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Beiträge zur Politik  








Harmut Krauss

Der "Kopftuchstreit" als diskursives Chaos und Ablenkungsmanöver.

Zum Elend einer oberflächlichen, halbherzigen und verstümmelten Islam-Debatte

Das sog. Kopftuchurteil des Bundesverfassungsgerichts vom September 2003 ist von einigen als "weise" und von anderen als "feige" bezeichnet worden. Im Endeffekt hat es jedenfalls die Frage nach der Bedeutung und Bewertung dieser brisanten "Erscheinungsform" an die Gesellschaft bzw. den sich über demokratische Wahlen legitimierenden Gesetzgeber redelegiert. Eine ausschließlich oder doch überwiegend formaljuristisch ausgerichtete Behandlung des "Kopftuchproblems" ist damit nunmehr überholt oder doch zumindest unzureichend1. Worum es jetzt geht, ist eine substanzanalytisch reflektierte Entscheidungsfindung, die in der Tat das Selbstverständnis eines säkularen, freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaats elementar berührt. Wie reagiert der in sich werte- und weltanschauungspluralistisch konstituierte Volkssouverän auf die Herausforderung einer offensiven Ausbreitung der islamischen Herrschaftskultur in den westlichen Aufnahmegesellschaften? Verhält er sich mehrheitlich permissiv-duldend oder aktiv-zurückweisend? Welche Position nimmt der nichtreligiöse Teil der Bevölkerung ein? Welche Koalitionen und standpunktpolitischen Überschneidungen kristallisieren sich im zukünftig sicher noch intensiver werden "Religionsstreit" heraus?

Laut einer Allensbachumfrage von Anfang 2004 teilen 28 Prozent der Befragten die Ansicht des Bundespräsidenten Rau, wonach bei einem Kopftuchverbot auch andere Glaubenssymbole in Schulen verboten werden müssten. Offen bleibt hier freilich, ob eine solche 'laizistische' Regelung befürwortet oder abgelehnt wird. Rau selbst steht einer solchen Regelung ablehnend gegenüber: "Ich fürchte nämlich, dass ein Kopftuchverbot der erste Schritt auf dem Weg in einen laizistischen Staat ist, der religiöse Zeichen und Symbole aus dem öffentlichen Leben verbannt. Ich will das nicht. Das ist nicht meine Vorstellung von unserem seit vielen Jahrhunderten christlich geprägten Land." (Süddeutsche Zeitung vom 23. Januar 2004, S. 6). Kern dieser anti-laizistischen und zugleich formalrechtlich folgerichtigen Position ist demnach die Duldung des Kopftuchs, um den staatlich-öffentlichen Einfluss der christlichen Religion zu bewahren. Die Zulassung des Kopftuchs wird hier als Preis für die Beibehaltung der staatlichen Einflussnahme der christlichen Kirchen angesehen.

53 Prozent der Befragten sehen im Tragen eines Kopftuchs durch muslimische Frauen ein politisches Zeichen, das mit der deutschen Kultur unvereinbar sei. Unklar bleibt hier, was unter "deutscher Kultur" verstanden wird: das normative Gefüge einer demokratisch-freiheitlichen Verfassungsordnung oder "nationales Brauchtum". Wer "deutsche Kultur" primär mit "nationalem Brauchtum" identifiziert, hat keine Schwierigkeit damit, christliche Bekenntnissymbole zum traditionalen Überlieferungsbestand zu zählen, während das Kopftuch als Ausdruck einer fremden Kultur angesehen wird, die bestenfalls "Gastrecht", aber keine Gleichberechtigung beanspruchen kann. In dieser kulturalistischen Sichtweise ist es im Gegensatz zur Rau'schen Position kein Widerspruch, das Kopftuch zu verbieten und die Zurschaustellung christlicher Bekenntnissymbole unangetastet zu lassen. Wir haben es demnach mit zwei unterschiedlichen Begründungsvarianten einer anti-laizistischen Verteidigung der christlichen Machtstellung im staatlich-erziehungspolitischen Raum zu tun: einer formalrechtlichen, die den Islam protegiert und einer kulturalistschen, die den Islam einschränkt.

Eine strikt laizistische Position, die sich generell gegen das Tragen religiöser Bekenntnissymbole a) von funktionsausübenden Staatsbeamten/innen (z. B. Lehrer/innen) und b) von Schülern/innen im Schulunterricht ausspricht und eine fortschrittlich-demokratische Regelung hervorbringen könnte, ist bezeichnenderweise kaum zu vernehmen. Sie hätte den Vorteil, den sozialisatorischen Einfluss der christlichen Religion auf Heranwachsende im öffentlichen Raum weiter einzuschränken und den Islam als nichtmodernisierte religiöse Herrschaftsideologie (die gegenüber dem durch das Fegefeuer des kulturhistorischen Aufklärungsprozesses gegangenen Christentum noch ein größeres reaktionäres Wirkungspotential beinhaltet) in die Schranken zu weisen. Zudem könnte sie einen wichtigen Beitrag dazu leisten, den in Deutschland auf halben Wege abgebrochenen Säkularisierungsprozess2 wieder in Gang zu bringen und stärker die Interessen und Überzeugungen der nichtreligiösen Staatsbürger/innen zu berücksichtigen.

Anstatt nun engagiert die strikt laizistische Position in die öffentliche Waagschale einzubringen, tappt ein Teil der demolierten deutschen Restlinken prompt in die aufgestellte Falle und reagiert auf die Bestrebungen von christlichen und konservativen Kräften, nur das Kopftuch zu verbieten, aber die christlichen Symbole unangetastet zu lassen, mit der 'Verteidigung des Islam'. So werden gesetzliche Regelungen, die sich gegen eine öffentliche Anerkennung antiemanzipatorischer und grundrechtsfeindlicher islamischer Normen und Praktiken richten und einer Ausbreitung islamistischer Tendenzen entgegenstehen, in eine "Diskriminierung der muslimischen Bevölkerung" uminterpretiert3, als wäre es nicht die Aufgabe der deutschen Linken, sich gerade mit den Opfern der unterschiedlichen islamischen Unterdrückungspraxen zu solidarisieren. Was in diesen und ähnlichen "pro-muslimischen" Äußerungen zum Ausdruck kommt, ist eine ausgeprägte Unkenntnis bezüglich des Islam als ganzheitlich-kulturprägende Herrschaftsideologie. Einseitig gedrillt auf den parteimarxistischen Antiimperialismus und Antiamerikanismus, werden alle nichtwestlichen Herrschaftsformen und -bestrebungen mit ihren eigenständigen reaktionären und antihumanistischen Beschaffenheitsmerkmalen verharmlost oder als bloßer Reflex auf kapitalistische Einflüsse missdeutet, wenn sie nicht gleich gänzlich tabuisiert werden. Übersehen wird dabei, dass nicht nur das globalisierungsträchtige spätkapitalistische Herrschaftssystem, sondern auch die nichtwestlichen prämodern konstituierten Herrschaftsformen als wirkungsmächtige Antipoden heutiger kritisch-emanzpatorischer Praxis fungieren. Die Existenz totalitär-repressiver Verhältnisse und Sozialmilieus unter dem Vorzeichen des Islam sind nicht etwa Erfindungen paranoider Feindbildkonstrukteure, wie einige proislamische ApologetInnen unterstellen, sondern blutige Realität.

Die Debatte um das Kopftuch führt zwangsläufig dann in die Irre, wenn sie nicht zu einer kritisch-emanzipatorischen Konstitutionsanalyse des Islam durchdringt. Genau das aber wird in der deutschen Öffentlichkeit von einer buntscheckigen "Islam-Lobby", bestehend aus großkapitalistischen Verbandsfürsten, Politikern sämtlicher Couleur , christlichen Kirchenfunktionären, islamophilen Journalisten, kulturrelativistischen Ideologen und verrannten 'Gutmenschen' unter dem Schlachtruf "Feindbild Islam" sabotiert. Der interessenpolitische Hintergrund dieser diskursiv und strategisch verzweigt agierenden "Islam-Lobby" lässt sich im Kern folgendermaßen entschlüsseln:

1) Angesichts der übersättigten westeuropäischen und amerikanischen Märkte sind die Geschäftsinteressen westlicher Großkonzerne nicht zuletzt auch auf den arabischen bzw. generell islamisch geprägten Wirtschaftsraum gerichtet. Für die Herstellung und Beibehaltung eines günstigen Geschäftsklimas ist eine möglichst störungsfreie Kommunikation mit den islamischen Machthabern geboten. Eine Auseinandersetzung mit den dortigen Herrschaftsstrukturen, Menschenrechtsverletzungen, Repressionsverhältnissen etc. würde nur das anvisierte Big Business stören4. Und das betrifft nicht nur den Export von Konsumartikeln. Längst ist z. B. Saudi-Arabien nicht nur Hauptsponsor des islamistischen Terrorismus, sondern auch ein äußerst potenter Importeur westlicher Rüstungsgüter5. Generell ist bekannt, dass der islamische Raum jährlich mehr als die Hälfte der globalen Waffenproduktion aufnimmt. Hinter der leisetreterischen europäischen Dialog-Politik gegenüber der religiösen Diktatur im Iran steckt wiederum nicht zuletzt der Tatbestand, dass die "Islamische Republik Iran" aus Feindschaft gegenüber den USA ihre Erdöl- und Erdgasressourcen einzig und allein Europa zur Verfügung stellt. Ein Regimewechsel, d. h. eine demokratische Revolution im Iran, würde aller Voraussicht nach dazu führen, dass Europa diese monopolartige Vorzugsposition einbüßt. Zudem sind die hiesigen Unternehmen an der Zuwanderung billiger Arbeitskräfte zwecks Lohndumping interessiert. Sofern Kosten für den Polizei- und Sicherheitsapparat eingespart werden können und Konflikte nicht in die Öffentlichkeit gelangen, haben weder westliche Unternehmer noch Politiker etwas gegen antidemokratisch-repressive Ghetto-Kulturen einzuwenden. Längst ist auch das global agierende 'postmoderne Kapital' multikulturell und kulturrelativistisch geworden, so dass die entsprechenden IdeologInnen einschließlich der politikwissenschaftlichen Berufsverharmloser hier reichlich funktionalen Broterwerb zu erlangen vermögen.

2) Große Teile der christlichen Kirchen in Deutschland - allen voran die katholische Bischofskonferenz - erhoffen sich von der Ausbreitung des Islam in Deutschland eine Umkehrung des gesamtgesellschaftlichen Einflussrückgangs des Religiösen und damit eine indirekte Stärkung ihrer eigenen Machtpositionen. D. h. sie spekulieren auf eine positive Teilhabe an der schleichenden Islamisierung Deutschlands. Deshalb der vehemente Einsatz für islamischen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen, für expansiven Moscheebau, für islamische Speisevorschriften in Kindergärten, für die Einrichtung von islamischen Gebetsräumen in Krankenhäusern, für die Einrichtung separater islamischer Gräberfelder, für die Befolgung islamischer Bestattungsriten etc. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Kumpanei zwischen konservativem Christentum und Islam in der gleichgerichteten Feindseligkeit gegenüber einer säkular-humanistischen Lebenskultur und Werteordnung eine 'natürliche' Basis besitzt. So wird immer wieder das "umfassende Verständnis von Religionsfreiheit" hervorgekehrt, während gleichzeitig die Unvereinbarkeit von zahlreichen Religionsinhalten, Menschenrechten und liberalen Verfassungsgrundsätzen verdunkelt wird.

3) Die Aufgabe der politischen Klasse als Teil der "Islam-Lobby" bzw. der "kleptokratischen Kollaboration mit den Kräften des Islam" (Raddatz) besteht wiederum darin, samtpfötige Diplomatie öffentlichkeitswirksam als "kritischen Dialog" zu verkaufen, die Legende vom absoluten Gegensatz zwischen "friedlichem Islam" und "Islamismus" zu streuen und die Ausbreitung islamistischer Ghetto-Kulturen im Westen klein zu reden, zu bagatellisieren oder zu leugnen. Mittlerweile ist die regierungsnahe Friedrich-Ebert-Stiftung dazu übergegangen, islamistische Kräfte salonfähig zu machen. So beteiligte sie sich im Februar 2004 in Beirut an einer Konferenz mit dem Titel "Die Islamische Welt und Europa - vom Dialog zum Verständnis", an der auch Vertreter islamistischer Bewegungen wie Azzam al-Tamimi vom Institute of Islamic Political Thought in London und Jamal al-Banna aus Kairo sowie der stellvertretende Hizbollah-Generalsekretär Sheik Naeem Qasim teilnahmen6. Berechtigte Kritik an antidemokratischen, repressiven und herrschaftlichen Verhaltensweisen von Migranten wird im gelenkten Öffentlichkeitsdiskurs von bestallten Tugendwächtern der "political correctness" unversehens in "Fremdenfeindlichkeit" verfälscht und damit auf unerträgliche Weise tabuisiert, was dann wiederum im Sinne einer sich selbst bestätigenden Prophezeiung tatsächlich einer schleichenden Ausbreitung fremdenfeindlicher Pauschalurteile Vorschub leistet.

Falsch ist insbesondere das dualistische Beschwichtigungsdogma, das besagt, der Islam sei eine 'reine' Religion, während der Islamismus eine Ideologie darstelle. Hier wird Wahrheit durch erdichtete Zweckmäßigkeit im Interesse der schönfärberischen Einschläferung der Öffentlichkeit ersetzt. Der Fehler liegt in der irrtümlichen Projektion des 'modernen' individualrechtlichen Religionsverständnisses auf den Islam7. Die innerhalb der europäischen 'Moderne' - wenn auch zum Teil nur leidlich und unvollständig - vollzogene Trennung von Religion, Staat, Recht und Privatsphäre kann nämlich nicht unvermittelt und tatsachenwidrig auf den islamisch geprägten (prämodernen ) Herrschaftsbereich übertragen werden, der keine rechtlich geschützte individuelle Wahlfreiheit in weltanschaulichen Fragen zulässt, sondern auch in diesem Sektor 'monokratisch' verfasst ist. "Den Religionswandel des Christentums in Richtung einer Privatisierung der Religion als Folge der Moderne, d. h. die Säkularisierung, lassen selbst liberale Muslime für den Islam nicht zu" (Tibi 1996, S. 231). Entsprechend ist der Islam in seinem konkreten Einflussbereich als allein herrschende Religion nicht einfach nur ein privates Glaubenssystem, sondern eine umfassende Weltanschauung, politische Doktrin und Herrschaftsideologie. Die Gesetze Allahs als dem einzigen und allmächtigen Schöpfer der Welt und des Menschen, die im Koran ewig und endgültig festgelegt sind, beinhalten nicht etwa nur spirituelle Aussagen und rituelle Hinweise, sondern Regeln, Vorschriften und Hinweise für alle Lebensbereiche, denen der Gläubige unbedingt zu folgen hat. 'Islam' bedeutet damit Unterwerfung unter den Willen Allahs in allen Lebensfragen wie Tagesablauf, Ernährung, Kleidungsordnung als Ausdruck von rechtgläubiger Moral, politisches, wirtschaftliches und soziales Handeln, das Verhalten gegenüber einer nichtmuslimischen Umwelt etc. Die alltagspraktische Befolgung der Gottesgesetze ist der wahre Gottesdienst der gläubigen Muslime und bildet den 'eigentlichen' Kern des gesamten Islam = Hingabe an Gott. Aus diesem Grund ist auch eine Trennung von Staat, Religion und Privatsphäre grundsätzlich ausgeschlossen: "Religiöse und politische Gemeinschaft sind eins: Das Staatsvolk ist Gottesvolk, das religiöse Gesetz (shari'a) Staatsgesetz" (Hagemann 1999, S. 402). Im Grunde ist der Islam damit weniger eine spirituelle Glaubenslehre als vielmehr eine strikt antiindividualistische religiöse Weltanschauung und Ordnungsideologie, die auf eine absolutistische Durchregulierung des gesellschaftlichen Zusammenlebens, insbesondere auch des Familienlebens, bis in die kleinste Einzelheit abzielt. Die Ausübung von Herrschaft ist im Rahmen dieses kulturellen Codes zusätzlich an die mit Sanktionsdrohung und -ausübung gepanzerte Überwachung der Regeln des Moralkodex gekoppelt.Der gesellschaftliche 'Sinn' dieses 'ganzheitlichen' religiösen Bedeutungssystems besteht so letztlich in der Legitimierung und Stabilisierung kulturspezifisch konstituierter Herrschaftsverhältnisse. Konkret betrachtet sanktioniert der Islam als ideologisches und kulturprägendes System den orientalischen Despotismus und blockiert die Verwirklichung der Menschenrechte bzw. eine emanzipatorische Gesellschafts- und Subjektentwicklung. Wie andere prämoderne Herrschaftsideologien zeichnet sich der Islam "unter anderem durch die Absenz von Religionsfreiheit und Toleranz im neuzeitlichen Sinne, 'die Hilflosigkeit des einzelnen Individuums gegenüber dem von Kollektiven getragenen Staat' und die Unterdrückung von Minderheiten und Frauen aus. Nur eine tiefgreifende und alle Muslime umfassende Veränderung - vor allem eine Säkularisierung, die den despotischen und antiindividualistischen gesellschaftlichen wie politischen Strukturen ihre sakrale Stützung entzieht - wird den Islam mit Demokratie und Menschenrechten kompatibel machen" (Kohlhammer 1996, S. 155f.). Eine solche intraislamische Revolution ist aber nirgendwo in Sicht.

Der herrschaftslegitimierende Charakter des dominanten, orthodox-konservativen Mehrheits-Islam kann hier nicht in all seinen Grundzügen dargelegt werden8. Wir beschränken uns deshalb lediglich auf seinen ausgeprägt repressiven Patriarchalismus. Die Grundlage hierfür bietet die folgende unmissverständliche Aussage des Koran (Sure 4, Vers 34):

"Die Männer sind den Frauen überlegen wegen dessen, was Allah den einen vor den anderen gegeben hat, und weil sie von ihrem Vermögen (für die Frauen) auslegen. Die rechtschaffenen Frauen sind gehorsam und sorgsam in der Abwesenheit (ihrer Gatten), wie Allah für sie sorgte. Diejenigen aber, für deren Widerspenstigkeit ihr fürchtet - warnet sie, verbannt sie aus den Schlafgemächern9 und schlagt sie. Und so sie euch gehorchen, so suchet keinen Weg wider sie; siehe Allah ist hoch und groß."

Diese patriarchalische Ungleichstellung und Herrschaftsbeziehung zwischen den Geschlechtern ist untrennbar mit einer repressiven Sexualmoral verknüpft. In deren Mittelpunkt steht ein Bild von der Frau als einem von Begierden getriebenen Wesen, das als permanenter Ausstrahlungsherd satanischer Versuchungen unter fortwährender männlicher Gehorsamskontrolle zu halten ist. "Der Philosoph Al-Ghazali (gest. 1111) spricht sogar vom Verhältnis des Mannes zur Frau als dem Jäger zur Beute, der sie zur Strecke bringt, um dem Dienst an Allah gerecht zu werden" (Raddatz 2002, S. 284). Zur Bannung der vom weiblichen Wesen ausgehenden Versuchung und zur Eindämmung der daraus erwachsenden Gefährdungen schreibt die praktische Ethik des Gesetzes-Islam eine Reihe von operativen Maßnahmen vor. Ihre wichtigsten sind: (a) eine rigorose voreheliche Trennung der Geschlechter; (b) die weitgehende Verbannung der Frauen aus dem öffentlichen Raum und (c) die Verschleierung der Frauen in der Öffentlichkeit. Hinzu kommt, dass der Geschlechtsakt als unrein gilt. Er "wird von Riten und Beschwörungen begleitet, die eine gefühlsmäßige Distanz schaffen und die geschlechtliche Befriedigung auf seine elementarsten Funktionen reduziert: Orgasmus und Fortpflanzung. Die Botschaft des Islam ... geht davon aus, daß die Menschheit nur aus Männern besteht. Die Frauen stehen außerhalb der Menschheit und sind sogar eine Bedrohung für sie" (Fatima Mernissi, zit. n. Raddatz 2002, S. 285).

Die islamische Projektion der Frau als triebhafte Abgesandte teuflischer Versuchung, die letztendlich die Alleinverantwortung für die durch sie ausgelöste Begierde des Mannes trägt, hat schließlich auch zur Blockierung einer männlichen Selbstkontrolle des Sexualverhaltens durch Verinnerlichung und Sublimierung beigetragen. Wie Ayubi (2002, S. 60) klarstellt, "legt die arabisch-islamische Kultur den Nachdruck auf die Durchsetzung der Moral 'von außen' anstelle 'von innen' - auf Vorkehrungsmaßnahmen anstelle von 'verinnerlichten Verboten'. Anstelle von Männern Sozialisierung und Erziehung zur Selbstbeherrschung zu erwarten, besteht die Lösung im Endergebnis darin, den Körper der Frau zu verbergen und sie - mit Ausnahme der ehelichen Beziehung - so gut wie möglich von Männern fern zu halten."10

Der moralische Vergesellschaftungseffekt dieses islamischen Geschlechtsdiskurses besteht nun darin, dass Frauen, die sich "unvorschriftsmäßig" verhalten, also sich z. B. unverschleiert und ohne männliche Begleitung in der Öffentlichkeit bewegen, als moralisch defizitär und damit als "Freiwild" angesehen werden. Diese Auffassung, dass es sich bei Frauen, die sich nachts allein auf der Straße aufhalten, nur um sexuell zur Verfügung stehende Huren handeln könnte, ist auch unter eingewanderten Muslimen durchaus verbreitet. "Der Vater eines jungen Türken, der gemeinsam mit einigen Landsleuten eine junge Kreuzbergerin, die nachts auf die Straße gegangen war, vergewaltigt hatte, kommentierte die Tat mit den Worten: Wenn ich dabei gewesen wäre, ich hätte mitgefickt" (Duerr 1995, S. 622f.). Generell gelten westliche Sozialordnungen und damit auch die deutsche Gesellschaft nicht zuletzt aufgrund ihrer größeren Freizügigkeiten im zwischengeschlechtlichen Bereich als "verdorben". "Frauen hätten zu viele Freiheiten, 'und eine Frau hat solche Freiheiten eben nicht zu haben'; erklärt der Leiter einer (Berliner) Jugendeinrichtung das Bild männlicher Migrantenjugendlicher, und fährt fort: 'zumindest nicht die eigene Frau, alle anderen Frauen, sagen wir mal, sind für die halt Prostituierte'" (Zentrum Kultur und Demokratie 2003, S. 129). Gerade aber der Tatbestand, dass sich allein in der Öffentlichkeit zeigende Frauen als vor männlichen Übergriffen Bedrohte und Gefährdete angesehen werden, offenbart den psychomoralischen Regulierungs- und Kontrollbankrott orthodox-islamischer Ethik. Hinzu kommt, dass die Ersetzung moralischer Verinnerlichungsprozesse durch eine religiös überhöhte 'Konventionsmoral' bei gleichzeitiger (männlicher) Ablehnung der individuellen Verantwortlichkeit für Sünde und Irrtum eine Ethik der Selbstgerechtigkeit und Projektion nahelegt, welche die Schuld stets "verschwörungsideologisch" beim Anderen/dem bösen Ungläubigen, dem Abtrünnigen oder eben bei den Frauen als Objekten satanischer Versuchung sucht. "Wie weit die Sexualisierung des öffentlichen Raumes geht, verdeutlicht die pakistanische Praxis zur Zeit Zia'ul-Haqqs, nach der niemand wegen Vergewaltigung verurteilt werden konnte, solange noch Frauen in der Gesellschaft Pakistans sichtbar waren. Der als 'gemäßigt' geltende iranische Präsident Rafsandjani billigte einen Geheimdienstbericht, der die Frauen - neben der Korruption - als 'oberstes Sicherheitsrisiko des Iran' einstufte" (Raddatz 2002; S. 289).

Dass unter den soziokulturellen Herrschaftsbedingungen des islamischen Patriarchalismus Liebesheiraten und Partnerschaftsehen11 sich nur schwerlich entwickeln können, ist desweiteren dem Umstand geschuldet, dass die islamische Ehe im Grunde nicht auf freier Partnerschaftswahl beruht, sondern im Stile eines Kaufvertrages geschlossen wird, wobei die Frau auf die Eigenschaft einer austauschbaren Handelsware mit sexueller Grundfunktion beschränkt ist. So dominiert auch heute noch in der islamischen Welt der Modus der 'versprochenen Zwangsheirat' bzw. der patriarchalisch kontrollierten 'unfreien Gattenwahl'. Entsprechend "blieben in den meisten muslimischen Ländern Polygamie, Kinderheirat und Scheidung durch Verstoßung gesetzlich und häufig sozial zulässig. Polygamie und Kinderheirat, beide vom Schah abgeschafft, wurden von der Islamischen Republik im Iran wieder eingeführt" (Lewis 2001, S. 90). Nach Mitteilung von Frauenrechtsorganisationen werden heute im Niger jedes Jahr zehntausende Mädchen im Alter von 11-13 Jahren zur Hochzeit gezwungen (Neue Osnabrücker Zeitung vom 25.06.2002, S. 3). Auch in Deutschland werden islamische Zwangsehen unbehelligt praktiziert, wie schon von diversen Frauenverbänden berechtigterweise angeprangert wurde.

Während dem Mann (a) das Recht der Mehrehe, (b) das Recht auf Züchtigung der Frau und (c) das alleinige Recht auf Scheidung zusteht12, tauscht die Frau Unterwerfung unter die Autorität und Kontrollherrschaft des Mannes gegen materielle Sicherheit und Schutz ein. Die eheliche Herrschaftsstellung des Mannes konkretisiert sich schließlich in seiner permanenten Verfügungsgewalt über den Körper der Frau, die ihm nicht nur jederzeit als Sexobjekt zu dienen hat, sondern der er auch verbieten kann das Haus zu verlassen, einer Arbeit nachzugehen oder zu reisen.

"Der Mann ist nur verpflichtet, seine Frau zu unterhalten, wenn sie sich ihm hingibt oder sich ihm anbietet, das heisst, sie erlaubt ihm vollen Genuss ihrer Person und verweigert ihm nie Sex, weder am Tag noch in der Nacht. Sie ist nicht berechtigt zum Unterhalt wenn:

(1) sie rebellisch ist (das heisst, wenn sie ihm nicht gehorcht, sogar nur für einen Moment)

(2) sie ohne eine Erlaubnis reist, oder mit seiner Erlaubnis aber aus eigenem Bedürfnis;

(4) sie ohne Erlaubnis des Gatten freiwillig fastet ..." (weil er dann tagsüber auf Sex verzichten muss...)"13

Fatal wirkt sich in diesem patriarchalischen Herrschaftskontext obendrein der elementare Tatbestand aus, dass die islamische Mannesehre unmittelbar an das normativ einwandfreie Verhalten seiner weiblichen Verwandten gekettet ist, so dass öffentlich bekanntgewordene Fehltritte wie z. B. "Fremdgehen" der Ehefrau, Verlassen des Ehemannes, Verweigerung des Beischlafs nach Zwangsverheiratung, Eingehen einer verbotenen Ehe mit einem Nicht-Muslim oder ähnliche Unbotmäßigkeiten oder Eigenwilligkeiten drakonische Strafen wie Steinigung oder Auspeitschen nach sich ziehen. Ein Beispiel hierfür ist die Praxis der sogenannten Ehrenmorde, wie sie aus der Türkei, aber auch aus Pakistan berichtet wird. Danach gilt eine durch Vergewaltigung geschwängerte Frau nicht nur als "unrein", sondern auch als "entehrende Schande" für all ihre männlichen Familienangehörigen. Um die Familienehre wiederherzustellen und dem Ausschluss aus der Dorfgemeinschaft zu entgehen, muss die "Entehrerin" getötet/gesteinigt werden, wobei das reinigende Tötungsritual durch Hissen einer weißen Fahne angezeigt wird14.

Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang auch folgendes: Während die Beschneidung im Koran nicht erwähnt wird, heißt es dazu in der Schari'a:

"Die Beschneidung ist obligatorisch (für Männer und Frauen). Für Männer besteht sie daraus, die Vorhaut des Penis und für Frauen, die Vorhaut der Klitoris zu entfernen (nicht die Klitoris selbst, wie manche fälschlicherweise behaupten). (Hanbalis war der Ansicht, die Beschneidung der Frauen sei nicht obligatorisch aber Sunna (= Hier: Gesetz, dessen Befolgung empfohlen wird), während Hanafi der Meinung ist, sie sei eher Höflichkeit dem Ehemann gegenüber.)"15

Vor diesem Hintergrund ist das Kopftuch und/oder die Ganzkörperverschleierung der Frauen als das zentrale Wahrzeichen des islamischen Patriarchalismus sowie als Ausdruck der totalitären Konstitution der familialen Keimzelle der islamischen Herrschaftsordnung zu sehen. Als Legitimationsquelle hierfür bemüht der orthodoxe Gesetzes-Islam Sure 33, Vers 59 des Koran:

"O Prophet, sprich zu deinen Gattinnen und deinen Töchtern und den Frauen der Gläubigen, dass sie sich in ihren Überwurf verhüllen. So werden sie eher (als anständige Frauen, H. K.) erkannt und werden nicht verletzt."

In der Schari'a heißt es: "Die Nacktheit eines Mannes ... betrifft den Körper zwischen Nabel und Knie. Nacktheit einer Frau (auch wenn sie ein kleines Mädchen ist) betrifft den ganzen Körper ausser den Händen und dem Gesicht"16

Entscheidend ist aus kritisch-analytischer Perspektive, dass das Kopftuch angesichts der inhaltlichen Beschaffenheit und sozialisatorischen Prägekraft des konservativen Mehrheitsislam nicht einfach auf ein Symbol religiöser Überzeugung verkürzt und damit verharmlost werden kann, wie es eine indolente formaljuristisch überfrachtete Diskurslandschaft suggeriert. Worum es sich hierbei handelt, ist vielmehr das erzwungene oder bewusst-willentlich zum Ausdruck gebrachte Bekenntnis zu einer antiwestlichen, demokratie- und grundrechtsfeindlichen Herrschaftsideologie in religiöser Verpackung . Was in Gestalt des Ludin-Urteils negativ auf den aufklärungsethisch entkernten deutschen Gesetzgebungs- und Rechtsprechungsapparat zurückschlägt, ist die eingangs bereits benannte Fehlbeurteilung des Islam als "reine" Religion. Tatsächlich aber sind im Islam Spiritualität, Herrschaftsideologie und grundrechtswidrige Normativität so eng miteinander verwachsen wie im menschlichen Körper Knochen, Muskeln und Sehnen. Das Kopftuch als passiven Ausdruck ausschließlich religiöser/spiritueller Überzeugung anzusehen ist deshalb nicht nur naiv, sondern selbstbeschädigend, denn es ist ein Symbol der Verachtung, das sich zum einen gegen die Werte der kulturellen Moderne richtet und zum anderen antiaufklärerische Integrationsverweigerung signalisiert17. Es soll das Einleben und soziokulturelle 'Ankommen' seiner Trägerinnen und Hintermänner in der nichtmuslimischen Aufnahmegesellschaft verhindern und sie in einer islamischen Subkultur gefangenhalten, wo sie leicht zu manipulieren sind. So ist das Kopftuch Wahrzeichen nicht nur der Islamisten, sondern auch des offiziellen orthodoxen Islam. "Beide vertreten den politischen Islam, beide verteufeln die westliche Kultur und beide wollen aus der Welt einen islamischen Gottesstaat à la Saudi-Arabien oder Iran machen. Die verschleierte Frau, die sich mit ihrer Kleidung zum Islam bekennt und sich damit gegen den Westen stellt, gehört zu ihnen, denn sie lassen keinen andern Islam zu als den ihrigen. Jedes neue Kopftuch bedeutet eine sichtbare Stärkung ihrer Ideologie. Darum setzen sie soviel daran, die Musliminnen davon zu überzeugen, dass sie den Schleier tragen müssen" (Verein contra Fundamentalismus). Generell ist die normative Leitidee des konservativen Islam, wonach die weibliche Hälfte der Menschheit aus religiösen Gründen zur öffentlichen Gesichtslosigkeit gezwungen wird, Ausdruck einer menschenfeindlichen Weltanschauung18, die nicht nur eine schwere Beleidigung und Demütigung säkular-humanistisch orientierter Menschen darstellt, sondern darüber hinaus auch ganz und gar unvereinbar mit den Leit- und Verfassungswerten eines menschenrechtlich-demokratischen Gemeinwesens ist.

Insgesamt betrachtet ist der Islam demnach zwar kein monolithisches, also ganz und gar gleichförmig-undifferenziertes Gebilde, aber ein durch konservativ-traditionalistische Auslegungsarten dominiertes Bedeutungssystem, das den einzelnen Gläubigen bzw. das islamische Subjekt systematisch in eine antiemanzipatorische, zugleich sklavische (gegenüber Allah), herrschsüchtige (gegenüber den Ungläubigen)und selbstgefällige (gegenüber dem sklavisch-herrschsüchtigen Ich) Richtung drängt. Hervorzuheben ist zudem, dass im Prinzip alle relevanten islamischen Bekenntnisformen inhaltlich gleichgerichtete totalitär-fundamentalistische Strömungen hervorgebracht haben, so z. B. den sunnitischen Fundamentalismus der Moslembruderschaft, den saudi-arabischen Wahabismus, den schiitisch-khomeinistischen Fundamentalismus, die religiöse Ideologie der Ahmadiyya-Sekte etc. Hinzu kommt die nahezu lückenlose multi-nationale Präsenz des Islamismus in allen Gesellschaften mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit von Marokko bis Indonesien.

Zweifellos gab und gibt es innerhalb des islamisch geprägten Kulturkreises fortschrittliche und humanistische Tendenzen. Aber wahr ist auch, dass sich diese Tendenzen bislang nicht durchzusetzen vermochten und so gut wie nie hegemoniefähig waren. So sind die "Vernichtung der Bücher des Averroes und sein Aufenthalt am Pranger vor der Moschee in Cordoba ... nur fragmentarische Beispiele für eine Vielzahl von Repressalien, denen kreatives, nichtorthodoxes Denken im Islam ausgesetzt war und ist" (Raddatz 2002, S. 100).Unter diesen Bedingungen ist die "islamische Welt ... in der Wissenschaft seit dem 17. Jahrhundert nicht mehr kreativ. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts hat sie vergeblich versucht, an den wissenschaftlichen Geist, der einst von ihren Städten ausstrahlte, anzuknüpfen" (Meddeb 2002, S. 15f.). In dieser vorherrschenden Form ist der Islam vom Islamismus bzw. islamischen Fundamentalismus nicht etwa durch eine hermetische Mauer getrennt und stellt somit auch keinesfalls "das ganz Andere" oder aber das direkte Gegenteil dar. Ebenso wie der deutsche Faschismus im sog. "Jungkonservatismus" der Zwischenkriegszeit seine weltanschauliche Wegbahnung vorfand, beruht der islamische Fundamentalismus auf der umfassenden geistigen Vorarbeit des traditionalistischen Schari'a-Islam. Entsprechend lässt sich auch eine enge soziale, politische und ideologische Verflechtung zwischen den konservativ-traditionalistischen und den fundamentalistischen Kräften des Islam nachweisen. So stellten sich etwa im Jahr 2000 Ägyptens islamische Autoritäten zusammen mit der islamistischen Opposition gegen einen Gesetzentwurf, der es Frauen erlaubt hätte, auch ohne die schriftliche Einwilligung ihres Mannes ins Ausland zu reisen. Die Regierung zog das Vorhaben zurück. Eine ebenso erfolgreiche Koalition, die die parlamentarische und die außerparlamentarische islamistische Opposition sowie den Religionsminister zusammenbrachte, verhinderte in Marokko einstweilen wesentliche Änderungen des Familienrechts - insbesondere ein Verbot der Polygamie -, die Marokkos junger König Muhammad VI. offenbar gerne durchgesetzt hätte" (Perthes 2002, S. 121).

So erweist sich der Islamismus seinem inhaltlichen Wesen nach lediglich als eine selektive Radikalisierung und kämpferische Zuspitzung kulturraumspezifisch vorgefundener konservativer Ideen, Ideologeme und Interpretationsmuster. Deshalb ist es auch ganz und gar ungerechtfertigt, wenn muslimische Propagandisten - im Sinne eines schönfärberischen Ablenkungsmanövers für die westliche Öffentlichkeit - den islamischen Fundamentalismus als illegitime Fälschung des "wahren Islam" auszugeben versuchen. Dem widerspricht wiederum vehement die in ihrem Heimatland Bangladesh verfolgte und mit dem Tode bedrohte Schriftstellerin Taslima Nasrin. Nach ihrer Auffassung besteht zwischen der Kernsubstanz des Islam und dem Islamismus kein Unterschied: "Alle Lehren des islamischen Fundamentalismus stammen aus dem Koran, der Sunna und den Hadithen. (...) Konsequenter und kohärenter als moderate und liberale Muslime haben die Fundamentalisten den Islam zur Grundlage einer radikal-utopischen Ideologie gemacht, die zum Ziel hat Freiheit und Demokratie (abzuschaffen)" (MIZ 4/02, S. 25).

Natürlich sind nicht alle gläubigen Muslime orthodoxe Anhänger und radikale Verfechter des konservativ-reaktionären Scharia-Islam sowie des fundamentalistischen Islamismus. Bezogen auf den historisch gewachsenen und dominant gewordenen Aussage- und Interpretationsbestand des Islam - verkörpert in den autoritativen Mehrheitsauffassungen der islamischen Rechtsgelehrten - ist aber gleichfalls festzustellen, 'dass liberale' und 'moderate' Auslegungsarten einem abweichlerischen Revisionismus gleichkommen und sich folgerichtig in der Minderheit befinden. Der Verweis auf die Existenz moderater Auslegungsvarianten vermag somit nicht den totalitären Charakter des Islam als Herrschaftsideologie zu widerlegen.

Allgemein bekannte Tatsache ist auch, dass in zahlreichen islamisch dominierten Gesellschaften, Gemeinschaften und Sozialmilieus das Tragen von Kopftüchern, Schleiern und Ganzkörperverhüllungen erzwungene Pflicht ist und im Falle von Zuwiderhandlung drakonisch bestraft wird. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass sich der Islam in seiner Selbstbespiegelung als die letztgültige und damit einzig wahre Religion präsentiert. Folgerichtig akzeptiert das islamische Glaubensbekenntnis auch keine interkulturelle Gleichberechtigung, sondern beinhaltet die Forderung nach Unterordnung/Unterwerfung der Anders- und Nichtgläubigen. Auf die sich daraus ergebenden Konsequenzen hat exemplarisch der fortschrittliche syrische Philosoph al-Azm hingewiesen: "Wenn einheimische syrische Christen - also keine Migranten - im islamischen Damaskus mit dem offen um den Hals getragenen Kreuz öffentliche Schulen betreten würden, würde dies keine Polemik entfachen, es würde Blut fließen" (zit. n. Tibi 1998, S. 322). Nicht zuletzt ist das Kopftuch ein Emblem des Islamismus, dass zugleich Ablehnung der kulturellen Moderne sowie repressive Kontrollmacht des Diaspora-Islam signalisiert. Angesichts dieser unleugbaren Sachlage muss die immer wieder vorgebrachte These, das Kopftuch sei angeblich auch ein Ausdrucksmittel der Identitätsfindung und Selbstachtung junger islamischer Frauen, als inakzeptable Ausrede, wenn nicht gar als groteske Zumutung, zurückgewiesen werden. Wer seine Identität und Selbstachtung nur über ein Symbol auszudrücken weiß, das bekanntermaßen auch repressiven und totalitären Kräften als Ausdrucksmittel und Erkennungszeichen dient, der darf sich in seiner faktisch nicht vorhanden Abgrenzungs- und Distanzierungsfähigkeit gegenüber diesen Kräften auch nicht beklagen, wenn er auf begründete Ablehnung stößt. Oder anders: Wenn das Kopftuch unleugbar sowohl ein Machtsymbol des Islamismus ist und in zahlreichen islamisch geprägten Gemeinschaften nachweislich als integraler Bestandteil einer repressiven Erzwingungskultur fungiert, in der Unbotmäßigkeit blutig bestraft wird, so ist seine Tauglichkeit als Identitätssymbol und Stärkungsmittel der Selbstachtung hinlänglich diskreditiert. Diese 'bedeutungsanalytische' Selbstreflexion ist durchaus auch nach Anerkennung strebenden Migranntinnen abzuverlangen.

Der zentrale politisch-moralische Desorientierungseffekt der "Kopftuchdebatte" besteht insbesondere auch darin, das mittlerweile nur noch die Rechte einer kleinen Minderheit , nämlich jener Gruppe muslimischer Staatsbeamtinnen, die angeblich freiwillig und während ihrer Berufsausübung 'unbedingt' das Kopftuch tragen wollen, öffentlich fokussiert werden. Währenddessen bleiben die Lebens- und Interessenlagen jener muslimischen Mädchen und Frauen ausgeblendet, die als oftmals hilflose Opfer von islamisch begründeten Unterdrückungspraktiken wie familialem Kopftuchzwang, Ausgeh- und Kontaktverboten, Zwangsverheiratung, Verstoßung und Verfolgung aufgrund von Widersetzung etc. viel dringlicher auf Beachtung und Unterstützung der demokratischen Öffentlichkeit angewiesen wären. Dementsprechend wäre es viel sinnvoller, wenn sich z. B. die Ausländerbeauftragte Beck und ihre Freundinnen, statt als Erfüllungsgehilfinnen von staatlichen Kopftuchträgerinnen zu fungieren, sich für die Forderungen von TERRES DES FEMMES einsetzen würden. Unter dem Hinweis, dass Zwangsheirat eine Vergewaltigung auf Lebenszeit sei und gegen das verfassungsmäßige Recht auf persönliche Freiheit (Art. 2 GG) verstoße, fordert TERRES DES FEMMES die Bundesregierung auf

  • den Kommunen zu empfehlen, anonyme Schutzeinrichtungen für betroffene Frauen und Mädchen zu schaffen;

  • den Ländern und Kommunen zu empfehlen, SchulsozialarbeiterInnen und Angestellte in Jugendämtern zu schulen und für die Problematik von Zwangsheirat zu sensibilisieren;

  • dafür zu sorgen, dass insbesondere Migrantinnen die Sprachkurspflicht ausnahmslos erfüllen können;

  • die gesetzlichen Härtefallregelungen auf zwangsverheiratete Frauen und Mädchen zu erweitern;

  • eine umfassende Studie in Auftrag zu geben, die das Ausmaß von Zwangsverheiratungen erfasst.

Als abwegig und selbstgerecht ist auch der von Seiten islamistisch unterwanderter muslimischer Gruppen und Verbände erhobene Vorwurf zurückzuweisen, das Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst stelle eine "Diskriminierung" dar und bedeute eine "Unterdrückung des Islam". Hierbei handelt es sich schlicht um den Versuch, durch demagogische Übertreibung eine Moralpanik zu erzeugen19. Tatsächlich ist es jeder Muslimin in Europa freigestellt, außerhalb des Staatsdienstes und öffentlichen Schulwesens im mehrheitlich nichtmuslimischen Aufnahmeland ein Kopftuch als Ausdruck einer streng islamischen und/oder proislamistischen Gesinnung zu tragen. (Ebenso ist es freilich auch das Recht nichtmuslimischer, islamkritischer und antifundamentalistischer Menschen, ihre Ablehnung gegenüber diesem nicht nur religiös-spirituellen, sondern insbesondere auch politisch-totalitären Symbol zum Ausdruck zu bringen.) Die KopftuchstreiterInnen indes fordern für sich Rechte, die in den arabisch-muslimischen Herrschaftsordnungen Christen, Andersgläubigen und nichtreligiösen Menschen nicht nur nicht zugestanden werden, sondern die dort als verfolgte Minderheiten tatsächlich vielfältigen alltäglichen Diskriminierungen und zum Teil blutigen Repressionen ausgesetzt sind. Schließlich geht es bei der fortschrittlich -demokratischen Abwehr der Islamisierung nicht um die "Unterdrückung des Islam" als eine privatreligiös praktizierte spirituelle Glaubensform mit spezifischen Ritualen, sondern um die Zurückdrängung von menschenrechtsfeindlichen und antiemanzipatorischen Normen und sozialisatorischen Dressaten, die einer nichtmodernisierten religiösen Herrschaftsideologie mit totalitärem Geltungsanspruch entspringen.

Treibendes Motiv bei dem hartnäckigen Versuch der rechtlichen Durchsetzung des Kopftuchs im staatlichen Raum westlicher Aufnahmegesellschaften ist auch nicht die "unschuldige" Identitätsfindung angeblich ausdrucksbehinderter Muslime. Vielmehr handelt es sich hierbei um den handfesten Bestandteil einer schleichenden Islamisierungsstrategie auf leisen Sohlen. Ihr Ziel besteht darin, demokratische, soziokulturelle und rechtliche 'Normalitätsstandards' innerhalb der Aufnahmegesellschaft zugunsten der Schaffung parallelgesellschaftlicher Entfaltungsräume zu verschieben, d. h. grund- und menschenrechtsfreie Zonen zu schaffen, in denen nicht die hiesige Verfassungs- und Rechtsordnung gilt, sondern islamische Regeln, Rechtsvorschriften und Strafen das Alltagsleben bestimmen. Dieses Vorgehen läuft darauf hinaus, unter Ausnutzung eines in Deutschland leider sehr verbreiteten abstrakten Rechtsformalismus, einer substanzethisch entkernten bzw. kastrierten Demokratieauffassung sowie einer pervertierten Toleranzideologie20 die einheimische Bevölkerung einschließlich ihrer geistig-kulturell säkularisierten Teile an Zwangsverheiratung, Koranschulen, kopftuchtragende Lehrerinnen, Schächtung, islamistische Erziehungs- und Sozialisationszonen etc., kurzum: an eine permanent und umfassend angelegte religiöse Konterrevolution zunächst auf soziokulturellem, später politischem Gebiet zu gewöhnen und anschließend zur rechtlich sanktionierten Akzeptanz zu verpflichten. Zum taktischen Instrumentarium dieser Vorgehensweise gehören zum Beispiel die Selbstinszenierung als 'Opfer'21 oder 'verfolgte Minderheit'22 sowie eine gleichzeitige Anbiederung an rechte und linke Kräfte. Während man sich der einheimischen konservativen und christlichen Rechten als Verbündeter zur Zurückdrängung einer säkular-humanistischen Bildung und liberalen Sexualmoral andient, präsentiert man sich gegenüber der poststalinistischen Linken als Bündnispartner im Kampf gegen den US-Imperialismus und gegen die kapitalistische Globalisierung. Wie erfolgreich diese Mischung aus taqiya23 und Anbiederung sein kann, zeigt das Beispiel Frankreichs, wo Tariq Ramadan, der Enkel von Hassan al-Banna, dem Gründer der ägyptischen Moslembrüdeschaft, zum Star der ATTAC aufsteigen konnte24. Die Erfolgsbedingung dieser islamistischen Täuschungs- und Annäherungsmanöver hat Raddatz (2002, S. 295) prägnant umrissen: "Ein auf Täuschung geschaltetes System, das auf ein System trifft, dem die Fähigkeit zur Erkennung der Täuschung fehlt, begründet die klassische Konstellation von Betrüger und Altruist, die sich in jedem Falle zugunsten des Betrügers stellt."

'Globalisierung' ist nicht nur ein ökonomischer Prozess, sondern insbesondere auch ein Vorgang der Beschleunigung, Verdichtung und Intensivierung interkultureller Wahrnehmung, einschließlich der damit verbundenen Häufung von lebensweltlichen Kontakten und normativen Kollisionen. Die Folge davon ist die verstärkte Erfahrung und Bewertung kultureller Differenz. Im Zusammenspiel mit verstärkten Migrationsbewegungen und vor dem Hintergrund des Nichtvorhandenseins eines allgemeinverbindlichen Wertekonsenses stärkt Globalisierung somit nicht das menschliche Zusammengehörigkeitsgefühl, sondern schwächt es. Diese intensivierte Erfahrung kultureller Differenz hat nun bei zahlreichen Menschen eine (politisierungsfähige) kognitive Dissonanz hervorgerufen, für deren Verarbeitung gemeinhin zwei unmittelbarkeitsfixierte Deutungs- und Handlungsmuster bereitgehalten werden:

1) eine abstrakt-pauschale Fremdenfeindlichkeit, oftmals gepaart mit rassistischer und nationalistischer Ideologie (rechte Variante), und

2) eine abstrakt-pauschale Fremdenfreundlichkeit, oftmals gepaart mit multikulturalistischer und kulturrelativistischer Ideologie. ("linke" Variante).

Angesichts dieser sich wechselseitig negierenden und emotional hochschaukelnden Bipolarität der vorherrschenden Einstellungsmuster hat es ein drittes, u. E. adäquates Verarbeitungsmuster der beschriebenen Dissonanz schwer, sich zureichend Gehör zu verschaffen, nämlich die (herrschafts-)kritische Analyse und Bewertung des Fremden auf der Basis universell gültiger emanzipatorischer Maßstäbe, die man auch an sich selbst bzw. die eigene Kultur/Gesellschaft anlegt. Charakteristisch für diese dritte Position sind folgende Merkmale: Sie ist nicht vorausurteilend, korrekturoffen und basiert auf transparenten Begründungen. Ausschlaggebend für die Analyse und Bewertung ist hier nicht die - entweder verteufelte oder romantisierte - Fremdheit des Anderen, sondern die konkrete Beschaffenheit seiner praktizierten Gesinnung, seiner Intentionen, handlungsrelevanten Überzeugungen und sozialen Verhaltensweisen (in Abhebung von sekundären Aspekten wie Äußerlichkeiten, Körpermerkmale, Essgewohnheiten etc.).

Zweifellos ist es eine Grundaufgabe der fortschrittlich-herrschaftskritischen Kräfte, der rassistisch und 'nationalegoistisch' (wohlstandschauvinistisch) unterfütterten abstrakt-pauschalen Fremdenfeindlichkeit entschieden entgegenzutreten und sie massiv in die Schranken zu weisen. Ebenso entschieden ist aber auch der verleumderischen Praxis entgegenzutreten, begründete Kritik an reaktionären/totalitären Ausländern bzw. Migranten als "rassistisch" zu brandmarken und auf diese Weise hysterisch zu tabuisieren. Diese pseudolinke (gutmenschliche) Tabusetzung aus dem Geist einer undifferenzierten Fremdenliebe ist in doppelter Weise kontraproduktiv: Zum einen treibt sie Menschen mit begründeter ausländerkritischer, aber nicht rechtsextremistischer Einstellung in die Arme rechtspopulistischer Demagogen, zum anderen fungiert sie als geistiges Schutzschild rechtsradikaler/fundamentalistischer Ausländergruppen und Organisationen. Der Anspruch einer 'edlen', fortschrittlich-humanistischen Gesinnung verkommt hier - unter dem Vorwand kulturalistischer Ideologie - zur schnöden Apologetik zutiefst reaktionärer Kräfte.

Bezogen auf den vorliegenden Problemkontext ist es daher die Aufgabe der fortschrittlichen Kräfte in Deutschland, jene Bewegungen, Parteien, Gruppierungen etc. zu unterstützen, die in ihren jeweiligen Ländern die islamisch legitimierten Herrschaftsordnungen sowie islamistische Bewegungen bekämpfen, für die Überwindung der Schari'a eintreten und sich für kulturelle Modernisierung und Demokratisierung einsetzen. Zudem gilt es, anstatt zum nützlichen Idioten der 'ghettoislamistischen' Kopftuchbewegung zu entarten, sich mit den Opfern der vielfältigen Unterdrückungs- und Entmündigungspraxen des inländischen 'Diaspora-Islam' zu solidarisieren. Anstatt aus Furcht vor "Ausländerfeindlichkeit" das wachsende Problem des Islamismus in Deutschland zu tabuisieren, sollte der Islamismus als neue zusätzliche Gefahr innerhalb des deutschen Rechtsextremismus und Antisemitismus bekämpft werden.



© Hartmut Krauss, Osnabrück 2004



Literatur :

Ayubi, Nazih: Politischer Islam. Religion und Politik in der arabischen Welt. Freiburg Basel Wien 2002.

Duerr, Hans Peter: Obszönität und Gewalt. Der Mythos vom Zivilisationsprozess. Band 3. Frankfurt am Main 1995.

Eussner; Gudrun: ATTAK - At-Taqiya - Attacke. Der Islamist Tariq Ramadan und die Globalisierungskritiker vereint im Kampf. http://www.members.partisan.net/sds/sds05803.html.

Hagemann, Ludwig: Artikel "Islam". In: Adel Theodor Khoury/Ludwig Hagemann/Peter Heine: Islam-Lexikon. Geschichte, Ideen, Gestalten, Freiburg i. Br. 1999, Bd. 2, S. 402.

Kohlhammer, Siegfried: Die Feinde und die Freunde des Islam, Göttingen 1996.

Der Koran (herausgegeben von Kurt Rudolph und Ernst Werner), Leipzig 1984. 6. Auflage.

Krauss, Hartmut: Faschismus und Fundamentalismus. Varianten totalitärer Bewegung im Spannungsfeld zwischen 'prämoderner' Herrschaftskultur und kapitalistischer 'Moderne'. Osnabrück 2003.

Meddeb, Abdelwahab: Die Krankheit des Islam, Heidelberg 2002.

MIZ (Materialien und Informationen zur Zeit). Politisches Magazin für Konfessionslose und Atheistinnen. Nr. 4/2002.

Perthes, Volker: Geheime Gärten. Die neue arabische Welt. Berlin 2002.

Raddatz, Hans-Peter: Von Allah zum Terror? Der Djihad und die Deformierung des Westens. München 2002.

Spiegel-Spezial 2/2003"Allahs blutiges Land. Der Islam und der Nahe Osten".

Tibi, Bassam:Aufbruch am Bosporus. Die Türkei zwischen Europa und dem Islamismus. München und Zürich 1998.

Tibi, Bassam: Der wahre Imam. Der Islam von Mohammed bis zur Gegenwart, München 1996.

Verein contra Fundamentalismus. URL: http://mypage.bluewindow.ch/a-z/vcf/index2.html.

Zentrum Demokratische Kultur (Hrsg.): Demokratiegefährdende Phänomene in Kreuzberg und Möglichkeiten der Intervention - ein Problemaufriss. Eine Kommunalanalyse im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Berlin, Februar 2003.

Anmerkungen:

1Folgende rechtlichen Gründe sprechen gegen eine Zulassung des Kopftuchs:

(1) Das Kopftuch ist kein eindeutiges religiöses Symbol. De facto wird es nämlich von einer relevanten Zahl von Muslimen/innen gar nicht als verpflichtendes religiöses Kleidungsstück angesehen. Folglich ist es auch nicht haltbar, wenn von proislamistischen Kräften das Verbot des Kopftuchs im Schuldienst pauschal als Einschränkung der positiven Religionsfreiheit denunziert wird.

(2) Von religiöser Seite wird immer nur die positive Religionsfreiheit beschworen. Dabei bleibt das moderne Grundrecht auf negative Religionsfreiheit in der Öffentlichkeit zumeist ausgeblendet. Der weltanschaulich neutrale Verfassungsstaat hat aber nicht nur die Rechte der religiösen, sondern auch der nichtreligiösen Staatsbürger/innen zu beachten und zu wahren. Diesem Umstand trägt ein Kopftuchverbot durchaus Rechnung. Würde nämlich das Kopftuch zugelassen, dann könnten nichtreligiöse Lehrer/innen und Schüler/innen mit T-Shirts zum Unterricht erscheinen, auf denen z. B. aufgedruckt stehen könnte: "Wir wollen keine Kopftuchträgerinnen an unserer Schule".

3) Das Kopftuch ist unstrittig ein Symbol nicht nur des konservativen islamischen Patriarchalismus sondern auch des islamischen Fundamentalismus. Beide Überzeugungsformen tragen totalitär-repressive Züge und verstoßen gegen elementare Grund- und Menschenrechte. Damit bezweckt das Kopftuchverbot im Schuldienst nicht etwa die Einschränkung der Religionsfreiheit, sondern intendiert die Abwehr antidemokratischer und antiemanzipatorischer Einflüsse und Bestrebungen. Grundsätzlich müsste im Sinne einer Rechtsgüterabwägung die Abwehr totalitärer Bestrebungen Vorrang haben vor der Gewährung von Religionsfreiheit gegenüber Glaubensformen, solange deren Grundinhalte mit den Normen und Werten der kulturellen Moderne unvereinbar sind. In diese Richtung argumentiert auch eine Urteil des "Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte" vom 15. Februar 2001.

2Hauptausdrucksformen dieses 'abgebrochenen' Säkularisierungsprozesses sind a) die Beibehaltung von Religionsunterricht im öffentlichen Schulwesen, b) die Einziehung von Kirchensteuern durch den Staat sowie c) die üppige Subventionierung sowie rechtliche Privilegierung der christlichen Kirchen, statt diese auf den Status von Vereinen zu beschränken. Diese privilegierte Stellung ist es auch, welche die Begehrlichkeiten der zugewanderten islamischen Kräfte zusätzlich stimuliert.

3Ein Beispiel hierfür sind die Artikel von Angela Klein in der "Sozialistischen Zeitung" Nr. 2 und 3 2004. Aber es besteht immerhin noch ein Funke Hoffnung, wenn ein Leserbriefschreiber ihre Aussagen folgendermaßen kommentiert: "Es ist eine kolossale Dummheit, diesen muslimischen Ideologinnen das Wort zu reden. Was ist denn, wenn ich z. B. in Afghanistan als Atheist leben wollte? Oder wenn ein Afghane Atheist ist? Gilt auch für Indien! Wir wären schneller tot, als A. Klein ihren saudummen Artikel verfasst hat. Also: wehret den Anfängen - noch ist es nicht zu spät".

4Ein aktueller Ausdruck der intensivierten Verbindung von Kapitalinteressen und Islam ist in der Entwicklung Schari'a-konformer Investment- und Immobilienprodukte zu sehen. Vgl. hierzu die FAZ vom 12.12.03, S. 41.

5So verkauften allein die USA Saudi-Arabien in den vergangenen fünfzig Jahren Waffen und Militärausrüstungen für fast hundert Milliarden US-Dollar.

6Mitveranstalter der Konferenz war das Forschungsinstitut der Hizbollah, das auch ein Alkoholverbot während der Konferenz durchsetzte.

7"Im Westen ist Religion für den einzelnen längst Privatsache geworden, Religion ist allenfalls ein Teil des gesellschaftlichen Ganzen; im islamischen Orient jedoch kommt ihr noch immer eine die gesamte Gesellschaft tragende und prägende Totalität zu, der sich auch nur der lau Gläubige, ja der Atheist nicht entziehen kann" (Lerch, zit. n. Kohlhammer 1996, S. 212).

8Vgl. hierzu Krauss 2003.

9"D. h., brecht den Verkehr mit ihnen ab" . Anmerkung des Übersetzers in: Der Koran 1984, S. 102.

10Entsprechend dominieren in der islamisch bestimmten Herrschaftskultur scham-bezogene Werte und eine diesbezügliche 'Konventionsmoral' (die Angst, in der Öffentlichkeit negativ aufzufallen) gegenüber schuld-bezogenen Werten, die den Vorrang individueller Verantwortung betonen.

11Während es in der westlich-europäischen Entwicklung im Kontext der kulturellen Modernisierung, d. h. in Folge von Aufklärung, Zurückdrängung des Absolutheitsanspruchs religiöser Kontrollmacht, der Ausdifferenzierung einer individuellen Privatsphäre etc. zur Etablierung der Liebesheirat bzw. der Gattenwahl aufgrund persönlicher Zuneigung kommt, ist dieser Entwicklungsweg in den nichtwestlichen, "prämodernen" und im Grunde 'mittelalterlich' gebliebenen Herrschaftskulturen weitestgehend versperrt.

12"Die Scheidung ist gültig, wenn ausgesprochen von (a) dem Ehemann (b) der geistig gesund ist (c) die Pubertät erreicht hat (d) und sie freiwillig ausspricht" (Vgl. Verein contra Fundamentalismus. Texte und Dokumente im Internet).

13Vgl. Verein contra Fundamentalismus. Texte und Dokumente im Internet.

14Vgl. hierzu den Artikel "'Ehrenmorde' in Südostanatolien. Steinigungen von Frauen in Zunahme begriffen. In Neue Züricher Zeitung vom 6./7. Dezember 2003, S. 6.

15Vgl. Verein contra Fundamentalismus. Texte und Dokumente im Internet.

16Vgl. Verein contra Fundamentalismus. Texte und Dokumente im Internet.

17 So sagt zum Beispiel der marokkanische Schriftsteller Ben Jelloun: "Das Kopftuch ist die Ablehnung des Laizismus. Duldet man es, sagt der Vater oder der Bruder der Schülerin am nächsten Tag: Du nimmst nicht am Musik- und Malunterricht teil, denn das verdirbt die Sitten. Du darfst bestimmte literarische Texte nicht lesen, denn sie sind anstößig. Und so fort. Das ist unerträglich. Das Kopftuch ist alles andere als harmlos. Gelingt dagegen die Integration, entsteht ein laizistischer Islam in Frankreich und in Deutschland kann das ein Beispiel mit großen Rückwirkungen für die ganze arabische Welt werden" (Spiegel-Spezial 2/2003"Allahs blutiges Land. Der Islam und der Nahe Osten", S. 21.).

18So heißt es zum perversionsfördernden Charakter der islamischen Geschlechtsmoral bei Raddatz (2002, S. 287): "Eine Kultur, die in strenger Geschlechtertrennung die Männer dazu zwingt, Frauen als reine, auf Basis von Kaufverträgen zu ehelichende Sexualobjekte zu betrachten, bringt von ihr selbst abgelehnte Formen sexueller Abweichung hervor. Ein Drittel der ländlich lebenden Männer Marokkos gab an, sich dem Verkehr mit Geschlechtsgenossen oder Tieren zu widmen, wobei sie durchaus zwischen schlechtem Gewissen und Abscheu über sich selbst sowie Entrüstung über die Zumutungen des Systems, in dem sie leben müssen, schwanken."

19Andere Gruppen, wie das Bündnis Türkischer Einwanderer, sehen in dem hartnäckig betriebenen Versuch der juristischen Durchsetzung des Kopftuchs kein Vorgehen frommer Muslime, sondern den strategischen Versuch radikaler Gruppen innerhalb der islamischen Bevölkerung, die Religion für ihre politisch-ideologischen Zweck zu instrumentalisieren. Ihr Endziel sei die Errichtung eines Staates nach dem Gesetz der Scharia. Dies sollte jedem klar sein.

20Der pervertierende Missbrauch des Toleranzbegriffs besteht hier darin, den intersubjektiv-reziproken Charakter der Toleranz als zwischenmenschliches Prinzip der Gleichberechtigung und gegenseitiger Anerkennung zu suspendieren und in ein einseitiges Prinzip der selbstzerstörerischen Nachgiebigkeit gegenüber totalitär-herrschaftlichen Kräften zu verkehren.

21So verglich die deutsche Muslimin F. Ludin, bekannt geworden als Klägerin im gerichtlichen Kopftuchstreit, ihre Situation mit der Lage der Juden zur Zeit des Nazi-Terrors und erklärte: "Ich fühle mich wie kurz vor dem Holocaust".

22Nach dieser Logik sollen die antidemokratischen und grundrechtswidrigen Machenschaften und Bestrebungen der Islamisten genau so anerkannt werden wie z. B. die Rechte von Homosexuellen. Nach islamischem Recht freilich steht auf Homosexualität die Todesstrafe.

23'Taqiya' bedeutet, dass ein Muslim seine religiöse Überzeugung oder seine wahren Absichten verbergen soll, wenn bzw. solange er sich in einer unterlegenen/minoritären Position befindet.

24Vgl. den Artikel von Gudrun Eussner: ATTAK - At-Taqiya - Attacke. Der Islamist Tariq Ramadan und die Globalisierungskritiker vereint im Kampf. http://www.members.partisan.net/sds/sds05803.html.










 

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