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Willi Géttel
Freiheit statt Kapitalismus -
Gedanken zur Strategiediskussion, III. Teil
Es gab eine Zeit, da gehörte die Parole "Freiheit statt Sozialismus" zu
den wirkungsvollsten der CDU/CSU. Freiheit stand für das System der
Bundesrepublik und Sozialismus für Unfreiheit. Gemeint waren DDR und
Ostblock. Wagte die SPD linksverdächtige Experimente, geriet sie in die
Nähe des vermeintlichen Sozialismus. Das wirkte.
Diese Parole war vor allem deswegen so wirkungsvoll, weil sie den direkten
Systemvergleich herausforderte. Was da samt Mauer so sinnlich erfaßbar
war, war also der Sozialismus. Kaum jemand zweifelte: bezeichnete sich
die DDR doch selbst als sozialistisch. Es konnte auf Dauer nicht
ausbleiben, daß sich der Sinngehalt des Begriffs Sozialismus in sein
Gegenteil verkehrte: Aus einem Inbegriff der Hoffnung entstand ein
abschreckendes Beispiel.
Daran hat sich bisher wenig geändert. Es wirkte nicht nur damals, es wirkt
noch heute. Die Realität der DDR ist so tief ins kollektive Gedächtnis
gedrungen, daß es immer noch ein leichtes Spiel ist, jeden neuen
sozialistischen Versuch mit ihr zu verbinden. Sozialismus ist schwer zu
vermitteln. Schwer vor allem wegen der irrigen Annahme, er hätte in
Gestalt der DDR und des "Realsozialisnmus" existiert. Dies aus der Welt zu
räumen bleibt nach wie vor eine der wichtigsten Aufgaben der
sozialistischen Bewegung.
Doch die, die allen Grund hätten daran mitzuwirken, stellen sich tot. Die
führenden Funktionäre der PDS tasten die Lebenslüge der DDR nicht an.Als
Angehörige einer ehemals privilegierten Schicht haben sie die DDR
subjektiv anders erlebt als die Bevölkerungsmehrheit. Sie mag ihnen daher
immer noch sozialistisch vorkommen. Vielleicht schrecken sie auch nur
davor zurück, die Wahrheit des Systems zu enthüllen. Denn um heute als
glaubwürdig zu erscheinen, wollen sie nicht als Lügner von gestern
dastehen. Doch was immer ihr Kalkül sein mag, sie weichen dieser Frage
aus. Aus diesem Grund sind sie unfähig, einem Konrad Weiß
entgegenzutreten, der immer noch wie ein bissiger Köter an ihren Fersen
hängt.
Im "Spiegel" Nr. 48/27.11.95 rechnet Bürgerrechtler Weiß ein weiteres
Mal mit ihnen ab. Was er schreibt, ist nicht ohne Wucht und
Überzeugungskraft. Von Bedeutung in seinem Artikel ist aber eine Passage,
in der er die von ihm gegeißelten Eigenschaften der SED/PDS "unauflöslich"
mit Sozialismus verbindet und in dieser Einheit verdammt. Er schreibt:
"Es kann keinen demokratischen Sozialismus geben. Sozialismus ist
unvereinbar mit Demokratie, das hat die Menschheit seit der
Oktoberrevolution schmerzlich genug lernen müssen." Und weiter: "Der reale
Sozialismus war nicht die Perversion eines wahren Sozialismus, sondern
dessen konsequente Verwirklichung. Der Marxsche Sozialismus ist ein
Gesellschaftsmodell, das ohne totalitäre Strukturen, die Herrschaft der
einen Klasse über die anderen und damit zugleich die partielle
Unterdrückung des Volkes, nicht auskommt. Er war die Grundtorheit dieses
Jahrhunderts."
Also nicht der Antikommunismus, der Sozialismus sei die Grundtorheit
dieses Jahrhunderts - eine grandiose Behauptung! Ganz sicher hat sich Weiß
damit übernommen. Aber noch triumphiert der Irrationalismus, so daß seine
Worte wie die Offenbarung eines Weisen klingen mögen.
Weiß irrt doppelt. Er irrt in der Frage des Sozialismus und er verkennt
die Eigenschaften der PDS - zumindest die ihrer führenden Funktionäre.
Hätte er sich etwas näher mit der Marxschen Theorie beschäftigt, hätte er
möglicherweise diesen Unsinn nicht geschrieben.
Und hätte er sich außerdem die Theorien führender PDS-Leute näher
angesehen, hätte er feststellen können, daß sie ihren "Dritten Weg" mit
genau den Ansichten begründen, die er selber vertritt.
Weiß erscheint immer noch als Bürgerrechtler, obwohl er sein
bürgerrechtliches Wirken seit Jahren eingestellt hat. Tatsächlich tritt
er als Zeuge gegen den Sozialismus auf, so daß ihm nur noch der
Kapitalismus als zukunftsverheißendes Gesellschaftsmodell aller Zeiten
bleibt. Sollte ihn noch einmal das Bürgerrecht locken, bliebe ihm nur
dieser Rahmen, den auch die von ihm geschmähten PDS-Größen gewählt haben.
Möglicherweise wird er bald staunen, wie dem Ende des Sozialstaates die
Krise des Rechtsstaates folgt. Die immer größer werdenden Massen Verarmter
und Ausgestoßener wird er dann nicht mehr wahrnehmen können, weil es für
sie in seinem Denkgebäude keinen Platz gibt. Und so wie den obersten
PDS-Funktionären die Stunde der Wahrheit naht, naht sie dem Bürgerrechtler
Weiß. Sie werden diese Stunde gemeinsam erleben. Schon jetzt mutet es wie
eine biblische Strafe an, findet er dann in geistiger Verbundenheit
ausgerechnet jene verhaßten Gesellen neben sich, die der gleiche Irrtum an
seine Seite getrieben hat.
Dieser Irrtum liegt tief in einer idealistisch-subjektivistischen
Geschichtsauffassung begründet, die die Entwicklung der Zivilisationvon
der Entwicklung der Produktivkräfte trennt. So wird der "Marxsche
Sozialismus" (Weiß) dem philosophischen Materialismus entrissen und einer
beschränkten subjektivistischen Denkweise unterworfen.Der Bauplan des
"Realsozialismus" stammt nicht von Marx, sondern von Stalin. Für Marx war
nie der Mangel die Grundlage der Freiheit und die Basis des Sozialismus.
Man muß entweder unfähig sein, ihn zu begreifen, oder darauf aus, ihn zu
verfälschen, um überhaupt behaupten zu können, was Weiß behauptet. Dem
"Realsozialismus" fehlte die materielle Grundlage zu einer freieren
Gestaltung der Gesellschaft. Er blieb hinter den Errungenschaften der
bürgerlich-demokratischen Revolution zurück. Nun aber geht es um die
Frage, ob der Kapitalismus im Begriff ist, eben hinter diese
Errungenschaften zurückzufallen und die materiellen Grundlagen seiner
eigenen Staatsidee - der bürgerliche Demokratie - zu zerstören.
Der Bürgerrechtler und die materiellen Grundlagen der Freiheit
Die sozialistische Bewegung steht heute mehr denn je vor der Frage,
entweder ihre moralische Empörung zur einzigen Grundlage ihres Handelns zu
machen oder diesen Anstoß wisenschaftlich zu vertiefen. Sie muß sich
entscheiden, ob sie die marxistische Theorie verwirft, oder ob sie sie
annimmt. Verwirft sie sie, ist sie ohne revolutionäre Theorie. Nimmt sie
sie an, muß sie es konsequent tun. Das aber bedeutet, sie sowohl bei der
Analyse des "Realsozialismus" als auch des Kapitalismus der Gegenwart
anzuwenden, was zugleich ihre Weiterentwicklung bedeutet.
Wenn Weiß behauptet, wie oben zitiert, Sozialismus sei unvereinbar mit
Demokratie und dabei auf das "realsozialistische" Geschichtsbeispiel
verweist, schlägt er allen Linken die Waffen aus der Hand, die die DDR als
sozialistisches Beispiel verteidigen. Im Grunde genommen hätte Weiß den
Nachweis für seine Behauptungen erst einmal erbringen müssen. Das macht er
aber nicht. Wie alle anderen auch, die das behaupten, übernimmt er die
Selbstetikettierung der stalinistischen Legitimationsideologie. Nach
dieser Vorgehensweise wäre also das Stalinsche System des
"Realsozialismus" allein deswegen schon sozialistisch, weil es sich
selbst so bezeichnet hat. Von der Tiefenwirkung verinnerlichter
realsozialistischer Systempropaganda wird er sich wahrscheinlich
ebensowenig befreien können wie die von ihm attackierten PDS-Funktionäre.
Doch angesichts destruktiver Prozesse wächst Bürgerrechtler Weiß geradezu
in eine neue Aufgabe hinein - die Vereinbarkeit von Kapitalismus und
Demokratie zu begutachten.
Wenn der Begriff "Freiheit" seinen humanistischen Sinn behalten soll, muß
er Herrschaftsverhältnisse immer wieder in Frage stellen. Die bisherige
Geschichte ist eine Geschichte der Klassenherrschaft und des
Klassenkampfes. Dies erklärt sich nicht aus dem Willen der Menschen,
sondern aus den objektiven Bedingungen ihrer materiellen Produktion. Nicht
der Überfluß, der Mangel oder relative Mangel war immer die Ursache der
Klassenherrschaft. Für Marx und Engels war somit klar, daß Sozialismus
nicht auf der Grundlage materiellen Mangels errichtet werden kann. Sie
setzten die ausgereifte Produktivkraftentwicklung des Kapitalismus voraus.
Kommen wir auf das Beispiel DDR zurück, zeigt sich, daß dieser Staat zeit
seiner Existenz um das nackte materielle Überleben kämpfen mußte.
Dies alles ist immer und immer wieder gesagt worden. Doch weil es immer
wieder unterschlagen und verfälscht wird, muß es immer wieder wiederholt
werden, so sehr es einem selber schon zum Halse heraushängen mag. Die
Frage der materiellen Reife stellt sich aktuell, wenn der Westen
heuchlerisch ökonomisch unterentwickelten Ländern demokratische
Verfassungen abverlangt, als hätte es jemals einen rückständigen Staat mit
demokratischen Verhältnissen gegeben. Wie das in der Praxis dann aussieht,
führt beispielhaft der Zustand der Türkei vor Augen.
Die ungleichmäßige Entwicklung des Kapitalismus hat unterschiedliche
Staaten hervorgebracht. Heute ist die Rede von vielen armen und wenigen
reichen Staaten. Die armen oder verarmten kapitalistischen Länder
zeichnen sich nicht durch demokratische Verhältnisse, sondern überwiegend
durch autoritäre Regime oder gar blutige Diktaturen aus. Es stimmt daher
nicht, daß Kapitalismus auch Demokratie bedeutet, was vor allem der
Faschismus gezeigt hat. Und es stimmte nie, daß er jemals inhaltliche
Demokratie für die ganze Gesellschaft bedeutete. Nur in den Ländern seiner
jeweils höchsten Entwicklung und Ausprägung konnte er auf der Basis
industrieller Massenproduktion, Regulierung und relativer
Vollbeschäftigung in einer bestimmten Periode politische Freiheiten
gewähren, wie sie zuvor nicht vorhanden waren.
Wenn heute von den westlichen Demokratien die Rede ist, so handelt es sich
in der Tat um die reichsten Länder der Erde. Sie sind der Maßstab
bürgerlicher Freiheit. Aber selbst sie zeigen, wie dürftig ihre Demokratie
trotz ihres Reichtums geblieben ist. Dennoch konnte sich der ökonomisch
rückständige Realsozialismus niemals mit den demokratischen
Errungenschaften der westlichen Zivilisation messen.
Kapitalismus und Demokratie
Daß Arme und Reiche das gleiche Recht haben, unter Brücken zu schlafen,
ist bekannt. Die Forderung der Französischen Revolution "Freiheit,
Gleichheit, Brüderlichkeit" ist bisher nicht eingelöst worden. Die
früheren Zeiten des Kapitalismus waren vom Elend der Massen geprägt. Das
kaiserliche Deutschland war ein autoritärer Staat. Die Weimarer Republik
blieb geprägt von der weiterbestehenden Herrschaft reaktionärer Kräfte und
wich nach kurzer Lebensdauer der totalen Diktatur. Ein friedlicher,
freiheitlicher Weg war es gerade nicht, den der Kapitalismus bis 1945
zurückgelegt hatte. Die Gründerjahre der Bundesrepublik unter Adenauer
atmeten den Geist der Vergangenheit. Nur der Blick nach drüben, in die
"Zone", vermittelte den Westdeutschen den Eindruck, das bessere Los
gezogen zu haben.
Sie hatten das bessere Los gezogen. Ihre Lage verbesserte sich von Jahr zu
Jahr. Die westdeutsche Wirtschaft entwickelte eine nie dagewesene Kraft
und verwandelte das Land in einer historisch kurzen Zeitspanne in eines
der reichsten der Erde. Auf diesem fruchtbaren Boden konnten auch die
Einflüsse der westlichen Demokratien gedeihen, so daß mit dem Ende der
Adenauer-Ära die Bundesrepublik eine nennenswerte Demokratieentwicklung
vorzuweisen hatte.
Doch ebensowenig wie die anderen westlichen Industriestaaten vermochte die
Bundesrepublik die Beschränktheit der bürgerlichen Demokratie zu
überwinden. Hohe Produktivkraftentwicklung gab ihr zwar die Basis ihrer
höchsten Entfaltung, aber sie blieb gehemmt und gefesselt in den
Verhältnissen der Kapitalherrschaft.
Diese Beschränktheit geriet unter dem Eindruck wachsenden Konsums in den
Hintergrund. Die sanfte,indirekte Diktatur des Parlamentarismus verbunden
mit Reisefreiheit und Massenkonsum erschien den meisten Deutschen als eine
glückliche Verbindung von Wohlstand und Demokratie. Daß sie in diesem
System von politischer Mitsprache ausgeschlossen bleiben und sich nur
vertreten lassen dürfen, nehmen sie in der Mehrzahl vor allem deswegen
hin, weil sie bisher mit dieser Vertretung nicht so schlecht gefahren
sind. Dies entspricht einem gewissen Realitätssinn der Massen. Auf
dieser Grundlage funktioniert bisher auch der Konsens zwischen Regierung
und Regierten, der ohne ein bestimmtes Maß an materieller Befriedigung
nicht möglich ist und ohne den sich das kapitalistische System auch nicht
mehr so ohne weiteres parlamentarisch legitimieren läßt.
Enge und Einseitigkeit politischer Gestaltung ergeben sich im Kapitalismus
aus dem Vorrang der Wirtschaft gegenüber der Poltik. In Zeiten
allgemeinen Massenwohlstandes tritt dieses Verhältnis im öffentlichen
Bewußtsein in den Hintergrund, weil das Gefühl vorherrscht, beteiligt zu
sein. Im Zuge seiner Verwertungsbedingungen und seinem Drang nach
Profitmaximierung formt oder verwüstet das Kapital die Umwelt. Städte,
Landschaften, Kultur und Menschen geraten immer stärker unter den Druck
eines Willens, der allem eine einseitige, verödende Prägung gibt. Eine
gigantische Bürokratie reglementiert alles, erstickt jeden Eigenwillen,
wird er nicht von wirtschaftlichen Kräften getragen. Als die ersten
Bürgerinitiativen sich aufrafften, das Maß gewährter Freiheiten zu
überschreiten, machten nicht wenige von ihnen erst einmal Bekanntschaft
mit dem Polizeiknüppel.
Bürgerliche Demokratie ist formale Demokratie. Sie entspricht dem
formalen Warenangebot. Inhaltlich entfalten kann sich in ihrem Rahmen nur
das Kapital. Steigt die Massenkaufkraft, erhöht sich im jeweiligen Maße
die Konsumfreiheit der Massen. Fällt sie, bleiben ihnen formal alle
demokratischen Rechte, die sie zwar weiter bestaunen, aber wenig mit ihnen
anfangen können. Vor einem solchen Hintergrund ist es schon eine andere
Frage, die eigene Souveränität an eine systemtragende Partei abzutreten.
Formale Demokratie, Herrschaft des Kapitals, parlamentarische
Stellvertretung und politische Freiheiten nur im Rahmen einer jeweils von
den Herrschenden interpretierten Verfassung - in diesem für die Ewigkeit
gedachten Kreislauf bewegt sich die kapitalistische Ordnung.
Doch nichts ist für die Ewigkeit. Was geschieht, wenn die Balance
verlorengeht, wenn Prosperität und relativer Massenwohlstand aufgrund
wirkender Gesetzmäßigkeiten der Kapitalakkumulation nicht mehr
aufrechterhalten werden können, für immer verschwinden? Wird sich das
kapitalistische System gezwungen sehen, sich von seiner liebsten und
wirkungsvollsten Staatsform - der parlamentarischen Demokratie - zu
verabschieden? Der Kapitalismus hat verschiedene Entwicklungsstadien
durchlaufen, die in der politischen Gestaltung der gesellschaftlichen
Verhältnisse ihren Ausdruck fanden. Nun ist es immer schwierig und
gewagt, Kulminationspunkte auszumachen und Prognosen zu stellen. Es dürfte
aber hinkommen, daß der gewaltigste Entwicklungssprung des metropolitanen
Kapitalismus nach dem 2. Weltkrieg einsetzte. Erst mit dem Beginn seiner
Hochphase zeigte er sich fähig, die industrielle Massenproduktion mit
einer relativen Vollbeschäftigung, sozialstaatlichen Regelungen und
größeren politischen Freiheiten zu verbinden. Diese Phase, die heute als
Fordismus bezeichnet wird, ist vorbei. Der Kapitalismus ist in ein neues
Stadium getreten, dessen Auswirkungen sich seit dem Ende der 70er Jahre in
immer schnellerer Folge zeigen. Die Merkmale dieses Stadiums lassen sich
darin zusammenfassen, daß alles rückläufig ist, was die fordistische Phase
an sozialen und demokratischen Errungenschaften hervorgebracht hat.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob das kapitalistische
System im Fordismus kulminierte und jenseits dieses Stadiums beginnt,
destruktiv gegen die Gesellschaft zu wirken. Denn setzt sich dieser Prozeß
fort, zersprengt er die bürgerliche Demokratie. Der daraus resultierende
Ausblick ist düster: Massenarmut verbunden mit diktatorischen Maßnahmen
zur Aufrechterhaltung der Kapitalherrschaft.
Nehmen wir die Marxsche Kapitalanalyse zu Hilfe, um die eingetretene
Situation einschätzen und tiefer analysieren zu können, kommen wir eher zu
dem Ergebnis, daß der Kapitalismus zwar nicht am Ende ist, sich aber in
rasantem Tempo dem Punkt nähert, der das Ende seiner positiven Funktion in
der Geschichte anzeigt. Alles, was in den ökonomischen Prozessen jetzt so
offen zutage tritt, stützt empirisch die Marxsche Analyse. Der objektive
Zwang zur Akkumulation und permanenten Steigerung der Arbeitsproduktivität
hat unumkehrbar in die Rationalisierung geführt, die mit jeder neuen Stufe
die Massenarbeitslosigkeit vergrößert. Somit trennt sich die
kapitalistische Produktionsweise in einem voranschreitenden Prozeß von
immer größeren Teilen der Gesellschaft, deren Existenz zunehmender
Bedrohung ausgesetzt ist.
Mit dem Ende des Fordismus hat sich ein Verhältnis von steigender
Produktivität auf der einen und zunehmender Armut auf der anderen Seite
aufgebaut. Der Kapitalismus braucht die Massen der Metropolen nicht mehr,
wie er zuvor schon die Massen der Dritten Welt im Elend zurückgelassen
hat. Damit setzt er nicht nur sein zerstörisches Wirken gegen Natur und
Umwelt fort, er gerät nun auch in einen eklatanten Widerspruch zu seinen
Völkern. Bisher sind alle Reformisten die Antwort schuldig geblieben, wie
dieses Mißverhältnis ohne Stellen der Eigentumsfrage beseitigt werden
kann. Andererseits bildet sich zum ersten Mal in der Geschichte eine
Situation heraus, in der einerseits die Produktivkraftentwicklung die
Basis einer höheren Form der Demokratiegestaltung geschaffen hat und
andererseits immer reaktionärer werdende Eigentumsverhältnisse dieses
Mißverhältnis vertiefen und somit den gesellschaftlichen Fortschritt
aufhalten. Nicht Rationalisierung und Steigerung der Arbeitsproduktivität
stehen der Gesellschaft antagonistisch gegenüber, sondern die
kapitalistischen Eigentumsverhältnisse, die nun im Begriff sind,
Produktivität in Destruktivität zu verwandeln.
Die imperialistische Wende nach innen
Der oben angesprochene objektive Zwang zur permanenten Steigerung der
Arbeitsproduktivität bedeutet zugleich die permanente Expansion des
Marktes. Dieses Gesetzt hat die Entwicklung des Kapitalismus
vorangebracht und ihn in das Stadium des Imperialismus getrieben. In
seiner Schrift "Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus"
hat Lenin die damalige kapitalistische Weltwirtschaft in ihren
internationalen Wechselbeziehungen untersucht und den Schluß gezogen, der
Imperialismus sei "der Vorabend der sozialen Revolution". Wie wir heute
wissen, war seine Prognose reichlich verfrüht. Der Kapitalismus war nach
dem 1. Weltkrieg zu weiterer Zentralisation und Konzentration und
besonders nach dem 2. Weltkrieg zu einer enormen Steigerung der
Produktivität fähig.
Lenins grundsätzliche Erkenntnisse über das ökonomische Wesen des
Imperialismus sind jedoch gültig geblieben. Nun geht es hier nicht um eine
neue Prognose. Es geht um den Versuch, einzuschätzen, ob von einer
aufsteigenden und einer absteigenden Linie des Imperialismus und damit von
einem Kulminationspunkt ausgegangen werden kann. Teilen wir zunächst zur
Verdeutlichung das Zeitalter des Imperialismus in zwei Phasen, so mündet
die erste in den 2. Weltkrieg und geht mit seinem Ende in die zweite über.
Die erste Phase ist im wesentlichen von der Anwendung irregulärer Mittel
wie Raub- und Kolonialkriegen, schließlich Weltkriegen gekennzeichnet, die
alle dem gleichen Zweck dienten: Beseitigung der Konkurrenz, Ausdehnung
eigener Märkte, Eroberung von Rohstoffquellen und Beschaffung billiger
Arbeitskräfte.
Der von Deutschland begonnene 1. Weltkrieg zeigt beispielhaft die
ökonomische Interessenslage des deutschen Kapitals. Der Binnenmarkt der
zur Weltspitze aufstrebenden, aber "zu kurz gekommenen" Industriemacht war
weitgehend gesättigt, somit die Reproduktionsbasis des deutschen Kapitals
gefährdet. "Die Habenichtse melden ihr Lebensrecht an", tönte Wilhelm II.
Wenn auch noch nicht in vollem Umfang des Ersten, so waren auf ganzer
Linie die USA dafür Gewinner des Zweiten Weltkrieges. Sie konnten ihre
gigantische Überproduktion absetzen und zugleich eine neue, elegantere und
aufgrund der ihr zugrunde liegenden indirekten Strategie wirkungsvollere
Form des Imperialismus durchsetzen: des informellen Imperialismus.
Vertrauten Strategen wie Hitler in erster Linie auf den Einsatz von
Militär, vertraute das US-Kapital auf die Gründung von Banken und erst in
zweiter Linie auf Militär. Mit dem Aufstieg der USA zur Führungsmacht der
westlichen kapitalistischen Staaten setzte sich über einen längeren Prozeß
die indirekte Strategie als Richtlinie durch. Seit dem Ende des
Vietnam-Krieges führt der Westen im wesentlichen nur noch "Polizeikriege"
zur Disziplinierung bereits ökonomisch unterworfener Länder durch.
Während die erste Phase des Imperialismus durch eine Politik des
Nationalismus und des gegenseitigen Völkerhasses gekennzeichnet ist, tritt
in der zweiten eine Politik der "westlichen Wertegemeinschaft" und der
zivilisatorischen Mission der westlichen Demokratien in den Vordergrund.
Sowohl die Politik der ersten als auch der zweiten hat ihre Logik. In der
Zeit der "imperialistischen Raubkatzen" sicherte sich das jeweilige
Kapital die Gefolgschaft der Nation durch das Schüren von Haß gegen andere
Nationen und durch Versprechungen. Die Bewilligung der Kriegskredite 1914
durch die deutsche Sozialdemokratie ist das klassische Beispiel für das
Entstehen von Opportunismus und das Einschwenken auf die Eroberungspolitik
der nationalen Bourgeoisie.
Nicht nur der Sieg über Deutschland und Japan, auch die Übernahme des
britischen Empire ließen die USA als eigentlichen Sieger aus dem 2.
Weltkrieg hervorgehen. Unter ihrer Führung enstand ein imperialistischer
Block, dem die übrige Welt - von der Zeit der Existenz der Sowjetunion
einmal abgesehen - nichts mehr entgegenzusetzen hatte. Innerhalb dieses
Blocks kam es zu einer immer dichteren Verflechtung nationaler zu
transnationalen Kapitalien. An der in Rangfolge vorgenommenen gemeinsamen
Ausbeutung der schwächeren Länder partizipierten auch die Bevölkerungen
der westlichen Industriestaaten. Die Zeit des sogenannten Fordismus muß
auch in diesem Zusammenhang gesehen werden. Natürlich ist der
Nationalismus nicht gänzlich verschwunden, doch innerhalb des westlichen
Blocks verlor er seine ehemalige Bedeutung.
Kommen wir auf die aufsteigende und absteigende Linie und damit auf einen
dazwischen liegenden Kulminationspunkt zurück, läge das "höchste Stadium"
des Kapitalismus zwischen den 50er und 70er Jahren. Mit dem Machtantritt
Reagans, Thatchers und Kohls stellte sich unter dem Aspekt der
zivilisatorischen Funktion des Kapitalismus eine bis heute anhaltende
Abwärtsentwicklung ein.
Der Übergang zur zweiten Phase ist zugleich von einem zunehmenden
Verelendungsprozeß der Dritten Welt begleitet. Durch eine mit dem Mittel
der Verschuldung betriebenen Ausplünderungspolitik ist sie etwa zeitgleich
mit dem Ende des Fordismus absolut zahlungsunfähig geworden. Ebenso
zeichnete sich immer stärker ein Engerwerden der
Kapitalsverwertungsbedingungen auf nationaler und internationaler Ebene
ab. In den westlichen Ländern hatte sich in dieser Zeit die intensive
Produktion als vorherrschendes Element durchgesetzt, so daß sich das
Problem der zahlungsfähigen Nachfrage auf dem Weltmarkt zuspitzte. Der
steigenden Produktivität des imperilistischen Blocks stand nun ein
schrumpfender Weltmarkt gegenüber.
Das Kapital ist heute globalisiert. Alle Länder der Erde sind damit mehr
oder weniger in den Welthandel eingebunden. Die Eroberung neuer Märkte mit
militärischen Mitteln in Form des direkten Krieges gehören der
Vergangenheit an. Was China und Rußland anlangt, die sich gegen ihre
Unterwerfung wehren, setzt der Westen vorerst auf wirtschaftliche
Durchdringung, ideologische Aufweichung, abgestimmte Hochrüstung und
schrittweise Entwaffnung durch Vertragspolitik. Wie das funktioniert und
ob es funktioniert, läßt sich gegenwärtig noch nicht einschätzen.
Es kann aber davon ausgegangen werden, daß der kapitalistische Weltmarkt
hergestellt ist. Im wesentlichen gibt es daher nicht mehr den Außenraum
als Gegenstand der Expansion, sondern einen weltumfassenden Innenraum,
dessen reichster Teil die imperialistischen Metropolen sind. Daraus
ergibt sich, daß nur noch dieser Inneraum Gegenstand imperialistischer
Expansion sein kann.
Führen wir uns zwischendurch noch einmal vor Augen, was ein gewissermaßen
in seinen Grenzen endgültig abgesteckter Markt im Verhältnis zu steigender
Produktivität bedeutet, wird klar, warum an die Stelle ehemaliger Kriege
ein mit allen Mitteln geführter Verdrängungswettbewerb getreten ist.
Dieser Verdrängungswettbewerb erzwingt vor allem zwei Dinge: erstens
weitere Rationalisierung, um noch produktiver und damit konkurrenzfähiger
zu sein, und zweitens steigende Subventionierung zu Lasten der
Lohnabhängigen. Der längst mit irregulären Mitteln geführte
Verdrängungswettbewerb verbunden mit der immer stärker einsetzenden
Ausplünderung der metropolitanen Bevölkerungen ist seinem ökonomischen
Wesen nach imperialistisch. Im Gegensatz zu früheren Zeiten handelt es
sich nun um einen "Imperialismus nach innen",dessen Hervortreten mit dem
Ende des Fordismus zusammenfällt.
Ob heute von der "Globalisierung der Märkte" oder einer neuen Weltordnung
die Rede ist, die politische Sprachregelung ist zu der Methode der
Verrechtlichung übergegangen. Infolge erfolgreicher Polizeikriege gibt es
keine Kriegsgefangenen mehr, sondern "Festgenommene" und "Verhaftete",
die nicht mehr den Status von Kombattanten haben, sondern eher als
Kriminelle betrachtet werden. Dies trat zum ersten Mal im Golfkrieg hervor
und wurde im folgenden Balkankrieg schon wie selbstverständlich
gehandhabt. Parallel dazu werden Kriegsverbrechen nach westlicher
Rechtsauffassung definiert. Das Durchsetzen ökonomischer Interessen unter
dem Deckmantel angeblicher Menschenrechte tritt immer stärker in den
Vordergrund. Der juristisch begründete Polizeikrieg ist die Folge daraus
und erhält so den Anschein der Vollstreckung internationalen Rechts.
Auf nationaler Ebene ist diese Methode nicht neu. Doch mit dem
Machtantritt der neoliberalen Regierungen, mit dem die sozialen
Verwüstungen in die Metropolen getragen wurden, trat auch die
Gesetzgebungsmaschine stärker im Interesse des Kapitals in Aktion. Dem als
Umbau des Sozialstaates verbrämten Raubzug zugunsten der sogenannten
internationalen Wettbewerbsfähigkeit wurde zugleich der notwendige
rechtliche Anschein verliehen.
Neben der Verrechtlichung nackter ökonomischer Interessen sind auch neue
Feindbildkonstruktionen entstanden: faule Arbeitslose, parasitäre
Sozialhilfeempfänger, kriminelle Migranten, Anspruchsdenken. Es findet
nicht nur eine Art Opferverhöhnung statt, sondern eine Verdrehung von
Ursache und Wirkung. Vergegenwärtigen wir uns, daß diese Gruppen längst
nach Millionen zählen und immer größer werden, gleicht das einer
psychologischen Kriegsvorbereitung gegen einen großen Teil der eigenen
Bevölkerung. Der "Imperialismus nach innen" kehrt auch die
entsprechenden politischen Methoden nach innen.
Betrachten wir den wachsenden Gegensatz von Reichtum und Armut auch unter
dem Aspekt, daß schrumpfende Märkte einen Rückgang in der realen Investion
und damit eine Flucht des Geldkapitals in die Spekulation bedeuten, ergibt
sich, daß der Gewinn des einen nur noch der Verlust des anderen sein kann.
Dadurch wird der Kreis der Reichen immer kleiner, indem jeweils
schwächeres Kapital von ihm aufgesogen wird. Der Rückgang realer
Investition spricht aber auch gegen die Annahme, "die
Massenarbeitslosigkeit lasse sich bis zur Jahrhundertwende halbieren",wie
Joachim Bischoff ("Neues Deutschland" vom 8.Februar 1996, S. 9) "im
Rahmen eines Alternativprogramms" für möglich hält. Zunächst wird jeder
Investor vor dem Einsatz seines Kapitals die Verwertungsmöglichkeiten
prüfen. Investiert er real, muß er zugleich intensiv und damit produktiv
investieren. Sieht er in diesem Bereich keine Marktchancen, zieht er den
spekulativen Einsatz vor. Um die Massenarbeitslosigkeit dennoch zu
halbieren, will Bischoff unter Mißachtung der ökonomischen Gesetze des
Kapitalismus "das große Vermögen heranziehen". Die Frage der politischen
Gefolgschaft
Noch sind Kapital und bürgerliche Politik in der Lage, die Mehrheit der
Bevölkerung hinter sich zu bringen. Das "Bündnis für Arbeit" zeigt das.
Dieses Bündnis ist aber nicht nur ein armseliges Rückzugsgefecht der
Gewerkschaften, es ist allenfalls eine temporäre Lösung, weil es von der
Dynamik der Rationalisierung schon bald überholt wird. Weitere
Verbiegungen können daher nur noch lächerlich sein. Der wesentliche
Aspekt dabei ist, daß nicht mehr, wie noch unter dem Akkumulationstyp des
Fordismus, die "Partnerschaft von Kapital und Arbeit" dadurch erhalten
wird, indem mit steigenden Löhnen zu rechnen ist, sondern mit sinkenden.
Diese Umkehrung führt diese "Partnerschaft" ad absurdum. War sie schon im
Fordismus eine höchst ungleiche Sache, hat sie unter dem
Akkumulationsregime der Rationalisierung und Deregulierung den letzten
partnerschaftlichen Anschein verloren.
Am häufigsten wird mit der Standortfrage argumentiert und gedroht.
Abgesehen davon, daß sie nichts als ein Druckmittel ist, Löhne und
Sozialausgaben zugunsten des Kapitals zu senken, wird die an anderer
Stelle bemühte sogenannte "nationale Verantwortung" beiseite geschoben. Es
wird glattweg so getan, als hätte das Kapital für eine gewisse
geschichtliche Periode dem Land nur das honorige Opfer seiner Anwesenheit
erbracht. Nun aber müsse es auch einmal an sich denken und sich
möglicherweise anderswo umsehen, sollten die Anstrengungen hierzulande zu
groß werden. Das ist dreist, trifft aber den Kern der Sache. Daß ein
international organisiertes und tätiges Kapital auf die "nationale
Verantwortung" pfeift, geht es um seine Verwertungsmöglichkeiten, müßte
allmählich auch den Gewerkschaften einleuchten. Die Drohung mit dem
Standort ist in vieler Hinsicht ein erpresserischer Bluff. Abgesehen von
der politischen, militärischen, wissenschaftlichen usw. Unterstützung des
jeweiligen Landes behauptet sich das Kapital ja gerade durch die der
Bevölkerung abgepreßten Subventionen auf dem Weltmarkt. Diese perfide
Vorgehensweise kennzeichnet die Lage. Nur ist sie noch nicht ins
allgemeine Bewußtsein gedrungen.
Die imperialistische Wende nach innen hat alle westlichen Staaten erfaßt.
Die ökonomischen Gesetze des Kapitalismus bahnen sich unabhängig von
"Wertegemeinschaften" ihren Weg. Nachdem die übrige Welt im wesentlichen
ausgeplündert ist, Rußland und China aufgrund ihrer atomaren Bewaffnung
noch nicht aufgeknackt sind, ist es nur folgerichtig, daß sich der
Imperialismus als ökonomisches Prinzip dem Teil der Welt zuwendet, in dem
noch etwas zu holen ist, und sei es auch die eigene Ausgangsbasis. So
stark der Kapitalismus heute auch vielen erscheinen mag, liegt seine
strategische Schwäche im fehlenden Hinterland und in den Ökonomischen
Raubzügen gegen die Bevölkerungen der eigenen Metropolen. Auf Dauer muß
er daher auch die Gefolgschaft des ruinierten kleinen und mittleren
Kapitals verlieren. Der nach innen gerichtete Imperialismus gerät in die
Schieflage, zunehmend seine politische Gefolgschaft aus objektiven Gründen
zu verlieren, weil er ihr nicht nur nichts mehr zu bieten hat, sondern
auch ökonomisch über sie herfallen muß. Seine politische Vertretung wird
so weit es geht versuchen, der Ausplünderung der Bevölkerung den Anschein
staatlichen Handelns auf der Grundlage der Verfassung und der
parlamentarischen Demokratie zu geben. Die parlamentarische
Gesetzgebungsmaschine muß dafür herhalten. Vom Wahlvolk wird
selbstverständlich erwartet, daß es durch Wählen ein Parlament
legitimiert, das seine eigene Ausplünderung gesetzlich absichert. Diese
Schwächen können in gefährlicher Weise umschlagen,werden sie von der
sozialistischen Bewegung nicht erkannt. Die Gefahr tritt dann ein, wenn
die parlamentarischen Mittel zur Herrschaftssicherung nicht mehr greifen
und die demokratische Staatsform zur Disposition steht. Aber die
Systemfrage stellt sich auf internationaler Ebene.
"Der Kommunismus ist empirisch nur als die Tat der herrschenden Völker auf
einmal und gleichzeitig möglich, was die universelle Entwicklung der
Produktivkraft und den mit ihm zusammenhängenden Weltverkehr voraussetzt."(1)
Vor dem Hintergrund der imperialistischen Entwicklung gewinnt dieser
berühmte Satz von Karl Marx aktuelle Bedeutung. Die Völker des Westens
sind die herrschenden Völker. Alles, was in diesem Satz gefordert wird,
ist gegeben. Diese Völker,und mit ihnen alle anderen, stehen vor der
Entscheidung, entweder die kapitalistische Produktionsweise durch eine
sozialistische abzulösen, oder in einen destruktiven Prozeß zu fallen. Die
Tat "der herrschenden Völker" ist die Aufgabe des sozialistischen
Universalismus. Der Kapitalismus ist im Begriff, seine positive Funktion
in der Geschichte zu verlieren. Sein Abstieg in die Destruktivität bringt
Formen neuer Unfreiheit hervor und gerät in Widerspruch zum Streben nach
Freiheit und Emanzipation. Und jetzt, wo er angetreten ist, selbst den
"herrschenden Völkern" freiheitliche Errungenschaften zu entreißen, kann
es nur heißen: Freiheit statt Kapitalismus.
© Willi Gettél, Berlin 1995
1) K. Marx, F. Engels: Deutsche Ideologie, Ausgewählte Werke, Bd. I. S.
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