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Hartmut KraussZwischen dogmatischer Erstarrung und (neo-)reformistischer Demontage. Zum Schicksal des "modernen Sozialismus" in der PDSDie PDS erhebt den Anspruch, eine pluralistische und moderne sozialistische Partei in (Gesamt-)Deutschland zu sein. Nachdem mittlerweile knapp sieben Jahre seit dem Auáerordentlichen Parteitag der SED im Dezember 1989 vergangen sind, ist es nunmehr an der Zeit, diesen Anspruch mit der Realität zu konfrontieren. 1) Die PDS ist keine gesamtdeutsche Partei geworden, sondern de facto eine ostdeutsche "Milieu-Partei" geblieben. Sie lebt von der Spezifik einer ostdeutschen Identitätsverankerung auf der Grundlage von gemeinschaftlichen Sozialisationserfahrungen, Befind lichkeiten und mentalen Verarbeitungsweisen und nicht von einer kapitalismuskritischen Protesthaltung auf erneuerten theoretischen und politischen Fundamenten. Dieser Tatbestand drückt sich nachhaltig in der Mitgliederstruktur aus: Von ca. 120.000 Mitglie dern stammen lediglich ca. 2000 aus Westdeutschland. Das unaufhebbare "hegemoniale" Dilemma der PDS besteht offenkundig darin, daß ihr Status als "SED-Nachfolgepartei" in Ost- und Westdeutschland entgegengesetzte Wirkungen zeitigt. Während sie im "Anschlu ßgebiet" von entprivilegierten Bevölkerungsgruppen und Teilen der "Vereinigungsverlierer" als "Vertreter ostdeutscher Interessen" wahrgenommen wird, erscheint sie in den alten Bundesländern vor dem Hintergrund eines ebenso zählebigen wie undifferenzierten antikommunistischen Grundkonsenses als anachronistischer Erbe eines niedergegangenen Unrechtsregimes sowie einer überlebten Ideologie. Spontane Unzufriedenheit mit sozialen und politischen Mißständen findet aus diesem Grunde hier keine Hinwendung zur PDS. 2) Die PDS ist eine "Residualpartei". Ungefähr 90 Prozent der Mitgliedschaft stammt aus oder SED. Das entspricht 6 Prozent der ehemaligen Mitgliedschaft der SED. Hinzu kommt, daß die Mehrheit der PDS-Aktivisten in den winzigen westdeutschen Landesverbände n sich komplementär aus "Überläufern" ehemaliger K-Gruppen (DKP, BWK, VSP) rekrutiert, die in sektiererische Existenzweisen, Praxis- und Refexionsformen gewohnheitsmäßig eingeübt sind. So wurde bereits resignierend von westdeutschen PDS-Mitgliedern festge stellt, "daß wir hier nicht nur die Nachfolgepartei der SED sind, sondern vor allem Nachfolge-Partei von DKP, BWK, VSP usw. Alle von dort kommenden GenossInnen bringen ihre Geschichte, Erfahrungen und ihr Politikverständnis mit ein, bringen mitunter auch Medien und organisatorische Zusammenhänge mit ein - und erhoffen von der PDS ihre Frischzellenkur" (Bergmann, Haible 1994, S.52)(1) - Insofern ist der Argwohn der PDS-Führung von 1990 bestätigt worden, daß "sich bei einer derzeitigen Ausweitung der PDS in d ie BRD möglicherweise und wahrscheinlich gerade nicht linkssozialistische Kräfte in ihr vereinten und um sie scharen. Es ist vielmehr zu befürchten, daß in einem solchen Falle eher jene Kräfte ihre politische Heimat in der PDS suchen würden, denen der Ans chluß an eine exkommunistische Partei bequemer ist als die inhaltliche Auseinandersetzung der eigenen (kommunistischen) Vergangenheit" (Wagner 1990, S.147). Allerdings ist wiederum von westlinker Seite der ostdeutschen PDS-Mehrheit folgendes ins Stammbuch geschrieben worden: "Wenn Ihr von Westlinken redet, meint Ihr doch immer wieder nur die Konkursmasse Eurer eigenen Ableger im Westen, nämlich DKP und SEW. Was ist denn an diesen Linken "westlich" gewesen?...Ihr müßt endlich zur Kenntnis nehmen, daß sich die Westlinken bei allen Unterschieden ihrer Positionen in einem Punkt wirklich einig waren, darin nämlich, daß die DKP ein Ziehkind von Tauwetter und historischem+ Kompromiß war und nichts weiter als eine Agentur des Ostblocks. Wir empfinden es als einen Affront der ganz besonderen Art, wenn ausgerechnet DKP/SEW-nahe Personen das Bild der Westlinken in der PDS prägen und sogar im Vorstand für die Parteientwicklung im Westen zuständig sind" (Fritz 1996, S.252). 3) Die PDS ist eine weltanschaulich-politisch auseinanderdriftende Partei, die ihre innere Zerrissenheit als "Pluralismus" schönredet. Pluralismus im Sinne vorwärtstreibender Selbstkorrektur einer handlungsfähigen politischen Organisation bedeutet Zulassu ng und demokratische Strukturierung von Meinungsstreit im Rahmen eines theoretisch-weltanschaulichen sowie politisch-programmatischen Grundkonsenses und nicht die auszehrende Bündelung inhaltlich auseinanderstrebender und im Kern unvereinbarer Strömungen, Kräfte, Positionen, Konzepte etc. Pluralismus ist folglich zu verknüpfen mit konstruktiv-konfliktueller Förderung von Handlungsfähigkeit und ist abzugrenzen sowohl von handlungslähmendem/zersetzendem Meinungschaos als auch von sich wechselseitig hochscha ukelnder "Verfeindung" der Kontrahenten. Hervorstechendes Merkmal der PDS ist nun, daß es - trotz programmatischer Lippenbekenntnisse - weder einen antistalinistischen noch einen antikapitalistischen Grundkonsens gibt. Eine zahlenmäßig nicht unbedeutende "Grundströmung" dogmatisch-apologetischer Befürworter, Verklärer und Verleugner der zusammengebrochenen "realsozialistischen" Herrschaftsverhältnisse blockiert die selbstkritische Katharsis der PDS durch Abwehr einer wissenschaftlich-begrifflichen Analyse des Stalinismus als gesellschaftsstrukturelles und ideologisches Phänomen und pocht stattdessen auf "antikapitalistische Realpolitik" gemäß veralteter Propagandaformeln und Handlungsmuster. Andererseits verbindet die neoreformistische Mehrheitsströmung d ie Verteidigung des antistalinistischen Gründungskonsenses mit einer theoretischen, programmatischen und strategischen Aufweichung/Zurücknahme kapitalismuskritischer Einsichten, Befunde und Orientierungen. (Das Spektrum reicht hier von intellektuellen Vor denkern einer mechanistischen Trennung zwischen kapitalistischer und moderner Gesellschaft über Verfechter einer keynesianistisch-fordistischen roll-back-Strategie bis hin zur populistischen Fraktion "pragmatischer" Kommunalpolitiker, die das staatliche G ewaltmonopol glorifizieren, neonazistische Umtriebe verharmlosen und sich anschicken, das ostdeutsche Kleinunternehmer- und Spießbürgertum zu repräsentieren(2). Hervorzuheben ist nun folgendes: Die Einheit und der Kampf der gegensätzlichen Grundströmungen in der PDS hat - in Ermangelung der Etablierung einer "dritten", "kritischen aufhebenden Kraft" - keine progressive Dynamik in Gang gesetzt, sondern die Form einer entwicklungsblockierenden "Dialektik der Stagnation" angenommen, mit zyklisch wiederkehrend en, im Grunde immer gleichen Konfliktinhalten, Streitritualen und Argumentationsfronten. Antistalinistisch-reformistischer mainstream und prostalinistisch-antiimperialistische Strömung bilden eine sich wechselseitig stützende und legitimierende Symbiose: Die Reformisten saugen ihren Honig aus dem "Anti-Antistalinismus" ihrer Kontrahenten; die orthodox-dogmatischen Verteidiger/Beschöniger des "Realsozialismus wärmen sich die Hände am illusionären Kapitalismusbild der "modernen" Reformisten und Pragmatikern. Wer einen Ausweg aus diesem stagnativen Kreislauf der PDS weiß, sollte ihn schleunigst, überdeutlich und lauthals markieren(3). 4) Die PDS ist eine Partei mit einem mehrheitlich traditionalistischen bzw. "vormodernen" Sozialismusverständnis. Die Wortfüh rer sowohl des orthodox-dogmatischen wie des neoreformistischen Flügels gehen von der sozialistischen Systemqualität der zugrunde gegangenen stalinistisch deformierten Übergangsgesellschaften aus. Allein aufgrund der "Staatszentriertheit" sowie der Nichte xistenz von kapitalistischem Privateigentum an Produktionsmitteln wird - in strikter Mißachtung Marxscher, Engelsscher und Leninscher Aussagen - auf "staatssozialistische" Verhältnisse kurzgeschlossen(4). Rainer Land beispielsweise geht ohne nähere Begründ ung "ganz bewußt in Gegensatz zu Positionen, die meinen, der Stalinismus sei eine Entartung oder Deformation, sei jedem Sozialismus wesensfremd" (1996, S.186). Er sieht "Stalinismus einerseits und Reformismus andererseits als die beiden Tendenzen in der E ntwicklung des Staatssozialismus, die in dessen Vergesellschaftungsmodell selbst begründet sind" (ebenda). Richtig daran ist, daß Stalinismus und Reformismus in folgenden wesentlichen Aspekten konvergieren: a) in der etatistischen Grundorientierung; b) in der Favorisierung bürokratisch-administrativer Methoden und c) in der Mißachtung/Geringschätzung der Subjektposition der Beherrschten (Verabsolutierung von "Stellvertreterpolitik"). Falsch allerdings ist die Auffassung, stalinistische und/oder reformistische Praxis habe zu einer wie auch immer gearteten Form von Sozialismus geführt. Die stalinstische Etatismus gipfelte in der Etablierung eines neuartigen totalitären Herrschaftssystems; der reformistische Etatismus degenerierte zur Stütze einer (an phasen spezifische Sonderbedingungen geknüpften) sozialpolitisch abgemilderte Variante kapitalistischer Systemgestaltung(5). Zudem ist bereits vor 1989 darauf hingewiesen worden, daß es sich empfiehlt, "von 'nichtkapitalistischen' und nicht etwa von 'staatssozial istischen' oder 'bürokratisch-sozialistischen' Gesellschaften zu reden. Der Ausdruck "sozialistisch" ist - auch in abwertenden Verbindungen - eine unnötige Konzession an die offizielle Ideologie, die die Identifizierung der postrevolutionären Gesellschaften mit dem Sozialismus zu einem Glaubensartikel erhoben hat" (Arnason 1986, S.322). In der verharmlosenden Interpretation des Stalinismus als Variante bzw. "Tendenz in der Entwicklung des Staatssozialismus" bleibt die konterrevolutionäre Qualität der Etablierung des stalinistischen Systems (6) vollständig ausgeblendet. Darüberhinaus beruht die Legende vom stalinistischen "Staatssozialismus" - der begriffslogisch im übrigen einem "schwarzen Schimmel" gleichkommt - auf einer umfassenden Ignoranz gegenüber der ursprünglichen, auf Marx und Engels zurückgehenden, wissenschaftlich-humanistischen Sozialismusidee. Demnach ist der Sozialismus ineins a) dialektische ('aufhebende') Negation des Kapitalismus als höchster Entwicklungsstufe der antagonistischen Zivilisation sowie b) erste (niedere) und grund-legende Phase der kommunistischen Gesellschaftsformation. Seine emanzipatorische Grundbestimmung ist die Überwindung der Entfremdung als richtungsgebendes Maß, d.h. die Schaffung von transparenten und partizipativen Strukturen, Beziehungsformen, Verhältnissen, in denen die vergesellschafteten Menschen zum bewußt und kompetent gestaltenden Subjekt ihres gemeinschaftlichen Lebensprozesses werden, statt dem gesellschaftlichen Lebensprozeß weiterhin als undurchschautem, blind wirkendem, unbeeinflußbar erlebtem Vorgang (Schicksal) ausgeliefert zu sein. "Entherrschaftlichung" der Sozialverhältnisse, freie Vergesellschaftung, bewußte Verfügung/Kontrolle über die relevanten gesellschaftlichen Angelegenheiten, Subjektstatus der Masse der "unmittelbaren Produzenten" sind demnach die zentralen Charaktermerkmal e einer sozialistischen Gesellschaftsentwicklung. Die stalinistische Gesellschaftsform beruht hingegen auf einem spezifisch konstituierten, zum Teil mit terroristischen Methoden kombinierten sozialpaternalistisch-vormundschaftlichen Entfremdungsmodus, der in der Tat "prämoderne", aber keine sozialistischen Züge aufweist. Zudem wird im "staatssozialistischen" Diskurs zum einen Lenins Hinweis ignoriert, daß "der siegreiche Sozialismus, der nicht die vollständige Demokratie verwirklicht, unmöglich ist" (LW 2 2, S.145) als auch die Marx-Engels-Leninsche Lehre vom "Absterben" des Staates übergangen. Das, was die neoreformistischen Vordenker der PDS als "modernen" Sozialismus präsentieren, entpuppt sich somit bei näherer Betrachtung als doppelt defizitär: Im Hinblick auf die Vergangenheit, d.h. bezüglich der niedergegangenen stalinistischen Herrschaft ssysteme verharrt man in einer orthodox-traditionalistischen ("staatssozialistischen") Sichtweise; in der Perspektive der Zukunftsgestaltung, d.h. bezüglich der theoretisch-weltanschaulichen Grundlagen der Programmatik assimiliert man unkritisch linksbürg erliche Ideologie: insbesondere die kommunikationstheoretisch ausgerichtete "Moderne"-Theorie in Gestalt der Habermasschen Weber-Rezeption sowie Grundgedanken der neokeynesianistisch-fordistischen Sozialstaatsideologie. Die "nachtrabideologische" Übernahme salonfähiger Modediskurse und Zeitgeisttheorien, die immer auch ein Stück wendehälsigen Karrierestrebens unter den Bedingungen von "Abwicklung", "Evaluation" und "Kolonisierung" der ostdeutschen geistes- und sozialwissenschaftlichen Fakultäten signalisi ert, darf nun freilich nicht gleichgesetzt werden mit dem "Erhalt sozialwissenschaftlicher Kompetenz". So ist Rainer Possekel zwar zuzustimmen, wenn er darauf hinweist, "daß es schlicht unseriös ist, heute über die Perspektiven eines Sozialismus diskutier en zu wollen...ohne sich mit den Sozialwissenschaften des 20. Jahrhunderts konstruktiv auseinanderzusetzen" (1996, S.145). Kritikwürdige Blauäugigkeit ist aber zu konstatieren wenn er fortfährt: "Die Fragestellungen von Marx und Engels sind längst in den Fachdiskursen der gegenwärtigen Sozialwissenschaft reformuliert worden, und diesem Sachverhalt muß man sich stellen. Es gibt keine marxistische Gesellschaftstheorie mehr jenseits der Sozialwissenschaften unserer Zeit" (ebenda). Zum einen grenzt es nämlich an ignorante Schönfärberei, wenn behauptet wird, die Fragestellungen von Marx und Engels seien in den akademischen "Fachdiskursen" der westlichen Sozialwissenschaften sinnadäquat "reformuliert" worden. Vielmehr trifft zu, daß in den allermeisten "Fachdiskursen" der herrschaftskritisch-emanzipatorische Impetus, der kategorial-methodologische Gehalt sowie die entwicklungsoffene Komplexität des Marx-Engelsschen Werkes systematisch verfehlt wurde und wird. Empirischer Oberflächensc hein und partielle Irrtümlichkeit gepaart mit unredlicher Verquickung von Marxscher Lehre und "marxistisch-leninistischem" Vulgärmarxismus wurden und werden bemüht, um eine lästige Theorie pauschal zu diskreditieren. Zudem ist umgekehrt wohl zutreffender davon auszugehen, daß die heutige Sozialwissenschaft, die oftmals Inhaltslosigkeit und Gedankenarmut hinter aufgespreizten Sprachspielen verbirgt, ohne den "Stachel Marx" ein "toter Hund" wäre. Sozialwissenschaftliche Kompetenz könnte die PDS folglich weder durch orthodox-dogmatische Ignoranz noch durch bloße diskursiv-begriffliche Übernahme gewinnen, sondern nur durch streitbare Auseinandersetzung, d.h. vermittels kritischer Reinterpretation/Au fhebung virulenter Gegenwartstheorien im Geiste eines sich erneuernden, entschlackenden und entwicklungsoffenen Marxismus.
Literatur:Arnason, Johann P.: Die Moderne als Projekt und Spannungsfeld. In: Honneth, Axel, Joas, Hans (Hrsg.): Beiträge zu Jürgen Habermas' "Theorie des kommunikativen Handelns", Frankfurt am Main 1986, S.278-326. Bergmann, Theodor, Haible, Wolfgang: Perspektiven der PDS. Zur Vorbereitung des IV. Parteitags 1995. In: HINTERGRUND. Marxistische Zeitschrift für Gesellschaftstheorie und Politik. Osnabrück IV/94. S. 50-53. Fritz, H.: Im Westen nichts Neues. In: Bisky, Lothar, Czerny, Jochen, Mayer, Herbert, Schumann, Michael (Hrsg.): Die PDS - Herkunft und Selbstverständnis, Berlin 1996, S.250-252. Krauss, Hartmut: Lenin als Wegbereiter Stalins? Zur Rekonstruktion der Vorgeschichte des Stalinismus. In: HINTERGRUND. Marxistische Zeitschrift für Gesellschaftstheorie und Politik. Osnabrück III/91; IV/91 und I/92. Land, Rainer: Staatssozialismus und Stalinismus. In: Bisky, Lothar, Czerny, Jochen, Mayer, Herbert, Schumann, Michael (Hrsg.): Die PDS - Herkunft und Selbstverständnis, Berlin 1996, S.186-199. Lenin, W.I.: Die sozialistische Revolution und das Selbstbestimmungsrecht der Nationen (Thesen). In: Lenin-Werke, Bd. 22, Berlin 1981, S.144-159. Link, Andrea: Der tradierte Antikommunismus und die PDS. In: Bisky, Lothar, Czerny, Jochen, Mayer, Herbert, Schumann, Michael (Hrsg.): Die PDS - Herkunft und Selbstverständnis, Berlin 1996, S.246-249. Possekel, Ralf: Sozialismusreformdiskurse in der SED seit 1985. Neun Thesen zur historischen Einordnung. In: Bisky, Lothar, Czerny, Jochen, Mayer, Herbert, Schumann, Michael (Hrsg.): Die PDS - Herkunft und Selbstverständnis, Berlin 1996, S.142-150. Wagner, Alexandra: Die PDS und die Linke in Deutschland. In: Gysi, Gregor (Hrsg.): Wir brauchen einen dritten Weg. Selbstverständnis und Programm der PDS. Hamburg 1990, S.141-150. 1 Auf einer "Geschichtskonfernz" der PDS, die am 25./26. November in Berlin stattfand, trug eine Diskussionsteilnehmerin aus Mainz folgende Einschätzung vor: "Ein Wort zu den westdeutschen "Altlinken", den vormaligen Mitgliedern von K-Gruppen, deren Integration uns immer wieder so warm ans Herz gelegt wird. Ich will es bewußt provozierend formulieren: Auf die können wir eigentlich verzichten. Das Problem ist nämlich: diese Menschen tragen oft ihren alten Frust, ihre alten Methoden und Terminologien, vor a llem aber ihre alten Streitereien in die PDS hinein. Eine Handvoll wortgewaltiger Ex-Kader kann im Westen, wo junge, politisch unerfahrene, aber hochmotivierte Leute arbeiten, einen ganzen Landesverband umreißen. Zumindest drohen der PDS der Einbruch des Sektierertums und letztlich das Schicksal der alten K-Gruppen, die ja nicht umsonst gescheitert sind" (Link 1996, S.249). 2 Vgl. den "Brief aus Sachsen" von Christine Ostrowski und Ronald Weckesser, abgedruckt in der "Jungen Welt" vom 8. Mai 1996. 3 M.E. kann diese "stagnationsdialektische" Entwicklungsblockade der PDS nur zerbrochen, nicht aber durch ignorierendes und/oder mahnendes Mittun allmählich überwunden werden. 4 Damit wird innerhalb der PDS das zählebige, auf die stalinistische Propagand a zurückgehende, Gerücht tradiert, im Ergebnis der Zerschlagung der Grundlagen der NÖP, der Zwangskollektivierung und der forcierten Industrialisierung sei in der UdSSR in den 30er Jahren ein "sozialistisches" Gesellschaftssystem entstanden. Kernaspekt di eser vulgär-dogmatischen Sozialismusversion ist die Auffassung, daß die Ersetzung des Privateigentums an Produktionsmitteln durch Staatseigentum gleichbedeutend sei mit der Schaffung sozialistischer Produktionsverhältnisse. Sehr treffend hatte Molotow dieses stalinistische Credo formuliert: "Darin liegt doch das eigentliche Wesen des Sozialismus - eine staatliche Wirtschaft zu lenken". 5 Die Versuche "innerstalinistischer" Reformen scheiterten entweder an überlegener Repressionssmacht und Beharrungskraft der stalinistischen Herrschaftskerne oder aber führten schließlich zur Wiederbelebung anarchisch verlaufender Kapitalisierungsprozesse . Das Beispiel des chaotischen Übergangs der Perestroika in die "ursprüngliche Akkumulation" eines kultuhistorisch-spezifischen "Lumpen- und Schieberkapitalismus" demonstriert im übrigen die Nichtverallgemeinerbarkeit der westeuropäisch-nordamerikanischen "modernetheoretischen" Modellvorstellungen. 6 Das konterrevolutionäre Wesen des Stalinismus manifestiert sich als Totalrevision der Leninschen Verarbeitungsstrategie des spezifischen Ziel-Mittelwiderspruchs innerhalb der postrevolutionären Entwicklung Sowjetrußlands. Vgl. hierzu ausführlich Krauss 1991/1992.
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GLASNOST, Berlin 1992 - 2019 |