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Die Finanzminister und Notenbankpräsidenten der G 7- Staaten (USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Groß- britannien, Kanada, Italien) haben sich auf Einladung und unter Vorsitz des Bundesministers der Finanzen, Dr. Theo Waigel, am 26. Februar 1994 in Kronberg/Taunus zu Beratungen über die Weltwirtschaftslage und den Reform- prozeß in Rußland und den anderen Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion getroffen. Zu den Beratungen über den Fortgang des Reformprozesses in Rußland waren auch der Finanz- und Wirtschaftsminister und der Präsident der Russischen Zentralbank sowie Repräsentanten des Inter- nationalen Währungsfonds, der Weltbank ünd der Europäi- schen Kommission eingeladen. Die Ergebnisse der Beratun- gen zu Rußland gab Bundesfinanzminister Dr. Theo Waigel in der "Zusammenfassung des Vorsitzenden" bekannt: Die Finanzminister und Notenbankgouverneure der G 7 sowie Henning Christophersen, Vizepräsident der Europäischen Kommission, trafen heute mit dem russischen Finanzminister, Sergei K. Dubinin, dem Wirtschaftsnünister, Alexander N. Schochin, und dem Präsidenten der Russischen Zentralbank, Viktor W. Geraschtschenko, zusammen und erörterten die wirtschaftliche Lage und den Reformprozeß in Rußland. Zu- vor hatten der Geschäftsführende Direktor des IWF, Michel Camdessus, und der Vizepräsident der Weltbank, Emest Stern, die Minister und Notenbankpräsidenten darüber informiert, wie sie die Entwicklungen in Rußland einschätzen und wie der Reformprozeß von ihren Institutionen am besten unterstützt werden könnte. 2. Die russische Delegation bestätigte erneut die Entschlossen- heit ihrer Regierung, den Reformprozeß fortzusetzen. Sie wies auf Fortschritte auf verschiedenen Gebieten in den letzten zwei Jahren hin, insbesondere bei der Preisliberalisierung und der Privatisierung, und betonte, daß diese Reformen un- umkehrbar seien. Wichtige wirtschaftspolitische Ziele seien die Konsolidierung des Haushalts, die anhaltende Bekämpfung der Inflation und die Beendigung des drastischen Rückgangs der Produktion. In diesem Zusammenhang wies die russische Delegation darauf hin, daß das Haushaltsdefizit 1994 der Zentralregierung, finanziert durch Kredite der Russischen Zentralbank, auf ca. 5 Prozent des BIP begrenzt und die monatliche Inflationsrate bis Ende des Jahres auf 7 bis 9 Prozent zurückgeführt werde. 3. Die Minister und Notenbankgouverneure der G 7 sowie der Vertreter der Europäischen Kommission begrüßten die Zusi- cherung der neuen russischen Regierung, daß der Reformpro- zeß fortgesetzt werde. Sie wiesen mit Nachdruck darauf hin, daß eine energische Wirtschaftsreform der einzige gangbare Weg ist, um die Vorteile einer freien Marktwirtschaft zu sichern, wobei die Reformprogramme die sozialen Haften des Übergangsprozesses berücksichtigen müßten. Sie beglück- wünschten die russische Seite zu den beachtlichen Fortschrit- ten, die bei der Liberalisierung und Privatisierung der Wirt- schaft erzielt worden sind, und empfahlen ihr nachdrücklich, diese Politik fortzusetzen. Sie brachten jedoch ihre Besorgnis über den Mangel an ent- sprechenden Fortschritten bei der Stabilisierung der Volks- wirtschaft zum Ausdruck. Daher forderten sie Rußland auf, seine Bemühungen um makroökonomische Stabilisierung zu verstärken und zu beschleunigen und das Haushaltsdefizit, die Kreditschöpfung und die Inflation einzudämmen. Makroöko- nomische Stabilisierung und strukturelle Reformen einschließ- lich verbesserter administrativer und rechtlicher Rahmenbe- dingungen seien für in- und ausländische Investitionen uner- läßlich, da privates Kapital zur Hauptquelle der Finanzierung des Transformationsprozesses werden müsse. 4. Die G 7 und der Vertreter der Europäischen Kommission bestätigten erneut ihre Entschlossenheit, die in Tokio im April und Juli 1993 vereinbarten Unterstützungsmaßnahmen in vol- lem Umfang umzusetzen. Sie verwiesen darauf, daß umfang- reiche Finanzhilfen in Form von Umschuldung, Exportkredi- ten und ersten Darlehen der Internationalen Finanzinstitutio- nen geleistet worden seien, während andere Elemente erst ausgezahlt werden könnten, wenn die erforderlichen Bedin- gungen erfüllt seien. Verbesserter Marktzugang für russische Produkte ist ebenfalls ein wesentlicher Bestandteil der Strate- gie der G 7 zur Unterstützung der Reform. 5. Sie waren sich mit den Vertretern Rußlands einig, daß den sozialen Folgen des Transformationsprozesses besondere Auf- merksamkeit gewidmet werden müsse. Sie sind der Auffas- sung, daß ein glaubhaftes Programm der sozialen Flankierung zur Verbesserung der öffentlichen Akzeptanz des Reform- prozesses unerläßlich sei. Sie verständigten sich darauf, mit Rußland zusammenzuarbeiten, um das soziale Netz und die soziale Infrastruktur zu verbessern. Sie wiesen darauf hin, daß die zur Finanzierung dieser Aufgaben erforderlichen Mittel hauptsächlich aus eigenen Quellen in Rußland aufgebracht werden müßten. Sie stellten jedoch fest, daß die Internatio- nalen Finanzinstitutionen, insbesondere die Weltbank, eine wesentliche Rolle dabei spielen könnten, Rußland zu helfen, ein System zielgerichteter sozialer Infrastruktur aufzubauen. Sie hoben hervor, daß das 3-Milliarden-$-Sonderprogramm für Privatisierung und Umstrukturierung großer Unternehmen in Rußland (SPRP) Mittel der Weltbank umfaßt, die Ruß- land helfen könnten, die sozialen Aspekte des Reform- prozesses anzugehen. Sie forderten die Weltbank und Rußland auf, ihre Gespräche über den Einsatz dieser Unter- stützung zu intensivieren. 6. Die G 7 empfahlen dem IWF und der russischen Regierung, ihre Bemühungen um den baldigen Abschluß einer Vereinba- rung über die zweite Tranche der Systemtransformationsfazili- tät (STF) und anschließend über eine umfassende Bereit- schaftskredit-Vereinbarung zu intensivieren. Ferner forderten sie die Weltbank und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung dazu auf, ihren Dialog mit den russischen Behörden zu intensivieren und ihre umfangreichen Darlehens- programme beschleunigt umzusetzen. Sie waren sich einig, daß Hilfen für die Strukturreform in Rußland, einschließlich Hilfen zur Linderung sozialer Härten, rasch vorangetrieben werden sollten, unabhängig vom Fort- gang der Stabilisierungshilfen. Sie nahmen die verschiedenen, Rußland zur Verfügung stehenden Weltbank-Programme zur Kenntnis und bedauerten, daß es noch nicht zu umfangreiche- ren projektbezogenen Darlehen gekommen sei. Sie forderten die russische Regierung auf, die Verwaltungshemmnisse ab- zubauen, die dem verstärkten Abfluß projektbezogener Dar- lehen im Wege stehen, und eng mit der Weltbank zusammen- zuarbeiten, um den Mittelabfluß zu beschleunigen. 7. Die G 7 erklärten ihre Bereitschaft, sich für den Abschluß eines neuen, umfassenden Umschuldungsabkonimens mit Rußland auf der Basis eines vom IWF unterstützten Pro- gramms einzusetzen. Die Umschuldungsvereinbarung von 1993 ist bis Ende April 1994 verlängert worden. Sie erwarten, daß Rußland seine verbleibenden Schuldendienstverpflichtun- gen erfüllt, damit die Auszahlung neuer bilateraler Kredite nicht gefährdet wird. 8. Die G 7 und die Europäische Kommission werden eine aktive Rolle bei der Unterstützung Rußlands in seinen Bemühungen um eine erfolgreiche Umgestaltung seiner Wirtschaft spielen und einen engen Dialog mit der russischen Regierung und den Internationalen Finanzinstitutionen aufrechterhalten. Die "Support Implementation Group" wird ihre Arbeit zur Verbes- serung der technischen Umsetzung der Hilfen beschleunigen. 9. Sie nahmen die unterschiedliche Geschwindigkeit der Refor- men in den anderen Staaten der früheren Sowjetunion zur Kenntnis. Die Unterstützung für diese Staaten sei von den Internationalen Finanzinstitutionen und bilateral entsprechend den Refonnfortschritten gewährt worden. Diese Hilfe werde fortgesetzt und würde auch allen anderen Staaten der früheren Sowjetunion, die Reformen durchführten, zur Verfügung ge- stellt. Sie forderten die Internationalen Finanzinstitutionen auf, sich auch weiterhin unter Einsatz ihres gesamten verfügbaren Instrumentariums in diesen Staaten zu engagieren. Sie begrüß- ten die kürzlich zwischen Kasachstan und dem IWF abge- schlossene Bereitschaftskredit-Vereinbarung und stellten fest, daß Kasachstan nunmehr neben Moldawien, Kirgistan und den Baltischen Staaten zu den Ländern gehört, die mit dem IWF Stabilisierungsprogramme vereinbart haben. Sie betonten, wie besonders dringend es für die Ukraine sei, den Weg wirtschaft- licher Reformen zu beschreiten und forderten die Internationa- len Finanzinstitutionen auf, wirksame Reformbemühungen in der Ukraine zu unterstützen.Quelle: Bulletin Nr. 19 vom 28.02.1994, S. 174ff.
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