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Erich Honecker ist tot. Er starb im chilenischen Exil. Zum Tode von Erich Honecker erklaert der Vorsitzende der PDS, Prof. Dr. Lothar Bisky, am 28.Mai 1994: Es scheint, als sollte man auch von ihm sagen koennen: "Von der Parteien Gunst und Hass verwirrt, schwankt sein Charakterbild in der Geschichte." Die DDR betrachtete er als eine legitime und historisch notwendige Alternative zur Vergangenheit, als ein Gegengewicht gegen die andere Seite im Kalten Krieg. Honeckers Anstrengungen galten darum mit hohem Einsatz der Entwicklung des neuen Staates - zuletzt waehrend fast zweier Jahrzehnte als Generalsekretaer der SED und als Vorsitzender des Staatsrates, als Staatsoberhaupt dieser Republik. Dabei war er einerseits in stalinistische und poststalinistische Strukturen eingebunden - andererseits befoerderte er sie. Fuer eine bestimmte Zeit war sein Name verbunden mit Hoffnungen auf eine stark von ihm gepraegte Wirtschafts- und Sozialpolitik mit einem ausgedehnten aufwendigen Wohnungsbauprogramm, und mit einer Aussenpolitik, zielend auf Abruestung und Entspannung, verbunden mit der internationalen Anerkennung der DDR durch mehr als einhundert Staaten, der Aufnahme in die UNO und die allmaehliche, ueberaus widerspruchsvolle Normalisierung der deutsch-deutschen Beziehungen. Sein Name steht aber auch fuer die Einmauerung der DDR und des Sozialismus, fuer eine strikte Ablehnung des neuen Denkens. Erich Honecker hat nicht nur schwerwiegende Fehler begangen, sondern traegt grosse Verantwortung fuer die gesamte Fehlentwicklung, die letztlich zum Untergang der DDR fuehren musste. Daher ist auch sein Anteil an Fehlentwicklungen in der Partei und in der Gesellschaft, an Rechtsverletzungen und Einschraenkungen der Menschenrechte und der Demokratie, an der Zurueckdraengung der gesellschaftlichen Kritik und Selbstkritik sowie an der Ausschaltung und Unterdrueckung jeglicher, auch der auf die Erneuerung sozialistischer Politik gerichteten Opposition besonders hoch. Eingebunden in zahlreiche Zwaenge einer immer weniger effektiven Wirtschaft und einer wachsenden Unzufriedenheit der Bevoelkerung, blind gegenueber zahlreichen neuen politischen und sozialen Entwicklungen in der Welt und im eigenen Lande, nicht mehr faehig und wohl auch unwillig, die Risiken neuer Wege einzugehen, verharrte er unbeirrt und starr in alten Denkschemata die von der Zeit ueberholt waren. In unserer Partei wird Erich Honeckers Kampf gegen das Hitlerregime ebenso anerkannt bleiben, wie wir sein Versagen beim Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft weder beschoenigen noch entschuldigen wollen. Fuer eine wirklich differenzierte Einschaetzung seiner Biographie bedarf es eines groesseren historischen Abstandes und tieferer Erkenntnisse.Quelle: PDS Parteivorstand, 28.05.1994
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