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Pressemitteilung vom 06. November 2001
Mit dem "Terrorismus"-Bekämpfungsgesetz in den Überwachungsstaat!
Presseerklärung von über 20 Bürgerrechts- und Datenschutzorganisationen zum "Terror-Paket":
Bürgerrechts- und Datenschutzorganisationen halten das Verhandlungsergebnis zwischen
Bundesinnenminster Otto Schily und der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/ Die Grünen zum sog.
Terrorismusbekämpfungsgesetz für eine Katastrophe.
Nach den ersten Verlautbarungen bestand zunächst noch Hoffnung, dass die bündnisgrüne
Bundestagsfraktion die schlimmsten Auswüchse verhindern könnte. Der bisher bekannt gewordene
überarbeitete Gesetzesentwurf belehrt uns eines Schlechteren. Einzelnen Zugeständnissen Schilys an die
Grünen stehen massive Verschlimmerungen gegenüber.
Eine öffentliche Auseinandersetzung mit dem Ergebnis der Verhandlungen konnte bisher nicht stattfinden.
Angesichts der gravierenden Eingriffe in Grundfreiheiten, die in dem Gesetzespaket vorgesehen sind, wäre
eine solche kritische Auseinandersetzung mit dessen Folgen unverzichtbar, bevor sich das Kabinett auf
einen Gesetzentwurf einigt und der Bundestag darüber entscheidet. Es bleibt bei der Kritik, dass diese
Demontage des Rechtsstaates in einem geheimen Verfahren zwischen den Parteien ohne
Einflussmöglichkeiten der demokratischen Öffentlichkeit durchgepeitscht werden soll.
Die wesentlichen Kritikpunkte der Bürgerrechts- und Datenschutzorganisationen bleiben bestehen. Keine
einzige der im Gesetzesvorhaben vorgeschlagenen Maßnahmen wäre geeignet, Anschläge wie die
Attentate von New York zu verhindern. Demgegenüber werden verbürgte Grund- und Freiheitsrechte
sowohl deutscher wie nichtdeutscher BürgerInnen durch die geplanten Maßnahmen ungerechtfertigt
eingeschränkt. Von den uns gegenwärtig bekannten Maßnahmen gefährden die folgenden Bürgerrechte
und Demokratie in besonderem Maße:
Verdacht auf Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung als zwingender
Versagungsgrund für die Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung. Für hier lebende
Ausländer wird dies zudem ein Ausweisungsgrund. Hinzu kommt künftig die sofortige Vollziehbarkeit dieser
und anderer Ausweisungen.
Aufhebung der Trennung von Geheimdiensten und Polizeien: Uneingeschränkter Zugriff der
Geheimdienste auf die polizeiliche Verbunddatei INPOL und neuerdings auch die Beteiligung von MAD,
BND, Zollkriminalamt und Bundesverfassungsschutz am Visumsverfahren. Zum ersten Mal in der
Geschichte der Bundesrepublik bekommt der Verfassungsschutz polizeiähnliche Exekutivbefugnisse.
Im Ausländerzentralregistergesetz soll die Möglichkeit der Polizei und Geheimdienste festgeschrieben
werden, auf den gesamten Datenbestand im automatisierten Verfahren zuzugreifen.
Eine identitätssichernde Sprachaufzeichnung bei Ausländern und Asylsuchenden zum Nachweis des
wirklichen Herkunftslandes, um deren Abschiebung zu erleichtern.
Fingerabdrücke und andere (...) identitätssichernde Unterlagen von allen Asylsuchenden sollen zehn
Jahre aufbewahrt und automatisch mit den polizeilichen Tatortspuren des BKA abgeglichen werden.
Verbot von ausländischen Vereinen, soweit ihre Zwecke oder ihre Tätigkeit die politische Willensbildung
oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigen oder gefährden.
Zugriffsrechte auf elektronisch speicherbare Telekommunikationsdaten: wer mit wem E-Mails austauscht
oder telefoniert, Standortdaten sowie die pauschale Speicherung der Kommunikationsinhalte; neue
Zugriffsrechte für die Geheimdienste auf die bei Telekommunikations-, Post- und Bankunternehmen
anfallenden Daten.
Kaum eingeschätzt werden können die verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe, deren Auslegung wohl
der behördlichen Praxis überlassen wird. Wer bestimmt die Definition von Unterstützung des
internationalen Terrorismus? Wer grenzt Terroristen von Freiheitskämpfern ab?
Zwar ist die nunmehr vorgesehene Befristung der Gesetzesvorhaben auf fünf Jahre mit dann erfolgender
Überprüfung eine zumindest formale Verbesserung. Nicht vergessen werden darf jedoch, dass die neu
geschaffenen Strukturen mit Sicherheit ein großes Interesse haben werden, Erfolge vorzuweisen. Einmal
festgelegte Überwachungsmaßnahmen werden erfahrungsgemäß nur im Ausnahmefall wieder
aufgehoben. Auch wird die festgelegte unabhängige wissenschaftliche Überprüfung der vorgeschlagenen
Maßnahmen infolge der strukturellen Beteiligung der Geheimdienste faktisch erschwert.
Die diese Erklärung unterstützenden Organisationen halten die Gesetzentwürfe für falsch. Die große Eile,
in der das Gesetzesvorhaben durchgezogen werden soll, wird der hohen Bedeutung der Grundrechte, in
die hier eingegriffen wird, an keinem Punkt gerecht.
Die Terroranschläge und deren Vorgeschichte müssen auch zum Anlaß genommen werden, das Wirken
der Geheimdienste sehr kritisch zu überprüfen; für massive zusätzliche Ermächtigungen dieser letztlich
unkontrollierbaren Apparate gibt es kein vernünftiges und demokratisch vertretbares Argument.
Die Änderungen im Ausländer- und Asylverfahrensgesetz sprechen eine deutlich rassistische Sprache und
taugen nicht dazu, Sicherheit zu gewinnen, sondern verstärken pauschale Vorurteile und Ressentiments in
der Bevölkerung. Faire Asylverfahren werden so mehr denn je unmöglich sein.
Festzuhalten bleibt, dass die geplanten Maßnahmen nicht alleine auf Nichtdeutsche und AusländerInnen
zielen, sondern auf die gesamte Bevölkerung. Die Bürgerinnen und Bürger sowie das Grundgesetz sind
keine Versuchskaninchen. Um seiner Verantwortung gerecht zu werden, kann der Bundestag über einen
solchen Gesetzesentwurf nur auf der Grundlage einer sorgfältigen Diskussion entscheiden, nicht vor deren
Beginn. In eine Diskussion sind die Bürgerrechts- und Datenschutzorganisationen einzubeziehen!
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- Humanistische Union (HU), Vors. Dr. Till Müller-Heidelberg
- Republikanischer Anwältinnen und Anwälteverein (RAV), Vors.: Wolfgang Kaleck
- Internationale Liga für Menschenrechte, Wahied Wahdat-Hagh, Kilian Stein
- Strafverteidigervereinigungen, Organisationsbüro, Margarete v. Galen, Jasper v. Schlieffen
- Vereinigung Berliner Strafverteidiger, Rüdiger Portius
- Bürgerrechte & Polizei / CILIP, Dr. Norbert Pütter, Martina Kant
- Deutsche Vereinigung für Datenschutz (DVD) Sönke Hilbrans
- Vereinigung Demokratischer Juristinnen u. Juristen (VDJ) Vors. Prof. Dr. Martin Kutscha
- Komitee für Grundrechte und Demokratie, Spr. Prof. Dr. Wolf-Dieter Narr
- Chaos Computer Club, Sprecher Andy Müller-Maguhn,
- JungdemokratInnen/ Junge Linke, Bundesverband, Bundesvors. Danielle Herrmann
- JungdemokratInnen/ Junge Linke, Landesverband Berlin, Vors.: Katja Grote
- Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär, Ralf Siemens
- Gustav Heinemann-Initiative, Sprecher: Ulrich Finckh
- Redaktion ak - analyse & kritik, Martin Beck
- Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V.
- Flüchtlingsrat Berlin, Jens-Uwe Thomas, Georg Classen
- "bis gleich..." Initiative für die Freilassung und gegen den Paragraphen 129a, Sprecher: Dominique John
- Netzwerk Neue Medien, Jan Schallaböck, Ralf Bendrath, Markus Beckedahl,
- Redaktion Ossietzky, Eckart Spoo
- AG gegen internationale sexuelle und rassistische Ausbeutung (agisra), Christiane Howe
- Dr. Sebastian Pflugbeil, Gesellschaft für Strahlenschutz e.V., Neues Forum
- Volker Eick, Mitglied im Interdisziplinären Arbeitskreis Innere Sicherheit (AKIS), Arbeitskreis
Politikfeldanalyse - Innere Sicherheit in der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft
Quelle: Humanistische Union
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