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  Geschichte   

 


1792-11-13

Saint-Just

Über die Verurteilung Ludwigs XVI.

Ich unternehme es, Bürger, zu beweisen, daß über den König ein Urteil gesprochen werden kann: daß Morissons Ansicht, welche die Unverletzlichkeit anerkennt, wie die des Ausschusses, welche ihn gleich einem Bürger behandelt wissen will, gleich falsch sind, und daß der König nach Prinzipien gerichtet werden muß, welche sich weder auf die eine noch auf die andere Ansicht stützen.

Der Gesetzgebungsausschuß, welcher sich über die Nichtigkeit der Unverletz1ichkeit des Königs und die Grundsätze der ewigen Gerechtigkeit sehr vernünftig ausspricht, entwickelt, wie mir scheint, nicht alle Konsequenzen dieser Prinzipien, so daß der Dekretentwurf, welchen er Ihnen vorlegt, sich gar nicht aus denselben ableiten läßt und sozusagen Saft und Kraft verliert.

Die einzige Absicht des Ausschusses bestand darin, Sie zu überzeugen, daß der König wie ein einfacher Bürger beurteilt werden müsse, und ich für meine Person sage, daß der König als Feind zu behandeln ist, daß wir nicht sowohl über ihn ein Urteil zu fällen sondern ihn vielmehr zu bekämpfen haben; daß ferner die Prozeßform, da in dem Vertrag, welcher die Franzo- sen vereinigt, über dieselbe nichts enthalten ist, nicht im Zivilgesetz steht, sondern in dem Gesetz des Völkerrechts zu suchen ist.

Indem man von diesem Unterschied abgesehen hat, ist man auf prinziplose Formen verfallen, welche den König straflos machen und die Aufmerksamkeit zu lange auf ihn lenken würden oder auf seine Verurteilung den Schein einer ungerechten und übermäßigen Strenge werfen könnten. Ich habe oft die Bemerkung gemacht, daß falsche Klugheitsmaßregeln, Langsamkeit und Abwarten hier wahrhafte Unklugheiten waren; und nächst jener, welche den Augenblick uns Gesetze zu geben, immer hinausschiebt, würde die unheilvollste die sein, mit dem König zu temporisieren.

Eines Tages werden die Menschen, welche sich von unsern Vorurteilen ebenso befreit haben, wie wir von denen der Van- dalen, über die Barbarei eines Jahrhunderts erstaunen, welches eine Art von religiöser Scheu besaß, einen Tyrannen zu richten; in welchem das Volk ihn zum Rang eines Bürgers erhob, bevor es seine Verbrechen untersuchte, wo es mehr an das dachte, was man von ihm sagen würde, als an das, was es zu tun hatte; wo es aus einem Verbrecher der niedrigsten Klasse der Mensch- heit, aus der Klasse seiner Unterdrücker, sozusagen einen Märtyrer seines Stolzes machte.

Man wird eines Tages erstaunen, daß man im achtzehnten Jahrhundert nicht so weit vorgeschritten war, als zu Cäsars Zeiten; damals wurde der Tyrann im vollen Senat ermordet, ohne irgendeine andere Formalität als dreiundzwanzig Dolchstiche, und ohne ein anderes Gesetz als Roms Freiheit; und heute macht man mit ehrfurchtsvoller Scheu einem Menschen den Prozeß, welcher der Mörder seines Volkes war und auf frischer Tat mit blutiger, in Verbrechen getauchter Hand ergriffen wurde.

Dieselben Menschen, welche Ludwig richten sollen, haben eine Republik zu gründen; diejenigen, welche der gerechten Bestrafung eines Königs irgendwelche Wichtigkeit beilegen, werden niemals eine Republik gründen. Die Feinheit der Geister und Charaktere ist bei uns ein großes Hindernis für die Freiheit. Man bemäntelt alle Irrtümer und die Wahrheit ist meist nur die Verführung unseres Geschmacks.

Ihr Gesetzgebungsausschuß liefert Ihnen in dem vorgelesenen Bericht hiervon ein Beispiel, und Morisson gibt ein noch schlagenderes: in seinen Augen ist die Freiheit, die Souveränität der Nationen etwas Ausgemachtes. Man hat Prinzipien aufgestellt, allein die natürlichsten Konsequenzen derselben übersehen. Eine gewisse Unsicherheit hat sich in dem Bericht gezeigt. jeder betrachtet den Prozeß des Königs nach seinen Privatansichten. Die einen scheinen eine Strafe ihres Mutes in der Zukunft zu fürchten. Die andern haben die Monarchie noch nicht aufgegeben; diese fürchten ein Beispiel von Tugend, welches ein Band des öffentlichen Geistes und der Einheit in der Republik sein würde, jene haben keine Energie; der Streit, die Treulosigkeit, die Bosheit, der Zorn, welcher sich wechselweise zeigt, sind entweder ein sinnreicher Zügel für den kräftigen Aufschwung, welchen wir brauchen, oder sie sind ein Zeichen von der Ohnmacht des menschlichen Geistes. Wir müssen also mutig unserm Ziel entgegengehen und, wenn wir eine Republik wollen, sehr ernstlich auf dasselbe losschreiten.

Wir beurteilen uns alle mit Strenge, ich möchte sogar sagen, mit Ingrimm: wir denken nur darauf, die Energie des Volkes und der Freiheit zu beschränken, während man kaum den gemeinsamen Feind anklagt, und jedermann, entweder von Schwäche überfallen oder in das Verbrechen verwickelt, sich bedenkt den ersten Schlag zu vollführen. Wir suchen die Freiheit und machen uns einander zu Sklaven! Wir suchen die Natur und leben bewaffnet gleich grimmigen Wilden! Wir wollen die Republik, die Unabhängigkeit und Einheit und spalten uns und schonen einen Tyrannen.

Bürger, wenn das römische Volk nach sechs Jahrhunderten der Tugend und des Hasses gegen die Könige, wenn Großbritannien nach Cromwells Tod das Königtum trotz seiner Energie wieder aufleben sahen, was müssen bei uns nicht die guten Bürger, die Freunde der Freiheit fürchten, wenn sie das Beil in unsern Händen zittern sehen, wenn sie ein Volk erblikken, welches am ersten Tag seiner Freiheit vor der Erinnerung an seine Ketten Scheu hat! Welche Republik wollen Sie mitten unter unsern innern Kämpfen und unserer gemeinsamen Schwäche errichten?

Man scheint ein Gesetz zu suchen, welches den König zu strafen gestattet: wenn es jedoch in der Regierungsform, aus welcher wir heraustreten, einen unverletzlichen Menschen gab, so war er es in diesem Sinn für jeden Bürger. Allein zwischen Volk und König kenne ich kein natürliches Band mehr. Es kann geschehen, daß eine Nation, wenn sie die Bestimmungen des sozialen Vertrags festsetzt, ihre Magistrate mit Eigenschaf- ten versieht, welche fähig sind, allen Rechten Achtung zu verschaffen und jedem Pflichten aufzuerlegen. Wenn indes diese Eigenschaft zum Nutzen des Volkes und ohne Garantie gegen das Volk besteht, so kann man sich nicht gegen dasselbe mit einer Eigenschaft wappnen, welche es nach Beliebengibt und zurücknimmt. Die Bürger binden sich durch den Vertrag, der Souverän nicht, oder der Fürst würde keinen Richter über sich besitzen und ein Tyrann sein. So dehnt sich die Unverletzlichkeit Ludwigs nicht auf sein Verbrechen und seine Auflehnung aus; oder wenn man ihn für unverletzlich erklärt, nachdem man dies eben in Frage gestellt, so würde, Bürger, daraus hervorgehen, daß er dessen nicht verlustig gehen konnte, und daß er das Recht gehabt hätte, uns unter der Verantwortlichkeit des Volkes zu unterdrücken.

Der Vertrag ist ein Kontrakt unter den Bürgern und nicht mit der Regierung; man steht in keinem Vertragsverhältnis, wenn man sich nicht verbindlich gemacht hat, folglich kann Ludwig, welcher keine Verbindlichkeiten übernommen, nicht nach dem bürgerlichen Gesetz gerichtet werden. Dieser Vertrag war so unterdrückerisch, daß er die Bürger verpflichtete, nicht aber den König; ein solcher Vertrag war notwendig null und nich- tig; denn nur dasjenige ist gesetzmäßig, was die Moral und die Natur gutheißt.

Abgesehen nun von allen diesen Gründen, welche Sie dazu bestimmen, Ludwig nicht als Bürger sondern als Rebellen zu richten, mit welchem Recht würde er, um nach dem bürgerlichen Gesetz beurteilt zu werden, die Erfüllung der Verbindlichkeit fordern, welche wir mit ihm eingegangen sind, da es klar ist, daß er die einzige, welche er gegen uns eingegangen, verletzt hat, die, uns zu erhalten. Würde es nicht ein abermaliger Akt der Tyrannei sein, zu verlangen, daß er nach den Gesetzen gerichtet wird, welche er selbst vernichtet hat? Und Bürger, wenn wir ihm auf bürgerliche Weise gerichtet zu werden verstatteten, d. h. nach den Gesetzen und mithin wie ein Bürger, so würde er unter diesem Vorwand über uns und das ganze Volk richten.

Ich für meine Person sehe hier keine Mitte. Dieser Mensch muß herrschen oder sterben. Er wird Ihnen beweisen, daß alles, was er getan hat, geschehen ist, um das ihm anvertraute Gut zu bewahren; denn lassen Sie sich mit ihm in diese Diskussion ein, so können Sie von ihm über seine geheime Bosheit keine Rechenschaft abverlangen. Er wird Sie in dem fehlerhaften Kreis zugrunde richten, den Sie selbst ziehen, um ihn anzuklagen.

So, Bürger, fesseln sich die unterdrückten Völker selbst unauflöslich durch die Achtung vor ihrem eigenen Stolz, während die Moral und die Nützlichkeit die einzige Regel der Gesetze sein sollten; so hält man sich damit auf, die Irrtümer zu bekämpfen, statt geradeswegs der Wahrheit entgegenzugehen.

Welches Verfahren, welche Untersuchungen wollten Sie hinsichtlich der Unternehmungen und verderblichen Absichten des Königs anstellen? Nachdem Sie zuerst anerkannt haben, daß er als Souverän nicht uriverletzlich war, und sodann, daß der König alle Achtung verloren hat, da seine Verbrechen überall mit dem Blut des Volks geschrieben sind, da das Blut Ihrer Verteidiger sozusagen bis zu Ihren Füßen und bis zu diesem Brutusbild geflossen ist! Er unterdrückte eine freie Nation; er erklärte sich für ihren Feind; er mißbrauchte die Gesetze; er muß sterben, um die Ruhe des Volkes zu sichern, da er das Volk niederzudrücken beabsichtigte, um seine Ruhe zu sichern! Hielt er nicht vor dem Kampf über die Truppen Revue? Ergriff er nicht die Flucht, statt sie am Feuern zu hindern? Was tat er, um die Wut der Soldaten zu hindern? Man schlägt Ihnen vor, ihn nach bürgerlichem Gesetz zu beurteilen, während Sie anerkennen, daß er kein Bürger war und daß er das Volk seinetwegen opfern ließ, statt es zu erhalten.

Noch mehr! Eine von einem König angenommene Konstitution verpflichtet die Bürger nicht; sie hatten sogar vor seinem Verbrechen das Recht, ihn zu proskribieren und zu verjagen. Den König wie einen Bürger richten! Dies Wort wird die kaltblütige Nachwelt in Erstaunen setzen. Richten heißt das Gesetz anwenden; ein Gesetz ist ein Rechtsverhältnis; welches Rechtsverhältnis herrscht zwischen der Menschheit und dein König? Welche Gemeinschaft besteht zwischen Ludwig und dem französischen Volk, um ihn nach seinem Verrat zu scho- nen?

Zu einer andern Zeit wird man sagen, daß einem König der Prozeß gemacht werden muß, nicht wegen der Verbrechen sei- ner Regierung, sondern weil er König gewesen ist. Denn diese Usurpation kann unter keinen Umständen gesetzmäßig werden; und mit welcher Illusion, mit was für Verträgen sich auch das Königtum umhüllen mag, es ist ein ewiges Verbrechen, gegen welches jeder Mensch sich zu erheben und zu waffnen das Recht hat; es ist eines jener Attentate, welches selbst die Verblendung eines ganzen Volkes nicht rechtfertigen kann, dieses Volk begeht ein Verbrechen gegen die Natur durch das Beispiel, welches es gegeben hat, und alle Menschen erhalten die geheime Mission, das Herrschertum in jedem Lande zu zerstören.

Man kann kein schuldloser Regent sein. Dies lehrt der Augen- schein. jeder König ist ein Rebell und Usurpator. Behandelten die Könige selbst die vermeintlichen Usurpatoren ihrer Autorität auf eine andere Weise? Machte man nicht dem Gedächtnis Cromwells den Prozeß? Und sicherlich war Cromwell kein größerer Usurpator als Karl I. Denn wenn ein Volk feige genug ist, sich durch Tyrannen beherrschen zu lassen, so hat der erste beste, welcher die Herrschaft ergreift, ein Recht darauf; sie ist weder bei dem einen noch bei dem andern geheiligter und gesetzmäßiger.

Diese Betrachtungen darf ein edles republikanisches Volk nicht vergessen, wenn es über einen König zu Gericht sitzt.

Man hat uns gesagt, daß der König gleich den andern Bürgern vor einem Tribunal gerichtet werden muß. Allein die Tribunale sind nur für die Glieder der Bürgerschaft eingesetzt; ich begreife nicht, wie man die Prinzipien der sozialen Institutionen so weit vergessen kann, daß ein Tribunal der Richter sein soll zwischen einem König und dem Souverän; wie könnte ein Tribunal die Befugnis haben, dem Vaterlande einen Herrn wiederzugeben und ihn freizusprechen, und wie könnte der allgemeine Wille vor ein Tribunal zitiert werden!

Man wird Ihnen sagen, daß das Urteil vom Volk wird ratifiziert werden. Allein wenn das Volk das Urteil ratifiziert, warum fällt es nicht auch das Urteil? Wenn wir nicht fühlen, daß alle diese Ideen sehr schwach begründet sind, so würden wir Sklaven sein, möchten wir eine Verfassungsform annehmen, welche wir wollten; weder die Behörden noch der Souverän würden die ihnen gebührende Stellung einnehmen und das Volk ohne Bürgschaft gegen die Unterdrückung bleiben.

Bürger, das Tribunal, welches Ludwig richten soll, ist kein Gerichtstribunal; es ist ein Rat, es ist das Volk, Sie sind es; und die Gesetze, denen wir zu folgen haben, sind die des Völkerrechts. Sie haben über Ludwig zu richten, allein Sie können seinetwegen nicht Gerichtshof, Geschworene und Ankläger sein; diese bürgerliche Gerichtsform würde Ihr Urteil ungerecht machen; und der König, als Bürger betrachtet, könnte nicht von eben denen gerichtet werden, welche ihn anklagen. Ludwig ist für uns ein Fremder; er war vor seinem Verbrechen kein Bürger; er konnte nicht mitstimmen; er konnte keine Waffen tragen. Nach seinem Verbrechen ist er noch weniger Bürger. Und wie könnten Sie die Gerechtigkeit mißbrauchen und ihn zu einem Bürger machen, um ihn zu verurteilen? Sobald ein Mensch sich eines Verbrechens schuldig macht, tritt er aus dem bürgerlichen Verband aus. Ludwig würde durch ein Verbre- chen in denselben eintreten. Noch mehr, wenn Sie den König für einen einfachen Bürger erklären, so können Sie ihn nicht mehr mit Ihrer Strafe erreichen. Können Sie zu ihm sagen, daß er seinerseits eine Verbindlichkeit hat gegen die gegenwärtige Ordnung der Dinge?

Bürger, wenn Sie darnach streben, daß Europa die Gerechtigkeit Ihres Urteils bewundere, so kommt es auf die Grundsätze an, welche Sie bestimmen müssen. Diejenigen, welche Ihnen der Gesetzgebungsausschuß vorschlägt, würden geradezu ein Denkmal der Ungerechtigkeit sein. Die Formen sind in dem Prozeß Heuchelei; man wird Sie nach Ihren Grundsätzen richten.

Ich werde nie außer acht lassen, daß der Geist, mit welchem man den König richtet, derselbe ist, mit welchem man die Republik gründen wird. Die Theorie Ihres Urteils wird die Ihrer Regierung sein; und der Maßstab Ihrer Philosophie in diesem Urteil wird auch den Maßstab Ihrer Freiheit in der Konstitution bilden.

Ich wiederhole es: man kann einen König nicht nach den Gesetzen des Landes oder vielmehr nach den Gesetzen des bürgerlichen Verbandes richten. Der Berichterstatter hat es Ihnen wohl gesagt. Allein diese Idee ist sehr bald von ihm verlassen worden; er hat keinen Nutzen aus derselben gezogen. In Numas Gesetzen gab es nichts, wonach Tarquin gerichtet werden konnte; in Englands Gesetzen nichts, um Karl 1. zu richten. Man richtete sie nach dem Völkerrecht; man vertrieb Gewalt mit Gewalt, man vertrieb einen Fremdling, einen Feind. Dies erhob diese Mittel zu gesetzmäßigen. Sie waren keine leeren Formalitäten, welche nur die vertragsmäßige Einwilli- gung des Bürgers zum Prinzip haben.

Man wird niemals sehen, daß ich meinen besondern Willen dem Willen aller entgegensetze. Ich werde dasjenige wollen, was das französische Volk oder die Majorität seiner Repräsentanten wollen wird. Da indes mein besonderer Wille ein Teil des noch nicht vollendeten Gesetzes ist, so erkläre ich mich hier offen.

Es reicht nicht hin, zu sagen, es sei in der Ordnung der ewigen Gerechtigkeit begründet, daß die Souveränität von der gegenwärtigen Regierungsform unabhängig ist, und daraus den Schluß zu ziehen, daß über den König Gericht gehalten werden darf. Man muß die natürliche Gerechtigkeit und das Prinzip der Souveränität sogar auf den Geist anwenden, in welchem er zu richten ist. Wir würden keine Republik haben ohne diese Unterscheidungen, welche alle Teile der gesell- schaftlichen Ordnung in ihre natürliche Bewegung versetzen, wie die Natur das Leben aus der Verbindung der Elemente erzeugt.

Alles, was ich gesagt habe, bezweckt, Ihnen den Beweis vorzuführen, daß Ludwig XVI. als ein fremder Feind gerichtet werden muß. Ich füge hinzu, es ist unnötig, sein Todesurteil der Sanktion des Volkes zu unterwerfen. Denn das Volk kann durch seinen Willen wohl Gesetze geben, weil diese Gesetze zu seinem Glück beitragen, allein das Volk kann das Verbrechen der Tyrannei nicht auslöschen. Das Recht der Menschen gegen die Tyrannei ist persönlich; und kein Souveränitätsakt kann wirklich einen einzelnen Bürger verpflichten, ihm zu verzeihen.

Ihre Sache ist es, zu entscheiden, ob Ludwig der Feind des französischen Volkes, ob er ein Fremder ist; wenn Ihre Majorität ihn freispräche, dann müßte dies Urteil von dem Volk sanktioniert werden. Denn wenn ein einziger Bürger gesetzlich durch einen Akt der Souveränität nicht gezwungen werden konnte, den König zu begnadigen, so würde noch viel weniger der Akt einer Behörde für den Souverän verbindlich sein.

Beeilen Sie sich indes, den König zu richten, denn jeder Bürger hat gegen ihn das Recht, welches Brutus gegen Cäsar hatte. Sie würden diese Handlung gegen einen Ausländer nicht eher strafen können, als bis Sie den Tod Leopolds und Gustavs verworfen haben.

Ludwig war ein zweiter Catilina. Der Mörder wie der Konsul Roms würden schwören, das Vaterland gerettet zu haben. Ludwig hat das Volk bekämpft: er ist besiegt, er ist ein Barbar, ein fremder Kriegsgefangener. Sie haben seine treulosen Absichten durchschaut; Sie haben seine Armee gesehen; der Verräter war nicht der König der Franzosen; er war der König einiger Verschwörer; er hob insgeheim Truppen aus, hatte besondere Beamte; er betrachtete die Bürger als Sklaven; er hatte insgeheim alle rechtschaffenen und mutvollen Männer proskribiert. Er ist der Mörder der Bastille, von Nancy, vom Marsfeld, von Tournay, von den Tuilerien. Welcher Feind, welcher Fremdling hat uns mehr Übel zugefügt? Er muß seiner würdig gerichtet werden. Dies ist der Rat der Weisheit und gesunder Politik; die Schlechten bedienen sich aller möglichen Mittel; man sucht das Mitleid anzuregen; man wird bald Tränen für Geld kaufen; man wird alles tun, uns zu gewinnen und sogar zu bestechen. Wenn der König jemals freigesprochen wird, so erinnere Dich, Volk, daß wir Deines Vertrauens nicht mehr würdig sein werden, und Du wirst uns der Treulosigkeit anklagen können!



Quelle: Reden der Französischen Revolution, München 1974, S. 217ff.


 




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