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Der Abgeordnete der PDS/LL im Deutschen Bundestag, Dr. Hans Mo- drow, erklaert:
Drei Tage hat es gedauert, bis sich das Bundesverteidigungsmi- nisterium entschloss, die aufschlussreiche Enthuellung zu "dementieren", dass noch im Fruehjahr 1989 im Rahmen eines NATO- Manoevers der Abwurf einer Atombombe auf Dresden eingeplant war. Doch das "Dementi" ist hoechst lueckenhaft. Es steht im Wider- spruch zu Erklaerungen des damaligen Leiters des Amtes fuer Stu- dien und Uebungen der Bundeswehr. Es behauptet, dass "nie Staedte als moegliche Ziele nuklearer Einsaetze geplant" gewesen seien, aber mit keinem Wort wird dementiert, dass die NATO-Planungen den Abwurf von Kernwaffen auf das Territorium der DDR vorsahen, wovon deren Verteidigungssystem, einschliesslich der Einsatzlei- tungen in den Bezirken und Staedten, ausgehen mussten. Das "Dementi" und die Veroeffentlichungen, die die atomaren Ein- satzplanungen der NATO in das Licht der Oeffentlichkeit ruecken, werfen Fragen auf, denen man nicht ausweichen darf. Wenn 1989, in der Zeit des Tauwetters in der Ost-West-Blockkonfrontation, der Einsatz von Kernwaffen auf ostdeutsches Territorium noch Bestandteil westlicher Kriegsuebungen war, wieso werden dann Vorbereitungen in der DDR auf den Verteidigungsfall als aufse- henerregende und schaendliche Taten eines Unrechtsregimes be- trachtet, wie das heutzutage gang und gaebe ist? Warum werden dann Untersuchungen ueber die Taetigkeit von Einsatzleitungen durchgefuehrt, deren urspruengliche Aufgabenstellung aus der Tat- sache erwuchs, dass sie als Organ des Nationalen Verteidigungs- rates der DDR im Ernstfall Aufgaben zur Unterstuetzung der Streitkraefte, aber vor allem zum Schutz der Buergerinnen und Buerger unter den Bedingungen von Kernwaffenschlaegen und der Er- haltung ihres Lebens, uebertragen bekommen hatten? Mit welchem Recht werden heute Angehoerige der ehemaligen DDR-Aufklaerung, die die Kriegsspiele und -plaene des NATO-Staates Bundesrepublik aufdeckten, der geheimdienstlichen Taetigkeit gegen die Bundes- republik beschuldigt? Wieso werden sie diskriminiert, verfolgt und vor Gericht gestellt, waehrend ihre westlichen Gegenspieler allgemeine staatliche Wertschaetzung geniessen? Ganz offensichtlich handelt es sich hierbei um eine Politik und eine Justiz, die mit zweierlei Mass messen, um die Absicht der Sieger im "kalten Krieg", die eigenen Handlungen und Plaene aus der Geschichte zu tilgen, diese zu verfaelschen und an den Un- terlegenen Rache zu ueben. Wer den Abwurf von Atomwaffen uebte, hat kein Recht, Aktionen zur Abwehr solcher eingeplanten Verbrechen zu verteufeln und zum Gegenstand politischer und strafrechtlicher Verfolgungen zu machen. Die Geschichte der DDR ist auf das engste mit der der Bundesre- publik verflochten. Eine isolierte Betrachtung wird dem An- spruch auf historische Wahrheit nicht gerecht, schon gar nicht, wenn sie von der Warte des Siegers her erfolgt. Nach dem An- schluss der DDR an die BRD ist die Aufarbeitung der gemeinsamen Vergangenheit laengst zu einer Aufgabe geworden, die nur gesamt- deutsch geloest werden kann. Die Bundesrepublik verfuegt ueber alle politischen und militaeri- schen Geheimdokumente der untergegangenen DDR. Es ist hoechste Zeit, dass nunmehr nicht nur diese, sondern auch alle entspre- chenden bundesdeutschen Dokumente und Plaene auf den Tisch kom- men, damit sich Historiker, aber auch die deutsche und interna- tionale Oeffentlichkeit ein wahres, objektives Bild ueber die Ge- schichte und die Wechselbeziehungen zwischen beiden deutschen Staaten in den vergangenen Jahrzehnten verschaffen koennen. Ein- seitige Darstellungen verzerren die Wahrheit bis zur Unkennt- lichkeit, sie fuehren zwangslaeufig zu falschen Schluessen, und niemand darf sich dann wundern, wenn daraus resultierende staatsanwaltliche Untersuchungen, Haftbefehle und Strafprozesse als Siegerjustiz verstanden werden.Quelle: cl.gruppen.pds, PDS-Info Nr. 736
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