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Beiträge zur Geschichte  









Deutsche Geschichte von 1849 - 1871

Nach der Niederschlagung der Revolution von 1848/49 hatte das Kleinbürgertum seine politische Rolle ausgespielt. Die Bourgeoisie wollte die Führung in der Revolution nicht übernehmen, das Proletariat konnte sie noch nicht ergreifen. In der Folgezeit zeich nete sich das Bündnis zwischen Bourgeoisie und Feudalgewalt ab. Nach 1850 erstarkt das Bürgertum und drängt nach politischer Macht und auf die Herstellung der nationalen Einheit. Die Niederschlagung der Revolution in den deutschen Kleinstaaten durch preuß ische Truppen, schwächt den Partikularismus und verführt Preußen zum Versuch, die deutschen Fürsten ins preußische Schlepptau zu nehmen. Es kommt unter dem preußischen Ministerpräsidenten Radowitz zur preußischen Unionspolitik, dem Versuch, eine kleindeutsche Lösung unter preußischer Führung in der nationalen Frage von oben herbeizuführen.

Dreikönigsbündnis

Am 26.5.1849 kommt es zum Dreikönigsbündnis zwischen Preußen, Hannover und Sachsen. Ziel der preußischen Unionspolitik ist es, daß aus dem Fürstenbündnis eine unter Preußens Hegemonie stehender Bund aller deutschen Fürsten unter Ausschluß Österreichs her vorgehe. Bis Sommer 1849 hatten sich alle deutschen Fürsten angeschlossen, mit Ausnahme von Bayern und Württemberg; Hannover und Sachsen hatten sich nur unter dem Vorbehalt angeschlossen, daß ihr Beitritt erst dann endgültig werde, wenn alle Fürsten beige treten seien. Der engere Bund sollte in Vereinbarung mit Österreich den weiteren Bund mit der Hauptaufgabe einer einheitlichen Zoll-, Handels- und Außenpolitik bilden. Die von Radowitz ausgearbeitete Verfassung lehnte sich äußerlich an die Reichsverfassung des Frankfurter Parlaments an. Dem preußischen König, als vorgesehenes Bundesoberhaupt, war die Exekutive unterstellt. Er hatte absolutes Vetorecht gegen alle Beschlüsse des Volkshauses. In der Frage des Wahlrechts zum Unionsparlament, zu dem nach dem Dreiklassenwahlrecht gewählt werden sollte, spaltete sich das Bürgertum in Demokraten und Liberale. Die rechten Liberalen stimmten dem Dreiklassenwahlrecht zu und wurden bis in die 60er Jahre "Gothaer" genannt. Die Demokraten riefen zum Wahlboykott auf. Die Zusammensetzung des Unionsparlamentes bestand demnach aus rechten Liberalen und Konservativen. Am 20. März 1850 trat das nach dem Dreiklassenwahlrecht gewählte Unions parlament in Erfurt zusammen.

Die Schmach von Olmütz

In Kurhessen protestierte die Bevölkerung, Teile der Bürokratie und selbst Offiziere gegen einen eklatanten Verfassungsbruch des Kurfürsten, der nach Frankfurt floh, wo der wiederberufene (von Preußen noch nicht beschickte) Bundestag den Einsatz von Truppen gegen die rebellierende Bevölkerung in Aussicht stellte. Preußen hatte in Kurhessen strategische Interessen und stellte sich gegen den Kurfürsten und gegen Österreich, das von Rußland unterstützt wurde. Beide Seiten rüsteten zum Krieg. Preußen machte mobil. Der König entließ gleichzeitig Radowitz und erklärte sich zu Verhandlungen bereit. In der am 29.11.1850 unterzeichneten Punktation von Olmütz verzichtet Preußen auf seine Unionspolitik. Damit war vorerst der Versuch gescheitert, durch eine kleindeut sche Lösung unter preußischer Führung die nationale Einheit herzustellen. Friedrich Wilhelm IV. berief nach der Entlassung von Radowitz ein reaktionäres Kabinett unter Otto von Manteuffel. In Preußen herrschte wieder finsterste Reaktion. Durch Wiederherst ellung der Heiligen Allianz, lehnte sich Preußen wieder stärker an Rußland an. Die Geschworenengerichte wurden abgeschafft, ein Staatsgerichtshof zur Aburteilung von Verbrechen des Hochverrats geschaffen. 1854 wurde die erste Kammer in ein Herrenhaus umge wandelt, deren Mitglieder vom König ernannt wurden.

Der Krimkrieg

1853 kommt es zu einem kriegerischen Konflikt zwischen Rußland und der Türkei, der sich zum Krimkrieg ausweitet, da hinter der schwachen Türkei England und Frankreich stehen, die Rußland im März 1854 den Krieg erklären. Frankreich fürchtet eine Stärkung Rußlands im Nahen Osten. England fürchtet ein Festsetzen der Russen an den Dardanellen und damit eine Bedrohung seiner Interessen im Mittelmeer. Österreich und Preußen verhalten sich neutral. Sie waren einerseits durch das System der Heiligen Allianz Rußla nd verbunden, andererseits aber gab es in den herrschenden Kreisen Kräfte, die für ein Westbündnis plädierten. Diese Kräfte in Österreich erhofften sich stärkeren Einfluß auf dem Balkan.

Sie erreichten, das österreichische Truppen an den Grenzen zu den Donaufürstentümern konzentriert wurden und damit bedeutende russische Truppen banden. Dadurch wurde der englisch-französische Angriff auf Sewastopol erleichtert, das am 11.9.1855 nach neunmonatiger Belagerung fiel. Die Hofkamarilla in Preußen stand auf der Seite von Rußland. Die Opposition, an der Spitze Prinz Wilhelm, hatte die Schmach von Olmütz noch nicht vergessen und stand auf Seite der Westmächte. Sie wünschten eine selbständige Außenpolitik Preußens im Intere sse der preußischen Vorherrschaft in Deutschland. Auf der Pariser Friedenskonferenz mußte Rußland schwere Bedingungen unterschreiben. Es durfte keine Kriegsflotte im Schwarzen Meer unterhalten und keine Küstenbefestigungen anlegen. Es mußte die Freiheit der Donauschiffahrt anerkennen und einen Teil Bessarabiens abtreten. Rußland büßte seine führende Rolle in Europa ein. Die Heilige Allianz brach auseinander.

Die Neue Ära

Nach dem Krimkrieg wurde offensichtlich, daß die stockreaktionären Junker in Preußen zur Regierung des Landes nicht mehr fähig waren. Wollte Preußen Großmachtpolitik betreiben, mußte es sein Heereswesen neu organisieren. Dazu brauchte man das Geld von der Bourgeoisie und ruhige politische Zustände im Inneren. Der notwendige Kurswechsel sollte anläßlich des Monarchenwechsels vollzogen werden. Prinz Wilhelm hatte 1857 die Stellvertretung seines geisteskranken Bruders (Friedrich Wilhelm IV.) übernommen und wurde am 7.11.1858 als Prinzregent eingesetzt und nach dem Tode seines Bruders 1861 als König Wilhelm I. zum König gekrönt. Am 7.11.1858 trat die Regierung Manteuffel zurück. Es begann die sogenannte "Neue Ära", an die die Liberalen große Hoffnungen knüpften.

Ministerpräsident wurde der Fürst von Hohenzollern. Das Kabinett bestand aus gemäßigt liberalen Aristokraten. Die "Neue Ära" führte vorerst zu einer Lockerung der politischen Verhältnisse, was sich auch in den Wahlen niederschlug. 147 Sitze für die Liberalen gegenüber 36 bei den Wahlen 1855. Zusammen mit der Fraktion der ehemaligen Wochenblattpartei bildeten die Liberalen eine Mehrheit von 204 Abgeordneten. Die Fraktion der Konservativen sank von 224 auf 60 Mitglieder. Die Liberalen hofften nun auf verfassungsgemäße Zustände, ließen sich aber von der taktischen Devise leiten: nur nicht drängen". Auch in den anderen deutschen Ländern wurden die polizeilichen Unterdrückungsmaßnahmen gemildert.

Der Konflikt in Oberitalien

1859 kommt es zum Konflikt in Oberitalien. Im Bündnis mit Frankreich versuchte der Ministerpräsident von Sardinien und Piemont, Camillo Cavour, Italien zu einigen und von der Fremdherrschaft zu befreien. Die Herrschaft der Habsburger sollte an der Adria zurückgedrängt und Sardinien zu einem Königreich Oberitalien vergrößert werden. Napoleon III. verlangte für seine Unterstützung Savoyen und Nizza von Sardinien. Frankreich hatte zuvor ein Geheimabkommen mit dem Zaren geschlossen, das die Neutralität Rußlands im Falle eines Konfliktes vorsah. Das deutsche Volk stand vor der Frage, ob es sich angesichts der Aggressionsabsichten Frankreichs neutral verhalten solle oder Partei ergreifen müsse, da zu befürchten stand, Napoleon werde das linke Rheinufer annektieren. Stellte man sich auf die Seite Österreichs, mußte man den Anschein erwecken, man unterstütze die österreichische Unterdrückung der nationalen Minderheiten. Marx und Engels verneinten die Neutralität und forderten den Kampf gegen Napoleon aus national en Gründen. Lassalle forderte Neutralität und verlangte, die Schwäche Österreichs ausnutzend, die Annektion von Schleswig-Holstein. Preußen verhielt sich neutral. Nach der Niederlage Österreichs bei Magenta am 4.6.1859 und bei Solferino am 24.6.1859, kam es am 10.11.1859 zum Frieden von Zürich. In ihm trat Österreich die Lombardei an Frankreich ab, das diese Provinz Sardinien überließ. Dafür gingen 1860 die italien ischen Provinzen Nizza und Savoyen an Frankreich.

Die Gründung des deutschen Nationalvereins.

Mitte September 1859 wurde der Versuch unternommen, in Frankfurt am Main eine ganz Deutschland umfassende nationale Fortschrittspartei aus Liberalen und ehemaligen Demokraten zu schaffen. Infolge von Meinungsverschiedenheiten mit den süddeutschen Vertretern, die sich gegen die Führung Preußens und den Ausschluß der deutschen Teile Österreichs aus dem zukünftigen deutschen Staat wandten, kam es nur zu einem losen Zusammenschluß, der Gründung des deutschen Nationalvereins, der seine Aufgabe darin sah, für die "Einigung und freiheitliche Entwicklung des großen gemeinsamen Vaterlandes" zu wirken. Ein Jahr später bekennt sich der National-eines liberalen Preußens womöglich, eines wie immer beschaffenen Preußens im Notfall". Präsident des Nationalvereins ist Rudolf von Bennigsen.

Die preußische Heeresvorlage

Die Reorganisation des Heeres war Vorbedingung für preußische Großmachtpolitik. Sie hing davon ab, daß die Liberalen die nötigen Geldmittel bewilligten. Da die Regierung keine Absichten erkennen ließ, in der von den Liberalen geforderten "nationalen Mission" tätig zu werden, kam es zwischen Liberalen und Regierung zu keiner Einigung. Die Regierung zog die Vorlage zurück und forderte die einmalige Summe von 9 Millionen Talern, die von den Liberalen als Provisorium bewilligt wurde. Damit finanzierte die Regierung die Heeresreform, die 1860 im großen und ganzen abgeschlossen wurde. Preußen führte als erste Kontinentalmacht das Zündnadelgewehr ein, das eine dreifache Feuergeschwindigkeit hatte.

Die Hoffnungen, die die Liberalen an die "Neue Ära" geknüpft hatten, erfüllten sich nicht. Dennoch bewilligten sie 1861 zur Vollendung der Heeresreform ein zweites Provisorium. Dieser Beschluß kam aber nur mit der knappen Mehrheit von 159 zu 148 Stimmen zustande. Die Opposition bei den Liberalen, die auf eine klare Entscheidung in Sachen Innen- und Außenpolitik drängten, wuchs. In dieser Situation gründeten sie eine aktive Partei, die Deutsche Fortschrittspartei, die am 9.6.1861 ihr Wahlprogramm veröffent lichte. Sie stellte darin als erste preußische Partei seit 1849 die nationale Einigung unter preußischer Führung an die erste Stelle. Als Voraussetzung für alle liberalen Reformen verlangten sie eine durchgreifende Reform des Herrenhauses.

Das Ende der "Neuen Ära"

Im September 1861 gründeten die Konservativen den "Preußischen Volksverein" als Gegenorganisation zum Nationalverein, der "gegen Kronenraub und Nationalitätenschwindel", d.h. gegen liberale und demokratische Forderungen, auftrat. Die Isolierung der reakt ionären Kreise wuchs und wurde bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus im Dezember 1861 deutlich. Die Fortschrittspartei eroberte 109 Sitze, die konstitutionellen Liberalen erhielten nur noch 95, die Konservativen erhielten nur noch 15 Sitze.

Die Liberalen verlangten nun von der Regierung eine Politik, die auf die Proklamierung kleindeutscher Unionspläne abzielte und die Ersetzung der konservativen Minister, vor allen des Kriegsministers Roon, durch Liberale. Die gemäßigt liberalen Minister traten zurück, und der König löste das Abgeordnetenhaus auf. (14.3.1862) Am 19.3.1862 wurde ein neues Kabinett mit ausschließlich konservativen Ministern berufen. Damit war die "Neue Ära" beendet.

Die Regierungskrise

Der Wahlkampf wurde von den Konservativen mit der Parole geführt: "Königliches oder parlamentarisches Regiment". Massive Wahlbeeinflussung durch den Staat war auf der Tagesordnung. Bei den Wahlen im Mai 1862 gewann die Opposition 230 Sitze und damit die Z weidrittel-Mehrheit. Die Konservativen erhielten 10 Sitze. Trotz Zugeständnisse der Regierung an die Liberalen, scheiterte ein Vermittlungsvorschlag in der Frage der Dienstzeit des Militärs am Widerstand des Königs. Nun verweigerten die Liberalen weitere Mittel und machten mit allen Provisorien Schluß. Sie strichen am 23. September 1862 alle Ausgaben für die Heeresreform mit 308 gegen 11 Stimmen. Da die Regierung die Gelder legal nicht mehr verausgaben konnte, einige Minister gegen die Mehrheit des Abgeor dnetenhauses nicht regieren wollten, kam es zur Regierungskrise.

Bismarck wird preußischer Ministerpräsident

Der König beabsichtigte abzudanken, da er keine Minister mehr fand, die bereit gewesen wären, gegen das Abgeordnetenhaus zu regieren. In dieser Situation berief das Haupt der Militärclique, der Kriegsminister Roon, den preußischen Gesandten in Paris, Otto von Bismarck, telegrafisch nach Berlin. Bismarck erklärte sich bereit, die Führung der Regierung zu übernehmen und gegen das Abgeordnetenhaus zu regieren. Zögernd ernannte Wilhelm I. Bismarck am 24.9.1862 zum interimistischen Vorsitzenden des Staatsminis terium und wenig später zum preußischen Ministerpräsidenten.

Otto von Bismarck (1815-1898) betrieb nach seiner Ernennung zum preußischen Ministerpräsidenten die Herstellung der Einheit Deutschlands unter preußischer Führung von oben. Obwohl sein Kabinett ein Kampfkabinett gegen Liberalismus und Demokratie war, ist es den Kabinetten der Reaktionszeit nicht gleichzusetzen. Bismarck nahm den Kampf gegen die österreichische Hegemonie auf. Er distanzierte sich bereits 1861 vom Preußischen Volksverein. Dieser hatte vom Nationalitätenschwindel gesprochen, Bismarck sprach vom "gott- und rechtlosen Souveränitätsschwindel der deutschen Fürsten". Bei der Verfolgung seiner Ziele setzte er sich über absolutistisch-legitimistische Bedenken hinweg. Er sah auch nicht ein, weshalb man "von der Idee einer Volksvertretung, sei es am Bunde, sei es in einem Zoll- oder Vereinsparlament, so zimperlich zurückschrecken" sollte. Er charakterisierte kurz nach seinem Amtsantritt vor den Abgeordneten der Budgetkommission seine Ziele und Methoden. "Nicht auf Preußens Liberalismus sieht Deutschl and, sondern auf seine Macht... Preußen muß seine Kraft zusammenfassen und zusammenhalten auf den günstigen Augenblick, der schon einige Male verpaßt ist; Preußens Grenzen nach den Wiener Verträgen sind zu einem gesunden Staatsleben nicht günstig; nicht d urch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden - das ist der Fehler von 1848/49 gewesen - sondern durch Eisen und Blut."

Die Verfassungskrise

Der vom Abgeordnetenhaus beschlossene Budget für 1862, in dem die Kosten für die Heeresreform gestrichen worden waren, wurde vom Herrenhaus nicht angenommen. Da beide Häuser nicht übereinstimmten, kam kein Budgetgesetz zustande. Bismarck vertrat nun die A uffassung, die Verfassung habe eine Lücke, da nicht vorgesehen sei, was in diesem Falle zu geschehen habe, (Lücken-Theorie) der Staat aber müsse seinen Verpflichtungen weiter nachkommen, also werde er die nötigen Mittel ohne Gesetz verausgaben. Der Heeres konflikt war somit zum Verfassungskonflikt geworden. Außerhalb des Parlamentes ging Bismarck jetzt gegen die liberale Opposition mit polizei-staatlichen Mitteln vor.

Er erließ am 1.6.1863 eine verfassungswidrige Presseordonanz, die die Pressefreiheit praktisch aufhob. Jede Zeitung konnte nach zweimaliger Verwarnung verboten werden. Beamte und Richter, die mit den Liberalen sympathisierten, wurden strafversetzt oder entlassen. Im Sommer 1863 unternahm Österreich einen Vorstoß, die alten Bundesverhältnisse in neuer Form zu festigen. Es lud am 16.8.1863 zu einem Fürstenkongreß nach Frankfurt ein, auf dem alle deutschen Fürsten über eine zweifelhafte Bundesreform verhandeln sollte n. Bismarck überredete Wilhelm I., dem Fürstentag fernzubleiben, der dann auch ohne Ergebnisse auseinanderging. Das war eine schwere politische Niederlage für Österreich. Bei den Wahlen vom September 1863 errangen die Oppositionsparteien einen großen Wahlsieg mit 253 Abgeordneten, während die Anhänger Bismarcks nur 36 Abgeordnete ins Parlament schicken konnten. 1863 war die allgemeine politische Konstellation für Preußen günstig. Österreich war isoliert, da seit dem Krimkrieg mit Rußland verfeindet und mit Frankreich seit der oberitalienischen Krise.

Die schleswig - holsteinische Frage

Seit 1640 waren die beiden Herzogtümer Schleswig und Holstein, die einen gemeinsamen ständischen Landtag und andere gemeinsame Institutionen besaßen sowie aufgrund einer vom dänischen König ausgestellten Immunitätsurkunde "up ewig ungedeelt" bleiben sollt en, in Personalunion mit der dänischen Krone verbunden. Im Januar 1848 war der dänische König Christian VIII. gestorben, und sein Nachfolger drohte, Schleswig zu annektieren.

Da er keine männlichen Nachfolger hatte, beabsichtigte er, das in Dänemark bestehende Gesetz der weiblichen Nachfolge nun auch auf Schleswig auszudehnen, wo dieses Erbfolgegesetz bisher nicht galt. Das hätte bedeutet, daß die bestehende Verbindung zwischen Schleswig und Holstein zerrissen worden wäre, da Holstein bereits am 8. Juni 1815 in den Deutschen Bund aufgenommen worden war. Gegen diese Pläne des dänischen Königs wandte sich im März 1848 die Bevölkerung von Schleswig und Holstein und verlangte auch den Anschluß Schleswigs an den Deutschen Bund. Die Vertreter des deutschen Bürg ertums verlangten die Bildung einer neuen Volksvertretung, den Anschluß beider Herzogtümer an den Deutschen Bund und die Ausschaltung des dänischen Einflusses. (18. März 1848)

Der dänische König erklärte am 24. März, er bestehe auf einer unzertrennlichen Verbindung Schleswigs mit Dänemark; Dänemark werde eine neue Verfassung verkünden, die für ganz Schleswig gelten und diese Provinz zu einem Teil Dänemarks machen solle. Auf diese Herausforderung antworteten die Schleswig-Holsteiner mit einer revolutionär en Erhebung. Es konstituierte sich eine provisorische Regierung. Sie beantragte beim Bundestag in Frankfurt die Bundesexekution gegen Dänemark, mit deren Durchführung Preußen und Hannover beauftragt wurden. Die Regierung von Schleswig-Holstein stellte ein e Armee von 7.500 Mann auf; das 10. deutsche Bundeskorps zählte 9.000 Mann; es bildeten sich Freikorps zum Kampf gegen Dänemark.

Insgesamt standen den Truppen der Dänen in Stärke von 14.000 Mann, 30.000 Bundestruppen gegenüber, deren Oberbefehl dem preußi schen Feldmarschall Wrangel übertragen worden war. Wrangel verzögerte die Operationen. Nach erfolgreicher Schlacht bei Schleswig, verbot Wrangel die Verfolgung der geschlagenen dänischen Truppen. Hinter Dänemark standen Rußland und England. ES kam zu Waff enstillstandsverhandlungen und zum Frieden.

Im Londoner Protokoll von 1852, das von allen europäischen Großmächten unterschrieben wurde, verpflichtete sich der dänischen Gesamtstaates, insbesondere Verzicht auf Inkorporationsbestrebungen der deutschen und dänischen Nationalität. Weiter sollte Christian von Glücksburg mit Ableben des dänischen Königs, mit dem die bisher regierende Linie erlosch, Herrscher über die Gesamtmonarchie werden. Der Herzog von Augustenburg, der nach alten Erbrecht Anspruch auf Sc hleswig-Holstein erhoben hatte, verzichtete praktisch auf die Thronfolge. Dänemark hielt sich in der Folgezeit nicht an wesentliche Teile der Abmachung. So verweigerte es Schleswig die volle Autonomie.

Am 3o. März 1862 erließ der König eine neue verfassungsrechtliche Verlautbarung für Holstein, die dessen Verbindung zu Schleswig endgültig abschneiden sollte. Damit wurde die Inkorporation Schleswigs eingeleitet. Am 13. November 1863 bestätigte der dänisc he Reichstag diese antideutschen Bestimmungen und nahm sie in die Verfassung auf. Zwei Tage später starb der dänische König, so daß damit die im Londoner Protokoll festgelegte Erbfolge eintrat.

Überall in Deutschland entstanden Schleswig-Holstein Vereine und Komitees, die die völlige Unabhängigkeit dieser beiden Provinzen von Dänemark forderten. Die meisten Beamten von Holstein verweigerten dem neuen König die Eidesleistung; viele Soldaten deser tierten. Der Sohn des Herzogs von Augustenburg erklärte, den Thronverzicht seines Vaters nie anerkannt zu haben und erklärte sich zum Herzog von Schleswig-Holstein. Die Liberalen und die Demokraten stellten sich hinter den Augustenburger. Der Bundestag beschloß am 7. Dezember die Bundesexekution zur Einhaltung der von Dänemark verletzten Verträge. Die deutsche Öffentlichkeit forderte keine Sühnemaßnahmen wegen verletzter Verträge, sondern die Befreiung der Herzogtümer.

Der Krieg gegen Dänemark 1864

Am 23. und 24. Dezember 1863 wurde die Bundesexekution zur Wahrung der Rechte Holsteins, des Mitglieds des Deutschen Bundes, durch sächsische und hannoveranische Truppen ausgeführt. Nach der kampflosen Zurückziehung der dänischen Truppen aus Holstein, ließ sich der Augustenburger zum Herzog von Holstein ausrufen. Nach der Ablehnung eines Ultimatums durch Dänemark, setzten österreichische und preußische Truppen am 1. Februar 1864 über die Eider und marschierten in Schleswig ein. Nach der vollständigen Bese tzung Schleswigs drangen die verbündeten Truppen in Jütland ein.

Der Sieg der Preußen bei Düppel am 18.4.1964 schloß die erste Etappe des dänischen Feldzuges ab. Da Dänemark keinerlei Unterstützung erhielt, mußte es nach weiteren Niederlagen den aussicht slosen Kampf einstellen. Es hatten sich die Vorzüge der neuen preußischen Heeresreform und des Zündnadelgewehres gezeigt. Am 30. Oktober 1864 wurde in Wien der Friede unterzeichnet. In ihm wurden die Herzogtümer Schleswig, Holstein und das kleine Lauenburg von Dänemark an Preußen und Österreich gemeinsam abgetreten. Der Krieg hatte sich als Revolution von oben erweisen. Die gemeinsame Verwaltung konnte nur ein Provisorium sein und barg weitere Konflikte in sich. Österreich begünstigte den Augustenburger; Bismarck nahm Kurs auf die Annektion. Der Vertrag von Gastein (14.8.64) zwischen Österreich und Preußen schob den Konflikt noch einmal hinaus. In dem Vertrag erhielt Preußen das Recht, Befestigungen und Marineanlagen in Kiel anzulegen. Österreich war in S chleswig vollständig ausschaltete, während Preußen in Holstein erhebliche Rechte besaß.

Der Krieg gegen Österreich 1866

Napoleons außenpolitisches Ziel war und blieb: Verhinderung der nationalen Einheit Deutschlands; politische Einflußnahme in Süddeutschland durch eine Neuauflage des Rheinbundes; eine Annexion eines möglichst großen deutschen Gebietes auf dem linken Rheinufer. Er hoffte, ein Krieg zwischen Österreich und Preußen werde langwierig sein, und er könne als Schiedsrichter auftreten.

Ein entscheidender Schritt Bismarcks war der Abschluß eines Bündnisvertrages mit Italien am 8. April 1864. Darin verpflichtete sich Italien, Österreich den Krieg zu erklären, wenn Preußen die Kampfhandlungen beginnen würde. Außerdem erhielt Italien 120 Mi llionen Francs. Der Vertrag war drei Monate gültig; innerhalb dieser Frist also mußte Preußen den Krieg gegen Österreich erklärt haben. Finanziell bereitete Bismarck den Krieg dadurch vor, daß er für 13 Millionen Taler den Aktionären der Köln-Mindener Eis enbahngesellschaft die Aktien verkaufte, die sich im preußischen Staatsbesitz befanden. Außerdem ließ er, ohne Genehmigung des Abgeordnetenhauses, für 40 Millionen Taler Kassenscheine ausgeben. Damit waren die Mittel für den Krieg gesichert.

Der Einmarsch preußischer Truppen in Holstein und der ebenso provokative Bundesreformvorschlag, der Österreich in den neu zu gründenden Bund nicht mehr einbegriff, veranlaßte Österreich im Bundestag den Antrag zu stellen, gegen Preußen die Bundestruppen zu mobilisieren. Vier Tage später eröffnete Preußen die Kriegshandlungen. Auf der Seite Österreichs standen alle Mittelstaaten Deutschlands, wie Sachsen, Hannover, Bayern, Württemberg, Baden usw., während Preußen nur einige kleine thüringische und norddeutsche Staaten zu Verbündeten hatte. Die deutschen Mittel- und Kleinstaaten vermochten nur geringen Widerstand zu leisten, und bis Anfang Juli waren an dieser Front die militärischen Aktionen abgeschlossen. Inzwischen hatte Österreich über die Italiener gesiegt, was ohne Bedeutung blieb. Der Hauptkriegsschauplatz aber wurde Böhmen.

Die Schlacht bei Königgrätz

Die strategische Leitung der preußischen Kriegsführung hatte der Generalstabschef Helmuth von Moltke (1800-1891) Nach seinem Plan waren die preußischen Truppen in drei Armeen aufmarschiert, die sich erst im Entscheidungskampf vereinigen sollten. Molktes Prinzip: "Getrennt marschieren und vereint schlagen" widersprach allen bisherigen strategischen Grundsätzen. Der rasche Ablauf der politischen Ereignisse und die Taktik Bismarcks, Österreich als Angreifer erscheinen zu lassen, ließen keine andere Strategie zu.

Diese Regelwidrigkeit war zwar ein Wagnis, aber kein Abenteuer; denn Moltke nutzte die ökonomischen und technischen Veränderungen für die preußische Kriegsführung aus: Die Eisenbahnen erlaubten einen rascheren Transport der Truppen; die verbesserten Straßen ermöglichten eine erhöhte Marschleistung; der Telegraph garantierte schnellere Nachrichten und Befehlsübermittlung; das Zündnadelgewehr verstärkte die Feuerkraft und Widerstandsfähigkeit der einzelnen Truppenteile. Am 3. Juli 1866 begann in den Morgenstunden die Schlacht bei Königgrätz. Die zweite Armee traf in den frühen Nachmittagsstunden noch rechtzeitig auf dem Schachtfeld ein; ihr Stoß in die rechte Flanke der Österreicher entschied die Schlacht zugunsten der Preußen. Der Sieg der preußischen Truppen rief die diplomatische Intervention Napoleons hervor, der Preußen und Italien zum Abschluß eines Waffenstillstandes ermahnte. Der Frieden von Prag

Am 26. Juli kam es zum Vorfrieden von Nikolsburg und am 23. August 1866 zum Frieden von Prag. Der Deutsche Bundestag wurde für aufgelöst erklärt; an einem neuen Bund sollte sich Österreich nicht mehr beteiligen. Österreich mußte eine Kriegskontribution zahlen und Venetien an Italien abtreten. Es mußte ferner die Annexion folgender Gebiete durch Preußen anerkennen: Schleswig-Holstein, Hannover, Kurhessen, Nassau und die Freie Stadt Frankfurt. Schließlich hatte sich Preußen das Recht zur Gründung des Nordde utschen Bundes ausbedungen. Den süddeutschen Staaten Bayern, Württemberg und Baden erlegte Bismarck eine Kriegskontribution auf und schloß mit ihnen im Laufe des August geheime Schutz- und Trutzbündnisse ab, die im Kriegsfalle die Unterstellung der süddeutschen Truppen unter den preußischen Oberbefehl vorsahen.

Der Friedensvertrag im Inneren

Unmittelbar nach Abschluß der Friedens- und Bündnisverträge ging Bismarck daran, den langjährigen Verfassungskonflikt zu beenden und damit seinen Frieden mit der Bourgeoisie zu machen. Bereits die Wahlen zum preußischen Abgeordnetenhaus am 3. Juli 1866, mitten im Taumel der Kriegswochen, zeigten, daß ein großer Teil der bürgerlichen Wähler Bismarck mit seiner Energie und seinem Zielbewußtsein mehr vertraute als den wortreichen, aber tatenarmen Liberalen, die ohne klare Perspektive waren. Während die Konse rvativen im Herbst 1865 nur 38 Vertreter ins Abgeordnetenhaus gebracht hatten, stieg ihre Zahl 1866 auf 123, die Abgeordneten der Fortschrittspartei sank von 143 auf 83. Die weiter rechts stehenden Liberalen (Fraktion Bocckum-Dollfs) bildeten jetzt mit 65 statt bisher 110 Abgeordneten das Zünglein an der Waage.

Der Friedensvertrag im Inneren war die sogenannte Indemnitätsvorlage, in der die Regierung um die nachträgliche Genehmigung der während der budgetlosen Zeit des Verfassungskonfliktes gemachten Ausgaben nachsuchte. Am 3.9.1866 stimmte das preußische Abgeor dnetenhaus der Vorlage bei 75 Gegenstimmen zu. Damit waren die rechtswidrig vollzogenen Tatsachen legitimiert. Mit den Friedensschlüssen Bismarcks war die Revolution von oben eingeleitet und mit der Reichsgründung von 1871 war sie gesichert.

Die Spaltung der Parteien

Bismarcks Friedensschlüsse nach innen und außen hatten auch Auswirkungen auf die Parteien. Die Konservative Partei spaltete sich zuerst. Aus ihr bildete sich die Freikonservative Partei heraus, in der Adlige aus der hohen Verwaltung und Diplomatie, schlesische Magnaten und rheinische Industrielle den Ton angaben. Typische Vertreter waren Wilhelm von Kardorf aus Schlesien sowie der Schwerindustrielle und in den 80er Jahren geadelte Freiherr von Stumm aus dem Saargebiet. Die Freikonservativen vertraten bedingungslos Bismarcks Großmachtpolitik. Den Kern der Konservativen bildeten die ostelbischen Junker.

Politisch bedeutsamer war die Spaltung der Fortschrittspartei. Derjenige Teil ihrer Abgeordneten, die für die Indemnitätsvorlage gestimmt hatten, bildeten zunächst die Fraktion der "Nationalen Partei". Diese vereinigte sich mit den Liberalen der neugewonn enen Provinzen Hannover und Kurhessen, aus denen dann die Nationalliberale Partei unter der Führung von Bennigsens entstand. Sie repräsentierte die Industrie- und Handelsbourgeoisie, die sich Bismarck fügte. Der Rest der Fortschrittspartei vertrat fortan vornehmlich Oberschichten des Kleinbürgertums, vor allem den mittleren Kaufmannsstand und Teile der Intellektuellen.

Der Norddeutsche Bund (1867)

Nach Beendigung des Verfassungskonfliktes begann die preußische Regierung einen Verfassungsentwurf für den Norddeutschen Bund auszuarbeiten, dem die Regierungen von 21 Kleinstaaten und Freien Städten zustimmten. Danach wurde er im Konstituierenden Norddeu tschen Reichstag, der aufgrund des allgemeinen, gleichen Wahlrechts gewählt worden war und am 24. Februar 1867 zusammentrat, beraten. Der Verfassungsentwurf spiegelte die politischen Machtverhältnisse wider: Übergewicht des preußischen Staates und beherrs chende Stellung der preußischen Regierung gegenüber dem Parlament. Der Oberbefehl über Heer und Flotte, die Leitung der Außenpolitik, die Entscheidung über Krieg und Frieden und die Ernennung des Bundeskanzlers blieben der preußischen Krone, die das erbli che Präsidium des Norddeutschen Bundes einnahm, vorbehalten.

Die Grundprinzipien der preußischen Militärverfassung wurden in der Verfassung des Norddeutschen Bundes für verbindlich erklärt. Im Laufe der Verhandlungen stimmte Bismarck zu, daß ab Dezember 1871 die gesetzgeberischen Kompetenzen des Reichstages sich auch auf einige Fragen des Militärwesens erstrecken sollten und zwar hinsichtlich der finanziellen Aufwendungen und der Präsenzstärke des Heeres. Bismarck gab weiter dem Drängen der Liberalen nach, die wenigstens einen verantwortlichen Minister, den Bundeskanzler, forderten, der sich durch Gegenzeichnung der Gesetze zu deren Durchführung verpflichtete. Allerdings konnte der Kanzler durch ein Mißtrauensvotum des Reichstages nicht gestürzt werden.

Das Bundeskanzleramt, das nach 1871 zum Reichskanzleramt wurde, war neben dem Auswärtigen Amt und der Marineverwaltung lange Zeit die einzige Bundes- bzw. Reichsbehörde. Auch gab es bis zum Zusammenbruch des Kaiserreiches 1918 keinen deutschen Generalstab; seine Funktion hatte der preußische übernommen. Eine Reihe von Kompetenzen, so diejenigen über die innere Verwaltung, die Rechtspflege, Kirche und Schule, blieb den einzelnen Ländern überlassen. Der Bundesrat, die Vertretung der dem Bunde beigetretenen Fürsten und Freien Städte, konnten Preußens Machtstellung nicht gefährlich werden; denn von den 43 stimmberechtigten Mitgliedern hatte Preußen 17 Vertreter. Der Bundesrat sollte neben dem Reichstag die Gesetze beschließen und deren Durchführung überwachen.

Den stärksten Widerstand gegen jegliche nationale Einheit leisteten die süddeutschen Fürsten und die hinter ihnen stehenden Gruppen des Adels und des Beamtentums. Repräsentanten des Volkes gegen den preußischen Militarismus waren vor allem die württembergischen Demokraten. Die Norddeutsche Bundesverfassung hatte in Süddeutschland einen schlechten Eindruck gemacht. Über die militärischen Bestimmungen schrieb der demokratische Stuttgarter "Beobachter": "Der norddeutsche Bürger dient, zahlt, kämpft, stirbt; der norddeutsche König regiert, konsumiert, kommandiert, stirbt aber nie." Und ein Cannstätter Demokrat prägte das berühmt gewordene Wort: "Die Verfassung des Norddeutschen Bundes besteht aus drei Paragraphen: der 1. heißt Steuerzahlen, der 2. Soldatwerden, der 3. Maulhalten."



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