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1994-06-24




Europäischer Rat auf Korfu

Tagung der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union am 24. und 25. Juni 1994

Schlußfolgerungen des Vorsitzes

Einleitung

Die Unterzeichnung des Beitrittsvertrags in Korfu und die
Teilnahme der Staats- und Regierungschefs Österreichs,
Schwedens, Finnlands und Norwegens an den Beratungen des
Europäischen Rates sind ein neuer Markstein in der Geschich-
te der europäischen Integration.

Die beitretenden Staaten werden Mitglieder einer Europäi-
schen Union, die sich nach dem Inkrafttreten des Vertrags über
die Europäische Union in einer Phase dynamischer Entwick-
lung befindet und an die von vielen Seiten der Wunsch
herangetragen wird, sie möge eine immer größere Rolle bei
der Förderung von Sicherheit und Wohlstand auf unserem
Kontinent und jenseits unseres Kontinents spielen.  Bald wer-
den die Vorbereitungen für eine neue Regierungskonferenz
beginnen, die die Europäische Union in eine bessere Lage
versetzen soll, die Herausforderungen des 21.  Jahrhunderts,
einschließlich derjenigen, die sich auf Grund der Erweiterung
der Union nach Osten und nach Süden stellen, anzunehmen.

Das Österreichische Volk hat bereits den Wunsch seiner Regie-
rung bestätigt, an diesem einzigartigen Unternehmen mitzu-
wirken, bei dem unabhängige und souveräne Staaten frei
entscheiden, einen Teil ihrer Kompetenzen unter voller Re-
spektierung von Geschichte, Kultur und Traditionen jedes
einzelnen Landes gemeinsam wahrzunehmen.  Der Euro-
päische Rat hofft, daß die Bevölkerung in den anderen bei-
trittswilligen Ländem genauso entscheiden wird.

Die neuen Mitgliedstaaten werden in der Lage sein, in diesem
Rahmen sowohl auf die Tagespolitik als auch auf die lang-
fristigen strategischen Grundsatzentscheidungen Einfluß zu
nehmen.  Der Europäische Rat begrüßt in diesem Zusammen-
hang die zusätzlichen Impulse, die von diesen Ländern aus-
gehen, welche bei den Bemühungen um die Förderung von
Umweitschutz und sozialem Schutz, Transparenz und Öffent-
lichkeit der Verwaltung - das heißt Bereichen, die von einem
Großteil der Unionsbürger in derjüngsten Kampagne für die
Wahlen zum Europäischen Parlament als wesentlich erachtet
wurden und die der Präsident des Europäischen Parlaments in
seiner Rede vor dem Europäischen Rat ebenfalls als solche
bezeichnet hat - eine Vorreiterrolle spielen.

Der Europäische Rat betont seinerseits, daß Offenheit und
Subsidiarität wichtige Konzepte sind, die weiterentwickelt
werden müssen.  Die Union muß mit der Unterstützung ihrer
Bürger aufgebaut werden.

Die Wahlen zum Europäischen Parlament haben auch deutlich
gemacht, daß die Union von ihren Bürgern danach beurteilt
werden wird, welchen Beitrag sie zur Bekämpfung der Ar-
beitslosigkeit und zur Förderung der inneren und äußeren
Sicherheit der Union leistet.

Die Unterzeichnung des Partnerschafts- und Kooperationsab-
kommens mit Rußland anläßlich der Tagung des Europäischen
Rates in Korfu ist ein wichtiges Ereignis im Rahmen der
Bemühungen, Frieden, Stabilität und Wohlstand auf diesem
Kontinent zu fördern.  Dieses Abkommen wird Rußland und
der Europäischen Union, die beide in diesen Bereichen große
Verantwortung tragen, die Möglichkeit bieten, ihre Zusam-
menarbeit zum gegenseitigen Nutzen ihrer Völker auf zahlrei-
chen Gebieten zu intensivieren.

In den letzten sechs Monaten sind die neuen institutionellen
Bestimmungen des Vertrags über die Europäische Union zur
Anwendung gelangt, und dabei wurde auch der Ausschuß der
Regionen eingesetzt.  Von nun an wird dieser Ausschuß si-
cherstellen, daß die regionalen Interessen im Rahmen des
Beschlußfassungsverfahrens der Union volle Berücksichti-
gung finden.

Der Europäische Rat hörte eine Erklärung des Präsidenten des
Europäischen Parlaments zu den wichtigsten vom Europäi-
schen Rat behandelten Themen und zu der Notwendigkeit
einer konstruktiven Zusammenarbeit der Institutionen, insbe-
sondere zwischen dem Rat und dem Parlament.  Wie Herr
Klepsch begrüßte auch der Europäische Rat die in diesem
Sinne bei der Durchführung der neuen Verfahren des Vertrags
erzielten Fortschritte.


I. WEISSBUCH

Der Europäische Rat hat auf seiner Tagung im Dezember 1993
in Brüssel einen Aktionsplan verabschiedet, der auf dem
Weißbuch der Kommission über eine mittelfristige Strategie
für Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung
beruht.  Er hat hervorgehoben, daß eine gesunde und offene,
aber auch auf Solidarität ausgerichtete Wirtschaft unabding-
bare Voraussetzung für die erfolgreiche Durchführung dieses
Plans ist.

Zur Zeit bestätigen sich erste Anzeichen einer wirtschaftlichen
Erholung.  Ein inflationsfreies wirtschaftliches Wachstum hat
wieder eingesetzt.  Der Europäische Rat hält es für wesentlich,
daß die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage nicht dazu
führt, daß die Bemühungen um die Förderung der strukturellen
Anpassung in Europa nachlassen, sondem genutzt wird, um
wichtige Reformen insbesondere im Beschäftigungssektor, in
dem die Situation weiterhin äußerst besorgniserregend ist, zu
beschleunigen.

Der erfolgreiche Abschluß der Uruguay-Runde im Rahmen
der vom Europäischen Rat festgelegten Leitlinien hat ein
internationales handelspolitisches Umfeld geschaffen, das die
konjunkturelle Erholung und die Schaffung von Arbeitsplät-
zen wirksam unterstützen kann.  Der Europäische Rat appel-
liert an die Institutionen der Gemeinschaft und die Mitglied-
staaten, alle für einen rechtzeitigen Abschluß der Ratifizierung
notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit ein Inkrafttreten
vor dem 1. Januar 1995 gewährleistet ist.  Die Europäische
Union wird eine aktive Rolle bei den Bemühungen spielen, die
neue Welthandelsorganisation in die Lage zu versetzen, wirk-
sam für die Einhaltung der gemeinsam aufgestellten Regeln zu
sorgen und Fortschritte bei der Bekämpfung unfairer Handels-
bedingungen zu fördern.  In diesem Zusammenhang müssen
auch Umweltprobleme und soziale Fragen zur Sprache ge-
bracht werden.

Der Europäische Rat hat anhand eines Berichts des Präsiden-
ten der Kommission eingehend die verschiedenen Bestandteile
des vom Europäischen Rat in Brüssel beschlossenen Aktions-
plans erörtert.

Der Europäische Rat hebt besonders die nachstehenden Punkte
hervor, von denen bei den weiteren Beratungen über das
Weißbuch neue Impulse ausgehen dürften.

i)        Förderung von Reformen in den Mitgliedstaaten zur Ver-
          besserung der Effizienz der Beschäftigungssysteme.

ii)       Konkrete Maßnahmen im Hinblick auf eine Ausschöp-
          fung des Beschäftigungspotentials kleiner und mittlerer
          Unternehmen.

iii)      Verstärkte Koordinierung der Forschungspolitik.

iv)       Rasche Durchführung transeuropäischer Vorhaben in
          den Bereichen Verkehr und Energie, denen hohe Priorität
          zukommt.

v)        Vollständige Nutzung der Möglichkeiten und Chancen,
          die die Informationsgesellschaft bietet.

vi)       Förderung des neuen Modells einer nachhaltigen Ent-
          wicklung, einschließlich der Umweltdimension.


1. Verbesserung der Beschäftigungssituation

Ein gesundes makroökonomisches Umfeld ist eine unerläß-
liche Voraussetzung für eine erfolgreiche Bekämpfung der
Arbeitslosigkeit (siehe Nummer 5).

Das Problem der Arbeitslosigkeit läßt sich nicht allein durch
das wieder einsetzende Wirtschaftswachstum lösen.  Vielmehr
sind dafür auch strukturelle Reformen sowohl auf Ebene der
Mitgliedstaaten als auch auf Ebene der Union notwendig.

Der Europäische Rat vertritt die Auffassung, daß der Produkti-
vitätszuwachs bis zur Jahrtausendwende in erster Linie für
Investitionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen genutzt
werden sollte.  Dieses Ziel sollte im Geiste der Solidarität und
unter besonderer Rücksichtnahme auf die sozial Schwächsten
verwirklicht werden.  Der Europäische Rat betont die Not-
wendigkeit, das Potential der menschlichen Ressourcen opti-
mal zu nutzen.

In diesem Zusammenhang hat sich der Europäische Rat an-
hand eines Berichts der Kommission einen Überblick über die
Initiativen verschafft, die die Mitgliedstaaten entsprechend
den im Dezember 1993 festgelegten allgemeinen Zielen ergrif-
fen haben.  Der Europäische Rat hat zwar Fortschritte in diesen
Bereichen festgestellt, vertritt aber die Auffassung, daß die
bisherigen, durchaus beträchtlichen Bemühungen noch weit
hinter dem zurückbleiben, was erforderlich ist.  Er appelliert an
die Mitgliedstaaten, weitere Maßnahmen zur Verwirklichung
der im Dezember gesetzten Ziele zu treffen, um den Kampf
um die Schaffung von Arbeitsplätzen zu gewinnen.  Im einzel-
nen ist der Europäische Rat zu folgenden Ergebnissen ge-
langt:

     - Was die allgemeine und die berufliche Bildung anbelangt,
     so schließt sich der Europäische Rat der Empfehlung der
     Kommission an, die in vielen Mitgliedstaaten insbesondere
     für die Weiterbildung ein systematischeres und umfassende-
     res Konzept für notwendig erachtet.  Auf Gemeinschaftsebe-
     ne begrüßt es der Europäische Rat, daß der Rat grundsätzli-
     ches Einvernehmen über die beiden neuen Programme für
     die allgemeine und die berufliche Bildung (Leonardo und
     Sokrates) erzielt hat, und ersucht den Rat und das Euro-
     päische Parlament, die diesbezüglichen Beschlüsse vor En-
     de des Jahres zu verabschieden.

     - Was die Maßnahmen zur Förderung der Beschäftigung
     anbelangt, so nimmt der Europäische Rat die Empfehlung
     der Kommission bezüglich der Senkung der Lohnnebenko-
     sten, insbesondere für minderqualifizierte Arbeitskräfte, zur
     Kenntnis.  In diesem Rahmen unterstreicht der Europäische
     Rat, daß weitere Schritte im Einklang @t dem Ziel der
     Haushaltskonsolidierung untemommen werden sollten.

     Der Europäische Rat hat dementsprechend die Beratungen
     über die Frage der CO2/Energie-Steuer zur Kenntnis ge-
     nommen und hebt hervor, daß eine bessere Berücksichti-
     gung der Umweltkosten in der gesamten Wirtschaft gewähr-
     leistet werden muß.

     - In der Frage der Förderung wirtschaftlich gesunder Formen
     der Arbeitsorganisation stellt der Europäische Rat fest, daß
     die Hindernisse für die Teilzeitarbeit beseitigt und generell
     neue Formen der Arbeitsorganisation gefördert werden
     müssen.

     - Was die Erschließung neuer Beschäftigungsmöglichkeiten
     im Hinblick auf die Befriedigung neuer Bedürfnisse in
     Verbindung mit der Lebensqualität und dem Umweltschutz
     anbelangt, so stellt der Europäische Rat fest, daß zwar
     einige Initiativen ergriffen, viele der im Weißbuch aufge-
     zeigten neuen Möglichkeiten zur Schaffung von Arbeits-
     plätzen aber noch nicht genutzt worden sind.  Der Euro-
     päische Rat mißt der Studie, die die Komn-ässion zu diesem
     Thema vor der nächsten Tagung des Europäischen Rates
     erstellen soll, große Bedeutung bei.

     - Was die Jugend anbelangt, so ist der Europäische Rat der
     Auffassung, daß das Schwergewicht verstärkt auf diejeni-
     gen Jugendlichen gelegt werden sollte, die mit den größten
     Schwierigkeiten konfrontiert sind.  Er hält es für äußerst
     wichtig, daß soweit wie möglich gewährleistet wird, daß
     Jugendliche unmittelbar nach ihrer Ausbildung ins Berufs-
     leben eintreten können; in diesem Zusanunenhang begrüßt
     er das Youth-Start-Programm der Kommission.

Um diese Bemühungen zu unterstützen, ersucht der Euro-
päische Rat den Rat "Sozialfragen", den Rat "Wirtschafts- und
Finanzfragen" und die Kommission, auf der Grundlage der
von der Kommission zusammengestellten Informationen die
Fortschritte in diesem Bereich ständig zu verfolgen.  Der Rat
wird dem Europäischen Rat auf seiner Tagung in Essen einen
Bericht über die einzelstaatlichen Versuche, die sich positiv
auf die Beschäftigung ausgewirkt haben, vorlegen und dabei
die Gründe für ihren Erfolg analysieren sowie geeignete politi-
sche Empfehlungen zur Anpassung der derzeitigen Politiken
formulieren.

Den Bemühungen um die Förderung der Beschäftigung Ju-
gendlicher und um die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosig-
keit sollte der Rat im Rahmen seiner Arbeit besonderen Vor-
rang einräumen.

Schließlich ersucht der Europäische Rat die Kommission, sich
erneut um die Gewährleistung des notwendigen sozialen Dia-
logs zu bemühen, indem sie die neuen Möglichkeiten voll
nutzt, die der Vertrag über die Europäische Union und ins-
besondere die Bestimmungen des Protokolls im Anhang, zu
diesem Vertrag bieten.



2.   Binnenmarkt, Wettbewerbsfähigkeit sowie
     kleine und mittlere Unternehmen

Ein reibungslos funktionierender Binnenmarkt ist die Voraus-
setzung für eine wettbewerbsfähige und dynamische Wirt-
schaft.  Daher muß der Rückstand in der Umsetzung bestimm-
ter wichtiger Richtlinien über öffentliche Auftragsvergabe,
Versicherungen, geistiges Eigentum und Gesellschaftsrecht in
nationales Recht aufgeholt werden.  Außerdem müssen die
Grundprinzipien des Binnenmarkts auf diejenigen Bereiche
ausgedehnt werden, die, wie etwa die Bereiche Energie und
Telekommunikation, noch immer nur teilweise in den Markt
einbezogen sind, wobei gleichzeitig sicherzustellen ist, daß
sowohl den gemeinwirtschaftlichen als auch den städtischen
und ländlichen Erfordernissen in diesen Sektoren ebenfalls
Rechnung getragen wird.

Der Binnenmarkt wird unter gebührender Berücksichtigung
der Umweltprobleme verwirklicht.  In diesem Zusammenhang
wird gewährleistet, daß wichtige nationale Umweltschutzmaß-
nahmen respektiert werden.

Der Binnenmarkt ist für das europäische Aufbauwerk von
grundlegender Bedeutung, aber er ist kein Selbstzweck, wie
dies bereits in den Schlußfolgerungen des Europäischen Rates
(Rhodos) im Jahre 1988 hervorgehoben wurde.  Er sollte dem
Gemeinwohl dienen, entsprechend der Tradition des sozialen
Fortschritts in der Geschichte Europas.  Die Politik der Union
sollte zusammen mit den Politiken der Mitgliedstaaten auf die
Bestätigung dieser sozialen Dimension gerichtet sein.  Nach
Auffassung der betroffenen Mitgliedstaaten stellt die im Rat
kürzlich auf Grund der Bestimmungen des Sozialprotokolls
erzielte Einigung über die Unterlichtung und Anhörung der
Arbeitnehmer in den multinationalen Untemehmen einen be-
deutenden Fortschritt bei der Verwirklichung dieses Ziels dar.  
Weitere Fortschritte auf dieser Grundlage, einschließlich Be-
mühungen um die Vermeidung der sozialen Ausgrenzung,
sind in einer im raschen Wandel begriffenen Gesellschaft von
wesentlicher Bedeutung.  Der Europäische Rat begrüßte ferner
das vor kurzem im Rat erzielte Einvernehmen über den Schutz
derjungen Arbeitnehmer sowie die Errichtung der Agentur für
Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz.

Kleine und mittlere Unternehmen leisten einen wichtigen
Beitrag zum Wachstum und zur Schaffung von Arbeitsplätzen,
und sie sollten aus all den Möglichkeiten, die der Binnenmarkt
bietet, stärkeren Nutzen ziehen können.  Der Europäische Rat
hat es begrüßt, daß seine Leitlinien für Zinsvergütungen zu-
gunsten der KMU vom Rat umgesetzt worden sind und daß die
Kommission beschlossen hat, für den Zeitraum 1994 bis 1999
einen Betrag in Höhe von 1 Mrd. ECU für eine Gemein-
schaftsinitiative bereitzustellen, die die kleinen und mittleren
Untemehmen bei der Anpassung an den Binnenmarkt und an
die neuen Wettbewerbsbedingungen unterstützen soll.  Er hat
ferner mit Interesse die jüngste Initiative der Kommission für
ein integriertes Programm zugunsten der kleinen und mittleren
Untemehmen, einschließlich der Maßnahme zur Vereinfa-
chung der Rechtsvorschriften und zur Verringerung des Ver-
waltungsaufwands dieser Untemehmen, sowie die Initiative
des portugiesischen Premierministers in bezug auf die lokale
Dimension des Binnenmarkts und die Initiativen Irlands in den
Bereichen soziale Partnerschaft und lokale Entwicklung zur
Kenntnis genommen.  Nach Auffassung des Europäischen
Rates eröffnen lokale Entwicklungsinitiativen beträchtliche
Möglichkeiten zur Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen
Gefüges der Europäischen Union und zur Schaffung von
Arbeitsplätzen.  Sie bilden einen wesentlichen Bestandteil des
im Weißbuch erwähnten neuen Entwicklungsmodells und
werden zur Erhaltung der kulturellen Vielfalt innerhalb der
Union beitragen.  Der Europäische Rat nimmt Kenntnis von
der Absicht der Kommission, in dem auf der Tagung des
Europäischen Rates in Essen vorzulegenden Bericht über neue
potentielle Beschäftigungsreserven eine ausführliche Be-
standsaufnahme der verschiedenen gemeinschaftsweiten Maß-
nahmen zur Unterstützung der lokalen Entwicklungs- und
Beschäftigungsinitiativen, insbesondere der Maßnahmen zu-
gunsten von Kleinstuntemehmen und Handwerksbetrieben,
vorzunehmen.  Dieser Bestandsaufnahme werden Vorschläge
beigefügt, die für erforderlich erachtet werden, um die Kohä-
renz und die Wirksamkeit jener Maßnahmen zu erhöhen.

Was die wissenschaftliche und technologische Forschung be-
trifft, so erwartet der Europäische Rat, daß der jüngste Be-
schluß über das ehrgeizige Rahmenprogramm 1994 bis 1998,
für das beträchtliche Mittel bereitgestellt worden sind, unver-
züglich durch die Annahme spezifischer Sektorprogramme
ausgefüllt wird.  In diesem Zusammenhang kommt dem Infor-
mationssektor und der Biotechnologie besondere Bedeutung
zu. Der Europäische Rat ersucht ferner den Rat, darauf hin-
zuwirken, daß die gemeinschaftlichen und die nationalen For-
schungspolitiken systematischer koordiniert werden, und er-
sucht die Kommission, alle zweckdienlichen Initiativen zur
Förderung einer solchen Koordinierung zu ergreifen.

Schließlich äußerte der Europäische Rat seine Erzeugung,
daß die Beseitigung unnötiger gesetzlicher und administrativer
Auflagen für die Untemehmen und die Vereinfachung der
gemeinschaftlichen und der einzelstaatlichen Rechtsvorschrif-
ten wichtige Aspekte für eine Verbesserung der Wettbewerbs-
fähigkeit der europäischen Wirtschaft sind. Er begrüßt es,
daß die Kommission sich weiterhin um die Vereinfachung
der bestehenden Rechtsvorschriften der Gemeinschaft bemüht
und bei Vorschlägen für neue Vorschriften eine gründlichere
Kosten-Nutzen-Analyse durchführen wird.  Die Kommission
will ferner die Auswirkungen der bestehenden gemeinschaft-
lichen und einzelstaatlichen Rechtsvorschriften auf die Be-
schäftigungslage und die Wettbewerbsfähigkeit fortlaufend
untersuchen lassen.  In diesem Zusammenhang begrüßt es der
Europäische Rat, daß die Kommission zu ihrer Unterstützung
eine Gruppe unabhängiger Persönlichkeiten einsetzen wird,
und mißt deren Arbeit große Bedeutung bei.

Im Zusammenhang mit dem Subsidiaritätsprinzip begrüßt der
Rat die Fortschritte, die die Kommission bislang bei ihrem
Tätigwerden auf der Grundlage des Berichts vom Dezember
1993 erzielt hat, und nimmt die Zusage der Kommission zur
Kenntnis, auf der Tagung in Essen hierüber umfassend Bericht
zu erstatten.



3.   Transeuropäische Netze in den Bereichen
     Verkehr, Energie und Umwelt

Der Binnenmarkt wird sämtliche erwarteten positiven Wirkun-
gen zum Vorteil der Bürger und Unternehmen nur dann
entfalten, wenn er sich auf effiziente transeuropäische Netze in
den Bereichen Verkehr und Energie stützen kann.  Der Euro-
päische Rat äußerte seine Genugtuung über die Arbeit, die die
Gruppe unter Leitung von Herrn Christophersen gemäß dem
im Dezember 1993 erteilten Mandat bisher geleistet hat.

Auf der Grundlage des Berichts der Gruppe hat sich der
Europäische Rat auf eine erste vorrangige Liste mit elf größe-
ren Verkehrsprojekten geeinigt, die in   A n l a g e  I  wiedergege-
ben ist.  In bezug auf den Energiesektor hat der Europäische
Rat von den in   A n l a g e   II   aufgeführten Projekten Kenntnis
genommen und die Christophersen-Gruppe ersucht, ihre Bera-
tungen insbesondere mit der Prüfung der Rentabilität dieser
Projekte fortzusetzen.  Die beteiligten Mitgliedstaaten werden
ersucht, alles daranzusetzen, daß alle Verkehrsprojekte, deren
Vorbereitung genügend weit vorangeschritten ist, sofort in
Angriff genommen werden und daß die anderen Projekte so
weit wie möglich durch Beschleunigung der Verwaltungs- und
Rechtsetzungsverfahren spätestens im Laufe des Jahres 1996
eingeleitet werden.  Der Europäische Rat ersucht die Kommis-
sion, in diesem Zusammenhang alle zweckdienlichen Initiati-
ven zu ergreifen und gegebenenfalls Projektseminare durch-
zuführen, die zur Koordinierung der Tätigkeiten aller beteilig-
ten Parteien dienen sollen.

Der Europäische Rat mißt den anderen wichtigen Verkehrs-
projekten, die in dem Zwischenbericht aufgeführt sind, gleich-
falls Bedeutung bei.

Der Europäische Rat ersucht die Christophersen-Gruppe, ihre
Arbeit zusammen mit den Vertretern der Beitrittsstaaten auf
der Grundlage des im Bericht der Gruppe vorgeschlagenen
Mandats fortzuführen, dabei die Ausweitung der transeuro-
päischen Netze auf Nachbarländer (insbesondere auf Länder
Mittel- und Osteuropas sowie des Mittelmeerraums) eingehen-
der zu prüfen und einen Schlußbericht für die Tagung des
Europäischen Rates in Essen auszuarbeiten.  Er fordert die
Christophersen-Gruppe ferner auf, die Frage der für den Um-
weltbereich relevanten Netze zu prüfen.

Hinsichtlich der Finanzierung der Netze bekräftigt der Euro-
päische Rat, daß erforderlichenfalls Maßnahmen ergriffen
werden, damit vorrangige Projekte nicht auf finanzielle Hin-
dernisse stoßen, die ihre Durchführung gefährden würden.  Er
nahm die Schlußfolgerungen des Rates "Wirtschafts- und
Finanzfragen" und die von der Kommission durchgeführten
Untersuchungen zur Kenntnis.  Dieser Themenkomplex wird in
der Christophersen-Gruppe und im Rat "Wirtschafts- und
Finanzfragen" bis zur Tagung des Europäischen Rates wei-
tergeprüft, wobei den besonderen Merkmalen der einzelnen
Projekte, der führenden Rolle privater Finanzierung und der
umsichtigen Verwendung vorhandener Gemeinschaftsmittel
Rechnung getragen wird.

Der Rat wird in Kenntnis gesetzt, falls sich herausstellt,
daß die Verwirklichung bestimmter Projekte aus finanziellen
Gründen in Verbindung mit einer unzureichenden Rentabilität,
die beispielsweise auf die Investitionsdauer oder auf Umwelt-
zwänge zurückzuführen ist, gefährdet ist.  Der Rat wird in
diesen Fällen zusammen mit der Kommission und der EIB
umgehend geeignete Lösungen innerhalb der durch die Finan-
zielle Vorausschau gesetzten Grenzen prüfen.


4. Informationsgesellschaft

Der Europäische Rat nahm Kenntnis von dem Bericht der
Gruppe führender Persönlichkeiten aus der Industrie und aus
Wirtschafts- und Benutzerkreisen, die die verschiedenen
Aspekte dieser Frage unter dem Vorsitz von Herrn Bange-
mann geprüft haben.  Der Europäische Rat ist der Auffassung,
daß die derzeitige beispiellose technologische Revolution im
Informationsbereich weitreichende Möglichkeiten für den
wirtschaftlichen Fortschritt, die Beschäftigung und die Le-
bensqualität eröffnet, aber gleichzeitig auch eine große Her-
ausforderung darstellt.  Es ist in erster Linie Sache der Privat-
wirtschaft, sich dieser Herausforderung zu stellen, indem sie
das, was auf dem Spiele steht, einer Bewertung unterzieht und
insbesondere in bezug auf die Finanzierung die erforderlichen
Initiativen ergreift.  Der Europäische Rat ist wie die Kommis-
sion der Ansicht, daß die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaa-
ten jedoch eine wichtige Rolle zu spielen haben, indem sie
diese Entwicklung durch politische Impulse abstützen, einen
klaren und stabilen rechtlichen Rahmen (insbesondere in be-
zug auf den Marktzugang, die Kompatibilität zwischen Net-
zen, das geistige Eigentum, den Datenschutz und das Urhe-
berrecht) schaffen und in Bereichen, die unter ihre Zuständig-
keit fallen, beispielgebend vorangehen.  Der Europäische Rat
stimmte in allgemeiner Hinsicht den von der Gruppe aufge-
zeigten Anwendungsbereichen zu (Telearbeit, Fernunterricht,
Netze für Universitäten und Forschungszentren, Telematik-
dienstleistungen für KMU, Straßenverkehrsmanagement,
Luftverkehrskontrolle, Gesundheitsfürsorgenetze, elektroni-
sche Ausschreibungen, Netze zwischen Verwaltungen und
urbane Datenschnellstraßen).  Auch die Bedeutung der sprach-
lichen und kulturellen Aspekte der Informationsgesellschaft
wurde vom Europäischen Rat hervorgehoben.

Der Europäische Rat vertritt nach Kenntnisnahme von den
Feststellungen der Bangemann-Gruppe die Auffassung, daß
die Bedeutung und Komplexität der durch die neue Informa-
tionsgesellschaft aufgeworfenen Fragen die Schaffung einer
ständigen Koordinierungseinrichtung rechtfertigen, die sicher-
stellen soll, daß die verschiedenen - öffentlichen und priva-
ten - Parteien in dieselbe Richtung arbeiten.  Für diese Koor-
dinierungseinrichtung, die so rasch wie möglich zu schaffen
ist, sollte in jedem Mitgliedstaat eine Person benannt werden,
die auf Ministerebene für die Koordinierung aller Aspekte
dieser Frage (politischer, finanzielle'r und rechtlicher Art)
verantwortlich ist, so daß unter anderem auch ein koordiniertes
Vorgehen im Rat sichergestellt wird.  Die Kommission würde
entsprechend vorgehen.

Auf Gemeinschaftsebene muß so rasch wie möglich der erfor-
derliche rechtliche Rahmen geschaffen werden.  Der Europäi-
sche Rat ersucht den Rat und das Europäische Parlament, vor
Jahresende Maßnahmen in den Bereichen zu ergreifen, die
bereits durch bestehende Vorschläge abgedeckt werden.  Er
ersucht ferner die Kommission, möglichst rasch ein Programm
aufzustellen, in dem die übrigen auf Gemeinschaftsebene
nötigen Maßnahmen erfaßt sind.

Der Europäische Rat wird auf seiner Tagung in Essen eine
Bewertung der erzielten Fortschritte vornehmen.


5. Makroökonomische Rahmenbedingungen

In bezug auf die wichtigsten wirtschaftlichen Entwicklungen
stellt der Europäische Rat in erster Linie fest, daß sich alle
Mitgliedstaaten weitgehend an die vom Europäischen Rat im
Dezember 1993 festgelegten Leitlinien gehalten haben.  Eine
rückläufige Inflation, die Rückkehr zu stabilen Wechselkursen
und eine einsetzende Verringerung der öffentlichen Defizite
schaffen eine solide Grundlage für künftiges Wachstum und
begünstigen die Konvergenz der Volkswirtschaften in Rich-
tung auf die im Vertrag von Maastricht für die Endstufe der
EWU festgelegten Kriterien.  Diese Anstrengungen müssen
fortgesetzt werden, um den Rückgang der kurzfristigen Zins-
sätze zu konsolidieren und denjüngsten Aufwärtstrend bei den
langfristigen Zinssätzen umzukehren; alle diese Maßnahmen
sind wesentliche Voraussetzungen für eine Ankurbelung der
Investitionstätigkeit und die Schaffung von Arbeitsplätzen.

Aus allen diesen Gründen unterstützt der Europäische Rat
die Grundzüge der Wirtschaftspolitik, die in dem vom Rat
"Wirtschafts- und Finanzfragen" gemäß Artikel 103 des EG-
Vertrags vorgelegten Bericht aufgezeigt sind.  Er ersucht den
Rat, die Grundzüge im Lichte der Schlußfolgerungen dieser
Tagung des Europäischen Rates zur allgemeinen Umsetzung
des Weißbuchs fertigzustellen.


II.   GEMEINSAME AUSSEN- UND SICHERHEITSPOLITIK

A.    Beziehungen zu den Ländern des Mittelmeerraums

Der Europäische Rat bekräftigt die Bedeutung, die er den
bereits bestehenden engen Bindungen zu seinen Partnern im
Mittelmeerraum beimißt, und bestätigt seinen Wunsch, diese
weiterzuentwickeln, so daß sich der Mittelmeerraum zu einer
Region der Zusammenarbeit entwickeln kann, die Frieden,
Sicherheit, Stabilität und Wohlstand garantiert.

Der Europäische Rat begrüßt die Fortschritte bei den gegen-
wärtigen Verhandlungen mit Israel über den Abschluß eines
neuen Abkommens, das einen umfassenderen Anwendungsbe-
reich als die Abkommen von 1975 haben soll und eine engere
Beziehung zwischen den Parteien auf der Grundlage der Ge-
genseitigkeit und des gemeinsamen Interesses vorsieht.  Dieses
neue Abkommen sollte seiner Ansicht nach durch ein geson-
dertes Abkommen über wissenschaftliche und technologische
Zusammenarbeit ergänzt werden.  Der Europäische Rat ersucht
ferner den Rat und die Kommission, alles zu tun, damit diese
beiden Abkommen bis zum Jahresende fertiggestellt werden
können.

Diese neuen vertraglichen Bindungen werden nach Ansicht
des Europäischen Rates durch die Entwicklung der regionalen
Zusammenarbeit, die Israel und die palästinensische Seite ein-
bezieht, gestärkt werden.

Der Europäische Rat nimmt die Fortschritte bei den Verhand-
lungen mit Marokko und Tunesien über neue Partnerschafts-
abkommen mit Befriedigung zur Kenntnis.  Er ersucht den Rat
und die Kommission, alles zu unternehmen, damit die Ver-
handlungen bis zum Jahresende abgeschlossen werden.

Der Europäische Rat begrüßt ferner die Aufnahme von Son-
dierungsgesprächen zwischen der Kommission und den ägyp-
tischen Behörden über ein neues Partnerschaftsabkommen.

Der Europäische Rat bringt den Wunsch der Europäischen
Union zum Ausdruck, die mit den Maschrik-Ländem beste-
henden Kooperationsbeziehungen weiterzuentwickeln, wobei
die spezifische Lage in den einzelnen Ländern zu berücksichti-
gen ist.

Der Europäische Rat verfolgt aufmerksam die Lage in Alge-
rien. Er verurteilt alle Terroranschläge und Menschenrechts-
verletzungen sowohl gegen Algerier als auch gegen Aus-
länder.

Der Europäische Rat ermutigt Algerien, mit Entschlossenheit
den nationalen Dialog und die Strukturreformen fortzusetzen,
die für die Liberalisierung der algerischen Wirtschaft und ihre
bessere Integration in die Weltwirtschaft unerläßlich sind.  Der
Europäische Rat nimmt mit Befriedigung den jüngsten Be-
schluß des Rates "Wirtschafts- und Finanzfragen" zur Kennt-
nis, einen Vorschlag für eine weitere Finanzhilfe in Höhe von
200 Mill. ECU wohlwollend zu prüfen, die allerdings von
Algeriens weiterer Durchführung seines IWF-Programms und
dem Standpunkt des Kreditgarantiefonds abhängig gemacht
wird. Angesichts der besonderen Bedeutung dieser Frage er-
sucht der Europäische Rat den Rat "Wirtschafts- und Finanz-
fragen", einen entsprechenden Vorschlag der Kommission
sehr bald zu prüfen.

Der Europäische Rat hofft, daß sich die interne Lage in
Algerien verbessert, so daß sich die Beziehungen zu Algerien
im Rahmen dieses neuen, auf Partnerschaft gestützten Kon-
zepts entwickeln können.

Der Europäische Rat betont, daß es für alle Partner im Mittel-
meerraum von Nutzen ist, die politischen, wirtschaftlichen und
sozialen Probleme, für die im Rahmen der regionalen Zusam-
menarbeit besser nach Lösungen gesucht werden kann, ge-
meinsam zu erörtern.  Der Europäische Rat hat den Rat beauf-
tragt, zusammen mit der Kommission die globale Politik der
Europäischen Union im Mittelmeerraum sowie mögliche Ini-
tiativen zur kurz- und mittelfristigen Intensivierung dieser
Politik zu bewerten und dabei die Möglichkeit der Einberu-
fung einer Konferenz der Europäischen Union und ihrer Part-
ner im Mittelmeerraum zu berücksichtigen.

Diese Bewertung soll das Terrain für Beschlüsse des Europäi-
schen Rates in Essen vorbereiten.



B. Beitrittswillige Länder

Der Europäische Rat begrüßt die bedeutenden Fortschritte, die
in bezug auf den Antrag Zyperns und Maltas auf Beitritt zur
Europäischen Union erzielt wurden, und ist der Ansicht, daß
eine wesentliche Phase des Vorbereitungsprozesses als abge-
schlossen betrachtet werden kann.

Der Europäische Rat ersucht den Rat und die Kommission,
alles zu tun, damit die Verhandlungen mit Malta und Zypern
über die vierten Finanzprotokolle, mit denen insbesondere die
Bemühungen Maltas und Zyperns um bessere Voraussetzun-
gen für die Integration in die Europäische Union unterstützt
werden sollen, zu einem raschen Abschluß gebracht werden
können.

Der Europäische Rat stellt fest, daß die nächste Erweiterungs-
phase der Union unter diesen Bedingungen Zypern und Malta
umfassen wird.

Der Europäische Rat verweist auf die einschlägigen Beschlüs-
se des Rates vom 4. Oktober 1993, lg.  April 1994 und 13.  Juni
1994 und bekräftigt erneut, daß jedwede Lösung der Zypern
Frage die Souveränität, Unabhängigkeit, territoriale Unver-
sehrtheit und Einheit des Landes in Übereinstimmung mit den
einschlägigen Resolutionen der Vereinten Nationen und den
Vereinbarungen auf hoher Ebene respektieren muß.

Der Europäische Rat begrüßt es, daß die Europa-Abkommen
mit Ungarn und Polen nunmehr in Kraft getreten sind und daß

bereits die ersten Tagungen des Assoziationsrates auf Minister-
ebene mit diesen Ländem stattgefunden haben.

Der Europäische Rat nimmt mit Befriedigung zur Kenntnis,
daß Ungarn und Polen am 3 1. März bzw. 4. April ihre Anträge
auf Beitritt zur Europäischen Union gestellt haben.  Er verweist
in diesem Zusammenhang auf die Beschlüsse des Rates, wo-
nach die beiden Anträge der Kommission zuzuleiten sind,
damit sie ihre Stellungnahmen ausarbeiten kann.

In bezug auf die Türkei stellt der Europäische Rat fest, daß der
Assoziationsrat EG-Türkei zusammentritt, um insbesondere
die Vollendung der im Assoziierungsabkommen von 1964
vorgesehenen Zollunion zu erörtern.


C. Friedensprozeß im Nahen Osten

Der Europäische Rat begrüßt ausdrücklich das von Israel und
der PLO am 4. Mai 1994 in Kairo geschlossene Abkommen,
das einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur volltändigen
Umsetzung der Grundsatzerklärung darstellt.  Er würdigt die
Entschlossenheit beider Seiten, einen gerechten, dauerhaften
und umfassenden Frieden in der Region herbeizuführen.  Der
Europäische Rat begrüßt den von Mitgliedstaaten der Europäi-
schen Union bereits geleisteten Beitrag zur zeitweiligen inter-
nationalen Präsenz in Hebron.

Der Europäische Rat sieht erwartungsvoll der Einsetzung der
palästinensischen Selbstverwaltung im Gazastreifen und in
Jericho entgegen, deren Befugnisse möglichst rasch auf den
Rest der besetzten Gebiete ausgedehnt werden sollten.  Unter
Hinweis auf die vom Rat am 19.  April verabschiedete gemein-
same Aktion zur Unterstützung des Friedensprozesses im
Nahen Osten begrüßt der Europäische Rat die Schaffung einer
palästinensischen Polizei und bekräftigt den Willen der Union,
auch weiterhin Hilfe zu leisten, damit der Friedensprozeß zu
einem erfolgreichen Abschluß gebracht wird.


D. Mittel- und Osteuropa

Der Europäische Rat hat auf seiner Tagung vom Juni 1993 in
Kopenhagen beschlossen, daß die assoziierten Länder Mittel-
und Osteuropas Mitglieder der Europäischen Union werden
können, sofern sie dies wünschen und sobald sie in der Lage
sind, die entsprechenden Verpflichtungen zu erfüllen.

Die Europa-Abkommen und die in Kopenhagen gefaßten
Beschlüsse bilden die Grundlage für den Ausbau der Bezie-
hungen und für die Schaffung des Rahmens, innerhalb dessen
diese Voraussetzungen erfüllt werden können.  Die weitere
Durchführung dieser Abkommen und Beschlüsse ist eine we-
sentliche Voraussetzung für den Beitritt: nunmehr gilt es, in
diesem Kontext sämtliche Möglichkeiten im Hinblick auf die
Vorbereitung des Beitritts zu nutzen.  Der Europäische Rat
verweist auf die Bedeutung der Beschlüsse des Rates vom
7. März 1994 über den politischen Dialog, deren uneinge-
schränkte und effektive Durchführung Vorrang haben muß.

Der Europäische Rat ersucht die Kommission, so bald wie
möglich konkrete Vorschläge für die weitere Durchführung
der Europa-Abkommen und der vom Europäischen Rat in
Kopenhagen gefaßten Beschlüsse zu unterbreiten.  Der Euro-
päische Rat ersucht ferner den Vorsitz und die Kommission,
ihm auf seiner nächsten Tagung über die auf dieser Grundlage
erzielten Fortschritte, über den Annäherungsprozeß seit der
Tagung des Europäischen Rates in Kopenhagen sowie über die
im Hinblick auf die Vorbereitung des Beitritts zu verfolgende
Strategie Bericht zu erstatten.

Dies wird durch die Entwicklung gutnachbarlicher Beziehun-
gen im Rahmen des Stabilitätspaktes begünstigt werden.

Die institutionellen Voraussetzungen für ein reibungsloses
Funktionieren der Union müssen auf der Regierungskonferenz
im Jahre 1996 geschaffen werden, die zu diesem Zweck vor
Aufnahme der Beitrittsverhandlungen stattfinden muß.

Die Union und ihre Mitgliedstaaten werden weiterhin Kon-
takte zu Slowenien unterhalten, um die bestmöglichen Voraus-
setzungen für eine verstärkte Zusammenarbeit mit diesem
Land zu schaffen.  Der Rat wird einstweilen die Prüfung des
Entwurfs eines Verhandlungsmandats für ein Europa-Abkom-
men fortsetzen.

Der Europäische Rat begrüßt es, daß sich die Verhandlungen
mit den baltischen Staaten über die Schaffung von Freihan-
delszonen dem Abschluß nähern, und bekräftigt, daß die
Union weiterhin das Ziel verfolgt, mit diesen Ländern Europa-
Abkommen zu schließen, die ihnen den Weg zu einem späte-
ren Beitritt ebnen werden.

Der Europäische Rat erwartet, daß Rußland den Abzug seiner
Truppen aus Lettland und Estland im Einklang mit seinen
früheren Zusagen bis zum 31.  August 1994 abschließen wird.

Der Europäische Rat mißt der Schaffung eines Rechtsrahmens
in den baltischen Staaten, der unter anderem mit den Empfeh-
lungen des Hohen Kommissars der KSZE und des Europarates
im Einklang stehen sollte, große Bedeutung bei.  Er hat mit
Besorgnis zur Kenntnis genommen, daß das lettische Parla-
ment ein mit diesen Empfehlungen nicht zu vereinbarendes
Staatsbürgerschaftsgesetz verabschiedet hat, und hofft, daß der
Gesetzesentwurf nochmals überdacht wird.


E. Stabilitätspakt

Der Europäische Rat begrüßt es, daß auf der Pariser Eröff-
nungskonferenz die Schlußdokumente angenommen worden
sind, mit denen der Prozeß, der zum Abschluß eines Stabili-
tätspaktes in Europa führen soll, in Gang gesetzt wird.

Der Europäische Rat ruft die betroffenen Länder auf, die von
ihnen auf der Eröffnungskonferenz eingegangenen Verpflich-
tungen nun in vollem Umfang umzusetzen, und sieht der
baldigen Einberufung der Gespräche am runden Tisch erwar-
tungsvoll entgegen.  Die Europäische Union bekräftigt ihrer-
seits die Bereitschaft, ihr wirtschaftliches und finanzielles
Instrumentarium als Beitrag zum Erfolg dieses Unterfangens
einzusetzen.


F. Ruanda

Der Europäische Rat gibt seinem Entsetzen über den Völker-
mord in Ruanda Ausdruck.  Die Verantwortlichen sollten vor
Gericht zur Rechenschaft gezogen werden.  Der Europäische
Rat fordert alle Konfliktparteien dringend auf, dem blindwüti-
gen Töten von Zivilisten ein Ende zu setzen und zu Gesprä-
chen über Frieden und Sicherheit für alle auf der Grundlage
des Arusha-Abkommens an den Verhandlungstisch zurück-
zukehren.

Er begrüßt es insbesondere, daß der Sicherheitsrat die Resolu-
tion 929 verabschiedet hat, in der er bis zur Ankunft des
verstärkten UNAMIR-Kontingents eine befristete Operation
zum Schutz von Vertriebenen, Flüchtlingen und gefährdeten
Zivilisten in Ruanda genehmigt.  Der Europäische Rat begrüßt
den Beschluß der Westeuropäischen Union vom 21.  Juni 1994,
die Bemühungen ihrer Mitgliedstaaten, die sich bereit erklärt
haben, zu dieser Operation beizutragen, durch die Koordinie-
rung ihrer Beiträge zu unterstützen.

Der Europäische Rat würdigt den Einsatz der afrikanischen
Länder, die eine so große Zahl von Flüchtlingen aufgenommen
haben und zur politischen Lösung dieses Konflikts beitragen.  
Die Europäische Union wird ihrerseits die humanitäre Hilfe
fortsetzen und aufstocken.


G. Südliches Afrika

Der Europäische Rat würdigt ganz besonders die Art und
Weise, in der sich Südafrika durch Mäßigung und nationale
Aussöhnung entschlossen dem Übergang zur Demokratie ver-
pflichtet hat.  Er begrüßt den Beginn der Wiedereingliederung
dieses Landes in seine Region und in die weltweite Völkerge-
meinschaft und gibt auch die Zusage, die Regierung dieses
neuen Südafrika bei ihren Bemühungen, den Bedürfnissen und
berechtigten Erwartungen aller von ihr nunmehr vertretenen
Bürger gerecht zu werden, zu unterstützen.

Der Europäische Rat bestätigt seine Absicht, zwischen der
Europäischen Union und Südafrika vertragliche Beziehungen
herzustellen, um die wirtschaftliche Entwicklung, die Han-
delsbeziehungen und den politischen Dialog mit Südafrika zu
fördern.

Der Europäische Rat wird auch die politische Stabilisierung
und die wirtschaftliche Entwicklung im südlichen Afrika ins-
gesamt unterstützen.  In diesem Zusammenhang erinnert der
Europäische Rat an den Beschluß, am 5. und 6. September
1994 in Berlin zusammen mit den Mitgliedstaaten der SADC
und Südafrika eine Ministerkonferenz abzuhalten.

Der Europäische Rat begrüßt die erheblichen Fortschritte beim
Friedensprozeß in Mosambik, die es unter anderem ermöglicht
haben, für den 27. und 28.  Oktober 1994 allgemeine Wahlen
anzuberaumen.  Er ersucht den Rat, weitere Möglichkeiten zur
Förderung des Friedensprozesses, insbesondere hinsicht-
lich der Unterstützung bei der Durchführung von Wahlen, zu
prüfen.

Der Europäische Rat appelliert sowohl an die Regierung
Mosambiks als auch an die RENAMO, ihre Zusagen bezüglich
des Prozesses der nationalen Aussöhnung einzuhalten.


H. Beziehungen zu den AKP-Staaten

Der Europäische Rat bekräftigt, daß er sich der Zusammen-
arbeit mit den Ländem in Afrika, im karibischen Raum und im
Pazifischen Ozean, die sich Herausforderungen nie dagewese-
nen Ausmaßes gegenübersehen, weiterhin verpflichtet fühlt.  
Er sagt zu, ihnen bei ihren Bemühungen um wirtschaftliche
und politische Reformen zur Seite zu stehen.  Die Halbzeit-
überprüfung des Abkommens von Lome IV, die bis zum
1. März 1995 zur Revision einiger Bestimmungen des Abkom-
mens und zur Erstellung des nächsten Finanzprotokolls führen
soll, muß der Anlaß sein, das Engagement der Europäischen
Union gegenüber den AKP-Staaten zu bekräftigen.


1. Ukraine

Der Europäische Rat begrüßt die Unterzeichnung des Partner-
schafts- und Kooperationsabkommens mit der Ukraine, das
dazu beitragen wird, den Weg zur Entwicklung umfassender
und nutzbringender Kooperationsbeziehungen zwischen der
Ukraine und der Europäischen Union zu ebnen.

Der Europäische Rat bekräftigt sein Eintreten für die Unab-
hängigkeit, Souveränität und territoriale Unversehrtheit der
Ukraine, für die Konsolidierung der demokratischen Institutio-
nen und für die Vollendung der marktorientierten Wirt-
schaftsreformen.  Der Europäische Rat betont in diesem Zu-
sammenhang, daß ein Erfolg weitgehend von der unveränder-
ten Entschlossenheit und Fähigkeit der ukrainischen Behörden
abhängen wird, den Prozeß wirtschaftlicher und politischer
Reformen voranzutreiben.

Die Europäische Union begrüßt die von der Ukraine bereits
unternommenen Schritte in Richtung auf eine uneingeschränk-
te Durchführung der Abrüstungsübereinkünfte im nuklearen
und konventionellen Bereich und appelliert an die Ukraine,
den Nichtverbreitungsvertrag bald als Nichtkernwaffenstaat zu
ratifizieren.

Der Europäische Rat fordert den Rat auf, die Formulierung
einer Gesamtpolitik gegenüber der Ukraine fortzusetzen.  Bei
der Ausarbeitung einer solchen Politik, die die gesamte Palette
der im Rahmen des Vertrags über die Europäische Union
verfügbaren Instrumente, einschließlich etwaiger gemeinsa-
mer Maßnahmen, nutzt, sollte der Rat die nachstehenden
allgemeinen Leitlinien befolgen:

-    nachhaltige Unterstützung für die Konsolidierung demokra-
     tischer Institutionen, die Achtung der Menschenrechte und
     die Vollendung der marktorientierten Wirtschaftsreformen;

-    Förderung gutnachbarlicher Beziehungen zwischen der
     Ukraine und ihren Nachbarstaaten;

-    Zusammenarbeit mit der Ukraine in multilateralen Gremien
     zur Förderung regionaler und internationaler Stabilität und
     zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten;

-    Unterstützung für die vollständige Durchführung von Abrü-
     stungsübereinkünften im nuklearen und im konventionellen
     Bereich;

-    Annahme international akzeptierter Normen nuklearer Si-
     cherheit durch die Ukraine im Rahmen einer Gesamtener-
     giepolitik.

Der Europäische Rat äußert seine Besorgnis im Zusammen-
hang mit der globalen Frage der nuklearen Sicherheit in der
Ukraine. Der Europäische Rat empfiehlt im besonderen, daß
das Kernkraftwerk von Tschernobyl möglichst bald endgültig
stillgelegt wird. Diese Stillegung sollte durch eine kombinierte
Durchführung folgender Maßnahmen vorgenommen werden:

- sofortige und endgültige Schließung der Reaktoren 1 und 2
von Tschemobyl sowie möglichst baldige Schließung des
Reaktors 3 und als Kompensation hierfür Fertigstellung
der im Bau befindlichen Reaktoren von Saporoshje, Rovno
und Chmelnitosky sowie Anpassung an adäquate Sicher-
heitsnormen;

- sofortige strukturelle Reform des Energiesektors in der
Ukraine, einschließlich einer effektiven Tarifierungs- und
Preispolitik, und Maßnahmen zur Förderung von Energie-
einsparungen sowie Entwicklung alternativer Energiequel-
len;

- sofortige und entschlossene Anstrengungen zur Verschär-
fung und Nachbesserung der Bau- und Betriebsnormen zur
Gewährleistung der nuklearen Sicherheit mit dem Ziel,
einen Standard zu erreichen, der den in der Europäischen
Union geltenden Normen entspricht.  Die Verwirklichung
dieses Ziels sollte durch unabhängige Inspektoren über-
wacht werden;

- Ratifizierung des Wiener Übereinkommens über die Haf-
tung auf dem Gebiet der Kernenergie.

Die Europäische Union wünscht, mit der Ukraine ein Abkom-
men über dieses Maßnahmenbündel im Bereich der nuklearen
Sicherheit zu schließen, und ist bereit, substantielle Hilfe im
Rahmen eines umfassenden Plans bereitzustellen, der mit
ihren Partnern auf dem bevorstehenden G7-Gipfel zu erörtern
sein wird. Dieser Plan wird auch finanzielle Bemühungen der
Völkergemeinschaft, einschließlich der internationalen Fi-
nanzierungsinstitutionen, beinhalten.  Die Europäische Union
ist ihrerseits bereit, 400 Mill.  ECU in Form von EURATOM-
Anleihen und darüber hinaus 100 Mill.  ECU über einen Drei-
jahreszeitraum im Rahmen des TACIS-Programms für diesen
Plan bereitzustellen.

Schließlich bringt die Europäische Union nachdrücklich ihre
Hoffnung zum Ausdruck, daß sich der nächste G7-Gipfel in
Neapel darauf einigen wird, der Ukraine vorzuschlagen, ge-
meinsame Anstrengungen zur Stärkung des Reformprozesses
insbesondere im Bereich der nuklearen Sicherheit zu unter-
nehmen.


J. Nordkorea

Der Europäische Rat ist tief besorgt darüber, daß die Demo-
kratische Volksrepublik Korea die IAEO-Inspektoren sehr
wichtige Inspektionstätigkeiten nicht zum Abschluß bringen
ließ und es damit unmöglich gemacht hat, zu ermitteln, ob
Plutonium für andere als friedliche Zwecke abgezweigt wurde.  
Die Demokratische Volksrepublik Korea verstößt durch ihre
fortgesetzte Mißachtung des zwischen ihr und der IAEO
geschlossenen Sicherungsabkommens gegen ihre völkerrecht-
lichen Verpflichtungen.

Der Europäische Rat betrachtet die Verbreitung von Kernwaf-
fen als eine ernste Bedrohung des Weltfriedens und der inter-
nationalen Sicherheit und erinnert daran, daß er sich schon seit
langem den Zielen des Nichtverbreitungsvertrags verpflichtet
fühlt.  Der Europäische Rat fordert die Demokratische Volksre-
publik Korea erneut auf, ihre internationalen Verpflichtungen
anzuerkennen und zu erfüllen, und bekräftigt, daß die Aussich-
ten auf bessere gegenseitige Beziehungen erheblich gefördert
würden, wenn die Besorgnis über die nuklearen Tätigkeiten
dieses Landes verringert werden könnte.  Er hofft, daß die
laufenden Kontakte mit Nordkorea rasch zu einer zufrieden-
stellenden Lösung führen.


K. Lateinamerika

Der Europäische Rat bekräftigt, daß er seinen Beziehungen zu
den lateinamerikanischen Ländern und ihren regionalen Zu-
sammenschlüssen große Bedeutung beimißt.  Er äußert seine
Genugtuung über die Fortschritte, die in bezug auf Demokratie
und Achtung der Menschenrechte, Frieden und Abrüstung
sowie Wirtschaftsreformen und regionale Integration erzielt
worden sind.

In diesem Zusammenhang begrüßt der Europäische Rat den
Beitritt Mexikos zur OECD und verleiht dem Wunsch Aus-
druck, seine politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu
diesem Land auszubauen.  Er bestätigt ferner, daß die Euro-
päische Union beabsichtigt, ihre Beziehungen zu Mercosur
auszubauen.  Der Europäische Rat fordert den Ministerrat und
die Kommission auf, diese Fragen weiter zu verfolgen.


L.   Leitlinien für eine gemeinsame Aktion zur
     Vorbereitung der für 1995 geplanten Konferenz der
     Vertragsparteien des Vertrags über die
     Nichtverbreitung von Kernwaffen

Der Europäische Rat erinnert an sein in seiner Dubliner Er-
klärung von 1990 zum Ausdruck gebrachtes nachdrückliches
und vorbehaltloses Eintreten für das Ziel der Nichtverbreitung
von Kernwaffen, an den ihm 1992 in Lissabon unterbreiteten
Bericht über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
sowie an den ihm 1992 in Edinburgh vorgelegten Bericht über
die Entwicklung der gemeinsamen Außen- und Sicherheits-
politik in Sicherheitsfragen und kommt überein, zur Vorberei-
tung der für 1995 vorgesehenen Konferenz der Vertragspar-
teien des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen
(NVV) eine gemeinsame Aktion zu beschließen.

Die gemeinsame Aktion sollte auf der Grundlage folgender
Leitlinien vorbereitet werden:

- Grundlage für die gemeinsame Aktion ist der Konsens unter
den Partnern, daß der NVV unbegrenzt und bedingungslos
verlängert werden sollte.

- Es müssen gemeinsame Anstrengungen untemommen
werden, um die Vertragsparteien des NVV, die diese Über-
zeugung vielleicht nicht teilen, für diese Zielsetzung zu
gewinnen.

- Das Ziel der Universalität des NVV macht gemeinsame
Anstrengungen erforderlich, um die Staaten, die noch nicht
Vertragsparteien sind, zu einem Beitritt nach Möglichkeit
vor 1995 zu bewegen sowie die beitrittswilligen Staaten bei
der Beschleunigung ihres Beitritts zu unterstützen.

- Zur Verbesserung der Aussichten für einen erfolgreichen
Abschluß der NVV-Konferenz 1995 müssen Demarchen
untemommen werden, um

- die Teilnahme an den noch bevorstehenden zwei Sitzun-
gen des Vorbereitungsausschusses in Genf und New
York sowie an der Konferenz 1995 selbst zu fördern,

- dem Konsens hinsichtlich des Ziels einer unbegrenzten
und bedingungslosen Verlängerung des NVV eine brei-
tere Grundlage zu verschaffen.


M. Ehemaliges Jugoslawien

Der Europäische Rat ist tief besorgt über das Andauern des
Konflikts im ehemaligen Jugoslawien und vor allem in Bos-
nien und Herzegowina.

Am 13. Mai hat die Europäische Union zusammen mit Ruß-
land und den Vereinigten Staaten in Genf ihrer Entschlossen-
heit Ausdruck gegeben, zusammenzuarbeiten, damit der bos-
nische Konflikt bald und dauerhaft auf dem Verhandlungswe-
ge beigelegt wird. Die Arbeit der Kontaktgruppe befindet sich
nun in einer entscheidenden Phase. Der Europäische Rat
äußert die Erwartung, daß die beteiligten Parteien den erfor-
derlichen politischen Willen zeigen, um so rasch wie möglich
eine Beilegung des Konflikts zu erreichen.

Der Europäische Rat fordert die bosnischen Parteien dringend
auf, auf dem Waffenstillstandsabkommen vom 8. Juni 1994
aufzubauen.  Dies ist jedoch nur ein erster Schritt hin zu einer
vollständigen Einstellung der Feindseligkeiten, die unabding-
bar ist, damit Verhandlungsfortschritte erzielt werden können.  
Der Europäische Rat tritt für eine Lösung ein, nach der
Bosnien und Herzegowina innerhalb ihrer international aner-
kannten Grenzen als eine Union bestehenbleiben und bei der
zugleich verfassungsmäßige Regelungen vorgesehen werden,
mit denen das Verhältnis zwischen der bosnisch-kroatischen
Gebietseinheit und der Gebietseinheit der bosnischen Serben
auf der Grundlage einer Gebietsvereinbarung so festgelegt
wird, daß der bosnisch-kroatischen Seite 51 Prozent und den
bosnischen Serben 49 Prozent des Gebietes zugeteilt werden.

Der Europäische Rat begrüßt die Fortschritte, die bei der
Aussöhnung zwischen Bosniern und bosnischen Kroaten auf
der Grundlage der Vereinbarungen zur Schaffung einer bos-
nisch-kroatischen Föderation gemacht wurden.  Die Europäi-
sche Union ist auf das Ersuchen eingegangen, für einen Zeit-
raum von bis zu zwei Jahren die Verwaltung von Mostar zu
übernehmen.  Der Europäische Rat begrüßt die Bereitschaft der
WEU, durch ein Polizeikontingent zu dieser Verwaltung bei-
zutragen.  Der Europäische Rat appelliert an die betroffenen
Parteien, die Vereinbarung zu billigen und damit den Weg für
die Unterzeichnung unverzüglich frei zu machen.  Die rasche
Einrichtung der EU-Verwaltung ist ein wichtiger Schritt in
Richtung auf die Stabilisierung der Lage in Bosnien.  In diesem
Zusammenhang bekräftigt der Europäische Rat, daß die Euro-
päische Union bereit ist, zum Prozeß der Normalisierung des
Lebens, der Rückkehr der Flüchtlinge und des Wiederaufbaus
in Bosnien-Herzegowina im Rahmen der Bemühungen der
Völkergemeinschaft beizutragen.

Der Europäische Rat bringt seine Enttäuschung darüber zum
Ausdruck, daß die Zusammenkunft zwischen der kroatischen
Regierung und den Krajina-Serben in Plitvice abgesagt wurde.  
Der Rat fordert zu einer baldigen Wiederaufnahme der Ge-
spräche auf und appelliert an die Serben, die erforderliche
Flexibilität zu zeigen, damit in den Schutzzonen der Vereinten
Nationen eine Lösung gemäß dem Aktionsplan der Europäi-
schen Union herbeigeführt werden kann.


III.  ZUSAMMENARBEIT IM BEREICH
      JUSTIZ UND INNERES

1. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit

Der Europäische Rat verurteilt die anhaltenden Manifestatio-
nen von Intoleranz, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und
bekräftigt seine Entschlossenheit, diese Erscheinungen ver-
stärkt zu bekämpfen.

Er begrüßt die deutsch-französische Initiative gegen Rassis-
mus und Fremdenfeindlichkeit, in der insbesondere folgendes
vorgeschlagen wird:

- Einsetzung einer Beratenden Kommission, die sich aus
herausragenden Persönlichkeiten zusammensetzt, deren
Aufgabe es ist, Empfehlungen für die Zusammenarbeit
zwischen den Regierungen und den verschiedenen gesell-
schaftlichen Gruppen zu Förderung von Toleranz und Ver-
ständnis gegenüber Ausländern abzugeben;

- Entwicklung einer umfassenden Strategie auf Unionsebene
zur Bekämpfung rassistischer und fremdenfeindlicher Ge-
walthandlungen;

- Einführung von Ausbildungsmaßnahmen für Bedienstete in
denjenigen Abteilungen der nationalen Verwaltungen, die
mit diesen Phänomenen besonders befaßt sind.

Der Europäische Rat ersucht den Rat "Allgemeine Angele-
genheiten", Aufgabe, Zusammensetzung und Status der in der
deutsch-französischen Initiative vorgeschlagenen Beratenden
Kommission zu prüfen und dem Europäischen Rat in Essen
über die Zwischenergebnisse der Arbeit dieser Kommission
Bericht zu erstatten.  Er ersucht die Minister für Justiz und
Inneres, auf der nächsten Tagung des Europäischen Rates in
Essen über ihre Arbeit Bericht zu erstatten.  Er fordert ferner
dazu auf, die laufenden diesbezüglichen Arbeiten in den Raten
"Bildung" und "Sozialfragen" im Lichte der deutsch-französi-
schen Initiative zu beschleunigen.

Schließlich hat der Europäische Rat einen detaillierten Zeit-
und Arbeitsplan gebilligt, damit bis Ende Juni 1995 vom
Europäischen Rat eine Gesamtstrategie der Union (vgl.  An -
l a g e  III) verabschiedet werden kann.



2. Durchführung des vorrangigen Plans

Der Europäische Rat äußert sich befriedigt über die Fortschrit-
te bei der Durchführung seines vorrangigen Aktionsplans, der
im Dezember 1993 in Brüssel ausgearbeitet worden ist, sowie
über die Tatsache, daß die Kommission ein neues Drogenpro-
gramm vorgelegt hat, das einen wichtigen neuen Rahmen für
die Suchtprävention, die Bekämpfung des illegalen Drogen-
handels und Maßnahmen auf internationaler Ebene darstellt.  
Er erwartet, daß diese Arbeiten beschleunigt werden, damit
der Europäische Rat auf seiner Tagung in Essen feststellen
kann, daß in allen Bereichen des Aktionsplans (EUROPOL,
globale Drogenbekämpfungsstrategie, gemeinsame Visumli-
ste, justitielle Zusammenarbeit, Asyl, Koordinierung mit der
gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik) konkrete Maß-
nahmen ergriffen worden sind.

Der Rat betonte generell die Bedeutung der Arbeiten im
Rahmen der Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und
Inneres zur Bewältigung der durch das organisierte Verbre-
chen (einschließlich der Terrorismus) und Drogen verursach-
ten Gefahren. Er forderte den Rat "Justiz und Inneres" auf, die
Ausarbeitung des Übereinkommens zur Gründung von Euro-
pol bis Anfang Oktober abzuschließen, und war sich darin
einig, daß als nächste Priorität der Aufgabenbereich von Euro-
pol auf das organisierte Verbrechen ausgedehnt werden sollte.  
Der Europäische Rat ersuchte den deutschen Vorsitz, mit den
mittel- und osteuropäischen Staaten eine Konferenz über Dro-
gen und organisiertes Verbrechen zu veranstalten.  Der Europä-
ische Rat ersuchte den Rat "Justiz und Inneres", eine Einigung
über die Behandlung der strafrechtlichen Aspekte von Betrü-
gereien herbeizuführen und ihm auf seiner Tagung im Dezem-
ber in Essen Bericht zu erstatten.

Bei der Ausarbeitung der verschiedenen Rechtsakte zur Schaf-
fung computergestützter Systeme muß dem Datenschutz, ins-
besondere folgenden Aspekten besondere Aufmerksamkeit
gewidmet werden: Recht der Betroffenen auf Zugang zu dem
System, Individualbeschwerderecht und Einrichtung einer ge-
meinsamen Aufsichtsstelle.  Der Europäische Rat ersucht die
zuständigen Gremien, diesen Fragen weiterhin Vorrang ein-
zuräumen, und hofft, auf seiner Tagung im Dezember 1994
einen Zwischenbericht zu erhalten.


IV.  VORBEREITUNG
     DER REGIERUNGSKONFERENZ 1996

Der Europäische Rat setzt entsprechend der Vereinbarung von
Ioannina eine RefIexionsgruppe zur Vorbereitung der Regie-
rungskonferenz 1996 ein, die sich aus Vertretern der Außen-
minister der Mitgliedstaaten und des Präsidenten der Kommis-
sion zusammensetzt. Eine von der spanischen Regierung be-
nannte Persönlichkeit wird den Vorsitz der Gruppe führen, die
ihre Arbeit im Juni 1995 aufnehmen wird.  Zwei Vertreter des
Europäischen Parlaments werden ebenfalls an den Beratungen
der Reflexionsgruppe teilnehmen.  Ferner führt die Reflexions-
gruppe einen Gedankenaustausch mit den anderen Organen
und Institutionen der Europäischen Union.

Die Organe werden ersucht, vor Beginn der Arbeiten der
Reflexionsgruppe Berichte über das Funktionieren des Ver-
trags über die Europäische Union zu erstellen, die dann in die
Beratungen der Reflexionsgruppe einfließen werden.

Die Reflexionsgruppe wird Gedanken in bezug auf die Be-
stimmungen des Vertrags über die Europäische Union, für die
eine Überprüfung vorgesehen ist, prüfen und weiterentwickeln
und sonstige mögliche Verbesserungen im Geiste der Demo-
kratie und Offenheit auf der Grundlage der in den Berichten
enthaltenen Bewertung der Durchführung des Vertrags unter-
suchen und ausarbeiten.  Ferner wird sie im Hinblick auf die
künftige Erweiterung der Union Optionen für die institutionel-
len Fragen ausarbeiten, die in den Schlußfolgerungen des
Europäischen Rates von Brüssel und der Vereinbarung von
loannina genannt sind (Stimmengewichtung, Schwelle für
Beschlüsse mit qualifizierter Mehrheit, Anzahl der Kommis-
sionsmitglieder sowie sonstige Maßnahmen, die als erforder-
lich erachtet werden, um die Arbeit der Institutionen zu er-
leichtern und deren effizientes Funktionieren im Hinblick auf
die Erweiterung zu gewährleisten).

Der Generalsekretär des Rates wird die erforderlichen Vorkeh-
rungen für die Wahrnehmung der Sekretariatsaufgaben der
Reflexionsgruppe im Einvernehmen mit deren Vorsitzenden
treffen.

Die Reflexionsgruppe wird rechtzeitig vor der Tagung des
Europäischen Rates Ende 1995 Bericht erstatten.  Das im
Vertrag vorgesehene Überprüfungsverfahren gilt für die näch-
ste Stufe.


Der Europäische Rat hat zur Kenntnis genommen, daß der
deutsche Vorsitz beabsichtigt, in bilateralen Kontakten mit den
Delegationen einen Beschluß über die Ernennung des künfti-
gen Präsidenten der Kommission vorzubereiten, der auf einer
Sondertagung des Europäischen Rates am 15. Juli in Brüssel
ergehen soll.



Anlage I

Vom Europäischen Rat genehmigte Liste von Verkehrsprojekten mit hoher Priorität

Vorhaben                                                                            Beteiligte
                                                                                    Lände,r
- Hochgeschwindigkeitszug/Kombinierter Verkehr
  Nord-Süd                                                                          I/A/D

     Brennerachse Verona-München-Nürnberg-
     Erfurt-Halle/Leipzig-Berlin

- Hochgeschwindigkeitszug (Paris-)Brüssel-Köln-
  Amsterdam-London

     Folgende Teilabschnitte:
     Belgien: Grenze F/B-Brüssel-Lüttich-Grenze B/D                                 B
     Brüssel-Grenze B/NL
     Vereinigtes    Königreich:    London-Ärmelkanaltunnel                             UK
     Niederlande: Grenze B/NL-Rotterdam-Amsterdam                                   NL
     Deutschland: (Aachen-)') Köln-Rhein/Main                                       D

- Hochgeschwindigkeitszug Süd

     Madrid-Barcelona-Perpignan-Montpellier                                         E/F
     Madrid-Vitoria-Dax                                                             E/F

- Hochgeschwindigkeitszug Ost
     Folgende Teilabschnitte l):

     Paris-Metz-Straßburg-Appenweier-Karlsruhe                                      F
     mit Anbindungen an Metz-Saarbrücken-
     Mannheim                                                                       F/D
     und Metz-Luxemburg,                                                            F/L

-----------
1) Im Bau. Wird bereits auf Gemeinschaftsebene unterstützt.
2) Erweiterung Frankfurt ist bereits im Bau. Weiterführung nach Berlin 
   noch nicht ausgereift.




- Betuwe-Strecke: Kombinierter Verkehr/
  Konventionelle Bahnstrecke                        NL/D
  Rotterdam-Grenze NLAD-(Rhein/Ruhr) 1)

- Hochgeschwindigkeitszug/Kombinierter Verkehr
  Frankreich-Italien
       Lyon-Turin                                    F/I

- Autobahn Patras-griechisch-bulgarische Grenze      GR
       gemeinsam mit West-Ost-Autobahn: Via Egnatia
       Igoumenitsa-Thessaloniki-Alexandroupolis-
       Ormenio/Kipi

-  Autobahn Lissabon-Valladolid                      P/E

-  Eisenbahnverbindung Cork-Dublin-Belfast-
   Larne-Stranraer                                   IRL/UK

-  Flughafen  Malpensa (Mailand)                     I

-  Feste Verbindung Oresund (Schiene/Straße)
   zwischen Dänemark und Schweden                    DK/S
   einschließlich Zufahrtsstrecken





Anlage II

Liste der vom Europäischen Rat als vorrangig eingestuften Energieprojekte

Frankreich - Italien: Elektrizitätsverbund

Italien - Griechenland: Elektiizitätsverbund (Kabel)
Dänemark: Ost-West-Elektrizitätsverbund (Kabel)
(kommt nicht für eine Förderung aus den Strukturfonds in
Betracht)

Portugal: Erdgasnetz

Griechenland: Erdgasnetz
Spanien - Portugal- Erdgasverbundl)
Spanien - Portugal: Elektrizitätsverbund
Algerien - Marokko - Europäische Union: Gaspipeline

Rußland - Belarus - Polen - Europäische Union:
Gaspipeline 4)




Anlage III

Umsetzung der deutsch-französischen Initiative gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit

Zeitplan und Arbeitsprogramm

(....)



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3) Einschließlich Einführung von Erdgas 
in den Regionen Extremadura und Galicien in
Spanien.
4) Dieses Projekt sollte gleichfalls zitiert 
und geprüft werden, obschon es noch nicht so
ausgereift ist wie die anderen vier Gasprojekte.


Quelle: Bulletin Nr. 73 vom 04.08.1994, S. 685-695




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