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Hartmut KraussWiederkehr der Proletarität oder Neustrukturierung sozialer Ungleichheit? Sozialstruktur und Subjektformierung im "postfordistischen" Kapitalismus - Teil 2
IV. Aktuelle Strukturmerkmale und Entwicklungsbedingungen der "Klasse der Lohnabhängigen"Abstrahiert man von den voluntaristischen und deterministischen "Zusatzannahmen" mit Blick auf die politisch-praktische Formierung der "Arbeiterklasse" als "Kollektivsubjekt", dann wird mit dem Marxschen Klassenbegriff in wissenschaftlich-systematischer Hinsicht die objektive sozialökonomische Positionierung der konkret-empirischen Individuen im bzw. zum System der gesellschaftlichen (Re-)Produktion erfaßt1. Zwar lassen sich aufgrund dieser "Verortung" im gesellschaftlichen Tätigkeitssystem in sehr allgemeiner Form "objektive Interessen" abstrahieren, aber aus dieser objektiven sozialstrukturellen "Lage" kann nicht kausal-mechanisch die konkrete Bewußtseinsentwicklung und Handlungsdisposition der "gesellschaftlichen Individuen" hergeleitet werden. Es ist folglich in der sozialstrukturtheoretischen Debatte eine strikte methodologische und begriffliche Trennung zwischen objektiver (Struktur-) und subjektiver (Bewußtseins- und Handlungs-)Ebene angebracht, um zu tragfähigen Forschungsperspektiven und -resultaten zu gelangen. Gleichfalls gilt es die konkrete Entwicklung der "Klasse der Lohnabhängigen" nicht unter der Prämisse einer stillschweigend vorausgesetzten oder nur postulierten Homogenität, sondern in der Perspektive ihrer realen Differenzierung/Heterogenität zu untersuchen. Die Formierung eines einheitlich handelnden praktisch-kritischen Kollektivsubjekts (das realhistorisch immer nur eine Teilmenge der "Klasse an sich" gewesen ist und auch zukünftig sein dürfte) wäre angesichts bestehender klasseninterner Divergenzen als mögliches (kontingentes) Resultat der gesellschaftlichen Widerspruchsentwicklung zu bestimmen bzw. zu rekonstruieren. In diesem Sinne ist aber nicht nur das deterministische Konstrukt der "historischen Mission der Arbeiterklasse" zu verwerfen (vgl. Teil 1). Ebenso ist die auf M. Weber bezugnehmende Verquickung von objektiver Lebenslage und subjektiver Orientierung im "lebensweltlich-milieutheoretisch" konzipierten Begriff der "sozialen Klasse" zurückzuweisen. Die Konfundierung von "Lagemerkmalen" und "Bewußtseinsmerkmalen" und die Umdefinierung dieser behaupteten engen Korrelation zu einer zentralen Eigenschaftsdimension von "Klassen" nimmt dem wissenschaftlichen Klassenbegriff durch Überfrachtung seine analytische Schärfe, führt zu einer Konfusion der Problemebenen und tendiert dahin, die Existenz von Klassen an historisch-spezifische Formen soziokultureller Vergemeinschaftung und Lebensführung (z.B.: präfordistisches proletarisches Milieu) zu binden. Im Rahmen der marxistisch geführten Diskussion zum Begriff der "Arbeiterklasse" sind zwei gegensätzliche Grundpositionen zu unterscheiden: 1) Bezugnehmend auf das "klassische" Fabrikproletariat als theoretisches Paradigma und damit gestützt auf eine konkret-historisch dominante Erscheinungsform von Lohnarbeit wird - in "Ausnutzung" der extrapolierenden Schwachstellen des Marx/Engelsschen und Leninschen Klassendiskurses und der dadurch bedingten Zitatenlage - für eine "enge" Definition plädiert. Demnach setzt sich die Arbeiterklasse aus den manuell tätigen, materielle Güter produzierenden Industriearbeitern der kapitalistischen Großbetriebe zusammen. Angestellte, Landarbeiter, im nichtindustriellen Bereich beschäftigte Lohnabhängige, Vorbereitungs- und Überwachungstätigkeiten verrichtende Werktätige, mit elektonischen Geräten Arbeitende u.a. gehören nach dieser Auffassung nicht zur "Arbeiterklasse". Diese Definition ist weniger wissenschaftlich orientiert als vielmehr politisch-taktisch bzw. "pragmatisch" motiviert: die Arbeiterklasse wird aufjene Kategorie von Lohnarbeitern reduziert (industrielle Handarbeiter), die vergleichsweise leicht organisierbar sind und denen darum auch eine revolutionäre "Entwickelbarkeit" leichter zugeschrieben werden kann. Die "enge" Arbeiterklasse eignet sich besser für das voluntaristische Bild der "heroischen" Arbeiterklasse. Jürgen Kuczynski (1993), der insbesondere im Anschluß an Thälmanns Trennung von Arbeitern und Angestellten auch heute noch diese "enge" Aufassung vertritt, interpretiert aus seiner Sicht folgerichtig das Wegschmelzen und den einschneidenden Bedeutungsverlust der Industriearbeiterschaft als Auflösungsprozeß der Arbeiterklasse schlechthin und gelangt damit zu jener Diagnose, die Gorz - allerdings in einem ganz anders gearteten Argumentationskontext - schon vor vierzehn Jahren verkündete: "Audieux au proletariat". 2) In Anknüpfung an Marx' kapitaltheoretisch fundierten Begriff der "doppelt freien Lohnarbeiter" spricht sich heute die Mehrheit der marxistischen Diskutanten für eine "weite" Definition der Arbeiterklasse aus. Demnach gehören die LohnarbeiterInnen schlechthin, und nicht nur die industrieproletarischen Handarbeiter, zur "Arbeiterklasse". Exemplarisch wird diese Aufassung in einem neueren Diskussionsbeitrag vertreten, der sich kritisch mit Kucynskis vom "mechanistischen Klassenbegriff Stalins" geprägter Position auseinandersetzt: "Geht es um die Arbeiterklasse, dann sind alle vom Verkauf der Arbeitskraft lebenden Menschen gemeint - die Lohnarbeiter - unabhängig von der Art der Arbeit, vom dazu notwendigen Bildungsgrad, vom Ort des Arbeitsplatzes oder der Höhe des Lohnes; unabhängig von der Benennung spezifischer Arbeitsvereinbarungen ("Beamte") oder der Gewährung besonderer sozialer oder politischer Rechte. Aus dieser Sicht zählen hochqualifizierte Intellektuelle, sofern sie nur vom Lohn leben, zur Arbeiterklasse oder besser: Lohnarbeiterklasse, wie Marx und Engels oft, den Begriff der Französischen Revolution aufnehmend, statt Arbeiterklasse sagten" (Lange 1993, S.10). Zweifellos ist der "weite" Begriff der Arbeiterklasse in abstrakt-allgemeiner Form zutreffend, da er den "kapitaltheoretischen" Wesensgehalt der Marxschen Klassenkonzeption reflektiert und nicht in den voluntaristischen Fehler verfällt, a priori bestimmte Kategorien von Lohnarbeit aus politisch-taktischen Gründen herauszuheben. Im Hinblick auf den permanenten Struktur- und Gestaltwandel der "Lohnarbeiterklasse" und den darin angelegten Prozeß der lagespezifischen Segmentierung, Pluralisierung und divergierenden Interessenbildung trägt er allerdings nicht sehr weit. Bedeutsamer dürfte deshalb die annähernde Rekonstruktion der mehrdimensionalen Differenzierungs- und Veränderungsprozesse im Spektrum der Lohnarbeit sein, die hier nur skizzenartig vorgenommen werden kann: 1) Im historischen Entwicklungsverlauf der kapitalistischen Gesellschaftsformation hat sich nicht die im Stadium des frühen Konkurrenzkapitalismus prognostizierte zweigliedrige Klassenpolarisierung zwischen Bourgeoisie und (relativ homogener) Arbeiterklasse herausgebildet, sondern eine dreigliedrige Sozialstruktur. D.h. im dialektischen Prozeß der permanenten Umwälzung der sozialstrukturellen Gliederungen und der gleichzeitigen permanenten Wiederherstellung sozialer Ungleichheitsrelationen entstehen und verfestigen sich "mittlere" Positionen, die zwischen den antagonistischen Polen "Kapital" und "Lohnarbeiterklasse" angesiedelt sind. Das Institut für Marxistische Studien und Forschung (IMSF) hatte im Rahmen seiner Analyse der sozialstrukturellen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland von 1950 bis 1974 diese "mittleren" Positionen als "selbständige" und "lohnabhängige Mittelschichten" identifiziert und zu dieser Kategorie folgende Positionsinhaber gerechnet: "die überwiegende Mehrzahl der Bauern, Handwerker, kleine selbständige Unternehmer und Händler, Angestellte und Beamte der oberen Gruppierungen, die leitende, Lohnarbeit "kommandierende" Funktionen im Reproduktionsprozeß des Kapitals innehaben...Angehörige der Intelligenz, die über Spezialistenqualifikationen verfügen und entsprechende Berufe im Betrieb und öffentlichen Dienst ausüben... Von 1950 bis 1974 ist der Anteil der Mittelschichten vor allem infolge des Bedeutungsverlustes der Landwirtschaft von über 31 auf etwa 20 Prozent der Erwerbsbevölkerung zurückgegangen. Dabei hat sich der Anteil der lohnabhängigen Mittelschichten und der lohnabhängigen Intelligenz an den Mittelschichten stark erhöht" (Leisewitz 1977, S.149). Die grundsätzlich systemstabilisierende Wirkung der sozialstrukturellen Dreiteilung hat Wallerstein (1983, S.306) hervorgehoben. Er betont, "daß die Aneignung von Mehrarbeit in einem Ausbeutungsverhältnis stattfindet, das nicht zwei, sondern drei Stufen umfaßt. Das heißt, es gibt eine Mittelgruppe, die einerseits an der Ausbeutung der unteren Schicht beteiligt ist, andererseits aber selbst von der oberen Schicht ausgebeutet wird. Ein solches Dreischichtengefüge hat seinem Wesen nach eine stabilisierende Wirkung, während ein Zweischichtengefüge wesentlich desintegrativ wirkt." Die herrschende Klasse sei zwecks Privilegiensicherung am Erhalt einer Dreischichtenstruktur mit einer "puffernden" Zwischen- oder Mittelschicht interessiert. Demgenüber arbeite die Unterklasse auf Zweiteilung hin, um die Privilegien besser zerstören zu können. Aus diesem Grunde finde ein fortwährender Kampf um die Existenz der mittleren Ebene auf politischem und ideologischem Gebiet statt. Bezeichnend sei nun, daß sich die Dreiteilung in allen Institutionen der kapitalistischen Weltökonomie manifestiere: "in der Dreiteilung der wirtschaftlichen Rolle der Regionen der Weltökonomie in Kern, Semiperipherie und Peripherie; in der organisatorischen Grundstruktur des Produktionsprozesses, man denke an die Rolle des Industriemeisters; in der Dreiteilung der Einkommens- und Statusverteilungsmuster in den kapitalistischen Kernländern; in dem Links-Mitte-Rechts-Muster der politischen Gruppierungen und Bündnisse im Weltmaßstab und auf nationaler Ebene" (ebenda). 2) Mit der kapitalistischen Erschließung nichtindustrieller ökonomischer Tätigkeitsbereiche, der Umwälzung der Produktionstechnologie, der Bedeutungszunahme vor- und nachgelagerter Bereiche der materiellen Produktion, der Ausdehnung staatlicher Interventions-, Vermittlungs- und Regulierungstätigkeiten sowie der internationalen Verdichtung der kapitalistischen (Re-)Produktion verändert sich sowohl die Größenordnung als auch die sektorale Verteilungsstruktur der Arbeitskräfte. So hat sich zum einen der Anteil der Lohnabhängigen an der Gesamtheit der bundesdeutschen Erwerbsbevölkerung deutlich erhöht: "Von 77,4%, 1960, auf 88,1%, 1981" (Deppe 1984, S.178). Andererseits hat eine "klasseninterne" Verschiebung zwischen den Hauptgruppen der Lohnabhängigen stattgefunden. "Der Anteil der Arbeiter geht absolut und relativ zurück: von 90% (1882), über 74% (1925), 72% (1950) auf 57,4% (1970) und 47,8% (1981). Dementsprechend erhöhte sich der Anteil der Angestellten von 29% (1960) auf 42,7% (1981), der der Beamten von 6% (1960) auf 9,5% (1981)" (ebenda). Hintergrund dieser Umschichtungsprozesse sind Verschiebungen im Verhältnis der volkswirtschaftlichen Sektoren: rapider Bedeutungsverlust der Landwirtschaft, Rückgang des produzierenden Gewerbes; Wachstum des Dienstleistungssektors und der staatlichen Beschäftigungsverhältnisse. "Greift man einzelne Berufsgruppen heraus, so hatten zwischen 1970 und 1980 eine zunehmende Tendenz: Zahntechniker, Konditoren, Köche, Verkäufer, Bankfachleute, Datenverarbeitungsfachleute, Bürokräfte, Masseure u.ä., Krankenschwestern, Sprechstundenhelfer, Medizinlaboranten, Sozialarbeiter, Sozialpfleger, Sozialpädagogen, Lehrer...Zu jenen Berufsgruppen mit abnehmender Tendenz in den 70er Jahren gehörten: Landarbeitskräfte, Bergleute, Gummihersteller, Kunststoffverarbeiter, Dreher, Stahlschmiede, Weber, Schneider, Schumacher, Backwarenhersteller, Kalkulatoren, Buchhalter, Bürohilfskräfte, Hauswirtschaftskräfte, Wäscher" (Jung 1983, S.59). In Verbindung mit der Ausdehnung der Angestelltentätigkeit ist eine wachsende "Feminisierung" der Büroberufe zu verzeichnen. So sind allein im Bereich der Organisations-, Verwaltungs- und Büroberufe knapp 30 Prozent der insgesamt etwa 9 Millionen erwerbstätigen Frauen beschäftigt. Während die Anzahl der erwerbstätigen Frauen in diesem Sektor in der Zeit von 1976 bis 1985 um rund 300.000 gestiegen ist und einen Anteil von fast 60% in diesem Berufsbereich erreicht hat, hat sich die absolute Anzahl der erwerbstätigen Männer kaum verändert. 3) Infolge der wissenschaftlich-technischen Effektivierung der (Re-)Produktionsprozesse, der "arbeitswissenschaftlich" begründeten Umwandlung der Managementpraktiken und der dadurch beinflußten Veränderung des konkreten Anforderungsprofils der Lohnarbeit kommt es zur schubweisen Ausdifferenzierung der Qualifikationsstruktur der Lohnabhängigen. D.h. es entstehen interindividuell unterschiedene qualifikatorische "Güteformen" von angebotenen Arbeitsvermögen, die auf dem Arbeitsmarkt ungleiche (hierarchische) Chancenverhältnisse betreffs Einkommen, Arbeitsplatzgestaltung, Entscheidungsspielraum, Arbeitsplatzsicherheit, Aufstiegsmöglichkeiten etc. stiften und entsprechende disparate Interessenlagen, Erwartungshorizonte und Orientierungen bedingen. Exemplarisch sei hier auf die Relation von Ungelernten, Angelernten und Facharbeitern oder auf das Konkurrenzverhältnis von Sonderschul-, Hauptschul-, Realschul-, Fachoberschulabsolventen und Abiturienten hingewiesen. Vergleicht man die Ausbildungsstruktur der Erwerbstätigen in West- und Ostdeutschland auf der Basis statistischer Daten von 1989/1990, so ergibt sich folgendes Bild: 1. ohne abgeschlossene Berufsausbildung: 9% (Ost), 19% (West); 2. Facharbeiterabschluß: 59% (Ost), 64% (West); 3. Meisterabschluß: 7% (Ost), 7% (West); 4. Fachschulabschluß: 16% (Ost), 4% (West); 5. Hochschulabschluß: 9% (Ost), 6% (West) (vgl.Schupp/Wagner 1991, S.327). Der individuelle Besitz von "Bildungskapital" bzw. "institutionalisiertem Kulturkapital" in Gestalt von Titeln, Zeugnissen, Zertifikaten, Berufsbezeichnugen etc. wird damit im historischen Ausformungsprozeß der Lohnarbeit zu einer zentralen "Ressource" im subjektivem Möglichkeitsraum lohnabhängiger Existenzgestaltung. Er definiert grundlegend den Zugang zu bzw. Ausschluß von begehrten Positionen und präformiert in einschneidender Weise das Arbeitsmarktschicksal. Die qualifikatorische Differenzierung der Lohnabhängigen korreliert allerdings - vor dem Hintergrund einer generalisierten Anhebung des durchschnittlichen formalen Allgemeinbildungsniveaus - mit einer inflationären Expansion von "Bildungsabschlüssen" bis hin zu gravierenden Dequalifizierungen/Entwertungen spezifischer Arbeitsvermögen: "Da aber die materiellen und symbolischen Profite, die der schulische Titel garantiert, auch von dessen Seltenheitswert abhängen, kann es vorkommen, daß die Investitionen an Zeit und Anstrengung sich als weniger rentabel herausstellen, als bei ihrer ursprünglichen Verausgabung erwartet werden konnte. In diesem Falle hat sich der Wechselkurs zwischen kulturellem und ökonomischem Kapital de facto verändert" (Bourdieu 1983, S.190).
4) Der aktuelle Trend läuft eindeutig in Richtung auf einen
einschneidenden Abbau von Arbeitsplätzen mit niedrigen
Qualifikationsanforderungen und verschärft entsprechend den
existentiellen Problemdruck für niedrigqualifizierte
Lohnabhängige. Andererseits erhöht sich der Anteil von
Arbeitskräften mit mittlerer und hoher Qualifikation, so daß
verallgemeinernd von einer tendenziellen Höherqualifizierung im
Rahmen allerdings stark polarisierender Prozesse gesprochen
werden kann. Als allgemeine Regel gilt im Vergleich zu früher,
daß "mehr Bildung aufgewandt werden
Ausgehend von der Expansion und Bedeutungszunahme der
"Spezialisten" bzw. der lohnabhängigen Intelligenz und deren
sukzessiver Verschmelzung mit der "modernen" Arbeiterklasse
konstatiert Wassiltschuk (1992, S.28) folgende
arbeiterklasseninterne Strukturveränderung: "die Entwicklung der
WTR (wissenschaftlich-technische Revolution, H.K.) hat die Rolle
ihres Kerns vom traditionellen Industrieproletariat zuerst zu
den Arbeitnehmern der technologisch fortgeschrittensten Branchen
der Massenproduktion verschoben (in den USA bereits in den 50er
- 60er Jahren), und danach zu den Arbeitnehmern des
Informationssektors - zur Arbeiterintelligenz...oder zur 'neuen
Arbeiteraristokratie'". Wesentlich bedingt durch die
qualifikatorischen Differenzierungs- und Polarisierungsprozesse
kristallisieren sich innerhalb der "Klasse der Lohnabhängigen"
qualitativ unterschiedliche arbeitsmarktbezogene Chancenprofile
heraus. Kreckel (1992) unterscheidet mit Bezug auf die
Beschäftigungsverhältnisse des (privat-)kapitalistischen
Wirtschaftssektors in der Bundesrepublik am Ende der 80er Jahre
die folgenden "arbeitsmarktstrategischen Lagen":
1) rechtlose Arbeitskräfte (illegale Einwanderer und
SchwarzarbeiterInnen). "Sie sind kriminalisiert, so daß ihre
Erwerbstätigkeit gewissermaßen in einem rechtsfreien Raum
stattfindet" (ebenda, S.203).
2) marginalisierte Gruppen (un- und dequalifizierte weibliche,
ältere und behinderte Arbeitskräfte; Jugendliche ohne
ausreichende Bildungs- und Ausbildungsabschlüsse;
GastarbeiterInnen; HeimarbeiterInnen, befristet und
(Teilzeit-)Beschägtigte; in "Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen
Beschäftigte).
3) Un- oder dequalifizierte "Normalarbeitskräfte" (Beispiel: Von
der Lehre bis zum Rentenalter kontinuierlich beschäftigter
unge-lernter Arbeiter).
4) angelernte SpezialarbeiterInnen und einfache Angestellte.
5) "in sich" chancenungleiche Facharbeitskräfte mit den
Gruppierungen: a. bedrohte Fachqualifikationen; b. marktgängige
Fachqualifikationen; c. aufgewertete Fachqualifikationen.
6) akademische Fachqualifikationen.
7) abhängige Erwerbspositionen mit Leitungs- und
Managementfunktionen. "Voraussetzung für derartige Funktionen
ist, neben der erforderlichen Sachqualifikation, immer auch die
Befähigung zur Übernahme des Unternehmerstandpunktes" (ebenda,
S.208).
5) Die sektorale, qualifikatorische und arbeitsmarktstrategische
Differenzierung der Lohnabhängigen im Rahmen der dreigeteilten
Sozialstruktur des "entwickelten" Kapitalismus vollzieht sich
auf der Basis eines im Vergleich zum "Vorkriegskapitalismus"
qualitativ gewandelten Widerspruchsverhältnisses zwischen
Lohnarbeit und Kapital. In Anknüpfung an Gramscis in den
Gefängnisheften niedergeschriebenen "Amerikanismus- und
Fordismusanalysen" wird diese historisch neue Form der
antagonistischen Klassenbeziehungen als ein Kernaspekt der
"fordistischen" Entwicklungstufe der kapitalistischen Formation
behandelt. "Wissenschaftlich gerechtfertigt ist die Verwendung
des Begriffs "Fordismus" dadurch, daß das in den Fordschen
Fabriken realisierte produktionsorganisatorische Konzept mit dem
sozialen und ökonomischen Umfeld, das es erforderte, im Kern die
Struktur der Formation enthielt, die der Kapitalismus in den
Jahrzehnten um die Mitte des 20. Jahrhunderts weltweit
ausgeprägt hatte" (Hirsch/Roth 1986, S.45).
Die Grundlage der fordistischen Reorganisation des Kapitalismus
und der damit verbundenen Umgestaltung der Lohnarbeit bildet die
tayloristische Umwälzung des Arbeitsprozesse, also die
'arbeitswissenschaftliche' Zerlegung des Arbeitsprozesses in
einfache, standardisierte Einzelkomponenten mit folgenden
weitreichenden Konsequenzen:
a) extreme Vertiefung der Arbeitsteilung ("Zerstückelung") und
systematische Dequalifizierung der Lohnarbeiter/-innen;
b) 'Verschärfung' des Arbeitsregimes mittels wachsender
Intensivierung, Disziplinierung und Kontrolle des
Produktionsprozesses durch das Management;
c) enorme Steigerung der Arbeitsproduktivität als Grundlage für
die Massenproduktion von Konsumgütern und die Anhebung des
Lohnniveaus (Erschließung der Arbeitskräftereproduktion als
neues profitables Anlagefeld des Kapitals);
d) Ausdehnung der Lohnarbeit zu Lasten landwirtschaftlicher und
handwerklicher Produktion sowie häuslicher Dienste und damit
verbundene Zurückdrängung traditioneller (vorkapitalistischer)
(Re-)Produktionsformen.
"Die Steigerung der Arbeitsproduktivität ermöglichte auf längere
Sicht eine fühlbare Erhöhung des realen Lohnniveaus und ließ
damit zumindest relevante Teile der Arbeiterklasse zu
Konsumenten industriell erzeugter Massenprodukte werden. Ein
neues, traditionelle Reproduktionsformen ersetzendes
Konsummodell entstand. Autos, Kühlschränke, Rundfunkgeräte
wurden zu Artikeln des Massengebrauchs" (ebenda, S.51).
Die elementare sozialstrukturelle Wirkung der fordistischen
Reorganisation der kapitalistischen deutschen
Nachkriegsgesellschaft ist vor diesem Hintergrund durchaus
zutreffend als "Fahrstuhleffekt" (Beck) beschrieben worden: d.h.
die sozialen Ungleichheitsrelationen reproduzieren sich auf
einem insgesamt höheren Lebensniveau, ohne daß sich dadurch die
sozialökonomischen und partizipatorischen "Abstände" zwischen
den Klassen verringert hätten. Mooser, der die Veränderung der
Reproduktionsbedingungen der Arbeiterschaft detailliert
untersucht hat, bezeichnet den Anstieg und die Verbesserung der
Lebenshaltung der Arbeiterhaushalte nach 1950 als "spektakulär,
umfassend und sozialgeschichtlich revolutionär". "Von den 1880er
Jahren bis 1970 hat sich der durchschnittliche Reallohn der
Industriearbeiter mehr als verdreifacht, wobei der größte Sprung
in die Zeit nach 1950 fiel. Er stieg nicht nur absolut, sondern
auch in relativ kurzer Zeit auf eine vorher unbekannte Höhe. Ist
der Grad des Reallohnzuwachses im letzten Jahrzehnt auch
zurückgegangen, so blieb doch bisher die Wohlstandssteigerung
vielleicht die zentrale Erfahrung (auch) der Arbeiter in der
Bundesrepublik, die eine Quelle für die politische Stabilität
wurde, nicht zuletzt infolge der anderen wirtschaftlichen
Entwicklung in der DDR" (Mooser 1983, S.286).
Neben dieser deutlichen Anhebung des Reallohn- und Konsumniveaus
wird der qualitative Wandel der lohnarbeitstypischen
Reproduktionsform wesentlich bestimmt durch die Etablierung des
"fordistischen Wohlfahrtstaates" mit seiner bürokratischen
Regulierung der Lohnarbeitsrisiken. Die staatliche Unterstützung
in Notlagen (Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit etc.) wird
ebenso systematisch verrechtlicht wie die Organisation der
beruflichen Qualifikationsprozesse (Fortbildung und Umschulung).
Auf diese Weise wird die existenzielle Erfahrung der
Lohnabhängigkeit zunehmend "individualisiert". In diesem Kontext
kommt es dann zu einer grundlegenden Veränderung im
organisatorischen Beziehungsmuster zwischen Staat, Kapital und
Arbeiterklasse: "Die Reproduktion der Arbeitskraft und die
Regulation der Arbeits- und Lohnverhältnisse wurde mehr und mehr
zu einer Angelegenheit des Zusammenspiels von
Staatsadministration und gewerkschaftlichen und
unternehmerischen Großorganisationen. Damit verändern sich die
Klassenbeziehungen des Staats grundlegend: die Entwicklung
reformistisch-massenintegrativer 'Volks'-Parteien und die
Entstehung sozialpartnerschaftlich-korporativer
Politikstrukturen bedeuteten einen 'passiven Einbau' der
Arbeiterklasse in den Staat, der den Klassenkonflikt zugleich
bürokratisch stillstellte und in etatistischer Form
politisierte. Die Etablierung des fordistischen Staates
bezeichnete deshalb insoweit auch das Ende der historischen
Arbeiterbewegung." (Hirsch 1990, S.102)
6) Die Krise der fordistischen Regulierungsform des Kapitalismus
und die daraus hervorgegangene "neokonservative Wende" hat im
Verlauf der 80er Jahre zum Teil gravierende Einschnitte in die
"sozialstaatlichen" Sicherungssysteme zur Folge gehabt, zur
Herausbildung neuer Armutsverhältnisse beigetragen und die
sozialstrukturellen Ungleichheits- und Polarisierungstendenzen
erheblich verschärft (vgl. Teil 1, S.28f.).
Dabei sind im vorliegenden Kontext insbesondere zwei eng
miteinander verbundene prozeßrelevante Aspekte hervorzuheben:
1. die scharfe Selektion der - vom kapitalistischen
Verwertungsstandpunkt aus "evaluierten" - "leistungsfähigsten"
Arbeitskräfte (jung, hochqualifiziert, anpassungsfähig,
flexibel, diszipliniert, konform) aus einem strukturellen
"Überangebot" an "Arbeitsanbietern";
2. die tendenzielle Spaltung der Lohnabhängigen in zwei
divergierende "Abteilungen" bzw. Reproduktionsniveaus: zum einen
die gut qualifizierten, relativ hochbezahlten "Inhaber" von
relativ festen ("Normal"-)Arbeitsplätzen mit der Möglichkeit zur
positiven Zukunftsplanung und -gestaltung; zum anderen die
nicht-, unzureichend und disparat qualifizierten Arbeitskräfte
mit einfachen, relativ niedrig bezahlten, unsicheren,
flukturierenden "Jobs" ohne "fundierte" Zukunftsperspektive in
ständiger "Nähe" zur Arbeitslosigkeit.
Allerdings kann nicht davon gesprochen werden, daß im Zuge der
neokonservativen Offensive das "wohlfahrtstaatliche"
Regulierungssystem grundlegend zerstört worden sei. Gerade in
Anbetracht der Lasten der deutschen Wiedervereinigung und der
ökonomischen Krisenprozesse in der ersten Hälfte der 90er Jahre
wäre die ins Mark gehende Demontage des "Sozialstaates" - in
seiner Funktion als Eckpfeiler des Klassenkompromisses im
entwickelten deutschen "Metropolen-Kapitalismus" - nur um den
Preis schwerer destabilisierender Erschütterungen zu
realisieren. Deshalb bleibt - wenn auch in reduzierter und
"gestutzter" Form - die sozialadministrative "Pufferung" der
Lohnarbeitsrisiken erhalten. Als hervorstechendes
sozialökonomisches und -strukturelles Merkmal des
"postfordistischen" Kapitalismus hat sich seit der Krise Mitte
der 70er Jahre die dauerhafte Brachlegung von variablem Kapital
und damit die Herausbildung einer Masse von chronisch
ausgegrenzten und überschüssigen Arbeitskräften im Weltmaßstab
"habitualisiert". Dieser Prozeß vollzieht sich unabhängig vom
Konjunkturzyklus und ist Ausdruck der weitgehenden Deformation
der kapitalistischen Krise in ihrer Funktion als
selbstregulierender ("reinigender") Systemfaktor.
Die globalisierte Kapitalreproduktion hat offensichtlich ein
wissenschaftlich-technisches Intensitäts-, Produktivitäts- und
organisches Zusammensetzungsniveau erreicht, das die
quantitative Nachfrage nach "verwertbarer" lebendiger
Arbeitskraft teils stagnieren, teils absolut sinken läßt.
Während diese der kapitalistischen Verwertungslogik
entspringende Produktion einer absoluten Überbevölkerung an der
Peripherie als Massenverelendung ganzer Weltregionen in
Erscheinung tritt, entwickelt sich in den Zentren eine wachsende
"Unterklasse" von Langzeit- und Dauerarbeitslosen. Der
"postfordistische" Kapitalismus ist folglich durch eine
qualitativ neue globale und nationale Spaltung in "fungierendes"
und marginalisiertes sowie ausgegrenztes/überschüssiges
variables Kapital gekennzeichnet. Kronauer u.a. (1993) haben in
einer neueren Untersuchung zur aktuellen Dynamik sozialer
Ausgrenzung in Deutschland die psychischen und strategischen
Verarbeitungsprozesse von Langzeitarbeitslosen untersucht und
typologisiert.
In ihrer Auswertung gelangen sie zu dem Ergebnis,
"daß die offiziellen Statistiken das Potential derer, die von
Ausgrenzung bedroht oder bereits ausgegrenzt sind, systematisch
unterschätzen. In unserem Befragungssample arbeitsloser
Männer...hat jeder fünfte bereits die eigenen Versuche, eine
Arbeitstelle zu finden, eingestellt und gehört der Schicht der
Dauerarbeitslosen an. Jeder dritte ist dabei, diesen Schritt zu
tun, oder hat ihn bereits vollzogen. Das sind annähernd drei
Viertel der über zwei Jahre arbeitslosen Männer" (ebenda,
S.237).
7) Zusätzlich zu den bislang skizzierten Veränderungs- und
Differenzierungsprozessen der Lohnarbeit sind als weitere
erfahrungs- und interessenrelevante Fraktionierungstendenzen
geschlechtsspezifische, ethnische, altersbezogene etc.
Unterteilungen und regionale Ungleichheitsverhältnisse zu
berücksichtigen. D.h. Geschlecht, Nationalität bzw. ethnische
Zugehörigkeit, Lebensalter, Behinderung, regionale "Verortung"
etc. definieren spezifische Ungleichheiten und
Chancenunterschiede im Rahmen der lohnarbeitstypischen
Reproduktionsform. Mit der "Wiedervereinigung" Deutschlands in
Form der einfachen Übertragung der westdeutschen
kapitalistischen Systemstruktur und seiner
Regulierungsmechanismen auf das ("Anschluß"-)Gebiet der
ehemaligen DDR ist eine neue sozialstrukturelle Spaltungs- und
Differenzierungsdimension entstanden. In Verbindung mit der
ökonomischen, politischen, rechtlichen und moralischen Bewertung
der systemspezifisch gewachsenen gesellschaftlichen
Lebensverhältnisse in Ostdeutschland am Maßstab
bürgerlich-kapitalistischer Rationalitätsstandards hat sich ein
spezifisches regionales Ungleichheitsverhältnis
herauskristallisiert. Als Ungleichheit konstituierende
Strukturierungsfaktoren sind in diesem Zusammenhang folgende
Aspekte anzuführen:
a) die Erzeugung einer flächendeckenden
Massenarbeitslosigkeit infolge einer gezielten
Deindustrialisierungspolitik (vgl. Teil 1, HINTERGRUND I/94,
S.28) und damit die "Verwandlung" gut eines Drittels der
ostdeutschen Erwerbsbevölkerung in Transfereinkommensbezieher;
b) die Entwertung DDR-spezifischer Qualifikationen,
Bildungsabschlüsse und Berufsbilder;
c) die nachhaltige Verdrängung ostdeutscher Frauen aus der
Erwerbstätigkeit;
d) die Verletzung des Prinzips "gleicher Lohn für gleiche
Arbeitsleistung" via Tarifeinkommensdiskriminierung der
ostdeutschen Lohnabhängigen;
e) die Übertragung der altbundesrepubikanischen
"marktwirtschaftlichen" Preisstruktur auf Ostdeutschland;
f) der Statusverlust ehemaliger Beschäftigter im Partei- und
Staatsapparat sowie im Hochschulsektor der DDR. Die in diesem
"Vereinigungskontext" bewirkte soziale Spaltung zwischen West-
und Ostdeutschland verdichtet sich nicht zuletzt in der ungleichen
Einkommensstruktur als wesentlicher Indikator:
"Während in der alten BRD nur etwa ein Zehntel der privaten
Haushalte ein verfügbares Einkommen von unter 1500,-DM angaben,
das man getrost als Armutseinkommen einstufen kann, so traf dies
für nahezu die Hälfte aller DDR-Haushalte zu. Umgekehrt
verfügten 54% der westdeutschen, aber nur 6% der ostdeutschen
Haushalte über ein Nettoeinkommen von über 3000,-DM" (Kreckel
1992, S.291).
V. Widersprüchliche Aspekte der "modernen"
Vergesellschaftungsbedingungen der Lohnabhängigen
Die objektive Differenzierung der "Klasse der Lohnabhängigen"
und die damit verbundene Herausbildung z.T. ungleichartiger und
divergenter Interessenlagen setzt natürlich nicht die
"übergreifende" Erfahrung und damit gegebene subjektive
Bewältigungsnotwendigkeit der allgemeinen Bedingungsfaktoren und
kohärenten Merkmale der lohnarbeitstypischen Existenz- und
Reproduktionsweise außer Kraft. Insofern ist es m.E. auch nach
wie vor sinnvoll, von einer tiefenstrukturell wirksamen
lohnarbeitstypischen "Klassensubjektivität" auszugehen. Als
Konstituenten dieser spezifischen Subjektivitätsform sind primär
folgende, durch die existentiellen Bedingungen und Risiken der
Lohnabhängigkeit geprägten psychischen Prozeßmerkmale in
Rechnung zu stellen:
a) Optimierung bzw. Stabilisierung der Verwertungsbedingungen
des individuellen Arbeitsvermögens als zentraler
"Ausrichtungsfaktor" der psychischen Tätigkeitsregulierung und
eine damit korrespondierende (labile) Zukunftsperspektive;
b) Verarbeitungsnotwendigkeit lagespezifischer
Ungewißheiten/Risiken: "mikrosoziale" Sorge um den Erhalt, die
Verbesserung oder Wiedererlangung des/eines Arbeitsplatzes im
Spektrum der "makrosozialen" Anarchie der kapitalistischen
Systemreproduktion;
c) Verarbeitungsnotwendigkeit des weitgehenden Entzugs von
Realitätskontrolle im Arbeitsprozeß;
d) Verarbeitungsnotwendigkeit der interindividuellen
Konkurrenzbeziehungen (Arbeitsmarktkonkurrenz;
Konkurrenzverhalten am Arbeitsplatz) im Kontrast zur
gewünschten/ersehnten Herstellung "solidarischer" und
"freundschaftlicher" Subjektbeziehungen;
e) Ausrichtung an bewertenden kapitalistischen Instanzen
(allgemeine kapitalfunktionale Moral; Firmenleitung;
Personalchef; unmittelbare Vorgesetzte; Bewerbungsverhalten).
Diese elementare Klassensubjektivität manifestiert sich weder
zwangsläufig in uniformen Weltbildern, gleichförmigen
politischen Einstellunugen, identischen Werthaltungen oder
kongruenten Lebensstilen etc., sondern kristallisiert sich in
multivarianten "inhaltlichen" Ausgestaltungen, die in ihrer
Oberflächenbeschaffenheit stark kontrastieren können.
D.h. das Grundcharakteristikum der lohnarbeitstypischen
Klassensubjektivität ist nicht ihre "inhaltliche" Konkretheit,
sondern ihre "Zentrierung" bzw. "Erfülltheit" durch die
psychischen Regulierungsanforderungen der individuellen
Selbstreproduktion im Rahmen der lohnarbeitstypischen
Existenzform. Damit entzieht sie sich auch einer selektiv und
eindimensional ausgerichteten, an jeweilig dominanten
Theoriemoden orientierten empirisch-soziologischen
"Bewußtseinsforschung", die ihre sich selbst bestätigenden
Prophezeihungen pflegt. Ausgangspunkt dieser
empirisch-soziologischen, neuerdings "kulturalistisch"
auftretenden Beobachtungs- und Reflexionslogik ist die implizite
Gleichsetzung von "Klassenbewußtsein"/Klassensubjektivität mit
ihrer traditionellen ("präfordistischen") Erscheinungsform: Wenn
die "Lohnarbeiter" aufhören die selben Wohngegenden zu
bevölkern, die selben Parteien zu wählen, die gleiche Kleidung
zu tragen, die gleichen Lieder zu singen, den selben Hobbies
nachzugehen, den gleichen "Lebensstil zu pflegen etc., dann
verschwindet damit, so wird geschlußfolgert, auch die
Klassensubjektivität.
Demgenüber sind aber die "Pluralisierung der Lebensstile" und
die "Ausdifferenzierung neuer Sozialmilieus" weder als Gegensatz
noch als Auflösung der Existenz der in ihren Umrissen kurz
skizzierten" Klassensubjektivität" zu deuten. Vielmehr handelt
es sich hierbei um oberflächenorientierte begriffliche
Fixierungen jener symbolischen "Outputs", die als
Verarbeitungsresultate der lohnarbeitstypischen existentiellen
Grunderfahrungen angesichts eines vielgestaltigen
spätkapitalistischen Bedeutungsensembles (Werbung, Mode, Medien,
Politik etc.) zu dechiffrieren wären. In dieser
subjektwissenschaftlichen Perspektive könnte die
"Lebensstilforschung" durchaus als "eine notwendige Ergänzung
und sinnvolle Verfeinerung der herkömmlichen SSA
(Sozialstrukturanalyse, H.K.)" (Müller 1992a, S.58) fungieren.
Allerdings vermittelt sich die dialektische Beziehung von
abstrakt-allgemeiner Einheitlichkeit ("Klassensubjektivität")
und konkreter Mannigfaltigkeit (Einstellungmuster, Lebensstile
etc.) nicht mehr spontan zu einer homogenen Klassenmentalität
und Interessenwahrnehmung, -formierung und -artikulation. Es
stellt sich somit die Frage nach den veränderten
Vergesellschaftungsbedingungen der Lohnabhängigen angesichts a)
der objektiven "Heterogenisierung" ihrer Binnenstruktur sowie b)
dem relativ weitgehenden Wandel ihrer Lebensweise. Lange Zeit
wurde die klassische "proletarische" Gestalt der
lohnarbeitstypischen Existenzweise als Ursprungs- und
Normalform hypostasiert. Entsprechend galt der
"Verelendungsdiskurs" in Kreisen der traditionellen Linken als
weitgehend unantastbar. Heute aber wird deutlich, daß die
"proletarische" Gestalt der lohnarbeitstypischen Existenzweise
lediglich ein historisch-spezifisches Durchgangsstadium im
Freisetzungsprozeß der Individuen aus traditionalen sozialen
Bindungen und Prägungen gewesen ist.
Marx und Engels hatten den radikalen Wandel der
Vergesellschaftungsbedingungen und Sozialbezüge der Individuen
als wesentliches Moment der revolutionären Durchsetzung
bürgerlich-kapitalistischer Verhältnisse klar erkannt und den
prinzipiell "flüssigen" Charakter der kapitalistisch bestimten
Sozialbeziehungen deutlich herausgestellt: "Die Bourgeoisie, wo
sie zur Herrschaft gekommen, hat alle feudalen,
patriarchalischen, idyllischen Verhältnisse zerstört. Sie hat
die buntscheckigen Feudalbande, die den Menschen an seinen
natürlichen Vorgesetzten knüpften, unbarmherzig zerrissen und
kein anderes Band zwischen Mensch und Mensch übriggelassen als
das nackte Interesse, als die gefühllose "bare Zahlung"...Die
fortwährende Umwälzug der Produktion, die ununterbrochene
Erschütterung aller gesellschaftlichen Zustände, die ewige
Unsicherheit und Bewegung zeichnet die Bourgeoisepoche vor allen
anderen aus. Alle festen eingerosteten Verhältnisse mit ihrem
Gefolge von altehrwürdigen Vorstellungen und Anschauungen werden
aufgelöst, alle neugebildeten veralten, ehe sie verknöchern
können" (MEW 4, S.464f.).
In der frühkapitalistischen Phase verarbeiteten die von den
revolutionären Freisetzungsprozessen betroffenen "doppelt
freien" LohnarbeiterInnen jene von den industriellen
Umwälzungsprozessen gesetzten Verhaltens- und
Vergesellschaftungsanforderungen noch im Rahmen der
überlieferten und in ihrer Prägekraft noch ungebrochenen
Mentalitäts- und Vergemeinschaftungsformen (vgl. Thompson 1987).
Insofern basierte der frühproletarische
Vergesellschaftungsprozeß noch auf
vorkapitalistisch-plebejischen Komponenten. Hinzu kam, daß der
faktisch vollständige Ausschluß von der Teilhabe am selbst
produzierten gesellschaftlichen Reichtum und das Verwiesensein
auf eine individuelle Reproduktionsweise am Rande des
Existenzminimums eine "Identitätsbildung" auf der Grundlage
einer individualisierten Lebensführung noch nicht zuließ.
Vielmehr bildeten sich in Gestalt der "proletarischen
Öffentlichkeiten" (vgl. Negt/Kluge 1973) allmählich Orte einer
sozialen Identitätsbildung, in deren Kommunikationszusammenhang
die lagespezifischen Elends-, Ausbeutungs- und
Ausschließungserfahrungen synthetisiert und relativ homogen zu
einer "proletarischen Weltanschauung" verarbeitet wurden. Brock
(1988, S.423) umreißt die Lebensführung der deutschen
Industriearbeiter vor dem 1. Weltkrieg folgendermaßen: "Fabriken
und Wirtshäuser waren die wichtigsten Orte, an denen sich die
'sozialdemokratischen Öffentlichkeiten' entwickeln konnten.
Ob man sich nun am Arbeitsplatz mit Kollegen unterhielt oder mit
Genossen im Wirtshaus zusammensaß, ob man politische
Versammlungen oder Kundgebungen besuchte, sich wissenschaftliche
Vorträge anhörte, Sport trieb oder mit anderen einen Ausflug
machte: In allen Fällen bewegte man sich unter gleichen und
Gleichgesinnten, in Situationen, die gewissermaßen "Exklaven" im
ansonsten unbefriedigenden und perspektivlosen Lebensalltag
waren." Insbesondere die Verflechtung zweier Prozesse bewirkt
schließlich eine Zäsur in der Existenz- und
Vergesellschaftungsweise der LohnarbeiterInnen, die in
(West-)Deutschland erst nach dem 2. Weltkrieg zum Tragen kommt:
* Zum einen die tendenzielle Höherentwicklung der
Reproduktionsanforderungen der "Ware Arbeitskraft" infolge der
Intensivierung und partiellen Höherqualifizierung der
Industriearbeit: "Die Wettbewerbs- und Gewinnsituation der
kapitalintensiven Produktionsstätten verbessert sich gerade über
die intensivere und qualifiziertere Arbeit, die eine besser
ernährte, erholte und gebildete Arbeiterschaft zu leisten
vermag" (ebenda, S.425).
* Zum anderen die "fordistische" Reorganisierung des gesamten
kapitalistischen Gesellschaftssystems; vor allem die
kapitalistische Durchdringung der Reproduktions- und
Freizeitsphäre sowie die Konstituierung und permanente
Ausgestaltung/Neuformierung der kapitalistischen Massenkultur
(s.o.). Kernaspekt dieser Umwälzung ist die teils
kapitalfunktionale, teils erkämpfte, "sozialpartnerschaftlich"
begründete Teilhabe am gesellschaftlichen Reichtum als Basis für
eine subjektiv spürbare Verbesserung der individuellen
Lebensführung. "Im Zentrum des neuen Musters der Lebensführung
steht nicht mehr das gemeinschaftliche Interesse zu überleben,
sondern die individuellen Reproduktionsbedürfnisse der
Haushaltsmitglieder und die Regenerations- und
Reproduktionsanforderungen an ihre Arbeitskraft. Von dem alten
Typus der Lebensführung hebt sie sich nicht zuletzt durch
Freiräume und Wahlmöglichkeiten innerhalb eines immer breiter
werdenden Angebots an Gütern und Dienstleistungen ab" (ebenda,
S.426).
Diese Höherentwicklung der materiellen Reproduktionsweise der
Lohnabhängigen impliziert als gegenläufigen Prozeß die
weitgehende Defunktionalisierung der "aus der unmittelbaren Not
geborenen" proletarischen Gegenöffentlichkeiten und
Vergemeinschaftungsformen. So reduziert die Zurückdrängung
sinnfälliger Elendserfahrungen die kompensatorische Bedeutung
"proletarisch-gegenkultureller" Kontaktnetze und
Kommunikationszusammenhänge für die kollektive
Interessenartikulation und -durchsetzung sowie für die
individuelle Sinngebung, psychische Stabilisierung und
Identitätsbildung. Zwar kann weder von einer Auflösung der
"Klasse der Lohnabhängigen" noch von einer Überwindung der
Klassensubjektivität im skizzierten Sinne gesprochen werden.
Wohl aber ist eine tendenzielle "Entgemeinschaftung" der
LohnarbeiterInnen sowie eine grundlegende
Veränderung/"Modernisierung" ihrer Lebenseinstellungen
festzustellen.
Der radikale Wandel der lohnarbeitstypischen Existenz- und
Reproduktionsweise manifestiert sich nachdrücklich in der
Herausbildung eines veränderten "modernen
Grundverarbeitungsmusters" (Brock) der kapitalismusspezifischen
Verhaltensanforderungen und -zwänge. Im Zentrum dieser
subjektiven Tätigkeitsregulierung steht nicht mehr die spontane
Orientierung an kollektiver ("klassenkämpferischer")
Interessenverfolgung und -organisierung, sondern die Entwicklung
individueller Strategien der optimalen Vermarktung der eigenen
Arbeitskraft mit dem dazu passenden "utilitaristischen"
Orientierungs- und Sinnsystem. Dieser "moderne"
Vereinzelungseffekt in der Bewältigung der lohnarbeitstypischen
Existenzbedingungen speist sich insbesondere aus folgenden
widersprüchlichen Tendenzen und Anforderungen:
1. Einerseits ermöglicht der im Durchschnitt deutlich gestiegene
Lebensstandard die tendenzielle Überwindung des
"Notwendigkeitshabitus" bei der Masse des "fungierenden" Teils
der (gut bis durchschnittlich qualifizierten) Lohnabhängigen mit
relativ "festen" Arbeitsplätzen. D.h. die individuellen
Wahlmöglichkeiten in der Gestaltung der Lebensführung, im
Konsumbereich, in der Freizeitsphäre etc. haben im Vergleich zu
früheren Entwicklungsabschnitten des Kapitalismus spürbar
zugenommen. Andererseits ist aber das gewachsene
Wohlstandsniveau der Lohnabhängigen durch die periodischen
Wechselfälle und Unwägbarkeiten der kapitalistischen
Konjunkturentwicklung dauerhaft latent gefährdet. So betont auch
Beck (1983, S.44f.):
"Wie labil dieser 'Individualisierungsschub' allerdings ist, wird
gerade heute dort sichtbar, wo Gruppen, die sich dies nicht hätten
träumen lassen, plötzlich von Arbeitslosigkeit erfaßt oder bedroht
sind, und sich nun gerade aufgrund der durchlaufenen
Individualisierung - und zwar trotz sozialstaatlicher
Sicherungen - radikalen Einbrüchen in ihrer Lebensführung
gegenübersehen."
Die Individualisierung der Lebensführung angesichts eines
erweiterten Möglichkeitsraumes von Konsumchancen,
Freizeitaktivitäten, Bildungsangeboten etc. ist
demnach untrennbar verwoben mit dem weitgehenden
"Zurückgeworfensein auf sich selbst" vor dem Hintergrund der
Auflösung traditioneller Sozialmilieus und der atomisierenden
Wirkung, die von der sozialadministrativen Bearbeitung der
individuellen Arbeitsmarktschicksale und Lebenslagen
(Antragstellung, Bewilligung und Errechnung von
Versorgungsleistungen wie Arbeitslosengeld, Unterhaltgeld,
Sozialhilfe, Wohngeld etc.) ausgeht. Insofern ist sogar eine
"Verschärfung der Lohnabhängigkeit zu konstatieren: "In dem
Maße, in dem die zentrale Sicherung dieser individualisierenden
Lebenslage - der Erwerbsarbeitsplatz verlorengeht, tut sich -
trotz sozialer Sicherungen - ein Abgrund auf" (ebenda).
2. Die Erosion der sozialen Milieubindung und -prägung und die
dadurch bedingte Auflösung der spontan-naturwüchsigen
"Arbeitersozialisation" wird entscheidend ergänzt bzw. verstärkt
durch die zeitliche Ausdehnung der Erziehung, Bildung und
Qualifizierung der Ware Arbeitskraft infolge der
wissenschaftlich-technischen Umwälzung und Höherentwicklung der
Produktivkräfte. Aufgrund dieser Verlängerung der Schul- und
Ausbildungszeiten sowie der Bedeutungszunahme von mittleren und
höheren Bildungsabschlüssen für eine chancenreiche
Arbeitsmarktkarriere wird der Eintritt in die berufliche
Sozialisationsphase - und damit in die subjektiv unmittelbar
bedeutsame Erfahrung der Lohnarbeit samt ihrer Anforderungen und
Zwänge - im Durchschnitt deutlich hinausgezögert. "Mündete die
Masse der Arbeiterjugendlichen noch während der 50er Jahre nach
Abschluß der Pflichtschulzeit, also i.d.R. mit 14, in ein
betriebliches Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis ein, so sind
die Berufsanfänger der 80er Jahre 18 Jahre und älter" (Dörre
1989, S.323).
Der Beginn der lohnarbeitstypischen beruflichen Sozialisation
und Erfahrungsverarbeitung setzt folglich im Vergleich zu früher
zu einem Zeitpunkt ein, da die "zweite Geburt der
Persönlichkeit" (Leontjew) und die im Kontext der
"Adoleszenzkrise" angeeigneten moralischen, kulturellen,
weltanschaulichen und politischen Orientierungen/Überzeugungen
bereits eine relativ feste Gestalt angenommen haben. Damit wird
aber die Kernstruktur der traditionellen proletarischen
Jugendphase, die durch das Zusammenfallen des
physisch-psychischen Entwicklungsprozesses der Jugendlichen und
der unmittelbaren Erfahrung der Lohnarbeit gekennzeichnet war,
aufgebrochen und auf diese Weise eine gravierende Veränderung in
der Bewußtseinsbildung der Lohnabhängigen initiiert. Hinzu
kommt, daß neben der zeitlichen Ausdehnung des Lernens als
dominanter Tätigkeit eine tendenzielle Intellektualisierung des
"gesellschaftlichen Gesamtarbeiters" aufgrund der
Bedeutungszunahme geistiger Arbeitsanforderungen zu verzeichnen
ist: Der Einsatz von Industrierobotern, Computern, flexiblen
Produktionssystemen etc. setzt - im Generationenvergleich
betrachtet - durchschnittlich neue und höhere Anforderungen an
die (funktionale) Bildung und Qualifikation der Arbeitskräfte.
Das gilt selbst dann, wenn der monotone und entfremdete
Charakter der kapitalbestimmten Arbeitsprozesse erhalten bleibt,
durch funktionsorientierten Einsatz der modernen
Produktionsinstrumente der Belastungsdruck noch verstärkt wird
und nur ein Bruchteil der werktätigen Lohnabhängigen de facto an
durchgreifend modernisierten Arbeitsplätzen tätig ist. Denn es
werden formal entwickeltere kognitive Qualifikationsmerkmale wie
analytische Fähigkeiten, ein größeres Abstraktionvermögen, ein
stärker ausgeprägtes begriffliches Denken, systematisch
angeeignetes Fachwissen anstatt spontanem "Erfahrungslernen"
(learning by doing) sowie neue "normative" Eigenschaften in
Gestalt von Verantwortungsbewußtsein, innerer Disziplin,
Eigenständigkeit, Einsatzbereitschaft "an sich" u.a. verlangt.
Aufgrund dieser Entwicklung wird aber auch die traditionelle
(Fach-)Arbeiteridentität brüchig, die sich auf
"Tugenden"/Fähigkeitsmerkmale wie Körperkraft, Selbsthärte,
manuelle Geschicklichkeit, Produzentenstolz etc. bezieht, die
wiederum als grundlegende Komponenten der "Männlichkeitswerte"
fungieren. Bourdieu (1987, S.601) betont den zentralen
Stellenwert dieser Identitätsmerkmale: "eines der gewiß letzten
Refugien der unterdrückten Klassen, die Fähigkeit, ihre eigene
Vorstellung von idealer Persönlichkeit und von den
gesellschaftlichen Beziehungen zu bilden, ist bedroht, wenn der
Glaube der Angehörigen der werktätigen Klasse an die
Männlichkeitswerte - eine der eigenständigsten Formen ihrer
Selbstbehauptung als Klasse - in Frage gestellt ist."
3. Die Erosion und Defunktionalisierung traditioneller
Sozialmilieus beinhaltet für die betroffenen, sich auf neue
Weise vergesellschaftenden Lohnabhängigen stets eine ambivalente
Wirkung: Zum einen ist sicher ein Verlust fester,
rückhaltgebender Orientierungen und normativer Vorgaben im
Rahmen eines transparent gegliederten Interaktionsgefüges zu
verkraften. Es wird also ein psychisch stabilisierender
Wirkungszusammenhang weitgehend außer Kraft gesetzt. Zum anderen
ist aber zu bedenken, daß die traditionellen Milieuvorgaben als
unhinterfragbare, quasi-natürliche Gegebenheiten verinnerlicht
bzw. "habitualisiert" wurden. D.h. die Ausbildung von
"proletarischem Klassenbewußtsein" erfolgte in der Regel eben
nicht als kritisch-autonomer, emanzipatorischer
Bewußtwerdungsprozeß. Insofern ist das "Verwiesensein" auf die
eigentätige geistig-moralische "Selbstverortung" und Erarbeitung
eines sinnhaften Realitätsbezuges ein potentiell progressiver
"Freisetzungsprozeß", auf dessen Wesen Gramsci (1993, S.1099)
aufmerksam gemacht hat: "Kritisches Bewußtsein kann nicht
entstehen ohne ein Zerbrechen des katholischen oder autoritären
Konformismus und folglich ohne ein Aufblühen der
Individualität...Daß man kämpft, um einen rückständigen und
hinderlich gewordenen autoritären Konformismus zu zerstören, und
daß man über eine Phase der Entwicklung von Individualität und
kritischer Persönlichkeit zum Menschen-Kollektiv gelangt, ist
eine dialektische Auffassung, die für die schematischen und
abstrakten Mentalitäten schwer zu begreifen ist." Unter den
Bedingungen der spätkapitalistischen Systemreproduktion mit
ihren spezifischen Entfremdungs-, Deformierungs- und
Dehumanisierungstendenzen freilich kann diese
emanzipatorisch-progressive Potentialität der
"Freisetzungstendenz" spontan nicht zur Entfaltung gelangen. Der
Vereinzelungeffekt der modernen Vergesellschaftungsweise ist
nämlich untrennbar verknüpft mit der weitgehenden
soziokulturellen Fremdbestimmung durch Massenmedien,
Warenästhetik, Kultur- und Freizeitindustrie etc.:
An die Stelle der Milieunormierung tritt die scheinplurale
Standardisierung des Subjekts durch eine gigantische Maschinerie
der Erzeugung von Pseudo-Sinn. Auch die neuen, "frei gewählten"
Vergemeinschaftungsformen wie lebensstilorientierte Freundes-
und Bekanntenkreise bewegen sich in diesem
Standardisierungszyklus; sie fungieren bisweilen als bloßes
Moment des fremdgesteuerten "Distinktionsverhaltens". Das gilt
insbesondere für die informellen Gleichaltrigengruppen in ihrer
Eigenschaft als "Umschlagplätze für Moden, Stile und
vorpolitisch-kulturelle Orientierungen". "Gehörte in den 50er
Jahren ca. 1/3 der befragten Jugendlichen zwischen 13 und 24
Jahren solchen Gruppen an, waren es Mitte der 80er bereits 3/4"
(Dörre 1989, S.325).
4. Die durch die moderne Arbeitsmarktkonkurrenz hervorgetriebene
Vereinzelung sowie der kulturindustriell und warenästhetisch
fremdbestimmte Individualismus der Lohnabhängigen äußern sich in
zum Teil gravierenden sozialen Dissoziationsprozessen und
sozialpsychologischen Tendenzen:
* Beck (1983, S.57) hat auf die paradoxe lebensweltliche
Anonymisierung und privatistische Abschottung der übergreifenden
lohnarbeitstypischen Problemlagen aufmerksam gemacht:
"Arbeitslosigkeit, Verschleiß der Arbeitskraft, Dequalifizierung
usw. treten daher unmittelbar als individuelle Probleme in
Erscheinung, und man muß vielleicht erst aus der Zeitung, von
Medizinern, Gewerkschaftlern und Soziologen, in jedem Fall
sekundär und aus zweiter Hand erfahren, daß das, was man als
persönliches Leid empfindet, erduldet und bekämpft, hinter den
Vier Wänden der Millionen anderen Privatsphären nach demselben
Schema sich entfaltet."
* Die tendenzielle "Entgemeinschaftung" der Lohnabhängigen zeigt
sich auf dramatische Weise im Abgrenzungsverhalten der
unterschiedlichen "Betroffenheitsgruppen" von
Langzeitarbeitslosen untereinander. Wie Kronauer u.a.
festgestellt haben, distanzieren sich z.B. Arbeitslose des Typs
"Arbeitslosigkeit als Bedohung, der man etwas entgegensetzt"
nachdrücklich von anderen Arbeitslosen, die sich angeblich
"hängen lassen": "Das Bewußtsein und die Kraft der Überzeugung,
im Unterschied zu anderen Arbeitslosen der bedrohlichen
Situation der Arbeitslosigkeit aktiv begegnen zu können und sich
eben nicht als passives Opfer seinem Schicksal zu ergeben,
bilden fraglos für die arbeitslosen Frauen und Männer dieses
Typs einen wichtigen Bezugs- und Stützpunkt ihrer sozialen
Identität in der Arbeitslosigkeit" (Kronauer u.a. 1993, S.140).
Selbst noch Arbeitslose der Typen "Arbeitslosigkeit als
Bedrohung, der man ausgeliefert ist" und "Arbeitslosigkeit als
schlechte Realität, der man sich unterwirft", legen ein
ausgeprägtes Abgrenzungsverhalten "nach unten" aus Gründen der
Identitätssicherung an den Tag. "Dabei geht es immer um die
Behauptung und Bestätigung einer moralischen Differenz und
Überlegenheit, bei faktischer Annäherung in der sozialen Lage.
Die innere Konformität mit den Normen der Arbeitsgesellschaft,
an denen man selbst in der Wirklichkeit gerade zu scheitern
droht, dient gewissermaßen im letzten Rückzugsgefecht zumindest
noch dazu, sich von denen abzuheben, die die Gesellschaft
bereits ausgestoßen hat" (ebenda, S.185).
* Der weitgehende Zerfall von lage- und existenzbezogenen
Vergemeinschaftungs-, Kommunikations- und
Reflexionszusammenhängen, die erzwungene individualistische
Risikoverarbeitung der lohnarbeitstypischen Existenzform, die
sozialadministrative Atomisierung und "Kleinarbeitung" der
Arbeitsmarktschicksale, die massenkulturelle "Übersetzung" der
Selbstverwirklichungsbedürfnisse erzeugen in ihrer
Wirkungseinheit einen enormen Plausibilitätsschub der
"bürgerlichen Leistungsideologie", die gesellschaftliche
Widersprüche, Krisen und Mißstände in individuelle
Unzulänglichkeiten und Defizite verkehrt. D.h. die individuelle
Betroffenheit durch gesellschaftliche Krisenprozesse wird in
ihrer Gesellschaftlichekeit nicht oder kaum mehr wahrgenommen,
sondern in ihrer Unmittelbarkeit und Oberflächenbeschaffenheit
als persönliche Krise erlebt und verarbeitet. In dieser
Perspektive wäre die "Systemloyalität" nicht primär auf die
Akzeptanz einer hegemonialen Weltanschaung, sondern auf die
Verdoppelung des verkehrten Oberflächenscheins der
modernisierten kapitalistischen Verhältnisse im Bewußtsein der
individualisierten Masse zurückzuführen.
Die skizzierte Differenzierung der objektiven Lage- und
Interessenstruktur sowie der umfassende Wandel in der
Reproduktionsweise, im Lebensführungsstil, in den
Mentalitätsformen und im Vergesellschaftungsmodus der
Lohnabhängigen haben nachhaltig die Voraussetzungen, Formen und
Inhalte ihrer kollektiven Interessenfindung, -organisierung und
-durchsetzung (politisch-organisatorische Fremd- und
Selbstvergesellschaftung) verändert. Entspechend ist auch -
aufgrund der "Ungleichzeitigkeit" von sozialstrukturellen und
-kulturellen Veränderungen einerseits und subjektivem
Einstellungs- und Orientierungswandel andererseits - ein
Verschleiß bzw. "Anachronistisch-Werden" traditioneller
Politikstile, Denkmuster, Organisationskonzepte,
Artikulationsformen etc. als Kern der "Krise der
Arbeiterbewegung" in Rechnung zu stellen (vgl. z.B. Deppe 1984;
Deppe u.a. 1989).
Als methodischer Leitgesichtspunkt ist ferner zu beachten, daß
die Bewußtseins- und Tätigkeitsentwicklung der
gesellschaftlichen Individuen nicht nur durch die objektiven
Lebensbedingungen und Denkformen, sondern ebenso grundlegend
durch die bestehenden Handlungsmöglichkeiten gegenüber der
vorgefundenen Realität bestimmt wird. "Bewußtsein im Sinne des
bewußten Verhaltens gegenüber den jeweiligen Gegebenheiten setzt
alternative Handlungsmöglichkeiten voraus, wobei die
antizipierten Widerständigkeiten bei der Realisierung dieser
Handlungsalternativen wiederum auf die Bewußtseinsprozesse
zurückwirken" (H.-Osterkamp 1980, S.17).
Als historisch hinlänglich falsifiziert kann die "ökonomistische
Spontaneitätstheorie" angesehen werden, die ein unmittelbares
("spontanes") Hervorwachsen des politischen (revolutionären)
Klassenkampfes aus den ökonomischen Kämpfen der lage- und
interessenhomogen vorgestellten Arbeiterklasse behauptet bzw.
"postuliert". Ausgeblendet bleiben hier nämlich folgende
wesentliche Zusammenhänge:
(a) Die Entwicklung praktisch-kritischer Handlungsfähigkeit
und -bereitschaft ist ein reflexiver Vorgang, der die Aneignung
inhaltlichen Wissens als Grundlage der begreifenden Verarbeitung
"unmittelbarer" Erfahrung sowie der Handlungsziel- und
-bedingungsanalyse voraussetzt. Angesichts der Anonymisierung der
Herrschaftsverhältnisse infolge der wachsenden
Kapitalverflechtung, -konzentration und -zentalisation, der
"Komplexitätszunahme" des modernen kapitalistischen
Gesellschaftssystems mit seinen Entfremdungs- und
Verdinglichungserscheinungen sowie der beschriebenen
sozialstrukturellen Differenzierungs- und Vereinzelungsprozesse
ist darüberhinaus von einer qualitativen Bedeutungszunahme
wissensgebundener reflexiver Überzeugungbildung gegenüber
sinnlich-konkreter "Klassenerfahrung" als Basis
gesellschaftskritischer Bewußtseinsentwicklung auszugehen.
(b) Wie Giddens hervorbehoben hat, ist die institutionelle Trennung
von ökonomischer und politischer Konfliktsphäre Normalform und
Stabilitätsbedingung des kapitalistischen Gesellschaftssystems.
"Sobald der kapitalistische Staat aufgrund der politischen
Eingliederung der Arbeiterklasse innerhalb eines entwickelten
Systems von 'Bürgerechten' die institutionelle Trennung von
Ökonomie und Regierung vervollständigt, werden die politischen
Aspekte des Konflikts abgebogen und diese Verbindung reißt ab"
(Giddens 1984, S.262).
Im Rahmen des "Tradeunionismus" bzw. des ökonomischen
("nur-gewerkschaftlichen") Kampfes entwickeln die Lohnabhängigen
ein "systemimmanentes" Konfliktbewußtsein sowie eine
entsprechende Kollektividentität, die auf die
Interessenverfolgung innerhalb der bestehenden Eigentums- und
Herrschaftsordnung ausgerichtet ist. Entgegen "heroischer"
Vermutungen und Hoffnungen ist von einer "pragmatischen"
Grundorientierung der überwiegenden Mehrheit der "Klasse der
Lohnabhängigen" auszugehen: "Man könnte sagen, daß der Primat
der Orientierung auf Ökonomismus aufrechterhalten wird, nicht
weil die Mehrheit der Arbeiter mit ihrer Arbeit 'zufrieden' wäre
oder weil...unter modernen gesellschaftlichen Bedingungen die
Arbeit als eine (mögliche) Quelle von Erfüllung weniger wichtig
geworden sei, sondern weil Arbeiter darauf eingetellt sind,
'entfremdete' Arbeitserfahrungen für ökonomische Entschädigungen
in Kauf zu nehmen" (ebenda).
In der fordistischen Phase des Kapitalismus nun erreicht der
"Tradeunionismus" als "normaler" Orientierungsform der
Lohnabhängigen seinen Höhepunkt: Die Gewerkschaften avancieren
zu voll etablierten (Sozial-)Partnern eines Klassenkompromisses,
der auf dem Ausbau des "Sozialstaates, staatlicher
Vollbeschäftigungspolitik, reformorientierter Umverteilung und
Anhebung des Massenkonsums basiert. Doch die Kehrseite dieses
"hegemonialen" Arrangements ist die weitestgehende Akzeptanz der
kapitalistischen Herrschaftsordnung sowie die
tarifpolitisch-technokratische Erstarrung, Ritualisierung und
Bürokratisierung der Gewerkschaften als integraler Eckpfeiler
des fordistischen Regulierungssystems. "Die Herausbildung
zentalisierter, bürokratisierter und mit monopolistischen
Vertretungsansprüchen ausgestatteter Gwerkschaften beinhaltete
also einen der Parteientwicklung vergleichbaren Prozeß der
Etatisiereng" (Hirsch/Roth 1986, S.70).
Mit dem Ausbruch der Krise der fordistischen
Akkumulationsstrategie, der Entstehung chronischer
(zyklusunabhängiger) Massenarbeitslosigkeit und der
neokonservativen Attackierung bzw. "Deregulierung" des
"Sozialstaates" wird dann aber nicht nur die gesellschaftliche
Stellung und Funktion der Gewerkschaften als
institutionalisierter "Sozialpartner" und erfolgreiche
Umverteilungsagentur, die den "Arbeitnehmerwohlstand"
kontinuierlich ausbaut, ausgehöhlt und entscheidend geschwächt.
Hinzu kommt, daß mit der krisen- und modernisierungsbedingten
Aufspaltung der "Klasse der Lohnabhängigen" in divergierende
Interessengruppen ("Arbeitsplatzbesitzer" uns Arbeitslose;
gesichert und peripher Beschäftigte; "Stammbelegschaften" und
"Marginalisierte"; unterschiedliche Lohn- und
Qualifikationsgruppen etc.) zunehmend der korporativistische
Charakter der systemintegrierten Gewerkschaftspolitik
offensichtlich wird.
D.h. die Gewerkschaften repräsentieren interessenpolitisch
längst nicht mehr die Masse der in ihren "Lagemerkmalen"
vielfältig differenzierten Lohnabhängigen. Bestimmend für die
Konzipierung und reale Umsetzung der gewerkschaftlichen Praxis
sind vielmehr die "tariffähigen" Interessen der vergleichsweise
privilegierten Lohnabhängigengruppen in relativ gesicherten,
langfristigen, mit Sondervergünstigungen versehenen
"Normalarbeitsverhältnissen" mit "qualifiziertem"
Anforderungsprofil. Demgegenüber bleiben die Interessen der
arbeitsmarktpolitischen Problemgruppen (langfristig Arbeitslose;
Ausländer- und AussiedlerInnen; Frauen; unterdurchschnittlich
qualifizierte Arbeitskräfte; Behinderte; Jugendliche) jenseits
der Kongreß- und Kundgebungsrhetorik de facto
unterrepräsentiert. Damit gerät aber der "postfordistische"
systemimmanente "Tradeunionismus" in ein strukturelles Dilemma
bzw. in einen "internen Interessenantagonismus", der im Rahmen
der affirmativen Akzeptanz der bestehenden Eigentums- und
Herrschaftsordnung nicht überwindbar erscheint: Verzichten die
Gewerkschaften auf das effektive Aufgreifen der Interessen der
Marginalisierten, so schwindet die Gefolgschafts- und
Unterstützungsbereitschaft in ihrem "naturwüchsigen" sozialen
Umfeld.
Auf diese Weise wird aber ihre Durchsetzungsfähigkeit in
zukünftigen Auseinandersetzungen von vornherein untergraben.
Reduzieren die Gewerkschaften andererseits ihre primäre
Ausrichtung an den "Besitzstandswahrungs- und
-erhaltungsinteressen" der privilegierten Lohnabhängigengruppen,
dann sägen sie am mitgliederstrukturellen Ast, auf dem sie
momentan noch sitzen. Das bedeutet, daß die "Krise der
Gewerkschaften" nur im Rahmen eines strategischen
Paradigmenwechsels, d.h. auf der Grundlage der Neuerarbeitung
eines (modernisierten und konsensfähigen)
systemkritisch-transformatorischen Handlungsentwurfs
vorwärtsweisend verarbeitet werden kann. Die Rekonstruktion
"gruppenübergreifender" Solidarität der Lohnabhängigen und die
Zurückdrängung korporativistischer Interessenfixierungen
("Sozialismus innerhalb der Klasse") ist organisch an eine
gesamtgesellschaftskritische Reflexionhaltung und
Zielperspektive gebunden. "Dies ist aber nicht mehr
bürokratisch, sondern nur noch politisch, durch Aufklärung,
Diskussion und offene Auseinandersetzung zu bewerkstelligen"
(Hirsch 1990, S.183).
Das alternative Deutungs- und Handlungsangebot der
"revolutionären Arbeiterbewegung" in Gestalt der Kommunistischen
Parteien ist nicht nur aufgrund der Inattraktivität und dem
schließlichen Zusammenbruch des "Realsozialismus" (Beschädigung
der Zielperspektive) grundsätzlich diskreditiert und in Frage
gestellt worden. Schon vorher wirkte die
theoretisch-weltanschauliche Sterilität und die
bürokratisch-zentralistische Deformierung des "Parteiorganismus"
als wesentliche Hegemonieblockade und krisenverursachender
Faktor (vgl. Krauss 1988a und 1988b; HINTERGRUND-Redaktion 1989,
Krauss 1991).
Aufgrund der "interessierten" Konfundierung von
Stalinismus, Sozialismus und Marxismus im öffentlichen
Bewußtsein der entwickelten kapitalistischen Länder, der
anhaltenden Demoralisierung der ehemaligen Linken, aber auch in
Anbetracht des vielfach "unverbesserlichen" dogmatischen
Fundamentalismus der verbliebenen kommunistischen Restgruppen
und ihrer Meinungsführer (vgl. Grenzroth 1992) ist die
Restrukturierung einer gesamtgesellschaftskritisch
ausgerichteten linksoppositionellen Bewegung auf
kritisch-marxistischer Grundlage trotz verstärkter
Krisentendenzen und neuer Widerspruchskonstellationen momentan
nicht in Sicht. Damit bleibt aber auch die Möglichkeit zur
praktisch-kritischen Bewußtseins- und Tätigkeitsentwicklung für
die Masse der "postfordistisch" vergesellschafteten
Lohnabhängigen entscheidend eingeschränkt.
Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik: Memorandum '92.
Gegen den ökonomischen Niedergang - Industriepolitik in
Ostdeutschland, Köln 1992.
Beck, Ulrich: Jenseits von Klasse und Stand? Soziale
Ungleichheit, gesellschafttliche Individualisierungsprozesse und
die Entstehung neuer sozialer Formationen und Identitäten. In:
Reinhard Kreckel (Hrsg.): Soziale Ungleichheiten (Soziale Welt
Sonderband 2). Göttingen 1983, S.35-74.
Bertram, Hans, Dannenbeck, Clemens: Pluralisierung von
Lebenslagen und Individualisierung von Lebensführungen. Zur
Theorie und Empirie regionaler Disparitäten in der
Bundesrepublik Deutschland. In: Peter A.Berger, Stefan Hradil
(Hrsg.): Lebenslagen, Lebensläufe, Lebensstile (Soziale Welt
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Goldthorpe (Hrsg.): Die Analyse sozialer Ungleichheit. Opladen
1985. S. 238-266. 1. Innerhalb des Systems der
gesellschaftlichen (Re-)Produktion befindet sich die Masse der
aktiv erwerbstätigen Einkommensbezieher (ca. die Hälfte der
erwachsenen Wohnbevölkerung in Deutschland). Außerhalb des
Systems der Erwerbstätigkeit reproduziert sich die andere Hälfte
der erwachsenen Bevölkerung, die weder lohnabhängig beschäftigt
noch selbständig tätig ist. Dazu zählen a) die Bezieher direkter
Transfer-Einkommen (Arbeitslosengeld, Rente,
Ausbildungsförderung, Sozialhilfe etc.) und b) die
alimentierten Familienmitglieder bzw. Lebenspartner; darunter
die Masse der unentgeltlich Reproduktionsarbeit leistenden
(Haus-)Frauen.
. Innerhalb des Systems der gesellschaftlichen (Re-)Produktion
befindet sich die Masse der aktiv erwerbstätigen
Einkommensbezieher (ca. die Hälfte der erwachsenen
Wohnbevölkerung in Deutschland). Außerhalb des Systems der
Erwerbstätigkeit reproduziert sich die andere Hälfte der
erwachsenen Bevölkerung, die weder lohnabhängig beschäftigt noch
selbständig tätig ist. Dazu zählen a) die Bezieher direkter
Transfer-Einkommen (Arbeitslosengeld, Rente,
Ausbildungsförderung, Sozialhilfe etc.) und b) die
alimentierten Familienmitglieder bzw. Lebenspartner; darunter
die Masse der unentgeltlich Reproduktionsarbeit leistenden
(Haus-)Frauen.
. Unabhängig von dieser begriffskritischen Perspektive behält
natürlich Webers Unterscheidung von "Klasse" und "Stand" ihre
Bedeutung. Zu Webers Klassenkonzept vgl. z.B. Giddens 1984,
Ritsert 1988, Kreckel 1992.
. "Die Feststellung, daß 'die Voraussetzungen, das
Hierarchiemodell sozialer Ungleichheit lebensweltlich zu
interpretieren', im Schwinden seien (Beck 1983, S.53), ist
daher, selbst wenn sie zutreffen würde, noch kein Prüfstein für
die Geltung und soziologische Relevanz des "vertikalen
Paradigmas" der sozialen Ungleichheit" (Noll/Habich 1990,
S.154).
. Kuczynski beruft sich auf folgendes Lenin-Zitat: "Proletariat
heißt die Klasse, die mit der Produktion materieller Güter in
Betrieben der kapitalistischen Großindustrie beschäftigt ist"
(Lenin-Werke, Bd.33, S.46). Lenin hat aber auch erklärt: "Der
landwirtschaftliche Lohnarbeiter gehört mit dem Lohnarbeiter aus
Fabrik und Handel zu einer Klasse. Diese Wahrheiten sind vom
Standpunkt des Marxismus die allerelementarsten Wahrheiten"
(Lenin-Werke, Bd.18, S.24).
. Ein zentrales Wesensmerkmal der lohnarbeitstypischen
Existenzform, nämlich das permanente Risiko des
Arbeitsplatzverlustes, gilt für Beamte nicht. Von daher und
aufgrund weiterer Merkmale (z.B. einkommens-, laufbahn- und
altersbezogene Besserstellung) ist es m.E. angebracht, die
"Beamtenschaft" als in sich hierarchische, gegenüber der Masse
der Lohnabhängigen grundlegend begünstigte Schicht zu
betrachten.
. Marx hat die stabilisierende Rolle der "Mittelklasse" durchaus
erkannt, aber diese Einsicht nicht systematisch weiter verfolgt:
"Was er (scil. Ricardo) vergißt hervorzuheben (ist) die
beständige Vermehrung der zwischen workmen auf der einen Seite,
Kapitalist und landlord auf der anderen Seite, in der Mitte
stehenden...Mittelklassen, die als Last auf der working
Unterlage lasten und die soziale Sicherheit und Macht der upper
ten thousand vermehren" (MEW 26.2, S.576).
. "Seit 1980 hat sich beispielsweise die Zahl der legalen
Leiharbeiter mehr als verdoppelt (auf rd. 80 Tsd.), sind
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen von 41 Tsd. auf 102 Tsd. gestiegen,
wuchs die sozialversicherungspflichtige Teilzeitarbeit von 1,66
Mio. auf 1,95 Mio., beträgt die Zahl der geringfügig
Beschäftigten derzeit 2,82 Mio." (Osterland 1990, S.354). Nach
Schätzungen beläuft sich der Teil der Erwerbsbevölkerung, der
nicht mehr im Normalarbeitsverhältnis arbeitet, auf ca. 30%.
. Entsprechend der dualen Arbeitsmarkttheorie rechnet Kreckel
die ersten drei "Lagen" dem "sekundären Arbeitsmarkt" zu. "Ihr
gemeinsames Hauptmerkmal sind Konjunkturabhängigkeit, geringe
Bezahlung, hohes Entlassungsrisiko und vergleichsweise starke
Arbeitskräftefluktuation" (S.205).
. "1962 gehörte erst zu 22%, 1973 aber zu 66% der
Arbeiterhaushalte ein Auto" (Mooser 1983, S.287).
. Zum Teil vergrößern sich die "Abstände" sogar: "Entgegen
weitverbreiteten Erwartungen führte die Bildungsexpansion der
sechziger Jahre nicht zu einem geringeren, sondern zu einem
stärkeren Einfluß des Elternhauses: Die Chancenungleichheit im
Zugang zu Bildung nach sozialer Herkunft nimmt zu"
(Mayer/Blossfeld 1990, S.310). Aus der Sicht der am
Lebensverlauf orientierten (biographischen)
Ungleichheitsforschung konstatieren die Autoren eine über die
Bildungsauslese vermittelte Effektivierung der
klassenstrukturellen Reproduktionsmechanismen: "Die vergangene
Lebensgeschichte bestimmt in einem zunehmend höheren Ausmaß,
welche Lebenschancen sich später eröffnen. Die Mechanismen der
sozialen Selektion werden rigider, die Sozialstruktur wird nicht
zunehmend offener und mobiler. Sie wird zunehmend geschlossener
und immobiler" (ebenda, S.311).
. "Die Krise der fordistischen Akkumulationsstrategie resultiert
zusammengenommen daraus, daß die ihr zugrundeliegende Struktur
der Mehrwertproduktion - taylorisierte Massenproduktion auf der
Basis einer Ausdehnung des "inneren Markts" und einer
schrankenlosen Ausbeutung der Naturressourcen - aufgehört hat,
Quelle stabiler oder gar steigender Profitraten zu sein. Dadurch
wurde der gesellschaftliche Rahmen, in dem sie sich ursprünglich
entfalten und prosperieren konnte, aufgrund der darin
festgeschriebenen (Klassen-)Kräfteverhältnisse und der damit
institutionalisierten Kostendynamiken selbst zu einem
krisenerzeugenden und -verschärfenden Moment" (Hirsch/Roth 1986,
S.88).
. Die Autoren stellen fest, daß insbesondere diejenigen
Arbeitslosen, deren Wiedereintritt in die Erwerbstätigkeit
problematisch wird und die aufgrund dieser Verunsicherung ihre
Arbeitsmarktchancen ambivalent einschätzen, gegen Aussiedler und
Ausländer gerichtete Lösungen des Problems der Arbeitslosigkeit
vertreten. Zu dieser subjektiv widergespiegelten
"Binnenkonkurrenz" der (Langzeit-)Arbeitslosen ist anzumerken,
daß Aussiedler eine zahlenmäßig relevante relativ homogene
Gruppe von Lohnabhängigen bilden, die aufgrund ihrer besonderen
Merkmale (sprachlich-kommunikative Defizite;
anforderungsdisparate Sozialisation in einem
bürokratisch-kommandowirtschaftlichem System; soziokulturelle
Entfremdungserscheinungen; spezifischer Habitus etc.) das
"kumulierte" Risiko einer negativen Arbeitsmarktkarriere
aufweisen. Um ein Schlaglicht einzufangen, sei hier aus den
"Daten zum Arbeitsmarkt" des Arbeitsamtes Osnabrück vom März
1994 zitiert: "Alle gesondert ausgewiesenen Personengruppen
verzeichneten mehr Arbeitslose als Ende März '93. Besonders
ausgeprägte Negativentwicklungen ergaben sich für Aussiedler und
Ausländer - plus 33 / 28 Prozent -. Wesentlich besser sah es für
Jugendliche unter 20, Teilzeitarbeitssuchende sowie
Schwerbehinderte aus. Ihre Zuwachsraten lagen praktisch bei Null
- Jugendliche - oder machten nur Bruchteile der obigen
Prozentsätze aus. Einen Mittelplatz nehmen in dieser Übersicht
die Zunahmequoten der Jüngeren unter 25 bzw. der älteren
Erwerbslosen ein. Aussiedlerarbeitslosigkeit bleibt trotz
rückläufiger Einreisen ein besonderes Problem dieser Region.
Derzeit ist etwa jeder 7. Erwerbslose ein Aussiedler, in
Niedersachsen und dem Bundesgebiet - West nur jeder 14. Die
Erwerbslosigkeit der Ausländer erhöhte sich hauptsächlich durch
Zuzug. Außerdem verlieren sie in Zeiten wirtschaftlicher
Schwäche eher als Deutsche ihren Arbeitsplatz. Ihre Quote lag
mit 20,7 Prozent um mehr als das Doppelte über der für alle
Arbeitnehmer."
. Zur "sozialen Ungleichheit im Geschlechterverhältnis" vgl.
Kreckel 1992 (Kap.IV); zur Lebenssituation von Gastarbeitern
vgl. Reimann/Reimann 1987; zum "Alter als Herausforderung für
die Theorie sozialer Ungleichheit" vgl. Kohli 1990; zur
Behinderung als "Stigma" der Arbeitskraft vgl. Jantzen 1987
(Kap.1); zur Theorie regionaler Disparitäten vgl.
Bertram/Danneberg 1990.
. 1988 lag die Erwerbsquote von Frauen im Alter von 15 - 60
Jahren in der DDR in Übereinstimmung mit der der Männer bei
83,2%, während sie in Westdeutschland nur bei 50% lag ( vgl.
Schwarze u.a. 1990, S.204). Im Sommer 1991 lag dann die
Arbeitslosenquote der Frauen in Ostdeutschland um etwa 50% über
der der Männer.
. So impliziert der erfolgreiche Verkauf der Ware Arbeitskraft
den Zwang zur "vorwegnehmenden Selbstpräsentation": "Wer seine
Ware Arbeitskraft erfolgreich verkaufen will, muß lernen, sich
selbst in den Augen seines Gegenüber in zweierlei Hinsicht als
brauchbar zu präsentieren, ihm gegenüber eine bestimmte Rolle zu
spielen..
. Zum einen unterliegt der Betreffende einem Zwang zur
vorwegnehmenden Selbstpräsentation hinsichtlich der
erforderlichen konkreten fachlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten
in dem jeweils besonderen Arbeitsprozeß, sagen wir als
Maschinenschlosser, Automatenwart oder Betriebspsychologe...Zum
anderen muß jeder Lohnabhängige in seinem
Selbstpräsentationsverhalten die Erwartungen des Unternehmers
hinsichtlich seiner Ausbeutbarkeit und allgemeinen
Unterordnungsbereitschaft im kapitalistischen Verwertungprozeß,
wo es um die Herauspressung einer möglichst großen Mehrwertmenge
- etwa um die Bereitschaft zu Überstunden - geht, einfühlsam
vorwegnehmen" (Ottomeyer 1977, S.77). Doch der Verkauf der
Arbeitskraft ist ein risikobehaftes Unterfangen - er kann
scheitern. Und dieses Scheitern ist folgenreich für die
"Gesamtbefindlichkeit" des individuellen Lohnarbeiters: "Die
Abweisung der eigenen Person als brauchbare Arbeitskraft
zerstört zudem die mit den Verkaufsaktivitäten entwickelte
Lebensperspektive. Die Möglichkeiten der Lebensgestaltung liegen
nicht mehr in der eigenen, sondern in einer fremden Hand, in
der Undurchsichtigkeit der Marktbewegung. Die individuelle
Ohnmacht gegenüber diesen Marktschwankungen macht die eigene
Lebensplanung zu einer Syyphusarbeit: wenn die Bedingungen der
individuellen Lebensgestaltung den einzelnen entzogen werden,
muß jede neue Lebensplanung als eine vergebliche Mühe
erscheinen" (Kuckherrmann/Wigger-Kösters 1985, S.381).
. Müller (1992a) begreift Lebensstile "als raum-zeitlich
strukturierte Muster der Lebensführung, die von materiellen und
kulturellen Ressourcen und den Werthaltungen abhängen" (S.62).
D.h. das individuelle Subjekt generiert seinen Lebenstil
ausgehend von seinen lage- und positionsspezifisch gegebenen
Möglichkeitsbedingungen, einschließlich seiner "einzigartigen"
individuellen Vergesellschaftungsgeschichte und seiner
standortspezifischen Aneignungs- und Zugriffsmöglichkeiten
bezüglich des gesellschaftlichen Bedeutungssystems. Insofern ist
"Lebensführung" eine vermittlnde Kategorie zwischen
gesellschaftlichen Bedingungen und individueller
(Lebens-)Tätigkeit. Müller versteht darunter "eine individuelle
Bewältigungsleistung, die auf die aktive Auseinandersetzung mit
den gesellschaftlichen Bedingungen gerichtet ist und zugleich
das Bemühen verrät, dem eigenen Tun subjektiven Sinn zu
verleihen" (S.60).
. Schon vor der inneren Erosion bzw. "Defunktionalisierung" wird
das traditionelle proletarische "Gesinnungsmilieu" in
Deutschland durch den massiven äußeren Druck des
hitlerfaschistischen Regimes in seinen Grundfesten erschüttert.
Damit wurde aber in gewaltsamer Weise die Möglichkeit zerstört,
die dysfunktional werdenden Vergemeinschaftungsformen der
LohnarbeiterInnen durch Modernisierung zu erhalten. "Die
Zerschlagung der Arbeiterorganisationen, die Vernichtung von
Klassenöffentlichkeit, die teilweise administrativ vollzogene
Errichtung bürgerlicher Führung durch Zusammenlegung von
Vereinen etc. nahmen dem subjektiven Faktor praktisch jede
Gelegenheit, auf Wandlungen der Bedingungen zur Klassenbildung
aktiv zu reagieren" (Maase 1984, S.263).
. Vester u.a (1993, S.204) bemerken zum Mentalitäts- und
Habituswandel im Generationenwechsel: "Deutliche
Wandlungsprozesse von der älteren zur jüngeren Generation äußern
sich in der Erosion leistungs- und ordnungsorientierter Werte
und konventioneller bzw. konformitätsorientierter
Verhaltensmuster. Den vielfältigen Autonomiebestrebungen der
jüngeren Befragten entsprechen zum Beispiel erweiterte
Selbstverwirklichungsansprüche im Beruf, hedonistische
Freizeitpraktiken oder neue Modelle partnerschaftlicher
Rollenteilung. Auffällig ist auch ihre höhere
Selbstreflexivität, die bewußte Distanzierungen von den
"inkorporierten" Schemata des Habitus ermöglicht."
. Der "Notwendigkeitshabitus" ist gekennzeichnet durch einen
resignativ-hinnehmenden Lebenführungsstil der Selbstbescheidung
im Rahmen von scheinbar unveränderlichen, als "schicksalhaft
vorgegeben" gedeuteten Lebensverhältnissen. "Die Praktiken der
unteren Klassen lassen sich scheinbar aus den objektiven
Bedingungen direkt ableiten,...haben tatsächlich jedoch ihren
Ursprung in der Entscheidung für das Notwendige ("das ist nichts
für uns"), d.h. für das, was technisch notwendig, "praktisch"
(oder in einer anderen Sprache: funktional) ist (was "halt sein
muß"), und für das, was aus ökonomischem und sozialem Zwang die
"einfachen" und "bescheidenen" Leute zu einem "einfachen" und
"bescheidenen Geschmack verurteilt" (Bourdieu 1987, S.594).
. Wesentlich ist hier allerdings der kritisch-relativierende
Hinweis von Giegel (1987, S.350): "Die Tatsache, daß das eine
Individuum angeln geht, das andere einen Kampfsport betreibt,
der eine in der Freizeit ein Haus baut, der andere für den
Einsatz und die Bestätigung seiner fachlichen Kompetenzen eine
Nebentätigkeit betreibt, muß keineswegs das Bewußtsein der
gemeinsamen Lage zerstören. Solche Differenzierungen bleiben -
sieht man von unterschiedlichen Qualifikationsprozessen ab - in
der Regel Außendifferenzierungen, die die soziale Verortung des
einzelnen nicht berühren."
. "Schulkarrieren und Ausbildungsverläufe bis zum 20. Lebensjahr
und darüber hinaus sind inzwischen keine Seltenheit mehr. So
befand sich 1980 ein knappes Fünftel der 20jährigen an
allgemeinbildenden oder Berufsschulen" (Dörre 1984, S.199).
. Die zeitliche Ausdehnung der Lernphase im biographischen
Prozeß sowie die Anhebung und Erweiterung des funktionalen
Bildungs- und Qualifikationsniveaus korrespondiert allerdings
auch unter den "modernen" spätkapitalistischen Bedingungen aus
herrschaftstrukturellen Gründen nicht mit einer humanistischen
Allgemeinbildung und kritischen Wissensvermittlung als Grundlage
für eine begreifende Erkenntnishaltung zur zunehmend komplexer
und "problematischer" werdenden gesellschaftlichen
Realität/Totalität in ihren lokalen, nationalen, regionalen und
globalen Dimensionen. Nur aber die (massenhafte) Vermittlung der
Fähigkeit zu kritischer Informationssuche, -aufnahme, -analyse,
-verarbeitung und -bewertung im Rahmen kooperativer Strukturen
schafft die Voraussetzung genuiner Partizipatonskompetenz und
damit die Grundlage für ein wirklich freies, gerechtes und
demokratisches Gemeinwesen (vgl. Krauss 1989, HINTERGRUND IV/89,
S.47ff.) . Bourdieu (1987, S.597) schreibt zum
traditionalistischen Konformitätsprinzip der unteren Klassen:
"nur die bestehende Sprache, nur der bestehende Lebensstil, nur
die bestehenden Affinitäten sind zulässig. Der Raum der
Möglichkeiten ist geschlossen. Die Erwartungen der anderen
verstärken nur die von den objektiven Verhältnissen auferlegten
Dispositionen." So "läßt man nicht die geringste Abweichung, die
mindeste Extravaganz bei Angehörigen (oder Abkömmlingen) der
unteren Klassen durchgehen, weil die Differenz hier nur dem
Wunsch entspringen kann, anders zu sein, sich der Zugehörigkeit
zur Gruppe zu entziehen oder diese zu leugnen."
. Ein zugegeben zugespitztes Beispiel mag diesen "modernen"
Standardisierungsdruck verdeutlichen: Nach einer Studie der
Ernährungspsychologischen Forschungsstelle der Universität
Göttingen ist Bulimie (Eß- und Brechsucht) nicht mehr eine
typische Frauenkrankheit. Männer leiden fast im gleichen Ausmaß
wie Frauen an dieser krankhaften Eßstörung. Der Leiter der
Studie vermutet, "daß immer mehr Männer einem Schönheitsideal
hinterherjagen, dem auch viele Frauen nacheifern: jung, schlank
und sportlich. Daß das maskuline Geschlecht seiner körperlichen
Attraktivität eine wesentlich höhere Bedeutung beimesse, zeige
sich nicht nur an den vielen Bodybuilding- und Fitneßcentern,
sondern auch am Herrenkosmetikmarkt. Und so leiden längst nicht
mehr nur Frauen darunter, daß ihr Körper nicht den Maßen der
llustriertenmodels entspricht. Auch viele Männer kommen mit dem
von Werbung und Zeitgeist propagierten Schönheitsideal nicht
klar. Hinter dem krampfhaften Bemühen um die vermeintliche
Idealfigur steckt meist ein gestörtes Selbstwertgefühl. Wer sich
in seiner Haut nicht wohl fühlt, versucht die Unzufriedenheit zu
bekämpfen, indem er den Körper auf angebliche Idealmaße trimmt."
Damit öffnet sich ein fataler Kreislauf, in dem sich einerseits
eine Diät an die andere reiht, um dann andererseits wieder von
Heißhungeranfällen unterbrochen zu werden: "Vor allem in
Streßsituationen reagieren extrem Kalorienbewußte mit
regelrechten 'Freßanfällen'". (Vgl. "Neue Osnabrücker Zeitung"
vom 19.02.1994.)
. Den Kernaspekt der "bürgerlichen Leistungsideologie" bildet
die Ableitung der sozialen Ungleichheitsstruktur aus der
"natürlichen" Ungleichheit der Individuen. In ihrer populistischen
Version ist demnach "jeder seines Glückes Schmied" bzw. für seine
soziale (Not-)Lage unmittelbar selbst verantwortlich. Mitmenschliche
Hilfsbereitschaft, Förderung und Unterstützung der Schwächeren,
Gewährung von Asyl für Armuts- und Elendsflüchtlinge etc. gelten
in diesem Deutungrahmen als prinziepiell "widernatürlich" und
stehen grundsätzlich unter Mißbrauchsverdacht. Insofern fungiert
die "bürgerliche Leistungsideologie" als Legitimationsgrundlage
der wohlstandschauvinistischen Festungsmentalität auch der
lohnabhängigen Modernisierungsgewinner in den kapitalistischen
Metropolen und bildet die "geistig-moralische" Klammer zwischen
bürgerliche Mitte (Salon) und
rechtsextremistisch/neofaschistischem Bewegungspektrum (Straße).
Was in Deutschland durch "Lichterkettenspektakel" und
"Weizäckerei" (als Fassade fürs Ausland) noch als getrennt
erscheint, ist in Italien bereit zu einem festen
mehrheitsgestüzten Regierungsblock vereint.
. Zur Transformation von "Wissen" (Informationen, Kenntnisse,
theoretische Aussagen etc.) in Überzeugungen und zur
persönlichkeitpsychologischen Charakteristik von Überzeugungen
vgl. Krauss 1988.
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GLASNOST, Berlin 1992 - 2019 |