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Beiträge zur Theorie  










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Hartmut Krauss

Geschichte der Subjektivität

Möglichkeitsbedingungen und Konstitutionsmerkmale 'praktisch-kritischer' Subjektwerdung im historischen Prozeß


Zur theoretischen Regression des epigonalen (Partei-)Marxismus

Im Gesamtwerk von Marx und Engels läßt sich demnach die Grundlegung einer kritisch-materialistischen Geschichtstheorie verorten, die den historischen Prozeß zugleich als dialektisch konstituiert (Arbeit; Klassenkampf/praktisch-kritische Tätigkeit) und 'offen' (limitierter Möglichkeitsraum) betrachtet und in diesem Kontext das Verhältnis von objektiver Bestimmtheit und subjektiver Bestimmung angemessen reflektierbar werden läßt. In der Nachfolge von Marx und Engels, ja noch zu Lebzeiten von Engels, obsiegt innerhalb der internationalen Arbeiterbewegung allerdings jene deterministische Interpretation des 'Wissenschaftlichen Sozialismus', die das soeben skizzierte geschichts- und subjekttheoretische Potential der Marx/Engelschen Theorie weitestgehend außer Acht läßt und letztendlich verschüttet. D.h. gerade die retardierenden Momente im Werk von Marx und Engels werden in der Perspektive parteistrategischer Nützlichkeitserwägungen (Fundierung von 'Siegesgewißheit') selegiert, didaktisch systematisiert und zu einer dominanten 'Marxismusversion' verfestigt. So wird im zeitgenössischen 'Vulgärmarxismus' der II. Internationale Marx als 'umgestülpter' bzw. 'materialisierter' Hegel präsentiert. D.h. die spekulative bzw. geschlossen-teleologische Figur der Hegelschen Dialektik bleibt 'strukturell' erhalten und wird lediglich auf eine materialistische/ökonomische Grundlage gestellt. "Wie Hegel sah auch Marx in der Geschichte der Menschheit einen gesetzmäßigen, von menschlicher Willkür unabhängigen Prozeß...Als Materialist aber erblickte er freilich diese Quelle nicht mehr in dem Geist, sondern in eben derselben ökonomischen Entwicklung...Der moderne dialektische Materialismus weiß noch viel besser als der Idealismus, daß die Menschen ihre Geschichte unbewußt machen, da deren Gang durch die vom menschlichen Willen unabhängige Entwicklung der materiellen Produktivkräfte bestimmt wird" (Plechanow 1971, S.283). Hier wird eindeutig hinter Marx' Hegelkritik zurückgefallen. Denn: "Hegels Geschichtsauffassung setzt einen abstrakten oder absoluten Geist voraus, der sich so entwickelt, daß die Menschheit nur eine Masse ist, die ihn unbewußter oder bewußter trägt. Innerhalb der empirischen, exoterischen Geschichte läßt er eine spekulative, esoterische Geschichte vorgehn. Die Geschichte der Menschheit verwandelt sich in die Geschichte des abstrakten, daher dem wirklichen Menschen jenseitigen Geistes der Menschheit" (MEW 2, S.89f.).

Auf diese Weise wird dem Geschichtsprozeß ein mechanistisch wirkendes (teleologisches) Fortschrittsgesetz unterstellt, als dessen schließlicher (prädestinierter) Vollstrecker das Proletariat fungiert. An die Stelle des sich teleologisch entfaltenden Hegelschen Weltgeistes tritt ein technizistisch verkürzter Produktivkraftfetischismus, der die Grundlage abgibt für einen fatalistischen Fortschrittsoptimismus.

Der Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus wird in diesem Denkrahmen 'zusammenbruchstheoretisch' gedeutet. Auf politischer Ebene entspricht diesem 'entsubjektivierten' Marxismus dann ein revolutionärer Attentismus; d.h. eine passiv-abwartende Haltung im Vertrauen auf den 'objektivistisch' garanierten Triumph des historischen Fortschritts. (Max Weber nannte deshalb die Sozialdemokratie ironisch einen Verein zur Herbeiführung einer ohnehin stattfindenden Sonnenfinsternis.)

"Die Intention gesellschaftsverändernder Praxis als das Zentralproblem marxistisch ausgelegter Dialektik" (Seppmann 1993, S.152) wird so zunehmend verschüttet. Für den traditionellen (Partei-)Marxismus stalinistischer Prägung, der einer ganzen Reihe von 'kommunistischen Kadern' als richtungsweisende Orientierungsgrundlage diente, ist dann ein mechanistischer Ökonomismus charakteristisch, der die Entwicklung und Beschaffenheit des kollektiven wie individuellen Bewußtseins linear aus den ökonomischen Verhältnissen ableitet. Dabei wird die Bewußtseins- und Ideenentwicklung als zwangsläufiger passiver Reflex auf subjektunabhängig sich vollziehende materielle Veränderungsprozesse behauptet. Im Rahmen dieses Diskurses, der die komplizierte Dialektik zwischen Subjekt-Tätigkeit-Objekt ausklammert, "ist es klar, daß die von unterdrückten Klassen vollzogenen revolutionären Umwälzungen eine völlig natürliche und unvermeidliche Erscheinung darstellen" (Stalin 1979, S.257). Als logische Konsequenz nun dieser impliziten Gleichsetzung von ökonomischer 'Klassenlage' und 'Klassenbewußtsein' bzw. dem 'Unvermeidlichkeitsdogma' der proletarischen Revolution wird die wissenschaftliche Erfassung der menschlichen Subjektivität in ihrer Eigengesetzlichkeit entweder verworfen, mißachtet oder ignoriert. Das diese stalinismistypische Mißachtung der Eigenlogik des 'subjektiven Faktors' auch in poststalinistischen Marxismusvarianten ungebrochen fortexistiert, hatte K.Holzkamp (1977, S.52) am Beispiel des ehemaligen 'Projekts Klassenanalyse' demonstriert: "Der individuelle Mensch erscheint hier also total als Produkt der objektiven gesellschaftlichen Einflüsse, und seine Individualität wird darauf reduziert, daß er quasi ein besonderer Schnittpunkt derartiger Einflüsse ist. Wenn man demgemäß die objektiven gesellschaftlichen Bedingungen, denen ein Mensch auf seinem gesellschaftlichen Standort ausgesetzt ist, nur spezifiziert genug erfaßt, so ist dies gleichbedeutend mit der Erfassung seiner Individualität."

Die epigonale Verwandlung des historischen Materialismus in eine ökonomistische Prädestinationslehre hat unterschiedliche politische Konsequenzen: Sie fördert einerseits eine 'attentistische' Tendenz des Abwartens, der praktisch-politischen Passivität im Vertrauen auf den 'gesetzmäßigen' Gang der Geschichte. Andererseits ist aber auch eine Motivierung voluntaristischer Tendenzen möglich. Ist die Gesetzmäßigkeit der Geschichte nämlich erst einmal erkannt und die Siegesgewißheit der 'proletarischen Sache' bewiesen, dann muß die Welt nicht mehr mühselig interpretiert werden, sondern dann kann man endlich 'losschlagen'. Dieser linksradikale Voluntarismus/Subjektivismus ist zunächst nicht nur für Stalin allein charakteristisch, sondern generell innerhalb der bolschewistischen Führungsgruppe virulent: "Ihre revolutionären Biographien, die ganze Logik ihres früheren Kampfes, die Kampfatmosphäre nach dem Oktober veranlaßten sie dazu, die in der berühmten Marxschen 11. These über Feuerbach enthaltene Idee zu übertreiben" (Wodolasow 1990, S. 208).

Worin liegt der tiefere Grund für diese ambivalente Kombination aus mechanistisch-fatalistischem Geschichtsverständnis und praktizistischem Voluntarismus/Subjektivismus als geistiges Merkmal des Stalinsimus?

Im Rahmen seiner Entfaltung des 'allgemeinen Arbeitsbegriffs' hebt Marx den schöpferisch-konstruktiven Charakter des menschlichen Bewußtseins als regulatives Wesensmoment der Arbeitstätigkeit hervor. Was den schlechtesten Baumeister von vornherein vor der besten Biene auszeichnet, ist die Fähigkeit zu ideeller Produktantizipation: "Am Ende des Arbeitsprozesse kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell vorhanden war. Nicht daß er nur eine Formveränderung des Natürlichen bewirkt; er verwirklicht im Natürlichen zugleich seinen Zweck, den er weiß, der die Art und Weise seines Tuns als Gesetz bestimmt und dem er seinen Willen unterordnen muß" (Marx 1976a, S. 193). Lenin notiert in seinem Konspekt zu Hegels 'Wissenschaft der Logik': "Das Bewußtsein des Menschen widerspiegelt nicht nur die objektive Welt, sondern schafft sie auch" (Lenin 1981a, S. 203). Der Widerspruch zwischen Sein und Sollen bzw. die subjektiv erfahrene Bedürfnisresistenz und -widerständigkeit der objektiven Realität wirkt hier als Triebkraft, "d.h., daß die Welt den Menschen nicht befriedigt und der Mensch beschließt, sie durch sein Handeln zu verändern" (ebenda, S. 204). Demgegenüber 'kreiert' Stalin - mit Bezug auf die Volksmassen - das Gesetz vom Zurückbleiben des Bewußtseins gegenüber dem Sein, indem er von einer passiv-mechanistischen Widerspiegelungsauffassung ausgehend den Tätigkeitscharakter des Bewußtseins, d.h. dessen aktive, antizipatorische, konstruktive 'Funktionsqualität' ausblendet. "Es ergibt sich, daß der Entwicklung der ideellen Seite, der Entwicklung des Bewußtseins, die Entwicklung der materiellen Seite, die Entwicklung der äußeren Bedingungen vorausgeht: Zuerst verändern sich die äußeren Bedingungen, zuerst verändert sich die materielle Seite, und dann verändert sich dementsprechned das Bewußtsein, die ideelle Seite" (Stalin 1953, S. 274).

Während bei Marx, wie schon Lefébvre (1971, S.118) hervorgehoben hat, "das Bewußtsein und die Erkenntnis mögliche Lösungen für wirkliche Probleme suchen, wie die konkreten Widersprüche sie stellen", erscheint bei Stalin 'Bewußtsein' als passiver 'nacheilender' Reflex auf die Wirklichkeit. Wie aber ereignet sich dann Geschichte als 'praktisch-kritische', eingreifend-verändernde Tätigkeit? Um aus diesem Erklärungsdilemma herauszukommen, wird dem Gesetz vom Zurückbleiben des Bewußtseins ein 'dogmatischer Subjektivismus' (Lefébvre) bzw. 'autoritärer Voluntarismus' (Marcuse) zur Seite gestellt, wonach die (Partei-)Führer von diesem Gesetz ausgenommen und dazu berufen sind, das 'nacheilende' (Massen-)Bewußtsein auf die 'Höhe der Zeit' zu heben und auf die historischen Aufgaben 'auszurichten'. Dem Führer-Voluntarismus entspricht so der 'prinzipielle' Objektstatus der Volksmassen. "Es ist freilich ein wiederkehrendes Merkmal allen undialektischen, in starren Gegensätzen sich bewegenden Denkens, daß die zunächst extrem einseitig besetzte Position jäh und unvermittelt einer anderen weichen muß, welche durch eine neue Einseitigkeit die erste zu korrigieren sucht" (Hofmann 1970, S. 80).

Im Rahmen des parteimarxistischen Geschichtsdiskurses wurde nicht zuletzt die gesamte 'Geschichte der Klassenkämpfe' dem 'unvermeidlichen' Telos der proletarischen Weltrevolution subsumiert, d.h. als a prori die proletarische Befreiungsmission vorbereitende bzw. wegbahnende Vorgeschichte simplifiziert. Das vielgestaltig, heterogen und in sich kompliziert gegliederte 'revolutionäre Sozialerbe' wurde so voluntaristisch vereinseitigt und die Beweggründe der konkret-historisch bestimmten praktisch-kritischen Akteure wurden weniger aus ihrer Zeit heraus begriffen als vielmehr zu bloßen 'Vorläufern des neueren Sozialismus' (Kautsky) herabgestuft. Die inadäquate Heroisierung der Volksmasse als 'wahrer Schöpfer' bzw. 'reales Subjekt der Geschichte' fungierte daher als ein idelogisches Konstrukt, das weltanschauungsfunktional dem proletarischen Messianismus untergeordnet blieb und die komplizierte Bewegungslogik der praktisch-kritischen Subjektwerdung von Teilen der Beherrschten in unterschiedlichen Geschichtsepochen begrifflich verstellte.


Konstitutionsmerkmale der praktisch-kritischen Subjektentwicklung von Teilen der Beherrschten im historischen Prozeß

Von der vielfach akzentuierten Rolle der Volksmassen als exploitierte, kommandierte und entfremdete Träger der klassenantagonistisch bestimmten materiellen (Re)Produktion kann nicht unmittelbar (linear) auf deren 'revolutionäre', 'praktisch-kritische' Subjekthaftigkeit (Geschichtsmächtigkeit) 'kurz'geschlossen werden. D.h. der Status des historischen Subjekts ist den beherrschten Klassen und Schichten nicht per se inhärent - diesen also nicht 'einfach' sozialexistenziell 'mitgegeben' - sondern muß als in den Widersprüchen der gesellschaftlichen Lebenstätigkeit aufgehobene Möglichkeitsbedingung (Herausforderung), also als 'aufgegeben', begriffen werden. Erst indem die Volksmassen nicht nur als materielle Produzenten aktiv-tätig die Natur verändern, sondern darüberhinaus progressiv-umgestaltend auf die vorgefundenen sozialen Verhältnisse einwirken, formieren sie sich im konkret-historischen Prozeß zum Subjekt 'revolutionärer', 'praktisch-kritischer' Tätigkeit. Eben deshalb verbindet die Marxsche Theorie die Analyse der objektiven Bedingungen "mit der entschiedensten Anerkennung der Bedeutung der revolutionären Energie, der revolutionären Schaffenskraft, der revolutionären Initiative der Massen und natürlich auch der einzelnen Personen, Gruppen, Organisationen und Parteien, die es verstehen, Verbindungen mit den einen oder anderen Klassen ausfindig zu machen und zu realisieren"(Lenin, Werke Bd.13, S.23). Dabei ist natürlich der widersprüchliche, komplizierte und langwierige (mit Rückschlägen und Stillständen verbundene) Charakter dieses Formierungsprozesses hervorzuheben: Neben den Revolutionen als nichtalltäglich-außergewöhnlichen Höhepunkten bzw. "Festtage(n) der Unterdrückten und Ausgebeuteten" (Lenin, Werke Bd.9, S.103) kennt die Geschichte auch stagnative Perioden, "in denen große Massen von Werktätigen zu einem stumpfen Dahinvegetieren verurteilt waren, in denen sie geschunden und bei spontanem Aufbegehren erbarmungslos niedergedrückt wurden, in denen tagtägliches Leid und Dulden sie nur recht dürftig auf künftige Klassenschlachten vorbereiteten"(Autorenkollektiv 1979, S.551f.). Die historisch-materialistische Rekonstruktion der geschichtlichen Subjektformierung der Volksmassen muß sich deshalb von den Positionen eines apriorisch zuschreibenden 'Subjektismus' (subjekttheoretischer 'Triumphalismus') ebenso abgrenzen wie von dessen spiegelbildlicher Verkehrung: der Leugnung, Entwichtigung und Verzerrung der sich bildenden 'praktisch-kritischen' Subjektqualität der Beherrschten und Unterdrückten (subjekttheoretischer Skeptizismus). In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf folgende Aspekte hinzuweisen:

1.) Das Abbild- und Orientierungsniveau der 'praktisch-kritisch' tätigen Volksmassen muß jeweils in seiner konkret-historischen (formationsspezifischen) Bestimmtheit untersucht und bewertet werden; d.h. im Hinblick auf die realhistorisch gegebenen Möglichkeiten subjektiver (klassenspezifischer wie individueller) Widerspruchsverarbeitung in Gestalt von aneigenbaren (standortspezifischen) Reflexionsmitteln, Denkformen, Normen, kulturellen Symbolen etc. "Alles", so Engels (MEW 21,S.298), "was die Menschen in Bewegung setzt, muß durch ihren Kopf hindurch; aber welche Gestalt es in diesen Köpfen annimmt, hängt sehr von den Umständen ab." Vor der "Besitzergreifung der Produktionsmittel durch die Gesellschaft" (MEW 19, S.226), d.h. unter den Bedingungen der spontan antagonistischen Durchsetzungsform der gesellschaftlichen Entwicklung, bedeutet das, die widersprüchliche Einheit von Spontaneität, Bewußtsein und Bewußtheit konkret in Rechnung zu stellen, d.h. vom Standpunkt des 'inneren historischen Beobachters' aufzuschlüsseln: "Als Gegensatz zur Bewußtheit ist die Spontanität nicht das völlig Unbewußte. Die Menschen handeln immer bewußt und streben selbstgesteckte Ziele und gewollte Wirkungen an, die sie oft auch erreichen. Unbewußt können dabei aber die weiterreichenden Folgewirkungen des Handelns sein, und sie sind es im weitaus größten Teil der bisherigen Geschichte auch fast durchweg gewesen ... Bewußtsein haben die Menschen immer, Bewußtheit ist ihnen jedoch nur eigen, soweit sie die Objektivität richtig widerspiegeln" (Barthel 1976, S. 269f.) Erst mit der Herausbildung einer systemtransformatorischen Bewegung im Kontext der Aneignung, Diskussion und Multiplikation einer gesellschaftskritisch-wissenschaftlichen Orientierungsgrundlage ('Wissenschaftlicher Sozialismus') wird die Bewußtheit als auf historisch-gesellschaftlicher Zusammenhangserkenntnis gegründete kognitive Qualität zum (möglichen) regulativen Charakteristikum geschichtsbildender kollektiver Tätigkeit.

2.) Die konkrete Gestalt der 'praktisch-kritischen' (gesellschaftsverändernden) Tätigkeit der Volksmassen im historischen Prozeß erschöpft sich nicht in akuten Zuspitzungen, Revolutionen, Aufständen etc., also in den Kulminationspunkten, sondern kristallisiert sich gleichfalls in 'ruhigeren' vorbereitenden Aktivitäten, latenten Protestformen, Perioden der allmählichen 'Konstruktion' 'praktisch-kritischer' Tätigkeitsmomente (z.B. der Erarbeitung und Ausbreitung subversiver ideologischer Deutungssysteme als herrschaftsparalysierende 'Gärungsmittel' etc.), in die wechselnde Teile der Beherrschten unmittelbar einbezogen sind. Aus der Perspektive der Analyse der Klassenkampfentwicklung in den antiken Gesellschaftsformationen stellt z.B. Jähne (1986, S.11) folgendes fest: "Volks- und Sklavenkriege waren in vorfeudaler Zeit lediglich Gipfelpunkte des Klassenkampfes und sind mit dessen anderen, weniger augenscheinlichen, dafür stetigen und alltäglichen Formen in eine Reihe zu stellen. In der Gesamtheit seiner niederen und höheren Formen ist der Klassenkampf der unterdrückten und ausgebeuteten Volksschichten eine durch die Geschichte der Klassengesellschaften fortlaufende kontinuierliche Erscheinung." Die Rekonstruktion der 'praktisch-kritischen' Subjektwerdung von Teilen der Volksmassen muß deshalb folgende unterschiedlich beschaffenen Erkenntnisbarrieren in Rechnung stellen: Zum einen den Tatbestand, daß die der jeweils herrschenden Klasse aggregierte 'offizielle' Geschichtsschreibung (klassen)naturwüchsig dazu neigt, den Widerstand und die emanzipatorischen Bestrebungen der Unterdrückten zu tabuisieren, zu perhorressieren und zu marginalisieren, d.h. als historische Anomalie 'aufzubereiten', um so die 'Spuren der Besiegten' (vgl. Haasis 1984) zu verwischen. Zum anderen wirkt aber auch die in Mode gekommene Überhöhung der Alltagskultur und -geschichte 'von unten' gerade deshalb konterproduktiv, weil sie nicht zwischen vorwärtstreibenden Momenten, Keimformen, Ansätzen 'praktisch-kritischer' Tätigkeitsentwicklung einerseits (Evolution einer Widerstands- und Gegenkultur) und jenen alltagskulturellen Lebensformen zu differenzieren weiß, in denen sich die Beherrschten in ihrer entsubjektivierten Bestimmtheit durch die herrschenden Verhältnisse reproduzieren, d.h. als beherrschte Individuen be(s)tätigen. (Zur Kontroverse um die Alltagsgeschichte vgl. z.B. Prüggemier, Kocka 1985.) Demgegenüber ist folgendes systematisch zu berücksichtigen: In dem Maße wie seit der Auflösung der urgesellschaftlichen Lebensformen "die ganze Geschichte eine Geschichte von Klassenkämpfen gewesen ist"(MEW 21, S.3), die ausgebeuteten und beherrschten Gesellschaftsmitglieder in je formations- und phasenspezifischer Qualität und Intensität 'praktisch-kritisch' auf die (vor)gegebenen sozialen Verhältnisse einwirken und sich auf diese Weise tätigkeitsspezifisch vergegenständlichen, wird die Aneignung, Modifizierung und Ausgestaltung des so geschaffenen 'revolutionären Sozialerbes' zu einem konstitutiven Moment des widersprüchlichen Entwicklungsprozesses der Menschheit insgesamt wie der einzelnen Persönlichkeit. Folgende wesentlichen Konstitutionsformen im Prozeß der Selbstbewegung von Teilen der Volksmassen zum 'praktisch-kritischen' Tätigkeitssubjekt sind hier besonders hervorzuheben:

1.) Wie MARX in dem berühmt gewordenen Vorwort zu seiner Arbeit: 'Zur Kritik der Politischen Ökonomie' herausstellt, sind es die "juristischen, politischen, religiösen, künstlerischen oder philosophischen, kurz ideologischen Formen, worin sich die Menschen dieses Konflikts (d.h. der ökonomisch verwurzelten sozialen Antagonismen, H. K.) bewußt werden und ihn ausfechten"(MEW13, S. 9). Die antagonistisch vergesellschafteten Menschen generieren demnach im Prozeß ihrer ganzheitlichen Lebensbewältigung eine komplex strukturierte klassentypisch-standortspezifische (interessendeterminierte) Bewußtseinsform als ideelles 'Werkzeug' (bzw. 'Mechanismus') zur Verarbeitung der erfahrenen gesellschaftlichen Widersprüche mit dem funktionalen Effekt der tätigkeitsbezogenen Orientierung, Mobilisierung und Identitätsbildung der gesellschaftlichen (Klassen-)Individuen. Die regulative Wirksamkeit dieser integrierten 'ideologischen Formen' basiert dabei primär auf der Interfunktionalität von kognitiven (interpretativen) und moralischen (wertend-normativen) Komponenten im Rahmen eines konkret-historischen ideologischen Systems: Vermittels der ('systemimmanenten') 'Übersetzung' von Wirklichkeitsinterpretationen in explizite Wirklichkeitsbewertung und Handlungsanleitung (Normierung) wird die .Mobilisierungs- und Wirkungsfähigkeit (bzw. 'hegemoniale Kapazität') einer Ideologie entscheidend 'verstärkt' bzw. überhaupt erst hergestellt, während andererseits die moralischen Systemkomponenten der Ideologie durch die kognitiv-interpretativen Bestandteile (Aussagen) erst ihre legitimierende bzw. 'absichernde' Grundlage erhalten. Dieses funktionale Ergänzungsverhältnis von Wirklichkeitsinterpretation/-bewertung/Handlungsnormierung trägt entscheidend zur qualitativen Potenzierung der subjektiven Orientierungsrelevanz einer Ideologie bei, 'konkretisiert' deren Bedeutsamkeit als Folie subjektiver Widerspruchsverarbeitung. In Anlehnung an Gramsci (1967,S.147) läßt sich folglich die Erarbeitung/ Aneignung einer Ideologie (Weltanschauung) als integraler Bestandteil der gesellschaftlichen Handlungsfähigkeit eines kollektiven (wie individuellen) Subjekts bestimmen: "...so sind die meisten Menschen Philosophen, weil sie praktisch handeln und in ihrem praktischen Handeln (in den Leitlinien ihres Verhaltens) implizit eine Weltanschauung, eine Philosophie enthalten ist. Die Geschichte der Philosophie ... ist die Geschichte ideologischer Versuche und Initiativen einer bestimmten Klasse von Personen, um die Weltanschauungen jeder Epoche zu verändern, zu korrigieren und zu vervollkommnen und folglich die entsprechenden, diesbezüglichen Verhaltensnormen oder das praktische Handeln insgesamt zu ändern." Die historische Subjektformierung der Volksmassen beinhaltet demgemäß als wesentliche (notwendige) Voraussetzung die zumindest partielle Durchbrechung der ideologisch-weltanschaulichen Deutungs- und Normierungsmacht der herrschenden Klasse und damit die Schöpfung einer tendenziell 'historisch-organischen Ideologie' (Gramsci) als zentrales Orientierungssystem der 'praktisch-kritischen' Tätigkeit. Bezüglich der regulativen 'Leistungsfähigkeit' dieser 'praktisch-kritischen' Bewußtseinsform und deren Produktion sind folgende Momente anzuführen:

a) Der Prozeß der 'Katharsis' (vgl. Gramsci 1967,S.164) enthält als grundlegende (massen)psychologisch wirksame Dimension die (ideologiekritische) Selbstreinigung von inadäquaten Bedeutungen als ideellen Stabilisatoren 'im Sinne' der herrschenden Gedankenform, die Zurückweisung der Legitimationsformeln und Verhaltenszumutungen der Herrschenden, die Durchbrechung des Scheins der Allgemeingültigkeit der herrschenden Ideologie etc. Auf diese Weise wird insbesondere die Antriebsstruktur der Beherrschten grundlegend umgewandelt: Verändernde Tatkraft tritt allmählich an die Stelle 'knechtseliger' Passivität und verdrängt sukzessive die fatalistische Akzeptanz gegenüber der bislang 'naturalistisch' mißdeuteten gesellschaftlichen Realität. Lenk (1978, S.40), der diesen Vorgang konkret-historisch für die Krise der Feudalgesellschaft am Vorabend der deutschen frühbürgerlichen Revolution beschrieben hat, stellt verallgemeinernd fest: "Durch Anklage und enthüllende Kritik wurde der Anspruch der Feudalherren, Hüter und Bewahrter von Ordnung, Gerechtigkeit und Frieden, von Moral und Kultur zu sein, allmählich zerstört. Die im gesellschaftlichen Bewußtsein dieser Zeit verfestigten Vorstellungen und Meinungen, daß die bestehende Standeshierarchie mit ihren Unterordnungsungs-und Knechtschaftsverhältnissen gleichsam naturgegeben und unveränderlich sei, gerieten ins Wanken. Aus dem Komplex von ethischen, religiösen und anderen ideologischen Begründungen, die diese Meinungen und Vorstellungen und damit das Feudalsystem stützten, brach ein Argument nach dem anderen heraus."

b) Die ideologische Selbstreinigung als zentrales Moment 'praktisch-kritischer' Selbstveränderung steht in organischer Wechselbeziehung zum Prozeß der (Re-) Konstruktion: Multiplikation und Rezeption interessenadäquater Bedeutungen, also der Schöpfung einer 'praktisch-kritischen' Ideologie und deren 'Durchsetzung' als tätigkeitsrelevantes Regulierungssystem. Gestützt auf dieses neu geschaffene Bedeutungssystem reflektiert das sich formierende Subjekt seine kritische Intention, 'klärt' die Ziele und Aufgaben der 'Bewegung' und erzeugt so die kognitiv-normativen Voraussetzungen für die geistig-kritische Durchdringung und praktisch-eingreifende 'Lösung' der gesellschaftlichen Widersprüche in Abhängigkeit vom konkret-historischen Entwicklungsniveau. Hierbei sind folgende Aspekte zu berücksichtigen: Die Erarbeitung der 'praktisch-kritischen Ideologieform' ist der spezifische Beitrag der 'organischen Intellektuellen', die sich der als historisches Subjekt formierenden Volksmasse assoziieren oder - was aus Gründen der klassenantagonistischen Privilegierung der 'Kopfarbeit' seltener der Fall ist - sich direkt aus ihr rekrutieren. Allerdings ist die Verbreitung der Ideologie auf den verschiedensten 'Kommunikationsebenen' Sache der Volksmassen selbst bzw. deren organisiert wirkenden bewußtesten Kräfte. "Eine neue Kultur schaffen bedeutet nicht allein, individuell 'neuartige' Entdeckungen zu machen, es bedeutet auch und besonders, bereits entdeckte Wahrheiten kritisch zu verarbeiten, sie sozusagen zu 'vergesellschaften', sie lebenswichtigen Handlungen als Element der Koordinierung und geistig-moralischer Ordnung zugrunde zu legen" (Gramsci 1967, S.131). Neben der kritischen Demontage der herrschenden Ideologie ist die schöpferische (Re)Konstruktion adäquater (klassenorientierender) Bedeutungen wesensmäßig gebunden an die Aufarbeitung 'praktisch-kritisch' nutzbarer Ideenbestände als Teilaspekt des revolutionären Sozialerbes; bezieht also die bewußte Anknüpfung an progressive Denktraditionen und deren zeitgemäße Weiterentwicklung (dialektische Negation) mit ein. Exemplarisch kann hier auf Thomas Müntzer verwiesen werden, der nicht nur gegenüber Luther in scharfer Form den Subjektcharakter des 'gemeinen Mannes' klargestellt hat, sondern in seiner Funktion als führender (konzeptiver) Ideologe der deutschen frühbürgerlichen Revolution tradiertes häretisches Gedankenmaterial kritisch verarbeitete und sich bewußt auf revolutionäre Vorläufer (z.B. Hussitenbewegung) bezog: "Während... Luther sich mit der Ablaßfrage und dadurch mit der römischen Kurie herumschlug, zog sich Müntzer in die Ruhe der Studierstube im Kloster Beuditz zurück; er verarbeitete also eine ganz andere Überlieferung, drang bewußt zu anderen Quellen vor. Nicht Occamismus, Augustinismus, sondern alttestamentliches Prophetentum, Taboritentum und mittelalterliche Mystik, ketzerische Ideen des Mittelalters und humanistische Literatur sowie die Veröffentlichungen der frühen Reformationsbewegung - neben Luther vor allem Karlstadt - bestimmten ihn, wobei die Aneignung und Auseinandersetzung unter aktiven Vorzeichen und ohne Neigung zu quietistischer Gottschau und Selbstbespiegelung erfolgte" (Steinmetz 1975, S.676f.).

2.) Die geschichtliche Subjektwerdung der Volksmassen manifestiert sich in prägnanter Weise in der Erzeugung und Ausgestaltung eines komplexen Ensembles 'praktisch-kritischer' Tätigkeitsformen und -zusammenhänge, die als historisch-spezifische Realisierungsweisen gesellschaftsverändernder Aktivitäten in Erscheinung treten. In Abhängigkeit vom real-historisch erreichten Grad der Widerspruchsverschärfung, dem damit verbundenen Kräfteverhältnis zwischen den sich bekämpfenden Klassen und der Konstitution des tradierten (aneigenbaren) revolutionären Sozialerbes ist hiermit auf die historisch-empirisch konkrete Palette 'niederer' und 'höherer' Verwirklichungen der drei Grundformen des Klassenkampfes verwiesen: Zurückhaltung der Arbeitsleistung, Verweigerung der Abgabe des Mehrprodukts, Streiks, punktuelle spontane Rebellionen, geheime Verschwörungen, Sektenbildung, Propagierung herrschaftsfeindlicher Ideen, Aufstände, bewaffnete Erhebungen und Befreiungskriege etc. Im Rahmen dieser 'praktisch-kritischen' Tätigkeitsprozesse 'evolvieren' zielspezifische Anforderungsstrukturen, die gemessen am jeweils gegebenen historisch-gesellschaftlichen Möglichkeitsraum subjektiv mehr oder minder adäquat realisiert werden können. Gerade in der quantitativ wie qualitativ differierenden 'Ausfüllung' der konkret-historischen Anforderungsstrukturen, der Aneignung unterschiedlicher 'praktisch-kritischer' Tätigkeitsprofile offenbart sich die historische Subjekthaftigkeit der beherrschten Klassen und Schichten. Exemplarisch läßt sich die hier nur andeutungsweise skizzierbare Dialektik von Anforderungs- und Fähigkeitsevolution anhand des deutschen Bauernkrieges (als dem Höhepunkt der deutschen frühbürgerlichen Revolution) nachvollziehen: Wenn auch der Heroismus der kämpfenden Bauern beeindruckend ist, so sind doch neben den ausschlaggebenden objektiven (ökonomischen und politisch-sozialen) Ursachen auch subjektive Gründe für die Niederlage anzuführen:

a) Mangel an militärisch-strategischen Kompetenzen: Fixierung auf eine vorwiegend defensive Kampfweise trotz partieller waffentechnischer Ebenbürtigkeit und zahlenmäßiger Überlegenheit, geringe Widerstandskraft gegenüber den Geschützen und der Reiterei des Gegners; ungenügende strategische Koordination und Organisation etc.

b) Mangel an politisch-ideologischen Kompetenzen: Verzicht auf politisch-strategische Abstimmung zwischen den Aufstandszentren infolge einer dominanten lokalbornierten Denk- und Handlungsweise; psychisch-moralische Defizite in der Verhandlungsführung mit dem verschlagenen, wortbrüchigen und brutalen Gegner; ungenügendes Vorhandensein weltanschaulich-programmatischer Artikulationsfähigkeiten etc. (vgl. z.B. MEW 7, S.378 f., 381f., 390; Steinmetz 1979,S.132f.; Lenk 1983,S.23ff.; Vogler 1983,S.197ff.).

3.) Als zentraler Kohäsions- und Vermittlungsfaktor der sich historisch entwickelnden dialektischen Einheit von revolutionärem Subjekt, gesellschaftsverändernder Tätigkeit und 'praktisch-kritischem' Bewußtsein ist die Entstehung formationsspezifischer Organisations und Vereinigungsformen hervorzuheben, vermittels derer die Volksmassen ihrer erkämpften Subjektqualität Ausdruck verleihen, ihre interessenspezifischen Tätigkeitsziele in Angriff nehmen und sich mit dem herrschaftsbehauptenden (Klassen-)Gegner auf den verschiedenen Kampfebenen konfrontieren. D.h. die geschichtlich entstandenen Organisations- und Vereinigungsformen der beherrschten Klassen sind notwendige, durch die multiinstrumentale Machtausübung der Herrschenden funktional (mit)bestimmte Instrumente zur Durchsetzung ihrer Interessen und damit wesentliche Konstitutionsformen ihrer historischen Subjekthaftigkeit. "In einer Gesellschaft, die auf der Klassenteilung beruht, wird der Kampf zwischen den feindlichen Klassen auf einer bestimmten Stufe seiner Entwicklung unvermeidlich zum politischen Kampf. Der vollendete, stärkste und klarste Ausdruck des politischen Kampfes der Klassen ist der Kampf der Parteien" (Lenin, Werke Bd. 10, S. 65). Dabei ist folgendes zu berücksichtigen:

1.) 'Parteien' als moderne, mit der Entstehung der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft und ihren spezifischen Antagonismen sich bildende Typen von Klassenorganisationen haben ihre konkret-historischen Vorläufer in Sekten, Geheimbünden, Verschwörungszirkeln etc. als epochenspezifische Assoziationen der zumeist bewußtesten und kampfbereiten Kräfte der Volksmassen.

2.) Die politischen Organisations- und Vereinigungsformen als 'Kernstück des subjektiven Faktors' der 'praktisch-kritischen' Tätigkeit wirken als 'Schaltzentrum' der Kampfhandlungen und damit häufig als 'Schöpfer' weiterer, insbesondere militärischer Organisationsformen.

3.) Der widersprüchliche und komplizierte Charakter der Herausbildung 'praktisch-kritischer' Organisationsformen spiegelt sich realgeschichtlich oftmals in den politisch-ideologisch induzierten Fraktionskämpfen zwischen den beteiligten Kräften; vornehmlich als Auseinandersetzung zwischen der gemäßigt-versöhnlerischen und der radikal-vorwärtstreibenden Fraktion. (Zur Rolle der 'äußersten Linken' beim Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus vgl. Kossok, Markov 1979,S.29ff.)

Im Hinblick auf den deutschen Bauernkrieg zeigte sich die schöpferische Rolle der Volksmassen nicht zuletzt in der Bildung spezifischer Kampforganisationen. Zum einen ist hier auf die 'christlichen Vereinigungen' hinzuweisen, die als Gemeinschaften Gleichgesinnter zur Durchsetzung der bäuerlichen Ziele im Kampf gegen die feudalen Mächte gegründet wurden und auf dem Höhepunkt des Kampfes ihre Funktion als Keimform revolutionärer Neuordnung und Machtausübung erfüllten. (Zu Müntzers Bestimmung der 'christlichen Vereinigung' vgl. Smirin 1952,S.278ff.) Zum anderen "bildeten sich mit Ausbruch des Aufstandes die Haufen als militärische Organisationsform nach dem Vorbild der Schweizer und der Landsknechte... Auch wenn die Bauern auf ältere Traditionen des Gemeindelebens und des revolutionären Kampfes zurückgriffen, so schufen sie doch Neues, das Gestalt annahm in einer Vielfalt von Artikeln und Ordnungen - Landes- und Bundesordnungen, Feld und Kriegsordnungen, Predigtordnungen -, die in überzeugender Weise von der Schöpferkraft des Volkes Zeugnis ablegen. Von besonderer Bedeutung war, daß es gelang, die aktive Mitwirkung der Bauern am politischen Leben der Haufen durch Diskussion und Entscheidung aller Fragen im Ring zu gewährleisten" (Steinmetz 1979,S.1 29 )

4.) Die als Prozeß kollektiver Widerspruchsverarbeitung gekennzeichnete historische Subjektwerdung der Volksmassen impliziert im organischen Zusammenhang mit der Produktion 'praktisch-kritischer' Ideologie, Tätigkeits- und Organisationsformen die Herausbildung spezifischer Individvalitätsformen als individuumzentrierte Systeme zu entwickelnder Fähigkeiten' in ihrer Bedeutung als 'praktisch-kritische' Tätigkeitsvoraussetzungen. Bezüglich ihrer objektiven Beschaffenheit sind diese 'praktisch-kritischen' Individualitätsformen zu bestimmen als im Rahmen der klassenkämpferischen Tätigkeitsorganisation positionsspezifisch ausdifferenzierte Anforderungsstrukturen, die subjektiv (d.h. durch konkrete Individuen) realisiert werden müssen, sofern die progressiv gesellschaftsverändernde Gesamttätigkeit dauerhaft reproduziert und nach Möglichkeit optimiert werden soll. Im Unterschied zum klassenantagonistisch bestimmten materiellen (Re) Produktionsprozeß, in dessen Rahmen die positionsbezogenen Individualitätsformen per ökonomischem und/oder außerökonomischem Zwang formationsspezifisch vorgegeben sind und nur bei Strafe der individuellen Existenzgefährdung desavouiert werden können, sind die 'praktisch-kritischen' Individualitätsformen als individuumzentrierte Besonderungen der gesellschaftsverändernden Gesamttätigkeit den Einzelnen in 'radikalisierter' Weise 'aufgegeben': "Persönlichkeitsentwicklung bedeutet nicht bloß einen individuellen Nachvollzug vorgegebener Bedingungen, sondern vor allem Aneignung der Möglichkeiten, der Erfordernisse dieser Verhältnisse, also ein produktives Verhältnis zu ihnen"(Röhr. 1979, S. 143). Erst vermittels der aktiven Aneignung der (konkret-historisch möglichen) 'praktisch-kritischen' Tätigkeitskompetenzen, die sowohl kognitive als auch emotional-motivationale, willentliche, handlungsstrukturelle etc. Funktionsaspekte umfassen, versetzen sich folglich die beherrschten individuellen Subjekte in die Lage, gegenüber den sich permanent verändernden gesellschaftlichen Ereignisströmen progressive Handlungsfähigkeit zu wahren, aktiv in die Geschehnisse einzugreifen, ihre revolutionäre Zielperspektive durch die jeweiligen möglicherweise widrigen Ereigniskonstellationen, Kräfteverhältnisse etc. aufrecht zu erhalten und die je situationsspezifische Behauptungsstrategie und -taktik der Herrschenden angemessen zu berücksichtigen etc. Als konkret-historisches Beispiel für die subjektive Realisierung einer 'praktisch-kritischen' Individualitätsform ist auf die 'propagandierenden' Kader der 'Müntzers Partei' im deutschen Bauernkrieg zu verweisen, zu denen Engels folgendes ausführt: "Durch die Verfolgungen von jedem festen Wohnsitz ausgeschlossen, streife(n) sie über ganz Deutschland und verkündete(n) überall die neue Lehre, in der Mün(t)zer ihnen ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche klargemacht hatte. Unzählige wurden gefoltert, verbrannt und sonst hingerichtet, aber der Mut und die Ausdauer dieser Emissäre war unerschütterlich, und der Erfolg ihrer Tätigkeit, bei der schnell wachsenden Aufregung des Volkes, war unermeßlich. Daher fand Mün(t)zer bei seiner Flucht aus Thüringen den Boden überall vorbereitet, er mochte sich hinwenden, wohin er wollte" (MEW7, S. 3575). Nach Steinmetz (1979, S.130) hat die Forschung ca. 90 Führungskader allein aus dem Thüringischen Aufstand namentlich ermitteln können und bei über 70 von ihnen die soziale Herkunft belegt.

5.) In dem Maße, wie sich Teile der beherrschten und ausgebeuteten Volksmassen im Kampf gegen die unterdrückenden Gewalten als historisches Subjekt konstituieren und in diesem widerspruchsvermittelten Prozeß entsprechende 'praktisch-kritische' Tätigkeits-, Bewußtseins-, Organisations- und Individualitätsformen produzieren, schaffen sie das Unterpfand eines sich historisch kumulierenden Bedeutungsensembles, das als tradierbare 'Zweite Kultur' die Dignität eines progressiv-revolutionären Sozialerbes erlangt. In inhaltlicher Hinsicht umfaßt diese geschichtlich evolvierende 'praktisch-kritische' Kulturform eine komplex strukturierte Totalität multiphänomenaler Bedeutungen: Bücher, Flugschriften, Pläne, Programme, Bilder, Lieder, literarische Werke, Kampfsymbole, Rituale, Normen etc. als besondere Vergegenständlichungen in ihrer Funktion als Mittel kognitiv-weltanschaulicher Orientierung, emotional-motivationaler Mobilisierung, willentlicher Stabilisierung und handlungsbezogener Identitätsbildung der beherrschten Individuen im Rahmen ihrer gesellschaftsverändernden Tätigkeit. Neben den bereits skizzierten 'fundierenden' Momenten impliziert die im historischen Entwicklungsprozeß der Klassengesellschaft sich bildende 'Zweite Kultur' folglich eine 'Ästhetik des Widerstands' als unveräußerliche Dimension der Kulturgeschichte der Menschheit. "Die Formen Zweiter Kultur sind also als eine historische Vielfalt von Gestalten und Gestaltungen des Widerstands zu interpretieren. Trotz dieser Vielfalt läßt sich logisch und historisch von einer Stufenfolge solcher Formen sprechen..., beginnend mit Formen der alltagspraktischen Bestätigung der Humanität unter Bedingungen der Repression über eine Vielfalt von vorwissenschaftlichen Widerstandsformen (häufig religiöser und religiös-künstlerischer Art) bis hin zu (unbewußten und bewußten) ästhetischen Gestaltungen des Widerstands, zu den rationalen und wissenschaftlichen Ideologien des Demokratismus und Sozialismus. Diese Stufen sind als Stufenfolge eines Lernprozesses rekonstruierbar, der zwar angeleitet, doch nie von oben 'diktiert' werden kann. Zweite Kultur ist stets ein Prozeß ' von unten nach oben ', der dem der Ersten Kultur ... diametral entgegengesetzt ist" (Metscher 1982,S.126). Im vorliegenden thematischen Kontext ist an dieser Stelle vor allem auf die elementare subjektbezogene Funktionalität der 'Zweiten Kultur' hinzuweisen: Als polymodal strukturierte Ganzheit historisch produzierter Bedeutungen wirkt sie in ihrer jeweiligen konkret-historischen Gestalt als integrales Medium und 'Nährboden' für die progressive Verarbeitung der erlittenen gesellschaftlichen Widersprüche durch die Angehörigen der beherrschten Klassen und Schichten. Ihre Aneignung kann demgemäß nur gegen den multiinstrumentalen Widerstand der hegemonialen und repressiven Gewalten der Träger 'Erster Kultur' (herrschaftslegitimierende Ideologie/Moral etc.; staatlicher Gewaltapparat; Herrschaftsästhetik etc.) erkämpft werden, so daß sie zugleich als Voraussetzung, Streitobjekt und Resultat des Kampfes der Volksmassen begriffen werden muß.

'Praktisch-kritische' Tätigkeit kann somit zusammenfassend bestimmt werden als sich historisch veränderndes Bewegungssubstrat der Subjektformierung der Volksmassen: Sie ist als ideologisch-weltanschaulich regulierte, in kollektiv-kooperativen Formen vollzogene, polymodal strukturierte, anforderungsspezifische, durch (Bedeutungs)Momente 'Zweiter Kultur' konstituierte Tätigkeit wesentlicher (inhärenter) Bestandteil menschlicher Lebensbewältigung im Verlauf der bisherigen antagonistischen Zivilisationsgeschichte.


Zur aktuellen Problemkonstellation praktisch-kritischer Subjektformierung

Der 'globale' Kapitalismus, der sich angesichts des 'realsozialistischen' Verfallsprozesses noch so triumphierend gebärdet hatte, ist längst wieder durch die breite und tief wirkende Palette seiner immanent unauslöschlichen Widerspruchspotentiale und Krisenprozesse eingeholt worden. Die ökologische Zerstörung schreitet trotz pseudoeinsichtiger Absichtserklärungen von supranationalen Institutionen, Gremien und Konferenzen voran; die globale und nationale Verteilungsungerechtigkeit verschärft sich; an Stelle einer neuen Weltordnung des Friedens, der partnerschaftlichen Harmonie und Zivilität entstehen und verfestigen sich zunehmend Zonen der Verelendung und Barbarisierung; in den entwickelten kapitalistischen Ländern grassieren chronische Massenarbeitslosigkeit, soziale Erosion und kultureller Verfall. Immer auffälliger tritt die grundlegende Konzeptions- und Ratlosigkeit der systemtragenden Kräfte einschließlich der 'politischen Klasse' zu Tage. Der 'postistische' Zeitgeist (Postmoderne, Postfordismus, Postkeynesianismus etc.) sowie die Wiederbelebung überkommener Ideologien (Neoliberalismus, Neokonservatismus) komplettieren diese herrschende Orientierungskrise. Zwar verfügt das spätbürgerliche Herrschaftssubjekt noch über ein abgestuftes System von gesellschaftlichen Regulierungsinstrumentarien, aber es ist längst nicht mehr in der Lage, die systemproduzierten Widersprüche adäquat zu verarbeiten und dementsprechend eine 'störungsfreie' Systemreproduktion im menschlichen Allgemeininteresse zu ermöglichen.

"Das aus seiner traditionellen Rolle als Dirigent der produktiven Kooperation verdrängte Kapital", so Negri/Hardt (1997, S.174), "tendiert dazu, die Form eines räuberischen Apparats anzunehmen. Die produktive gesellschaftliche Arbeit bewegt sich historisch darauf hin, von jeder Form des direkten kapitalistischen Kommandos unabhängig zu werden - und damit auch deutlicher unabhängig von der indirekten Form des kapitalistischen Kommandos über die Arbeit, die die staatliche Normativität repräsentiert." Andererseits kann aber nicht ernsthaft behauptet werden, daß ein neues, seiner Form nach produktives, immaterielles und kooperatives Fortschrittsubjekt bereits reflexive Konturen angenommen hätte und in einem linear-unaufhaltsamen Wachstumspozeß begriffen sei. Vielmehr gilt es heute den die gesellschaftliche Realität wesensmäßig kennzeichnenden Fortschrittswiderspruch ins analytische Zentrum zu rücken; d.h. die sich zunehmend offenbarende Diskrepanz zwischen der objektiv-real gegebenen Entwicklungsnotwendigkeit der Systemtransformation einerseits und der aktuell inadäquaten Konstitition des 'subjektiven Faktors' andererseits. Kritisch ins Visier zu nehmen sind in diesem Sinne insbesondere die aktuellen Blockierungsfaktoren und -mechanismen praktisch-kritischer Subjektwerdungsprozesse:

In Erinnerung zu rufen ist zunächst die Paralysierung subversiv-widerständiger Potenzen und Ressourcen durch die spätkapitalistische Massenkultur in ihren konsumistischen, 'warenästhetischen' und massenmedialen Formen (vgl. Krauss 1997). So hat sich nach 1945 als entscheidende Waffe im 'Kalten Krieg' eine gigantische Maschine der Erzeugung und Verbreitung von 'Pseudo-Sinn' herausgebildet, die in neototalitärer Weise die gesellschaftlichen (Markt-)Individuen sinnlich, kognitiv und weltanschaulich recht weitgehend und tiefgreifend als 'eindimensionale Menschen' (Marcuse) standardisiert hat. Zementiert wurde auf diese Weise der systemstabilisierende Tausch zwischen Lohnarbeit und Kapital: entfremdete Arbeit und weitgehender Ausschluß von politischer Realtitätskontrolle gegen Integration in die wohlfahrtsstaatlich gestützte 'Konsumgesellschaft'.

Der schmähliche Niedergangsprozeß des 'Realsozialismus' hat u.a. eine nachhaltige Demolierung des progressiv-emanzipatorischen Bedeutungssystems als Wirkungsresultat hinterlassen. Aufgrund der legitimatorischen Einverleibung von entstellten Versatzstücken der Theorien von Marx, Engels, Lenin u.a. in den Herrschaftsdiskurs der 'realsozialistischen' Machteliten ist es nämlich sukzessive zu einer verheerenden Identifizierung von 'Stalinismus' ( Form 'realsozialistischer' Machtpräsentation) und Marxismus (als kritisch-emanzipatorische Wissenschaft) im Massenbewußtsein gekommen, was sich fortdauernd als zentrale geistig-moralische Blockade einer sich erneuernden antikapitalitischen Bewegung auswirkt. Indem die Begriffe und Aussagen des 'wissenschaftlichen Sozialismus' sowie die Vergegenständlichungen der proletarischen Ästhetik des Widerstands im pervertierten stalinistischen Sinnsystem als reflexive Mittel kritischer Wirklichkeitsaneigung und -verarbeitung heillos außer Kraft gesetzt waren und nur noch als 'Lieferanten' legitimationsideologischer Beschwörungsformeln und Rituale bzw. apologetisches Zeichen- und Sprachmaterial fungierten, ist die Überzeugungskraft des Marxismus als zugleich kritische Wissenschaft und 'organische Ideologie' (Gramsci) bis auf weiteres entscheidend erschöpft. Umgekehrt erfährt durch diese elementare Beschädigung des fortschrittlich-humanistischen Bedeutungssystems wiederum die Wirkungsmacht des 'repressiven Menschenbildes' eine massenrelevante Steigerung. In Anlehnung an Kofler läßt sich das 'repressive Menschenbild' als tradiertes System von herrschaftskonformen/fatalistischen Einstellungen, Orientierungen, Wertungen, Lebensregeln etc. im Bewußtsein von Angehörigen unterdrückter Klassen bestimmen, die im Zustand blockierter emanzipatorischer Perspektiven ihre Herrschaftanpassung vermittels dieser Ideologeme rationalisieren. "Dieser Bewußtseinsmodus 'fundiert' die Generalisierung und 'Ontologisierung' der Unterdrückungserfahrungen vieler Generationen und repräsentiert eine der Wurzeln des resignativen Gegenwartsbewußtseins" (Seppmann 1996, S.38).

Der globalen Ungleichverteilung von Reichtum und humanen Lebensmöglichkeiten ist zugleich eine disproportionale Verteilung von progressiven bzw. praktisch-kritischen Verarbeitungsressourcen bezüglich erfahrener gesellschaftlicher Widersprüche einerseits (Bildung, Zugang zu Informationsquellen, kommunikative Voraussetzungen und Kompetenzen) und materieller Krisenbetroffenheit (soziale Verelendung, Fluchtbewegungen, regionale Kriege etc.) andererseits eingeschrieben. Dort nämlich, wo soziale Verelendungsprozesse grassieren, fehlen die geistig-moralischen Voraussetzungen und Anknüpfungsmöglichkeiten für eine progressive Widerspruchsverarbeitung weitestgehend; dort wiederum, wo die subjektiven Prämissen und Zugriffsmöglichkeiten auf ädäquate Bedeutungssysteme und Wissensspeicher durchaus vorhanden sind, fehlt oftmals die materielle Schärfe, Eindeutigkeit und Unausweichlichkeit konkret-unmittelbarer Krisenerfahrung. Hier überwiegen vielerlei 'gute Gründe' bzw. subjektiv relevante Handlungsprämmissen, sich für eine im Prinzip systemkonform-utilitaristischen Lebensführung und -einstellung zu entscheiden.

Die weitgehende Beschädigung des progressiv-humanistischen Bedeutungssystems und damit der faktische Ausfall einer massenrelevanten alternativen Widerstands- und Protestkultur hat in Verbindung mit der globalen Durchschlagskraft der konsumistischen Massenkultur (durch die allein der 'postsozialistische Kapitalismus' sich noch als hegemoniefähig behaupten kann) fatale Konsequenzen für die Subjektentwicklung der Beherrschten. So äußert sich die 'Sperrigkeit' der subalternen Individuen gegenüber den Zumutungen und Widernissen der spätkapitalistischen Moderne heute nicht mehr in spontan-widerständigen herschaftskritischen Protestaktionen, sondern vielmehr in vielfältigen regressiv-soziopathischen Formen des unbedingten 'Haben-Wollens' und 'Haben-Müssens' von affirmativen Statusymbolen. Die gleichzeitige Anreizung durch und Ausschließung von der konsumistischen Massenkultur führt dazu, daß die unhinterfragt übernommenen 'herrschenden' Leitbilder einer gelungenen Lebensführung mit illegitimen (gesellschaftlich geächteten) Mitteln/Handlungsstrategien zu realisieren versucht werden. Auf diese Weise entstehen anomische Subkulturen und Gemeinschaftsformen mit entsprechenden Bedeutungssystemen, in denen unterschiedlichste Variationen 'abweichenden' Verhaltens eingeübt, reproduziert und modifiziert werden (Drogenszene, Bandenkriminalität, gewalttätige Gangs etc.). Wir haben es folglich mit einer aktuell sich verstärkenden Ausbreitung regressiver Widerspruchsverarbeitung zu tun.

Die zukünftige Rekonstruktion einer tendenziell hegemoniefähigen subversiven Massenkultur wird angesichts dieser Problemkonstellation entscheidend davon abhängen, ob es gelingt, eine durchgreifende Idiosynkrasie gegenüber der herrschenden spätkapitalistischen Reproduktions- und Lebensweise zu erzeugen. "In der anbrechenden Kälte der neuen Weltordnung", so ist Johannes Agnoli (1996, S.226) beizupflichten, "müßte sich die subversive Theorie ihre geschichtliche Aufgabe aufs Neue aneignen, die darin besteht, immer dann das ganz Andere zu vergegenwärtigen, wenn die Aktualität der Revolution bis auf weiteres suspendiert worden ist. Dann ist die Zeit nicht so sehr der subversiven Aktion als der subversiven Theorie."



© Hartmut Krauss, Osnabrück 1997





Anmerkungen

1) Kants Dualismus wurde später in der neukantianischen Gegenüberstellung von Natur- und Gesellschaftswissenschaften fortgesetzt.

2) Im Unterschied zur Materie ist der Geist eben das, "in sich den Mittelpunkt zu haben..."(S.30).

3) Individuen sind für Hegel nur relevant als vereinzelt herausragende 'Geschäftsführer des Weltgeistes'. Aber: "Ein welthistorisches Individuum hat nicht die Nüchternheit, dies und jenes zu wollen, viel Rücksichten zu nehmen, sondern es gehört ganz rücksichtslos dem einen Zwecke an." So muß solche große Gestalt "manche unschuldige Blume zertreten, manches zertrümmern auf ihrem Wege" (ebenda, S.49).

4) Die 'Schließung'/Finalisierung des Geschichtsprozesses und damit gleichzeitig die Stillegung der Dialektik erfüllt sich für Hegel in der Herausbildung des 'modernen' Staates als idealer Ausdruck und Garant des 'Gemeinwohls' der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft. In Form der Vereinigung des subjektiven (leidenschaftlichen) und des vernünftigen Willens verkörpert der Staat das 'sittliche Ganze'. Er ist die Wirklichkeit, "worin das Individuum seine Freiheit hat und genießt, aber indem es das Wissen, Glauben und Wollen des Allgemeinen ist" (Hegel 1995, S.55). Das Wahre ist für Hegel "die Einheit des allgemeinen und subjektiven Willens; und das Allgemeine ist im Staate in den Gesetzen, in allgemeinen und vernünftigen Bestimmungen. Der Staat ist die göttliche Idee, wie sie auf Erden vorhanden. Er ist so der näher bestimmte Gegenstand der Weltgeschichte überhaupt, worin die Freiheit ihre Objektivität erhält und in dem Genusse dieser Objektivität lebt" (ebenda, S.57).

5) Eickelpasch (1991, S.49) hat zutreffend darauf hingewiesen, daß sich diese negativistische Umpolung der Geschichtsphilosophie treffend in Adornos berühmter Aussage artikuliert: "Keine Universalgeschichte führt vom Wilden zur Humanität, sehr wohl eine von der Steinschleuder zur Megabombe" (Adorno 1982, S.312).

6) Vgl hierzu auch Heinrich 1996.

7) Dem Lohnfetisch liegt der wesensverkehrende Oberflächenschein zugrunde, "als ob ihm (dem Arbeiter, H.K.) sein Produkt gezahlt werde und nicht seine Arbeitskraft" (Marx 1976, S.582). D.h. das Ausbeutungsverhältnis erscheint in der mystifizierten Form des 'gerechten' Tauschs.

8) Sorg (1976, S.46) hat prägnant den Doppelcharakter des Warenfetischismus hervorgehoben: "Er ist in Einheit eine reale ökonomische Beziehung zwischen Menschen, eine gesellschaftliche Form der materiellen Tätigkeit, die zugleich notwendig mit einer bestimmten Bewußtseinsform, einer 'objektiven Denkform' verbunden ist". Als Denkform ist er eine verehrte Vorstellung. "Die Verkehrtheit rührt daher, daß diese Denkform die Erscheinungsweise der realen ökonomischen Beziehungen spontan, unmittelbar widerspiegelt, eine Erscheinungsweise, die das Wesen, den wirklichen Zusammenhang, gerade verhüllt, die Verhältnisse auf den Kopf stellt."

9) Zur Kritik des Strukturmarxismus vgl. z.B Schmidt 1971b, Tomberg 1978 und Seppmann 1995.

10) "Noch das Kapital", so ist mit Alfred Schmidt (1971, S.74) angesichts strukturalistischer Interpretationen entschieden hervorzuheben, "enthält trotz (und infolge) seiner objektiv gerichteten Methode den gesamtmarxistisch tragenden Gedanken, es komme darauf an, die bestehenden Strukturen als geworden und werdend transparent zu machen, mit - praktischer - Subjektivität zu vermitteln."

11) Auf weitere tätigkeitstheoretische bzw. subjektwissenschaftlich relevante Implikationen des Werkes von Marx und Engels wie z.B. die Bestimmung des 'menschlichen Wesens'; den allgemeinen Arbeitsbegriff; Marx' Bedürfniskonzept u.a. kann hier nicht näher eingegeangen werden. Vgl. Krauss 1996, S.66ff.

12) "Der Mensch als ein gegenständlich sinnliches Wesen ist daher ein leidendes und, weil sein Leiden empfindendes Wesen, ein leidenschaftliches Wesen. Die Leidenschaft, die Passion ist die nach seinem Gegenstand energisch strebende Wesenskraft des Menschen" (MEW-Ergänzungsband, S.579).

13) Wenn Habermas (1969, S.287) feststellt: "Wo Dialektik im strengen Sinne historisch (weil ihrem historischen Gegenstand angemessen) sein will, muß sie sich Kontingenz gefallen lassen", so eröffnet gerade die kategoriale Verknüpfung des 'limitierten Möglichkeitsraumes' mit der 'subjektiven Widerspruchsverarbeitung' diesen Ausweg der Befreiung des materialistisch-dialektischen Geschichtsdenkens vom Ballast der Prädestination, der 'Zwangläufigkeitsmechanik' und der verkappten Teleologie. (Zur 'subjektiven Widerspruchsverabeitung' vgl. ausführlich Krauss 1996).

14) In einfacher Negation des subjektivistischen Herrschaftsbegriffs, in dessen Rahmen die herrschenden Kapitalisten als bewußtes (gestaltungssouvränes) Willenssubjekt des gesamtgesellschaftlichen Reproduktionsprozesses vorgestellt werden, gelangt Robert Kurz (vgl. Krisis 13, S.17-94) in Anlehnung an die Marxsche Kritik der kapitalismustypischen Fetischformen sowie mit Schützenhilfe von Luhmann, Althusser u.a. zur Auffassung der 'subjektlosen Herrschaft'. Der für die gesamte antagonistische 'Vorgeschichte der Menschheit' kennzeichnende - und mit der Durchsetzung der kapitalistischen Gesellschaftsformation auf die Spitze getriebene - Tatbestand, daß die vergesellschafteten Menschen nicht als souvränes Gestaltungs- und Steuerungssubjekt ihres gemeinschaftlichen Lebensprozesses fungieren, sondern vermittels der wechselseitigen Durchkreuzung ihrer unmittelbar bewußten Tätigkeitsziele im Resultat eine unbeherrschte Vergesellschaftungslogik mit bewußtseinsentzogenen Steuerungsregeln hervorbringen, wird in dieser Sichtweise dahingehend hypertrophiert, daß herrschaftliche und subalterne Subjektivität im Rahmen der 'allgemeinen Entfremdung' als irrelevantes Nichts ausgeschieden bzw. mindestens als krudes Etwas entwichtigt werden. Ausgeblendet bleiben damit aber zwei transformationsstrategisch relevante Grundaspekte:

1) Die bewußt-willentlich regulierte Behauptung (Ausbau und Verteidigung) von strukturellen Herrschaftspositionen seitens der privilegierten Positionsinhaber, die sich nicht nur im Rahmen der allgemeinen Entfremdung wohlfühlen, sondern den zur Entfremdung führenden antagonistischen Vergesellschaftungszusammenhang auf multiple Weise schützen. D.h. die Nichtexistenz eines omnipotenten Regulators des gesamtgesellschaftlichen (Re-)Produktionsprozesses dementiert keinesfalls die Existenz eines aktiv beharrenden, effektiv organisierten, multiinstrumentell ausgerüsteten und strategisch reflektierten Herrschaftssubjekts. (Nur angesichts dieser 'Entsorgung' herrschaftlicher Subjektivität lassen sich übrigens jedwede strategischen Ansätze außerhalb der Krisis-Gruppe als 'politizistisch' abwehren und die Ilusion der Implementierung durchsetzungsfähiger 'wertfreier' Inseln im Schoße des Kapitalismus gedeihen).

2) Die Möglichkeit der Herausbildung eines Transformationssubjekts 'a posteriori', d.h. die Genese einer Aufhebungsbewegung der antagonistischen Zivilisation angesichts der multidimensionalen Verstrickungen der Subalternen in die 'Logik der Wertvergesellschaftung'. Mit der eliminatorischen Gleichsetzung des apriorischen (unbewußt konstituierten) Subjekts mit dem Subjekt schlechthin (S.93) verstellt Kurz die Möglichkeit einer subjektwissenschaftlichen Rekonstruktionsperspektive, so daß letztlich auch der Ruf nach einer Theorie des bürgerlichen Subjekts im Kontext des Krisis-Ansatzes hilflos erscheint bzw. inkompatibel ist (vgl. Krisis 19, S.147).

15) "Ungeschichtliches Denken bestünde, so gesehen, in der Unfähigkeit, das Bestehende im Hinblick auf künftige Beherrschbarkeit durch solidarisch handelnde Individuen zu untersuchen" (Schmidt 1971a, S.132).

16) Zutreffend hat bereits A.Schmidt (1971b, S.203) darauf hingewiesen, daß der "Begriff der Praxis, wie die Feuerbachthesen von 1845 ihn erreichen,...der gerade theoretisch wichtigste Marxsche Begriff (ist). Auf ihn ist immer wieder zurückzukommen, will man sich Klarheit darüber verschaffen, was bei Marx Materialismus heißt und mit welchem Recht dieser dialektisch genannt zu werden verdient. Im Gegensatz zu allen sowjetmarxistischen Darlegungen ist der authentische Marxismus kein naturalisierter Hegelianismus, der sich darin erschöpft, ein ontologisches Substrat, den Geist, durch ein anderes, die Materie, einfach zu ersetzen."

17) Als geschichtstheoretische Substanz des epigonalen (Partei-)Marxismus erweist sich die spezifische Verknüpfung der Hegelschen Fortschrittsteleologie mit der zeitgenössischen industrialistischen Fortschritts- und Technikgläubigkeit.

18) Vgl. hierzu Kuczynski 1984.

19) Mironow (1986, S.537ff.) unterscheidet drei historische Typen des Massenbewußtseins als qualitative Niveaustufen menschlicher Bewußtseinstätigkeit: "das mythologische, magische oder archaische Bewußtsein, das für die Urgesellschaft typisch ist, das traditionalistische oder religiöse Bewußtsein, das in den vorkapitalistischen Agrikulturgesellschaften auftritt, und das urbanistische oder rationale Bewußtsein, das in der bürgerlichen Industriegesellschaft entsteht, doch erst im Sozialismus zur vollständigen Entwicklung gelangt" (S.539). Nach dieser Einteilung weist jeder `Bewußtseinstyp`eine spezifische Ausprägung in den Dimensionen Widerspiegelungsform; Subjekt-Objekt-Differenzierung; Zielgerichtetheit; Selbstbewußtsein auf.

20) Gurjewitsch (1982, S.9) umreißt die geschichtswissenschaftliche Perspektive des ìnneren Beobachters`folgendermaßen: "Die menschliche Gesellschaft befindet sich in einer ständigen Bewegung, Veränderung und Entwicklung, und in verschiedenen Epochen sowie unterschiedlichen Kulturen erfassen und erkennen die Menschen die Welt auf ihre Art. Auf eigene Art teilen sie die Eindrücke und Erkenntnisse ein und konstruieren ihr eigenes, historisch bedingtes Weltbild. Und wenn wir die Vergangenheit, `wie es eigentlich gewesen`, begreifen wollen, dann müssen wir danach streben, an sie mit den ihr adäquaten Kriterien heranzugehen, sie immanent zu studieren, ihre eigene innere Sturktur zu erschließen, und uns davor hüten, ihr unsere modernen Auffassungen und Einschätzungen aufzuzwingen".

21) Freilich gilt: "Solange ... die tatsächlichen Subjekte des Geschichtsprozesses und der geschichtlichen Kämpfe, die Klassen, zwar existierten, als solche aber nicht erkannt waren, mußten deren Einsicht in ihren eigenen Charakter, ihr Selbstverständnis und Selbstbewußtsein ebenso wie die Einsicht in den Charakter der Gesamtheit aller übrigen sozialen Beziehungen widersprüchliche, verzerrte Formen annehmen"(Marxistisch-leninistische Philosophie 1979, S.647).

22) Entsprechend den drei Grundformen des Klassenkampfes (ökonomische, politische und ideologische Form) lassen sich drei elementare (eng verflochtene) Zieldimensionen unterscheiden: 1.) Der Kampf um die Art der Erzeugung und die Aufteilung des Mehrprodukts; 2.) Der Kampf um die politische Macht und 3.) Der Kampf um die geistig-moralische (ideologische) Hegemonie.

23) "Die wirkliche Erziehung der Massen", so schreibt Lenin(Werke Bd.23, S.249), "kann niemals getrennt vom und außerhalb vom selbständigen politischen und besonders revolutionären Kampf ... geschehen. erst der Kampf erzieht die ausgebeutete Klasse ..., erweitert ihren Horizont, steigert ihre Fähigkeit, klärt ihren Verstand auf, stählt ihren Willen."

24) "Die Fähigkeiten qualifizieren die Persönlichkeit als Subjekt der Tätigkeit"(Rubinstein 1977, S.793).

25) Gramsci, der den 'handelnden Politiker' als 'Schöpfer' und 'Anreger' definiert, thematisiert gleichfalls den 'unmittelbarkeitstranszendierenden' Charakter der Ausfüllung einer 'praktisch-kritischen' Individualitätsform: "Den Willen darauf zu richten, ein neues Gleichgewicht der bestehenden und handelnden Kräfte zu schaffen, indem man sich auf die fortschrittlich gehaltene Kraft stützt, sie unterstützt, damit sie triumphiert, heißt immer, sich innerhalb der vorhandenen Wirklichkeit zu bewegen, aber, um sie zu beherrschen und zu überwinden (oder dazu beizutragen). Das 'Sein sollen' ist folglich Konkretheit, ja sogar die einzig realistische und geschichtliche Interpretation der Wirklichkeit, die einzig wirkliche Geschichte und Philosophie, die einzige Politik"(Gramsci 1967, S.321).

26) "Hat der Begriff der Zweiten Kultur im politischen Widerstand der beherrschten Klassen seinen tragenden Kern, erfaßt er jedoch alle Erscheinungen des kulturell-ideologischen Lebens. Er faßt sie von der sie tragenden politischen Seite her. Der Kern Zweiter Kultur ist also politisch, 'politisch' allerdings in einem sehr weiten, vielschichtigen Sinn. Bedingung Zweiter Kultur ist die Existenz einer Masse der Ausgebeuteten, Geknechteten, Beherrschten, nicht als passives Objekt, sondern als aktiver Träger: als SUBJEKT (Hervorh. vom Verfasser), des Kulturprozesses"(Metscher 1982, S.100).

27) "Kultur ist ein Mittel zur Produktion der Individuen als historisch sich verändernde gesellschaftliche Individuen. Sie umfaßt alle diejenigen Verhältnisse, in denen sich die Individuen vergesellschaften, in denen sie ihr Leben äußern, sich und ihre Nachkommen reproduzieren. Diese Mittel zur Produktion und Reproduktion der Individuen als gesellschaftliche werden als objektive Kultur bezeichnet. Zur Kultur zählen selbstverständlich auchdie subjektiven Resultate des Vergesellschaftungsprozeses in 'Gestalt der ausgeübten Verhaltensweisen'. Sie machen die subjektive Kultur aus"(Dölling 1986, S.40).

28) Nach der brutalen Niederschlagung des deutschen Bauernkrieges durch die konterrevolutionären Feudalgewalten setzten die Herrschenden sofort alles daran, den revolutionären Erfahrungsbildungs-, Verarbeitungs- und Tradierungsprozeß (Bewegungsprozeß der Zweiten Kultur) auf Seiten der Volksmassen zu unterbinden. Die militärische Unterwerfung sollte so durch die geistig-symbolische 'Entwaffnung' komplettiert und damit die Anpassungs- und Unterwerfungsbereitschaft der Volksmassen wiederhergestellt werden (Prozeß der repressiven 'Entsubjektivierung' der Volksmassen). Während die 'Empörer' in Lied, Predigt und Flugschrift verteufelt wurden, feierten die Mächtigen und ihre Vasallen ihren blutig errungenen Sieg. "Die Texte zielten darauf ab, den Erfolg der Herren als gerechte Sache dazustellen und die Aufständischen zur Aufgabe des Widerstandes zu ermahnen"(Vogler 1983, S.221). Während denen verziehen wurde, die sich schuldig bekannten und Gehorsam gelobten, konzentrierte sich der verleumderische Haß insbesondere auf die Führer der Aufstandes (vor allem auf Müntzer) und richtete sich u.a. gegen jene, die den Standpunkt der Aufständischen künstlerisch artikulierten: Jörg Ratgeb zahlte mit dem Tod, Matthias Grünewald mußte fliehen, Tilmann Riemenschneider ließ der Rat seiner Heimatstadt Würzburg die Hände verstümmeln. Doch der 'praktisch-kritische' Gedächtnisbildungsprozeß der Volksmassen konnte weder gänzlich unterdrückt noch korrumpeirt werden: "Luther erzählte 1531 bei Tisch, der Pfad zu dem aufgespießten Haupt Müntzers sei so festgetreten, daß er einer öffentlichen Straße gleiche, und wenn der Mühlhäuser Rate dagegen nichts unternehme, sei zu befürchten, daß Müntzer 'wie ein Heiliger verehrt' werde"(ebenda, S.225).

29) "Wenn die Individuen - und das macht sogar ihr Glück aus - mit den Gütern und Dienstleistungen zufrieden sind, die ihnen von der Verwaltung heruntergereicht werden, warum sollten sie auf anderen Einrichtungen um einer anderen Produktion anderer Güter und Dienstleistungen willen bestehen? Und wenn die Individuen derart präformiert sind, daß zu den befriedigenderen Gütern auch Gedanken, Gefühle und Wünsche gehören, warum sollten sie selbst denken, fühlen und sich etwas vorstellen? Zwar mögen die angebotenen materiellen und geistigen Waren schlecht, verschwenderisch, Schund sein - aber Geist und Erkenntnis sind keine durchschlagenden Argumente gegen die Befriedigung von Bedürfnissen"(Marcuse 1970, S. 70).



Der Vortrag wurde auf der Konferenz des Arbeitskreises kritischer Marxistinnen und Marxisten (AKM) am 25.10.1997 gehalten.









 

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