hat: seien wir schrecklich, damit nicht das Volk schrecklich sein muß; organisieren wir ein Tribunal - nicht gut, denn das ist unmöglich, aber so wenig schlecht als möglich, damit das Volk wisse, daß das Schwert des Gesetzes über dem Haupt all seiner Feinde schwebt.

Dieses große Werk vollendet, erinnere ich wieder an die Rüstung, an die Kommissare, die Ihr wegschicken sollt, an das Ministerium, das Ihr organisieren müßt; denn es läßt sich nicht verheimlichen, daß wir Minister brauchen; z.B. hat der Marineminister keine Marine geschaffen, und das in einem Land, in dem alles geschaffen werden kann, weil alle notwendigen Elemente in diesem Land vorhanden sind; unsere Fregatten sind nicht ausgelaufen, und England nimmt unsere Kaperschiffe weg.

Wohlan, der Augenblick ist gekommen, seien wir verschwenderisch mit Menschen und mit Geld; entfalten wir alle Mittel der nationalen Gewalt, doch legen wir die Führung dieser Angelegenheiten in die Hand von Männern, mit denen wir ständig in Kontakt sind und die Euch die Ausführung der Maßnahmen garantieren, die Ihr für die öffentliche Wohlfahrt beschlossen habt.

Ihr seid keine Behörde, denn Ihr selber könnt alles bestimmen. Nehmt Euch in acht, Bürger!, Ihr haftet dem Volk für seine Armeen, für sein Blut, für seine Assignaten; denn wenn Niederlagen den Wert dieses Geldes so weit mindern würden, daß das Volk keine Existenzmöglichkeit mehr hat, wer könnte dann den Auswirkungen seiner Rache Einhalt gebieten? - Wären früher, wie ich es verlangt hatte, die nötigen Kräfte aufgeboten worden, der Feind wäre heute schon weit hinter die Grenzen zurückgeschlagen.

Ich verlange also, daß noch im Laufe der Sitzung das Revolutionstribunal organisiert wird, daß im Rahmen der Neuorganisierung die Exekutive die zu energischen Handlungen notwendigen Vollmachten erhält. Ich verlange nicht, daß etwas desorganisiert wird, ich schlage nur Mittel zur Verbesserung vor.

(Eine Stimme: Du führst Dich wie ein König auf!)

Und ich sage Dir, daß Du wie ein Feigling redest! (Man fordert, daß der Zwischenrufer zur Ordnung gerufen wird.)

Ich verlange, daß der Konvent über meine Gründe urteilt und die beleidigenden und entehrenden Namen verachtet, die man mir zu geben wagt.

Ich verlange, daß sofort die Maßnahmen zur allgemeinen Sicherheit getroffen werden, daß Eure Kommissare augenblicklich aufbrechen und daß nicht mehr eingewendet wird, sie hätten auf dieser oder jener Seite des Saales ihren Sitz. Sie sollen in alle Departements ausschwärmen, dort die Bürger anfeuern und die Liebe zur Freiheit zu neuem Leben erwecken, und wenn sie bedauern, nicht an nützlichen Dekreten mitwirken oder sich schädlichen nicht widersetzen zu können, mögen sie der Tatsache eingedenk sein, daß ihre Abwesenheit dem Wohl des Vaterlandes diente.

Ich fasse zusammen: Heute abend Organisierung des Tribunals, Organisierung der exekutiven Gewalt; morgen militärische Bewegung. Morgen müssen Eure Kommissare aufgebrochen sein! Ganz Frankreich muß sich erheben, zu den Waffen eilen und gegen den Feind marschieren! Holland muß besetzt werden, Belgien muß frei sein, der englische Handel muß zugrunde gerichtet werden! Die Freunde der Freiheit müssen über dieses Land triumphieren! Unsere überall siegreichen Waffen müssen den Völkern Befreiung und Glück bringen - und die Welt wird gerächt sein!

(Inmitten von tosendem Beifall verläßt Danton die Tribüne.)



Quelle: Reden der Französischen Revolution, München 1974, S. 278


 




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