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  Geschichte   

 


Im Januar 1967 haben

Dr. Johannes Agnoli
William Borm
Prof. Dr. Ossip K. Flechtheim
Hans Magnus Enzensberger
Prof. Dr. Wilfried Gottschalch
Dr. Ekkehart Krippendoirff
Dr. Klaus Meschkat
Nikolaus Neumann
Wolfgang Neuss
Lothar Pinkall
Manfred Rexin


zur Gründung eines politischen Clubs eingeladen.

Wohin geht man in dieser Stadt, nachmittags oder abends, wenn es wieder einmal so weit ist? Wenn eine Große Koalition ins Haus steht, wenn die Politische Polizei Büros durchsucht, wenn eine Redaktion "ausgehoben" wird, wenn es darauf ankommt, rasch zu handeln? Wo erfährt man, was nicht in der Zeitung steht? Wo trifft man sich, auch an den scheinbar ruhigen, gleichmäßigen Tagen, ohne besonderen Anlaß? In einer Akademie, in einer S-Bahn-Kneipe, im Auditorium maximum, im Eden-Saloon? Das ist alles nicht das Richtige. Es fehlt ein Ort, an dem sich, frei von Vereinsmeierei und institutioneller Betriebsamkeit, jene Leute treffen können, deren Horizont noch nicht auf den der Springer-Zeitungen geschrumpft ist: linke Leute, Leute, die im Parlament niemand mehr vertritt, Leute, die dennoch politisch etwas bedeuten, und deren Einfluß, deren Aktionsmöglichkeiten erheblich wachsen könnten, gäbe es einen Ort, an dem sie sich von selber einfänden, zwanglos, zum Vergnügen, weil es ihnen dort gefiele.

Der Kaffee müßte gut, der Obstschnaps nicht zu teuer sein. Alle wichtigen politischen Zeitungen und Zeitschriften, auch die in keinem Kiosk zu finden sind, von der Washington Post bis zur Iswestija, von Le Monde bis zur Peking-Rundschau, nicht zu vergessen das Neue Deutschland, müßten dort auf dem Tisch liegen. Wer ein Zimmer braucht, um politische Fragen zu diskutieren oder Aktionen vorzubereiten, müßte dort finden, was er sucht: ohne Stammtischgeruch, ohne Erlaubnis Seiner Magnifizenz, ohne Saalmiete, ohne behördliche Genehmigung, auf Anhieb und ohne Einmischung des Hausherrn. Ohne Bücher ginge es nicht: eine Buchhandlung sollte im Hause sein, wo man findet, was man sucht, Altes und Neues, und die Preise müßten günstiger sein als anderswo. Nicht zu vergessen die Küche. Daß die Opposition schlechter essen sollte als das Establishment, ist nicht einzusehen. Gäste könnte man einladen, auch und besonders Gäste aus dem Osten. Lesungen und Diskussionen ohne das übliche Ritual. Hoffentlich kämen nicht nur Professoren, Studenten, Schriftsteller; hoffentlich gäbe es auch Gewerkschaftler, Volksschullehrer, Autobusschaffner, die sich in einem solchen Haus wohlfühlten.

Einen solchen Ort gibt es nicht. Ein solcher Ort soll geschaffen werden. Wir sind dabei, es zu versuchen. Wir planen die Eröffnung eines Politischen Clubs. Die Räume sind gemietet. Wenn Sie in den nächsten Wochen an der Wielandstraße vorbeikommen, können Sie einen ersten Blick in diesen Club tun. Wenn er Ihnen gefällt, dann haben wir richtig geraten, und Berlin ist um vier Wände weniger langweilig geworden.

Die Räume des Politischen Clubs Berlin in der Wielandstraße 27 werden Mitte April eröffnet werden.

Spenden, Darlehen oder Kommanditeinlagen sind erwünscht. Wenden Sie sich bitte an die Republikanische Clubgesellschaft mbH. & Co. KG., 1 Berlin 15, Konstanzer Str. 59.


Aus: berliner manuskripte 1, Mai 1967


 




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