quellen |
Dr. Gregor Gysi (PDS/Linke Liste): Herr Praesident, meine Damen und Herren! Seit der Herstellung der deutschen Einheit gibt es in der Bundesrepublik Deutschland, gesamtgesellchaftlich gesehen, einen Rechtsruck. Dieser Rechtsruck zeigt sich auf verschiedenen Gebieten und wird durch die permanente Annaeherung von Positionen in den grossen Parteien nach rechts hin nur besonders deutlich zum Ausdruck gebracht. Wenn ich ueber die gesamtgesellschaftliche Ent- wicklung spreche, dann meine ich damit nicht nur den immer schlimmer um sich greifenden Rassismus, den immer gefaehrlicher werdenden Fremdenhass und den ernstzunehmenden Antisemitismus. Ich meine damit auch nicht nur, dass rechtsextremistische Parteien immer staerker gewaehlt und schrittweise salonfaehig gemacht werden. Es geht mir mehr darum, welche gesellschaftlichen Stimmungen existieren, die zu wesentlichen politischen Veraenderungen fuehren. Worueber wurde eigentlich in den letzten beiden Jahren und in den letzten Monaten diskutiert und gestritten? Es geht es zum einen um die Aufarbeitung der Geschichte der DDR, die aber nicht diffe- renziert und in ihren historischen Zusammenhaengen erfolgt, sondern u.a. dem Zweck dient, die Geschichte zwischen 1933 und 1945 ver- gessen zu machen; zumindest durch einige, nicht durch alle. Zum anderen geht es darum, dass die Situation im Osten Deutschlands dazu missbraucht wird, die Bereitschaft der Menschen zu Sozial-, Rechts- und Demokratieabbau zu entwickeln. Hier sei nur an die Kuerzung von Mitteln im Sozialbereich, die Deregulierung zur Einschraenkung von Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechten, das Verkehrswegebeschleunigungsgesetz und die geplante Justizreform erinnert. Gegenwaertig gibt es eine lebendige Diskussion, wie man polizeistaatliche Methoden erweitern kann, und zwar unter dem Vorwand der Bekaempfung organisierter Kriminalitaet. Das Stichwort "grosser Lauschangriff" ist bekannt. Der Rechtsruck kommt selbstverstaendlich auch in der immer wieder neu geschuerten Asyldebatte zum Ausdruck, die die Angst vor Fremden und den Nationalismus befoerdert. In diese Bereiche gehoert auch alles hinein, was mit deutscher Grossmachtpolitik zu tun hat, denn auch das foerdert Nationalismus. Das Grundgesetz soll geaendert werden, um internationale Einsaetze der deutschen Bundeswehr zu ermoeglichen, und der Bundesaussenminister schlaegt offiziell vor, dass Deutschland endlich staendiges Mitglied im Sicherheitsrat der UN wird. Besonders bedenklich an diesem Prozess ist, dass die Verschiebungen in der Politik nach rechts in allen bedeutenden Parteien, d.h., in der CSU, in der der CDU, in der FDP und in der SPD, zum Teil sogar bei den Gruenen/Buendnis 90, stattfindet. Wenn man sich allein die Entwicklung in der Asylfrage ansieht, wird deutlich, dass die CDU laengst Positionen eingenommen hat, die frueher nicht einmal von den Republikanern vertreten wurden, (Unruhe bei der CDU/CSU) und dass sich die SPD-Fuehrung auf CDU-Positionen hin entwickelt. Besonders empfindlich scheint die SPD in solchen Fragen zu sein, die einen nationalistischen Aspekt haben. Offensichtlich aus der Furcht heraus, erneut als vaterlandslose Gesellinnen und Gesellen gelten zu koennen, bemuehen sich prominente Mitglieder der SPD, in der Asylfrage, in der Frage des Einsatzes der Bundeswehr und in anderen Fragen den Nachweis anzutreten, dass ihnen niemand mangelndes Nationalbewusstsein vorwerfen kann. Die Frage ist aber, was fuer diese Nation wirklich gut und was fuer sie eher schlecht ist. (Zuruf von der CDU/CSU: Die PDS ist eher schlecht!) Worin besteht nun aber der Zusammenhang mit dem Vertrag von Maastricht. Die breite Uebereinstimmung hinsichtlich dieses Vertrages in diesem Haus, also wiederum zwischen CSU, CDU, FDP und SPD, haengt meines Erachtens damit zusammen, dass es u.a. auch um eine Frage des Nationalismus geht, denn der Maastrichter Vertrag ermoeglicht eine Vorherrschaftsrolle Deutschlands in Europa. Da will eben keine dieser Parteien in der Befuerwortung zurueckstehen. Genau das macht mir und vielen anderen Sorge. Dass die Republikaner und andere ueberhaupt gegen eine europaeische Integration sind, weil sie trotz einer Vorherrschaftsrolle immer noch Einbussen der Souveraenitaet Deutschlands befuerchten, macht den Vertrag fuer mich nicht zustimmungsfaehiger. Unsere Kritik am Vertrag von Maastricht besteht unter anderem genau darin, dass eine Vorherrschaftsrolle damit ermoeglicht wird. Wie Deutschland inzwischen bereit ist, diese Rolle zu spielen, zeigt der Umgang mit Grossbritannien in den letzteren Wochen, ein Umgang, der noch vor drei Jahren undenkbar gewesen waere. Nur aus dieser Tatsache heraus, naemlich der geplanten Herrschaft Deutsch- lands in Europa, laesst sich die breite Uebereinstimmung in diesem Bundestag erklaeren. Aus der gleichen Tatsache heraus laesst sich erklaeren, weshalb die Meinung bei Politikerinnen und Politikern unterschiedlichster Coleur und in der Bevoelkerung ueberhaupt bei den anderen EG- Mitgliedslaendern so geteilt ist. Es muss doch wenigstens stutzig machen, weshalb zum Vertrag von Maastricht so unterschiedliche Auffassungen in Frankreich, in Daenemark, in Grossbritannien und in anderen Laendern existieren und nur in diesem Haus eine so breite Uebereinstimmung herrscht. Eine andere, als die von mir gefundene Erklaerung koennte naemlich nur darin bestehen, dass unterstellt wird, dass in diesem Hause sehr viel mehr bewusste Europaeerinnen und Europaeer vertreten sind als in den Parlamenten und in der Bevoelkerung der anderen EG-Staaten. Aber fuer eine solche anmassende Einschaetzung besteht meines Erachtens kein Grund. Meine Gruppe hat einen Gesetzentwurf zur Durchfuehrung eines Volksentscheids eingebracht. Hinsichtlich der Frage der Zulaessigkeit stuetzen wir uns dabei u.a. auf den von vielen serioesen Juristen erarbeiteten Alternativ-Kommentar zum Grundgesetz, der ausdruecklich folgendes bestaetigt: "Nach Art. 20 abs. 2 Satz 1 wird die Staatsgewalt vom Volk ausser in Wahlen auch in Abstimmungen ausgeuebt. Das Grundgesetz sieht eine Volksbefragung und einen Volksentscheid nur bei der Neugliederung des Bundesgebietes (Art. 29 und 118) vor. Daraus wird teilweise gefolgert, dass Volksbefragungen und Volksentscheide im uebrigen unzulaessig seien. Diese Ansicht ist mit dem demokratischen Prinzip nicht vereinbar. Das Grundgesetz hat sich zwar grundsaetzlich fuer die repraesentative Demokratie entschieden. Dass diese Entscheidung nicht als generelle Ablehnung plebiszitaerer Elemente gemeint ist, zeigt die ausdrueckliche Zulassung von Volksbefragung und Volksentscheid bei einer Neugliederung des Bundesgebietes. Nirgendwo ist im Grundgesetz ein ausdrueckliches Verbot plebiszitaerer Elemente in sonstigen Faellen ausgesprochen. Auch ein stillschweigendes Verbot dieses Inhalts laesst sich nicht aus dem Grundgesetz herleiten." Das heisst, dass auch schon jetzt nach Artikel 20 des Grundgesetzes ein Volksentscheid moeglich ist. Wenn Sie diesbezueglich anderer Auffassung sind, ist es Ihnen unbenommen, eine Verfassungsaenderung zu beschliessen. Auf jeden Fall sollte der Volksentscheid durchgefuehrt werden, damit die Bevoelkerung dieses Landes in dieser Frage nicht ueber weniger Rechte verfuegt als die Bevoelkerung Daenemarks und Frankreichs. Die erste Frage, die unserer Bevoelkerung gestellt werden sollte, bezieht sich darauf, ob die Buergerinnen und Buerger dafuer oder dagegen sind, dass die Bundesrepublik Deutschland Mitglied der Europaeischen Union wird. Dies ist eine grundsaetzliche Veraenderung der Verfasstheit der Bundesrepublik Deutschland. Darueber muss das Volk entscheiden duerfen. Ich kenne keine Fraktion und keine Gruppe in diesem Haus, die diese Frage nicht bejahen wuerde. Ich gehe deshalb davon aus, dass eine breite Zustimmung der Bevoelkerung zu erreichen waere. Das waere fuer die kuenftige Europapolitik der Bundesrepublik Deutschland von ausschlaggebender Bedeutung. Zugleich waere dies ein wichtiges Zeichen, um sich von rechtsextremistischen Parteien abzusetzen, die selbstverstaendlich dazu aufrufen wuerden, diese Frage mit Nein zu beantworten, wobei die Liste der vielen Persoenlichkeiten, die hier vom Bundesfinanzminister genannt wurden, die schon fuer die europaeische Einigung waren, der Vollstaendigkeit halber von mir ergaenzt werden muss: Lenin hat die Vereinigten Staaten von Europa gefordert, man hoere und staune! (Zustimmung bei der PDS/Linke Liste - Lachen bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem Buendnis 90/Die Gruenen) - Das Ihnen das nicht bekannt ist, ist mir auch klar, aber ich wollte es einfach der Vollstaendigkeit halber erwaehnen. Aber auch fuer Befuerworter der europaeischen Idee muss es moeglich sein, den Weg zur Europaeischen Union, der im Vertrag von Maastricht vorgezeichnet ist, zu verneinen, ohne die Europaeische Union selbst abzulehnen. Deshalb sollte sich die zweite Frage eines Volksentscheids mit der Zustimmung bzw. Ablehnung des Maastrichter Vertrages beschaeftigen, und wer will, dass die Europaeische Union eine Union wirklich gleichberechtigter Staaten, Nationen und Regionen wird, die jede Vorherrschaft ausschliesst, der muesste zu Maastricht eigentlich nein sagen. Der Vertrag von Maastricht hat noch weitere entscheidende Maengel. Unser Nein moechte ich deshalb zusammenfassend wie folgt begruenden, unabhaengig davon, dass er selbstverstaendlich auch positive Elemente enthaelt: Erstens. Wie bei der deutschen Vereinigung soll nach diesem Vertrag am Beginn die Waehrungsunion stehen, waehrend an eine wirkliche Wirtschaftsunion zu diesem Zeitpunkt ueberhaupt noch nicht zu denken ist, geschweige denn an eine soziale Union, die sogar ausgeklammert wurde. Damit ist aber, wie bei der deutschen Vereinigung, zwingend verbunden, dass der Abstand zwischen reicheren und aermeren Regionen weiter waechst und eine wirkliche Wirtschaftsunion nicht kommen wird. Ueber diese Waehrungsunion werden Betriebe aus aermeren Regionen kaputtgewirtschaftet, bevor es eine Chance zur Sanierung und zur Strukturpolitik geben wird. Die neuen Bundeslaender werden noch haerter getroffen, und der europaeische Agrarmarkt wird weiter abgebaut. Zweitens. Die abgestimmte Aussen- und Sicherheitspolitik bereitet uns groesste Sorgen. Aus dem Vertrag ergibt sich naemlich, dass die Westeuropaeische Union als militaerischer Arm dieser Europaeischen Union fungieren soll. Das wird ein Militaerbuendnis ohne USA und Kanada sein. Es soll neben der NATO existieren und eine europaeische Eingreiftruppe ermoeglichen. Bisher konnte mir noch niemand erklaeren, wozu die Europaeische Union einer eigenen Streitmacht neben der NATO bedarf, unabhaengig davon, dass ich schon letzere fuer ueberfluessig halte. (Dr. Hartmut Soell (SPD): Dann ist das, was Sie sagen, aber sehr unlogisch!) Aber weshalb wird diesbezueglich Unabhaengigkeit von den USA und Kanada angestrebt? (Dr. Hartmut Soell (SPD): Die Logik ist nicht seine starke Seite!) Welchen Einsatz sollen diese Truppen im Unterschied zu NATO- Truppen erleben? An welche neuen moeglichen Gegnerschaften wird hier gedacht? Der Vertrag informiert darueber nicht, und, Frau Kollegin Wieczorek-Zoll, insofern meine ich auch nicht, dass im Vertrag kein militaerisches Buendnis vorgesehen ist. Es ist nach meinem Verstaendnis ein europaeisches militaerisches Buendnis vorgesehen. (Zuruf von der CDU/CSU: Da haben Sie ein falsches Verstaendnis!) Drittens. Geplant ist eine gemeinsame Asyl- und Einwanderungspolitik, die auf eine Abschottung gegenueber Osteuropa und der sogenannten Dritten Welt hinauslaeuft. Diese Abschot- tungspolitik fuehrt nicht zur Loesung der Emigrationsprobleme und der Konflikte in Osteuropa. Vizepraesident Helmut Becker: Herr Kollege Gysi, gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Bitte. Heidemarie Wieczorek-Zoll (SPD): Herr Kollege Gysi, ist Ihnen klar, dass Sie mit Ihrer Argumentation, die rechtlich nicht begruendet ist, denjenigen das Stichwort liefern, die eben die Europaeische Gemeinschaft dafuer nutzen wollen? Es muss darauf hingewiesen werden, dass das, was als Erklaerung der WEU-Staaten im Anhang steht, von uns materiell nicht mit ratifiziert wird. Dr. Gregor Gysi (PDS/Linke Liste): Aber die Absicht ist doch im Vertrag schon eindeutig zum Ausdruck gebracht. Das ist doch dann nur noch eine Frage der Entwicklung. Um die Sorgen geht es mir. Ich habe auch nur auf Gefahren hingewiesen, die damit verbunden sind. Hier wird man doch artikulieren duerfen, denke ich. Ich habe also darauf hingewiesen, dass diese Abschottungspolitik meines Erachtens nicht zur Loesung der Emnigartionsprobleme und der osteuropaeischen Konflikte beitragen wird, sondern schrittweise zu deren Unloesbarkeit, bis die Zivilisation insgesamt gefaehrdet ist, ganz abgesehen davon, dass Europa mehr als die EG ist. Ausserdem enthaelt der Vertrag nichts, aber auch gar nichts zur Aenderung der Weltwirtschaftsordnung in eine Richtung, die Fluchtursachen auch nur einschraenken wuerde. Auf Kosten der sogenannten Dritten Welt leben, und sich dann von ihr abschotten, ist gleichermassen inhuman amoralisch und letzlich auch fuer uns selbst existenzbedrohend. (Beifall bei der PDS/LL). Viertens. Eine gemeinsame Polizeipolitik in der Europaeischen Union ist nicht etwa darauf gerichtet, die Rechtsstaatlichkeit zu erhoehen und Buergerrechte zu entfalten, sondern unter dem Vorwand der gemeinsamen Kriminalitaetsbekaempfung polizeistaatliche Methoden innerhalb der Europaeischen Union durchzusetzen, Datenschutz zu verletzen, wobei jeder Nationalstaat dann die Moeglichkeit hat, sich immer auf Bruessel herauszureden. Das gefaehrdet Grundrechte der Buergerinnen und Buerger und stellt zugleich einen Missbrauch der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten dar. Fuenftens. Durch den Vertrag von Maastricht geben die Nationalstaaten Kompetenzen an den Europaeischen Rat und die EG- Kommission in Bruessel ab. Es handelt sich hierbei um Kompetenzen, die bisher bei den nationalen Parlamenten lagen. Ich habe nichts gegen eine Uebertragung von Parlamentskompetenzen auf die europaeische Ebene, wenn das Europaeische Parlament zustaendig wird. Ich habe aber etwas dagegen, wenn Kompetenzen von den Parlamenten auf die Exekutive von Bruessel verlagert werden. Dies ist eindeutig ein undemokratischer Akt. Wer sich die Bestimmungen des Vertrages zum Europaeischen Parlament durchliest, wird dabei immer wieder die gleichen Formulierungen finden. So heisst es z.B. im Titel V, Artikel J.7: "Das Europaeische Parlament kann Anfragen oder Empfehlungen an den Rat richten. Einmal jaehrlich fuehrt es eine Aussprache ueber die Fortschritte bei der Durchfuehrung der gemeinsamen Aussen- und Sicherheitspolitik durch." Das heisst ja wohl im Klartext: Das Europaeische Parlament hat nicht zu entscheiden; es darf fragen, empfehlen und sich aussprechen. Letzteres ist psychotherapeutisch sicherlich wichtig und wird wohl deshalb auch auf ein Mal im Jahr beschraenkt, aber von einer wirklichen Parlamentstaetigkeit weit entfernt. Faktisch wird das Europaeische Parlament zu einem Beratungsorgan der Exekutive. Das ist aber eine voellige Verkehrung des demokratischen Verhaeltnisses zwischen Legislative und Exekutive, die hier im Vertrag festgelegt wird. Und das gilt nicht nur fuer das von mir zitierte Beispiel der Aussen- und Sicherheitspolitik, sondern ebenso in anderen Bereichen, wo sich analoge Formulierungen wiederfinden. Gleichermassen kritisieren wir den vereinbarten Zentralismus, statt den Regionen und Kommunen mehr Verantwortung zu uebertragen. Sechstens. Vor allem kritisieren wir natuerlich auch, dass eine Sozialunion nicht verabredet wurde. Das bedeutet faktisch, dass der Druck auf die Staaten mit relativ hohem sozialen Standard zunehmen wird, Sozialabbau zu betreiben. Ich hoere jetzt schon alle Argumente, die nach der Ratifizierung des Vertrages umgehen werden. Man wird erklaeren, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland nicht zu halten sei, wenn die sozialen und demokratischen Stan- dards nicht reduziert werden, einfach weil die Produkte zu teuer und international nicht mehr absetzbar sein wuerden; die Folge waere Arbeitslosigkeit, so dass jede und jeder, der Arbeitslosigkeit verhindern will, einem sozialen und Demokratieabau zustimmen muesse. Und an diesem Argument waere ja dann auch etwas dran. Aber die Grundlage fuer dieses Argument wird unter anderem mit diesem Vertrag geschaffen. Waere die Sozialunion vereinbart worden, dann koennte ein umgekehrter Druck entstehen, naemlich dergestalt, dass sich die Standards im sozialen Bereich ebenso wie im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes erhoehen. Besonders betroffen werden wieder einmal die Frauen sein, die den Arbeitsplatzabbau und Sozialabbau immer zuerst zu spueren bekommen. Aehnliches gilt fuer die Oekologie, wo ebenfalls ein Druck nach unten statt nach oben durch den Vertrag organisiert wurden ist. Gegen viele dieser Argumente wird das allgemeine Subsidaritaetsprinzip angefuehrt. Aber wer sich den Artikel 3b im Titel II durchliest, kann sich zumindest als Jurist nur wundern. Woertlich heisst es hier: "In den Bereichen, die nicht in ihre ausschliessliche Zustaendigkeit fallen, wird die Gemeinschaft nach dem Subsidaritaetsprinzip nur taetig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Massnahmen auf Ebene der Mitgliedsstaaten nicht ausreichend erreicht werden koennen und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden koennen." So verschwommenen Formulierungen kenne ich eigentlich nur aus dem Paragraphen des DDR-Strafgesetzbuches zur Asozialitaet, mit dem man auch alles oder nichts anfangen konnte. Im Prinzip wird hier die Tuer dafuer geoeffnet, dass die Exekutive der Europaeischen Union alles an sich heranziehen kann. Denn welche nationalstaatliche Massnahme kann es noch geben, die keine Wirkungen auf Gemeinschaftsebene erreicht? Ich komme zum Schluss: Aus all diesen Gruenden muss es auch fuer jemanden, der die Europaeische Union befuerwortet, moeglich sein, zu diesem Vertrag nein zu sagen. Dies sollten wir nicht allein im Parlament entscheiden. Hier geht es um Rechte aller Buergerinnen und Buerger der Bundesrepublik Deutschland. Sie muessen deshalb beteiligt werden. Sagen Sie deshalb ja zum beantragten Volksentscheid, reden Sie mit dem Volk, vertrauen Sie ihm doch einfach einmal. (Beifall bei der PDS/LL).
© GLASNOST, Berlin 1992 - 2019