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  Geschichte   

 


Ulrike Meinhof

Geschichten von Herrn Schütz

Erstmalig in der Bundesrepublik wurde am 14. Juli 1960 ein Professor nicht wegen einer etwaigen Verletzung des Grundgesetzes, auch ohne den Verdacht einer straffälligen Tat, nur um seiner oppositionellen Anschauungen gegenüber der Regierungspolitik willen faktisch seines Lehramtes entkleidet: Prof. Dr. Renate Riemeck wurde aus der Prüfungskommission für Geschichte und Politische Bildung an der Pädagogischen Akademie Wuppertal durch den Kultusminister von Nordrhein-Westfalen, Werner Schütz, abberufen - um sie aus dem politischen "Schußfeld" zu nehmen, um ihr "Schutz" zu gewähren vor "Angriffen aus der Öffentlichkeit".


Am 26. November 1959 war ein Artikel im Blatt der deutschen Rüstungsindustrie, des Herrn Flick, in der "Deutschen Zeitung" erschienen unter der Überschrift "Professor Riemeck prüft Marx." Weil die Lehrerstudenten aus der DDR nach dem Geschichtsbild des Historischen Materialismus in der Prüfung befragt wurden, glaubte die "Deutsche Zeitung" gegen Renate Riemeck ins Feld ziehen zu müssen.

Das Geschichtsbild von 900 Millionen Menschen, die auf unserer Erde leben, hat den deutschen Wissenschaftler und Lehrer nicht zu interessieren - nach Meinung der "Deutschen Zeitung".


Im März 1960 erschien das Rotbuch des Komitees "Rettet die Freiheit", in dem Hunderte von Professoren - darunter auch Renate Riemeck - der "Ostanfälligkeit" und des Handlangerdienstes für den Kommunismus verdächtigt wurden.

Gegnerschaft gegen atomare Aufrüstung ist Handreichung für den Kommunismus - nach Meinung des Rotbuches.

Am 16./17. Juni 1960 meldete sich das Blatt der deutschen Rüstungsindustrie, die "Deutsche Zeitung", zum zweitenmal. Diesmal stach ihr ins Auge ein Aufsatz von Renate Riemeck in den "Blättern für deutsche und internationale Politik": "Aufstand in Südkorea - Revolte in der Türkei". Weil in diesem Artikel der Kampf der türkischen und koreanischen Studenten für demokratische Verhältnisse in ihrem Staat analysiert wurde - glaubte die "Deutsche Zeitung", das Blatt des Herrn Flick, feststellen zu müssen: Es ist nicht schwer zu erraten, zu welchen Schlußfolgerungen hier aufgefordert wird.

Verständnis für den Kampf türkischer und koreanischer Studenten kommt der Aufforderung zum Aufstand in der Bundesrepublik gleich - nach Meinung der "Deutschen Zeitung".

Im gleichen Monat - Juni 1960 - erschienen zwei anonyme Leserzuschriften in der "Westdeutschen Rundschau": Warum sagen Niemöller und Riemeck nichts zur Zwangskollektivierung in der Zone? Warum sagen sie, die für die Politik der Bundesregierung harte Worte der Kritik finden, nichts über das Unrechtssystem jenseits des Eisernen Vorhangs?

Die Politik der Bundesregierung darf nur kritisieren, wer zuvor die DDR verurteilt - nach Meinung der Anonymen in der "Westdeutschen Rundschau".

Am 14. Juli 1960 wurde den Studenten der Pädagogischen Akademie in Wuppertal per Anschlag folgendes bekanntgemacht: "Auf Grund eines Erlasses des Herrn Kultusministers vom heutigen Tage tritt in dem bereits bekanntgegebenen Prüfungsplan für die am 16.7.1960 beginnende Prüfung folgende Änderung ein: Die Berufung von Frau Prof. Riemeck in das Prüfungsamt ist mit dem 30.6.1960 erloschen. An ihre Stelle tritt in den Vorsitz des Prüfungsausschusses für Geschichte Herr Studienrat Dr. Klein ein ..." Begründung des Herrn Kultusministers: "Diese Maßnahme ist notwendig, zum Schutz von Frau Riemeck vor Angriffen aus der Öffentlichkeit."

Die Öffentlichkeit der Bundesrepublik rekrutiert sich aus "Deutscher Zeitung", Rotbuch und zwei anonymen Lesern nach Meinung des Kultusministers.

Am Samstag, dem 16. Juli, wurden einige Vertreter des AStA der Akademie im Auftrage der Studentenvollversammlung beim Kultusminister vorstellig.

"Das Recht auf freie Meinungsäußerung hat bei uns jeder Mensch", sagte der Herr Minister, aber: "die Äußerungen eines Beamten, die schon bei einer kleinen Gruppe der Öffentlichkeit Anstoß erregen, genügen, um das Beamtenrecht zu verletzen. Dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob diese Äußerungen der Wahrheit entsprechen oder nicht. Entscheidend ist der Eindruck in der Öffentlichkeit." Zur näheren Begründung wurde ausgeführt: "Der Artikel (über die Studentenunruhen in Korea und der Türkei) - und die durch ihn heraufbeschworene starke Kritik am Wirken der Frau Prof. Renate Riemeck" (vgl. "Deutsche Zeitung" 16./17 Juli 1960) "war der letzte Anstoß zur Abberufung."

Dann wurde präzisiert: "Frau Prof. Dr. Riemeck fuhr zum Beispiel zur 400-Jahrfeier der Universität Jena ... Sie äußerte sich dort abfällig über die Bundesrepublik und übte Kritik." (Sie nahm dort an den Zentenarfeierlichkeiten der theologischen Fakultät teil). "Leider hören wir hier von ihr kein Wort der Kritik an der Zone und ihrem Regime, sondern nur Verharmlosung." "Der Splitter in unserem Auge ist im Gegensatz zum Balken drüben nur geringfügig. Frau Riemeck sieht zu einseitig nur den Splitter. Bei uns wird nur der Balken beleuchtet!"

Bei uns wird nur der Balken beleuchtet - nach Meinung des Ministers.


Am 18. Juli schrieb die "Westdeutsche Rundschau" unter der Überschrift "Der Westen hat an allem Schuld" über einen Artikel von Renate Riemeck in der "Stimme der Gemeinde" (13/60) zum Zusammenbruch der Pariser Gipfelkonferenz. Die Analyse, welche wie der Untersuchungsausschuß des amerikanischen Senats unter Vorsitz von Senator Fulbright zu dem Ergebnis kam, der U-2-Flug über der Sowjetunion habe die Konferenz zum Scheitern gebracht, wird dort als unqualifizierte Totalverurteilung des Westens und als Idealisierung Chruschtschows abgewiesen, ein Mangel an Antikommunismus wird mißbilligend konstatiert.

Was Fulbright sagt, darf ein Professor noch lange nicht sagen -nach Meinung der "Westdeutschen Rundschau".

Am Morgen des 18. Juli saßen 330 Studenten der Wuppertaler Pädagogischen Akademie auf den Stufen des Kultusministeriums. Auf ihren Transparenten war zu lesen:

"Wir Studenten der Pädagogischen Akademie Wuppertal protestieren gegen den Mißbrauch demokratischer Machtbefugnisse durch den Kultusminister!"

"Keiner darf um seiner politischen Meinung willen benachteiligt werden!"

"Ist Demokratie schon wieder ein Wagnis?"

"Gegen die Einschränkung der freien Meinungsäußerung!"

"Ist der Beamte nicht auch in erster Linie ein Staatsbürger?"

"Studenten fordern Rehabilitierung von Frau Prof. Riemeck!"

Die Vollversammlung hatte bei einer Anwesenheit von über 500 Studenten von den 717 Studierenden der Akademie diesen Sitzstreik beschlossen. Dazu der Minister:

"Es haben heute morgen etwa 200 Studenten auf den Stufen des Kultusministeriums Platz genommen - ich hoffe sehr, daß sie sich keine Erkältung zugezogen haben."

Dazu der Vorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Nordrhein-Westfalen (in Vertretung von 14 000 Lehrern):

"Die Aktionen der Studierenden der Pädagogischen Akademie Wuppertal sind ein erfreuliches Zeichen für die Bereitschaft akademischer Jugend, sich für die Demokratie, ihre Rechte und Freiheiten einzusetzen."

Man kann sich beim Einsatz für die Rechte und Freiheiten der Demokratie erkälten - bei uns in der Bundesrepublik.


Am gleichen Tag, um 13 Uhr, veranstalteten die Studenten ihre Pressekonferenz. Was sie dort sagten, entsprach ihrem Auftreten am Morgen - nunmehr ohne Begleitung von berittener Polizei und Überfallkommando.

Sie protestierten

- gegen die Methoden des Ministers, politisch Andersdenkende durch administrative Maßnahmen auszuschalten

- gegen eine Beschränkung der Lehrfreiheit aus politischen Gründen

- gegen eine Diffamierung nach Art des Rotbuches vom Komitee "Rettet die Freiheit"

- gegen Rechtsunsicherheit für Beamte.

Sie wiederholten die Bezeugung, Frau Prof. Riemeck habe ihre politischen Ansichten nicht in die Akademie getragen.

Sie forderten Meinungsfreiheit im Sinne von Grundgesetz und Demokratie.

Für die Erhaltung der Lehrfreiheit ihrer Professoren gehen die Studenten auf die Straße - bei uns in der Bundesrepublik.

Zwei Stunden später eröffnete der Minister seine Gegenkonferenz in den Räumen des Kultusministeriums: Schutz für Renate Riemeck vor Angriffen aus der Öffentlichkeit Schutz der Ordnung - Schutz der bundesdeutschen Außenpolitik - waren die Thesen in der Dialektik seines Vortrages, resümiert in der Aussage:

"Unbeschadet der Freiheit der Meinungsäußerung kann der Staat niemals darauf verzichten, über die richtige Wertung außenpolitischer und sonstiger Vorgänge durch seine Beamten zu wachen." (sic!)

"Richtige Wertung"? - wo liegt der Maßstab? - "Wachen"? Wie? - "Sonstiger Vorgänge"? - Kilb? Blankenhorn? v. Hobe? Joop Zwaart? Notstandsgesetzgebung? Zweites Fernsehprogramm? - Festgenagelt auf diesen Satz wich der Minister zurück, dementierte jedoch durch Bekräftigung: "Ich habe von Bewertungen gesprochen, die der Auffassung aller politischen Gruppen zuwiderlaufen und habe dann hinzugefügt, das möchte ich jetzt ergänzen, daß es in unserem Staat nur eine ganz bestimmte Freiheit geben kann, wir müssen uns in ganz bestimmten Grenzen halten."

Gemeinsame Außenpolitik per Administration? - Und Artikel 21 Grundgesetz: "Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit"?

Den Satz von der Freiheit in Grenzen dementierte er gleichfalls, aber anders, was blieb, war die "Grenze": Befragt nach der Erklärung der SBZ-Studenten gegen die Abberufung von Frau Prof. Riemeck aus dem Prüfungsausschuß der Akademie, antwortete er: "Ich kenne die Erklärung der SBZ-Lehrer nicht und kann sie mir selbst nicht vorstellen. Bei uns werden sie freundschaftlich akademisch vorgeladen, drüben würden sie wohl die Freiheit verlieren. Ich kann mir nicht vor stellen, daß SBZ-Lehrer, die geflüchtet sind, eine solche Erklärung abgegeben haben. Würden sie sie abgeben, so muß ich mir vorbehalten, ihre Eignung zum pädagogischen Studium erneut zu überprüfen." (sic!)

Die SBZ-Lehrer haben inzwischen darauf verzichtet, ihre Erklärung zu publizieren. Einer von ihnen: "Dann hätten wir ja gleich drüben bleiben können."

Der Herr Minister gab sich leutselig. Frage: "Herr Minister, es wird Ihnen bekannt sein, daß sehr viele Menschen geistiger Berufe die außen- und innenpolitische Entwicklung der Bundesrepublik mit großer Sorge betrachten und dies auch sagen. Wo liegt die Grenze jenseits welcher der Ausdruck dieser Sorge für einen Beamten untragbar ist?"

Der Minister: Die Grenze liegt nur im Einzelfall, sie hängt von Zeit, Ort, Häufigkeit und der Person, die diese Äußerungen macht, ab.

Eine Äußerung wird durch häufige Wiederholung falsch in der Bundesrepublik. Nicht alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich - in der Bundesrepublik - nach Meinung des Ministers.

Frage: "Herr Minister, ist es eine bösartige Unterstellung, wenn man annimmt, der Maßstab läge im Grad der Ablehnung der Verhältnisse in der SBZ? Je mehr man die SBZ verurteilt, desto eher kann man sich gegenüber der Bundesregierung kritisch äußern?"

Der Minister: Das kann man sagen. Bei Frau Riemeck liegt ein ausgesprochenes Übermaß der Verkennung der Lage vor.

Der Minister: "Herr Studienrat Dr. Klein ist seit Jahren sehr bewährt in politischer Erziehung und Geschichte." "Überparteilichkeit" und "Unparteilichkeit" in den Prüfungen sind nach Meinung des Ministers durch Herrn Dr. Klein für die Studenten gewährleistet.

Das Dozentenkollegium der Wuppertaler Akademie verabschiedete am Montag, 18. Juli, eine Erklärung, die der Presse übergeben werden sollte. Durch Intervention des Ministers bei der Rektorin der Akademie, Frau Professor Heuser, konnte die Erklärung nicht veröffentlicht werden.

Der Minister: Ich erinnere Sie an Ihre Pflichten als Beamte gegenüber Ihrem Dienstherrn. Sie haben als Kollegium nicht das Recht, zu einer rein staatlichen Angelegenheit Stellung zu nehmen.

Inzwischen sind eine Fülle von Stellungnahmen beim Kultusminister von Nordrhein-Westfalen eingegangen.

Wer die Außenpolitik des Westens so falsch beurteilt, ich meine, wer ein Übermaß an Kritik unserer Zustände anmeldet, bei gleichzeitigem Verzicht auf Kritik an der Ostzone, der ist unerträglich ... Der Beamte hat sich vor dem Schein zu wahren, daß er (ost)anfällig ist.

Ergänze Artikel 2,1 GG folgendermaßen: Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt, nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt, die DDR verurteilt, und dieser Ablehnung öffentlich, häufig und nachdrücklich Ausdruck gibt.

Nachträge

Aus der Biographie des Nachfolgers von Prof. Riemeck in der Akademie-Prüfungskommission für Geschichte und Politische Bildung ist - auf Grund einer notariell beglaubigten Zeugenaussage - folgendes bekannt: Gemäß eigener Mitteilung ist er neben seiner Mitarbeit in der Arbeitsgemeinschaft demokratischer Kreise, Godesberg, tätig bei der deutschen Spionage und Gegenspionage und zugleich Mitarbeiter des Amtes Gehlen im Bundesinnenministerium.

Der Vorstand der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) von nrw schreibt in seiner Lehrerkorrespondenz: "Die Äußerungen des Kultusministers hält die GEW für außerordentlich bedenklich! Sollte sich die Landesregierung nicht von diesen Auffassungen des Ministers distanzieren, muß daraus geschlossen werden, daß der Ermessensspielraum des Dienstherrn seinen Beamten gegenüber unerträglich ausgeweitet werden könnte, daß ein Beamter nur dann Kritik an Zuständen und Vorgängen in der Bundesrepublik üben darf, wenn er gleichzeitig Verhältnisse in der sowjetischen Besatzungszone kritisiert, daß der Beamte in seinem Staatsbürgerrecht zur politischen Betätigung beeinträchtigt würde."

Kirchenpräsident Niemöller, Studentenpfarrer Mochalski, Pfarrer Werner und zahllose Professoren, Verbände und Organisationen haben ihrer Empörung über die Maßnahmen des Kultusministers Ausdruck gegeben.

Alles darf sein: Ein Rassenkommentator im Bundeskanzleramt, Hunderte von Nazirichtern, ein v. Hobe im Verteidigungsministerium, ein Seebohm als Bundesminister- alles darf sein, nur eines nicht: ein Professor, der Nein sagt zu Atomrüstung und Notstandsgesetzgebung, ein Professor, der von Artikel 3 Grundgesetz Gebrauch macht, in anderem Sinne als es von Bundesregierung und CDU-Landesministern gewünscht wird.

Die Studenten der Pädagogischen Akademie Wuppertal planen weitere Schritte für den Beginn des Wintersemesters zum Schutz von Meinungs- und Lehrfreiheit. Wenn dem Durchbruch des Kultusministers nicht Einhalt geboten wird, ist nicht abzusehen, wo die begonnene Säuberungsaktion deutscher Hochschulen enden wird.

Wir schließen mit den Worten des Ministers: "Nach den Erfahrungen von 1933 bis 1945 sind wir mit Recht besonders empfindlich geworden in der Behandlung der wissenschaftlichen Hochschulen, des geistigen und pädagogischen Lebens in der Bundesrepublik und unseres Landes."

Der Grad unserer Empfindlichkeit kann dem Minister und denen, die ihn stützen, nicht deutlich genug vorgeführt werden.


Aus: konkret: Nr. 15, 1960





Die Historikerin Renate Riemeck war die Ziehmutter von Ulrike Marie Meinhof. Im Jahr ihrer Abberufung aus der Prüfungskommission der Pädagogischen Akademie Wuppertal legte sie ihr Lehramt nieder und bat um Entlassung aus dem Staatsdienst. Bis 1964 war sie Direktoriumsmitglied der Deutschen Friedensunion (DFU), seitdem Publizistin. 1980 gab Rolf Hochhuth die Geldsumme des Geschwister-Scholl-Preises an Renate Riemeck weiter, die auf die ihr zustehende Beamtenrente verzichtet hatte.


Senator J. W. Fulbright war von 1959 bis 1974 Vorsitzender des Außenpolitischen Ausschusses im US-Senat und einflußreichster Kritiker der amerikanischen Außenpolitik.

U2: Am 1. Mai 1960 wurde ein amerikanisches Aufklärungsflugzeug dieses Typs bei Swerdlowsk abgeschossen. Die USA sprachen von einem Wetterbeobachtungsflugzeug. Der Zwischenfall trug wesentlich dazu bei, daß die Gipfelkonferenz der Staatschefs der UdSSR, USA, Großbritanniens und Frankreichs im Mai in Paris ergebnislos abgebrochen wurde.

Der als "Schatten Adenauers" bezeichnete persönliche Referent des Kanzlers Hans Kilb wurde im September 1958 wegen Bestechungsverdachts in Untersuchungshaft genommen.

Herbert Blankenhorn, ehemaliges NSDAP-Mitglied, war seit 1951 Leiter der Politischen Abteilung des Auswärtigen Amtes, später Botschafter. 1958 wurde vom Landgericht Bonn der Vorwurf erhoben, er habe die Denunziationen gegen einen Ministenalbeamten ohne Überprüfung der Anschuldigungen bedenkenlos weitergegeben.

Bundeswehrgeneral Cord von Hobe zeigte anläßlich eines Gerichtsverfahrens im Juli 1960 Verständnis für die "Notwehrsituation" des Angeklagten, eines ehemaligen Generalleutnants der Waffen-SS, der vier Wochen vor der Kapitulation 1945 drei Männer einer fränkischen Kleinstadt wegen "Wehrkraftzersetzung" hinrichten ließ.

Joop Zwaart, holländischer Journalist, der als "Geschäftsführender Sekretär des Internationalen Untersuchungsausschusses Lemberg 1941" mit großem Elan versuchte, den Bundesvertriebenenminister Oberländer vom Vorwurf zu entlasten, an Massenerschießungen von Juden und Polen beteiligt gewesen zu sein. Im Oktober 1959 stellte er die Behauptung auf, Chruschtschow trage die Verantwortung für die Massaker.

Die Regierung Adenauer hatte im September 1959 ein Gesetz vorgelegt das vorsah, daß der Bund eine Anstalt des öffentlichen Rechts mit dem Namen "Deutschland-Fernsehen" errichtete; die Gestaltung dieses Zweiten Fernsehprogramms sollte privaten Gesellschaften übertragen werden. Im Fernsehurteil von 1961 entschieden die Verfassungsrichter, der Bund habe mit dem "Deutschland-Fernsehen" gegen das Grundgesetz verstoßen.

Vorläufer des Bundesnachrichtendienstes (BND) war die "Organisation Gehlen". Gehlen, ehemaliger Generalstabschef der Wehrmacht, hatte in den 50er Jahren mit Billigung der Amerikaner den Geheimdienst aufgebaut.

Hans-Christoph Seebohm, langjähriger Verkehrsminister unter Adenauer, fiel als Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft immer wieder auf: So verteidigte er zum Beispiel das Münchner Abkommen von 1938 und forderte mehrmals die Rückgabe der Ostgebiete.


Aus: Ulrike Marie Meinhof, Aufsätze und Polemiken, S.22, Wagenbach Berlin 1995


 




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