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Beiträge zur Geschichte  






Manfred Behrend

Der bittere Weg der POUM

Zur Geschichte einer spanischen kommunistischen Partei

Der Bürgerkrieg in Spanien 1936-1939 war ein einzigartiger Vorgang. Als erstes Land der Welt trat dieses dem Faschismus bewaffnet entgegen. Die Waffen waren in den Händen von Arbeitern und Bauern, die sich selbst befreiten. Der Franco-Putsch am 17./18. Juli 1936 hatte eine revolutionäre Erhebung ausgelöst, die erste seit 1923 in Europa. Spaniens Proletarier lebten wie die russischen von 1917 in einem wirtschaftlich unterentwickelten Land. Sie waren politisch weiter als ihre Vorläufer, in starken sozialistischen und anarchistischen Parteien und Gewerkschaften organisiert, zum geringeren Teil auch in kommunistischen. Es gab hier keine Bolschewiki und keinen Lenin. Die KP Spaniens (PCE) und ihr 1936 entstehender katalanischer Ableger PSUC waren stalinistisch. Doch existierte noch eine andere kommunistische Partei, die Arbeiterpartei der Marxistischen Einheit (POUM), die ihren eigenen Weg ging, den Terror der Moskauer Prozesse in ihrer Presse ablehnte und der Volksfront kritisch gegenüberstand.

Zu bedenken ist, dass auch die KP Russlands 1917 gering an Zahl und keineswegs jener Monolith der Absolut-immer-Rechthaber war, als welchen Stalins Geschichtsschreiber sie hinstellten. Gleichfalls beachtenswert ist: Dem neuen Sowjetrussland stand außer einem Konglomerat einheimischer Reaktionäre ein Weltimperialismus gegenüber, dessen wichtigste Gewalthaufen miteinander Krieg führten. Die spanischen Ereignisse zwei Jahrzehnte später spielten sich in wesentlich veränderter Lage ab. Revolutionsgegner vor dem zweiten Weltkrieg waren einerseits aggressiv-faschistische Mächte, die auf Neuaufteilung der Erde drängten, andererseits saturierte, nicht aggressive, parlamentarisch-demokratisch verfasste Bourgeoisstaaten. Beide Gruppen fürchteten die soziale Revolution. Weil sie in Spanien akut war, kamen Großbritannien und Frankreich dem von deutschen und italienischen Faschisten angegriffenen Land nicht zu Hilfe, obwohl es demokratisch war. Sie trieben den faschistischen Staaten gegenüber Appeasement-, also Beschwichtigungspolitik, um deren Angriffsdrang nach Osten zu lenken, und wandten gegenüber der Spanischen Republik die Variante der Nichteinmischung an. Sie bedeutete, ihr jede Unterstützung durch Waffenlieferungen zu verweigern, während Hitler-Deutschland und Mussolini-Italien sich Franco gegenüber keinen Zwang antaten. Der Westen verriet das progressive Spanien genauso, wie die bürgerlich-demokratische Tschechoslowakei. Die lieferte er dem deutschen Aggressor aus, um, wie der konservative "Realpolitiker" Chamberlain meinte, "Frieden für unsere Zeit" zu erreichen. Der Friede dauerte dann ein knappes Jahr.

Furcht vor dem großen Krieg wie vor der Revolution hatte auch Stalins Sowjetunion, das nach offizieller Lesart einzige sozialistische Land der Welt. Die Kriegsfurcht war verständlich, ließ doch der Diktator fast alle begabten Heerführer als napoleonverdächtig abschlachten, die Landesverteidigung bei allem Wachsamkeitsgeschrei verlottern. Furcht vor der Revolution rührte daher, dass die sowjetische Politbürokratie durch sie genauso gefährdet gewesen wäre wie die Herrschenden imperialistischer Staaten. Um die Gunst der Westmächte buhlend, machte die Sowjetunion drei Monate lang deren Nichtinterventionspolitik Spanien gegenüber mit. Dann änderte sie den Kurs, weil er vom Westen her nichts gebracht hatte, Deutschland und Italien aber ihre Militärhilfe für Franco unvermindert fortsetzten. Die UdSSR stellte der Spanischen Republik gegen Auslieferung ihres Goldschatzes Waffen und Berater zur Verfügung. Sie nahm sich gleichzeitig das Recht ungenierter Einmischung in die Belange des befreundeten Staates. Ihr Ziel war – wie Kominternpräsident Dimitroff formulierte – Spanien in eine "Volksdemokratie" zu verwandeln. Der Herd der sozialen Revolution im Land sollte gelöscht werden. Am meisten stand dem die POUM im Wege.

Die Arbeiterpartei der Marxistischen Einheit, auf Spanisch Partido Obrera de Unificación Marxista, war am 29. September 1935 durch Fusion zweier unterschiedlicher kommunistischer Gruppierungen entstanden. Ihre Genealogie, über die im hier vor allem genutzten Werk Reiner Tossdorffs ausführlich berichtet wird, war kompliziert. Leichteren Verständnisses wegen muss sie vereinfacht dargestellt werden. Keime der Partei fanden sich im probolschewistischen Flügel der CNT, einer später rein anarchistischen Gewerkschaftszentrale, als dessen Delegierte 1921 Joaquin Maurín und der damalige Sekretär des CNT-Nationalkomitees, Andres bzw. Andreu Nín, Sowjetrussland besuchten. Der in Spanien mit möglicher Todesstrafe bedrohte Nín blieb zehn Jahre dort. Er wurde stellvertretender Generalsekretär der Roten Gewerkschaftsinternationale, schloss sich aber auch der trotzkistischen Linken Opposition an, wurde von der KPdSU ausgestoßen und 1930 landesverwiesen. In Barcelona stieß er zur Spanischen Kommunistischen Opposition. 1932 firmierte sie sich unter seiner Führung zur Izquierda Comunista Espanola (Spanische kommunistische Linke, ICE) um. Unterdessen war Maurín Führer der im KP-Rahmen wirkenden und opponierenden Kommunistischen Föderation Kataloniens und der Balearen geworden, die sich im Prozess ihrer Loslösung von der PCE zum Arbeiter- und Bauernblock (BOC) mauserte. Dieser etwa 3000 Mitglieder umfassende Block und die 700-800 Mitglieder starke Izquierda Comunista schlossen sich 1935 zur POUM zusammen. Maurín wurde Generalsekretär, Nín eines der sieben weiteren Mitglieder des Exekutivkomitees. Die neue Partei trat dem Londoner Büro aus Vertretern sozialistischer Organisationen wie der britischen Independent Labour Party und der deutschen Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) bei, die in Opposition zur II. wie zur III. Internationale standen. Sie hatte auch zur KPDO resp. zur Internationalen Vereinigung der Kommunistischen Opposition Kontakt, als deren Abgesandter 1936 August Thalheimer sie besuchte.

Die POUM war entschieden demokratisch, aber nicht sozialdemokratisch, sowie außer nichtstalinistisch auch nichttrotzkistisch, mitbedingt durch den persönlichen Bruch Níns 1932 mit Trotzki. Unter den Mitgliedern und Sympathisanten der Partei gab es einige Anhänger des russischen Revolutionärs. Die POUM war ein heterogenes Gebilde. Auf der einen Seite agierten katalanisch-nationalistische, kaum zur Kritik am Stalinismus und stark zum Status einer Massenpartei im Bündnis mit anderen neigende ehemalige Angehörige des BOC, auf der anderen Seite die in höherem Maß marxistisch gebildeten früheren ICE-Mitglieder, die zur Kaderpartei neigten. Die Bloquistas waren in Katalonien zu Hause, die ICE-Leute in anderen Regionen Spaniens, darunter Madrid. Da Letztere sich weit öfter in der Presse betätigten, entstand ein irreführendes Bild über den Charakter der Partei. Nín und Maurín vertraten in entscheidenden Punkten die gleichen Auffassungen, wobei sich Maurín denen der früheren ICE näherte, aber weiter großen Einfluss auf die Genossen vom BOC ausübte. Bedauerlich ist, dass der im Aufschwung befindlichen linke Flügel der sozialistischen PSOE nicht hinreichend beeinflusst werden konnte, so dass keine kommunistisch-linkssozialistische Gesamtpartei oder ein entsprechendes Bündnis entstand. Die Stalinisten vermochten daher nicht nur der PSOE Schaden zuzufügen, sie gliederten sich auch deren Jugendorganisation an.

Seit dem Ende der Monarchie 1931 entstand in Spanien eine prinzipiell neue Situation. Sie wies vorrevolutionäre Züge auf. Zugleich gaben politisch immer wieder reaktionäre bis extrem reaktionäre Kräfte den Ton an, so nach der blutigen Niederschlagung des Aufstands der Arbeiterallianz 1934 in Asturien. Alle proletarischen Parteien und Organisationen forderten die Enteignung der Großgrundbesitzer und Banken sowie Arbeiterkontrolle in den Industriebetrieben, z. T. auch Unabhängigkeit für Spanisch-Marokko. Als jedoch das "Wahlmanifest der Linken", das sogenannte Volksfrontprogramm vom 15. 1. 1936, ausgehandelt war, fehlten diese Punkte. Auch die Arbeiterparteien begnügten sich mit einer Amnestie für politische Straftaten und zweitrangigen, im bürgerlichen Rahmen bleibenden Wirtschaftsreformen. Das kam auf Druck der liberalen Bündnispartner zustande, die vom rechten Flügel der PSOE um Indalecio Prieto unterstützt wurden. Vornehmlich der dringend notwendigen Amnestie wegen unterzeichnete POUM-Vertreter Andrade ebenfalls das Papier, was von Trotzki scharf gerügt wurde. Dessen Reaktion war verständlich und zugleich ungerecht. Er schrieb: "Die ehemaligen ‚kommunistischen Linken’ Spaniens sind einfach der Nachtrab der Linksbourgeoisie geworden." Und: "Die POUM macht nichts anderes, als jeweils die Politik durchzuführen, die der 7. KI-Kongress allen seinen Sektionen auferlegt hat." Während aber die PCE nach Bürgerkriegsbeginn versicherte, sie habe kein "gesellschaftliches Ziel", das spanische Volk wolle nur "die Verteidigung der republikanischen Ordnung und die Achtung des Privateigentums", suchte die POUM die durch Unterzeichnung des Volksfrontprogramms verursachte Scharte auszuwetzen. Einen Monat nach dem Volksfrontsieg vom 16. 2. 1936 erklärte sie das "Wahlmanifest der Linken" für überholt und propagierte eigenständige Arbeiteraktionen.

Der militärfaschistische Putsch vom 17./18. Juli 1936 wurde in weiten Teilen Spaniens, vornehmlich in den Industriegebieten, durch bewaffnete und unbewaffnete Arbeiter niedergeschlagen. Anschließend drangen diese auf ökonomischem und gesellschaftlichem Terrain weiter vor, als selbst die POUM vorgeschlagen hatte. Statt bloßer Einführung der Arbeiterkontrolle übernahmen sie Betriebe, Handel und Verkehrswesen in ihre Regie, wobei sie gleich der Pariser Commune leider die Banken ausließen. Bauern und Landarbeiter teilten den Boden auf oder gingen zur kollektiven Bewirtschaftung über, die in Teilen Spaniens Tradition hatte. Verglichen mit Stalins Kollektivierung wurde das auf sehr zivile Art zustandegebracht, obwohl es von anarchistischer Seite auch Übergriffe gab. Wie die landwirtschaftliche stieg die Industrieproduktion, solange Rohstoffe vorhanden waren. Eine Rüstungsindustrie entstand. Ungeheuren Aufschwung nahmen das Bildungs- und Gesundheitswesen. Entgegen dem Willen seiner Urheber hatte der Putsch die soziale Revolution ausgelöst. Details lassen sich bei Tosstorff wie bei Heleno Sana nachlesen.

Die stürmische Entwicklung hatte auch zur Folge, dass die Spanische Republik in Katalonien und anderen Regionen zeitweise von Komitees und Räten der Arbeiter, Bauern und Milizionäre regiert wurde. Kabinettsinstanzen mussten deren Anordnungen zustimmen. Die Instanzen blieben aber erhalten und erstarkten wieder, so dass die Doppelherrschaft allmählich durch sie gefährdet wurde. Die Situation der Räte und Komitees war z. T. auch deshalb prekär, weil sie nicht gewählt, sondern von Parteien und Gewerkschaften beschickt worden waren. Zwar forderten die POUM und linke Anarchisten eine zentrale Arbeiterregierung, während der Linkssozialist Largo Caballero eine Gewerkschaftsregierung erwog. Beide kamen nicht zustande. Entscheidend für den Mangel und dessen Folgen – das Steckenbleiben und Zurückdrehen der Revolution – war, dass bürgerliche Republikaner, rechte Sozialisten und Anarchisten, PCE und PSUC samt und sonders Antirevolutionäre waren. Sie hatten das Übergewicht, und Stalins Emissäre standen auf ihrer Seite. Das Argument der Parteikommunisten für ein Bürgerliche begünstigendes, die Revolution abbremsendes Vorgehen lautete, erst müsse der Krieg gewonnen werden, bevor man anderes in Angriff nehmen könne. Es wird von manchem heute vorgebracht. Damals wurde der revolutionäre Fortschritt abgewürgt - und eben dadurch den Faschisten der Sieg erleichtert.

Aus Zeit- und Platzgründen kann nur angedeutet werden, was die POUM in der kurzen Zeit ihres Wirkens dennoch für Spaniens soziale Gerechtigkeit und Freiheit geleistet hat. Überlebensnotwendig war der militärische Abwehrkampf. Die 30 000 bis 40 000 Mitglieder starke POUM beteiligte sich daran mit 10 000 Milizionären, davon 1000 ausländischen. Sie stellte anteilmäßig das größte Kontingent aller republikanischen Organisationen. Wichtigste Einheit war die Lenin-Division, später in 29. Division der Volksarmee umbenannt, mit ihrem Schockbataillon unter Josep Rovira. Ständig unter teilweise von KP und Anarchisten verursachtem Waffenmangel bei ausbleibender Artillerie- und Flugzeugunterstützung leidend, focht sie vor allem bei Huesca im Aragón gegen die Faschisten. Am Fuß der Sierra bei Sigüenza kämpfte die "Motorisierte Kolonne der POUM", bei der nur der Name übertrieben war. Sie wurde erst von dem aus Argentinien kommendem Hippolyt Etchebehère befehligt, nach seinem Tod durch dessen Frau Mika. Ihr glückte es, aus einem feindlichen Kessel heraus nach Madrid zu gelangen, wo sie das Moncloa-Viertel verteidigte. Von Katalonien kam die Kolonne "Joaquin Maurín" dazu. Flüchtlinge aus Extremadura formierten sich zum Lenin-Bataillon. 500-600 weitere POUMisten standen bei Teruel in der Provinz Valencia im Kampf. Die Partei und ihre Sympathisanten hatten hohe Verluste. Ihre Tapferkeit wurde selbst von parteikommunistischen Militärs gelobt, so von Manfred Stern, dem berühmten Madrid-Verteidiger General Kléber. Dass sich POUM-Anhänger vor Gefechten drückten oder gar in Aragonien zwischen den Linien mit Franco-Söldnern Fußball spielten, gehört zu den zahlreichen Lügen von PCE, PSUC und Komintern. Zugleich wurde im Rahmen dieser Propaganda diskret verschwiegen, dass Einheiten der PSUC und der Anarchisten mehrmals militärische Erfolge vermasselten, während sie sich andererseits durch die POUM errungene Siege zuschrieben.

Dem von Parteikommunisten und Regierung exekutierten Konzept einer "Volksarmee" bürgerlichen Typs stellte die POUM ein eigenes Militärprogramm gegenüber, das leider nicht verwirklicht werden konnte. Anstelle der bisherigen Parteimilizen sah es ebenfalls eine einheitliche Kommandostruktur vor, jedoch kein selbstherrliches Offizierskorps mit Generalstab, sondern Militärexperten unter der Kontrolle von Soldatenkomitees. Anders als bei der Volksarmee sollte es keine extrem gestaffelten Einkünfte geben, ebenso nicht die Wiedereinführung der alten Militärstrafjustiz, sondern ein neues, den veränderten Realitäten entsprechendes Strafgesetzbuch. Die politischen Rechte der Soldaten sollten erhalten bleiben. Ziel war eine denkende proletarisch-revolutionäre Armee, kein blindlings unverständliche Befehle ausführender Schieß- und Grüßautomat.

Generell richtete die Tätigkeit der POUM sich darauf, den Kampf der Werktätigen zu erleichtern und dessen Errungenschaften zu bewahren. Charakteristisch war die Arbeit Níns als Justizminister der katalanischen Generalitat, d. h. der Regionalregierung. Er vereinfachte und zivilisierte die anfangs oft willkürlich betriebene neue Gerichtsbarkeit, auch durch Schaffung eines Mechanismus zur Überprüfung von Todesstrafen, was später unter PSUC-Regie zurückgenommen wurde. Seine Verordnungen erleichterten Adoptionen und Heiraten. Zudem führte er die Volljährigkeit ab 18 ein. Für die extrem kurze Zeit, die er so zu wirken vermochte, war das Ergebnis beachtlich. Ein prominenter deutscher Zeitzeuge, Joseph Goebbels, erklärte damals, Nín in Katalonien sei "das wahre Gesicht des Bolschewismus". Wird unter Bolschewismus verstanden, was er wirklich war, nicht das stalinistische Zerrbild davon, hatte der NS-Propagandaminister Recht.

Im Rundbrief der Internationalen Vereinigten Kommunistischen Opposition vom 26. 8. 1936, nachgedruckt im Buch der Gruppe Arbeiterstimme über den spanischen Krieg, heißt es zur damaligen Lage im Pyrenäenland, die Klassenverhältnisse wären nicht weniger reif für den "Übergang zur proletarischen Diktatur und zum Sozialismus, als sie es in Russland 1917 waren. Als ‚unreif’ und als Hemmschuh erweist sich vor allem die offizielle Kommunistische Partei." Wachse aber "der Bürgerkrieg... hinüber zur proletarischen sozialen Revolution, so würde das eine gewaltige Machtverschiebung zugunsten der Kräfte der proletarischen Revolution und des Kommunismus im europäischen und im Weltmaßstab bedeuten... Es würde gleichzeitig bedeuten die tatsächliche Aufhebung der Voraussetzungen für das Monopol der KPdSU in der Führung der Kommunistischen Internationale." Ähnlich beurteilte 1937 Victor Serge die Situation. Der bekannte Revolutionär ging von den Interessen der Revolutionsgegner aus und schrieb: "Das Ziel des Stalinismus in Spanien ist es, die Errichtung einer sozialistischen Demokratie zu verhindern, die sich dem stalinistischen Einfluss entziehen, eine neue Basis für den proletarischen Internationalismus schaffen und nebenbei zu einem Wiedererwachen des revolutionären Geistes in der UdSSR führen würde." Die sowjetische Politbürokratie und ihre Parteigänger in aller Welt, besonders in Spanien, zogen aus dieser möglichen Perspektive Konsequenzen, die mörderisch waren.

Während der ZK-Tagung der POUM im Dezember 1936 plädierte eine rechte Minderheit um den Valencianer Luis Portela dafür, dass Kritik an der UdSSR, auch am ersten Moskauer Terrorprozess, unterlassen und die "trotzkistische" Politik der Madrider Parteisektion eingedämmt werde. In- und ausländische Agenten Stalins bereiteten derweil schon die Vernichtung der POUM als Partei vor, weil sie beim Unterstützen revolutionärer Schritte am weitesten ging. Die Stalinisten waren sich der Sympathie bürgerlicher, rechtssozialistischer und rechtsanarchistischer Partner gewiss, die gerne ihnen die Schmutzarbeit überließen. Bei einer Rollkommando-Aktion verwüsteten Angehörige der parteikommunistischen Jugend am 22. 10. 1936 das Lokal der Madrider POUM-Jugend. Unter Druck der sowjetischen Botschaft wurde der Partei die Beteiligung an der Verteidigungsjunta der Stadt verwehrt, worauf die Junta sogleich eine Wochen- und zeitweise die Jugendzeitung der POUM verbot. In Katalonien bewirkte die PSUC mit sowjetischer Hilfe am 17. 12. die Bildung einer neuen Generalität, aus der Andres Nín verschwunden war. Zuvor waren die lokalen revolutionären Komitees und das ZK der Antifaschistischen Milizen als quasi linke Säule der bislang bestehenden Doppelherrschaft aufgelöst worden. Die neue Regionalregierung nahm durch stalinistische Ressortchefs die Liquidation progressiver juristischer Regelungen und eine Marktliberalisierung vor, die für Empfänger niedriger Einkommen verhängnisvoll war. In Madrid wurden von Januar bis April 1937 das Militärhospital und der Rundfunksender der POUM konfisziert, ihre Milizzeitung verboten und ihre Rote Hilfe geschlossen. Im Ergebnis dieser reaktionären Verdrängungspolitik verlegte die Partei die meisten ihrer Madrider Kader nach Katalonien.

In aller Stille waren inzwischen unter Regie des obersten NKWD-Repräsentanten in Spanien, General Alexander Orlow, die Spitzenpositionen der spanischen und z. T. auch katalanischen Polizei mit Funktionären aus PCE und PSUC besetzt und erste private Folterhöhlen, im Volksmund fälschlich "Checas" genannt, installiert worden. An den Regierungsinstanzen vorbei setzten die Verfolgung, bisweilen auch Vernichtung unliebsamer ausländischer Antifaschisten verschiedener Richtungen ein. Sie dauerte monatelang fort, galt nun auch einheimischen Genossen der POUM und der Anarchisten. Am 22./23. 3. 1937 wurden alle in der Flugzeugfabrik von Sabadell beschäftigten Ausländer, unter ihnen Waldemar Bolze und zwei andere Mitglieder der KPDO, festgesetzt. Die Verhöre waren z. T. darauf angelegt, Material für einen Prozess nach Moskauer Muster zu schaffen, der die POUM mitsamt der ihr nahestehenden KPD-Opposition diskreditieren sollte.

Anfang April weilte der NKWD-Chef für Westeuropa, Sluzki, in Spaniens provisorischer Hauptstadt Valencia. Er sammelte gefälschte "Beweise" über angebliche verräterische Handlungen der POUM – Spionage und Kooperation mit Franco -, prüfte mit "Pedro", dem kurzzeitigen Generalsekretär der Partei der Ungarischen Werktätigen 1956 Ernö Gerö, die Vorbereitungen zur geplanten "Maikrise" in Barcelona und vergatterte PCE-Minister Jésus Hernández, die "rasche und wirksame Aktion gegen den Trotzkismus" zu unterstützen, an der Stalin höchstpersönlich interessiert war.

All das blieb jahrzehntelang unbekannt. Doch ließen stalinistische Presseorgane frühzeitig wissen, was die Glocke geschlagen hatte. Korrespondent Kolzow schrieb Mitte Dezember 1936 in der "Prawda", in Katalonien gebe es eine "trotzkistische Provokation". Die Zeitung aber versicherte ihren Parteigängern: "Was Katalonien betrifft, so hat die Säuberung von Trotzkisten und Anarcho-Syndikalisten begonnen; sie wird mit derselben Energie gehandhabt werden, mit der sie in der UdSSR betrieben wurde." Im Januar 1937 forderte das spanische parteikommunistische Blatt "Ahora" dazu auf, die POUM als "Fraktion der fünften Kolonne" zu vernichten: "In seiner schonungslosen Abrechnung mit der trotzkistischen Gruppe von Saboteuren und Mördern zeigt uns das sowjetische Volk den Weg, den wir einschlagen müssen."
Auch von diesen öffentlichen Aktivitäten war in späteren stalinistischen Darstellungen nicht die Rede. Ebenso fehlten Hinweise auf bewaffnete Zusammenstöße von Polizei und CNT in Orten an der Pyrenäengrenze und die Ersetzung der anarchistischen Grenzkontrolleure durch Carabineros des rechtssozialistischen spanischen Finanzministers Juan Negrín. Verschwiegen wurden das geheime Horten von Waffen, vor allem sowjetischen, durch die Barcelonaer PSUC und deren misslungener Streich, gepanzerte Fahrzeuge aus einem Regierungsdepot in ihre Gewalt zu bringen, desgleichen ein Beschluss der PSUC-Zentrale im Beisein Gerös, die Telefonzentrale Barcelonas zu besetzen – Tage bevor das tatsächlich geschah.

Unter Führung des neuen katalanischen Polizeichefs Rodriguez Salas (PSUC), der einen Befehl vom Innenminister vorweisen konnte, rückten am 3. 5. 1937 Ordnungskräfte der Generalitat bei der Telefónica an. Sie wollten diese von Anarchisten säubern, die das Gebäude seit Niederschlagung des Franco-Putschs 1936 besetzt hielten, wurden aber mit Waffengewalt abgewiesen und trollten sich schließlich. Die anarchistisch gesinnten Arbeiter Barcelonas errichteten in Erwartung weiterer parteikommunistischer Provokationen Barrikaden. Die POUM unterstützte sie. Am Abend traf ihr Exekutivkomitee mit den anarchistischen Regionalkomitees zusammen, um zu beraten, was geschehen solle. Es verwies auf folgende Alternative: "Entweder wir stellen uns an die Spitze der Bewegung, um den inneren Feind zu vernichten, oder die Bewegung scheitert, und wir sind vernichtet." Indes beschränkten sich die Anarchistenführer darauf, die Entlassung von Innenminister und Polizeichef zu fordern. Der am 4. 5. einsetzende Barrikadenkampf zwischen Arbeitern, PSUC-Anhängern und Teilen der Generalitatsstreitmacht verlief insgesamt für die Verteidiger erfolgreich, zumal sich in der Stadt befindende Interbrigadisten nicht einmischten. Barcelonas anarchistische Führer, durch aus Valencia herbeigeeilte Minister verstärkt, forderten den ganzen Tag über zur Feuereinstellung auf. Sie demoralisierten die Barrikadenkämpfer und schadeten dem Ansehen des Anarchismus. Kleinere Linksgruppen, die "Freunde Durrutis" und eine trotzkistische Sektion, verlangten, die Generalitat zu stürzen und revolutionäre Machtorgane zu schaffen. Ohne Mitwirken der anarchistischen Massen waren solche Vorhaben aussichtslos. Am 5. 5. forderte auch die Exekutive der POUM zum Rückzug auf; doch sollten die Arbeiter ihre Waffen behalten. Am Vormittag des 7. 5. waren die Barrikaden geräumt. Danach rückten 5000 von Valencia entsandte Sturmgardisten in Barcelona ein. Die Militär- und Polizeigewalt Kataloniens lag in Händen der spanischen Zentralregierung.

Der in "höherem Auftrag" von der PSUC provozierte Kampf hatte 500 Menschen das Leben gekostet und 1000 weiteren Verletzungen zugefügt. Die Zahl der Opfer war höher als die vom Juli 1936. Bereits am 9. 5. aber gab PCE-Generalsekretär José Diaz die Parole aus, beim Barrikadenkampf habe es sich um einen im Auftrag des internationalen Faschismus versuchten "trotzkistischen Putsch" gehandelt. Das war fortan im ganzen Kominternbereich die gültige Definition, wobei zum Grundthema einige Varianten zugelassen wurden. Diaz verband sein Verdammungsurteil mit Drohungen gegen aufsässige Kommunisten in aller Welt und Spaniens Regierungschef Largo Caballero, indem er verlangte: "Man muss die trotzkistischen Provokateure... aus allen zivilisierten Ländern wegfegen, wenn man dieses Ungeziefer wirklich liquidieren will... Entweder schafft die Regierung Ordnung im Hinterland, oder eine andere Volksfrontregierung muss es tun."

Die Lüge vom "Hinterlandputsch der POUM" wurde jahrzehntelang gebetsmühlenartig wiederholt, so dass in der parteikommunistischen Bewegung und Stalins Weltfriedenslager viele Millionen daran glaubten. Bei manchem ist das bis heute der Fall. Zu den prominenten Verbreitern der Legende gehörten Santiago Carrillo, Enrique Lister, die deutschen Zeitzeugen Karl Mewis, Kurt Hager, Heinz Hoffmann, Ludwig Renn in seinem verfälschten Buch "Im spanischen Krieg" von 1955, Fritz Teppich in seinen Schriften bis 1999, leider auch der sonst vertrauenswürdige Heinz Priess, dazu eine Reihe jüngerer Journalisten. Einer von ihnen, Frank Schumann, übte sich in der "Jungen Welt" vom 2. 10. 1981 in nachträglicher Situationsschilderung und fabulierte: "Während im Norden die Franco-Truppen mit Hilfe italienischer Divisionen und 200 Flugzeugen der ‚Legion Condor’ ihren Eroberungsfeldzug erfolgreich fortsetzten – während... Freiwillige in vielen Ländern darauf brannten, in den Kampf einzugreifen -, entfesselt in den ersten Maitagen des Jahres 1937 die POUM, die politische Organisation der spanischen Trotzkisten, einen Bruderkrieg im antifaschistischen Lager. Die Trotzkisten wollen Katalonien von der spanischen Republik losreißen und dann einen Separatfrieden mit den Faschisten schließen. Mehrere Tage tobt in Barcelona der Straßenkampf. Italien liegt auf der Lauer, seine Kriegsschiffe in die Hafenstadt zu schicken, und Franco rechnet schon damit, dass die republikanische Aragonfront auseinander fällt. Das Volk von Barcelona wird jedoch der Revolte Herr. Die republikanische Regierung, die die Umtriebe der POUM begünstigte und die Volksfront spalten wollte, muss zurücktreten." Mit Ausnahme der Franco-Offensive im Baskenland, in deren Verlauf die deutsche "Legion Condor" die offene Stadt Guernika verwüstete, stimmt an diesem Text so gut wie nichts. Weder war die POUM eine trotzkistische Organisation, noch hatte sie einen "Bruderkrieg" entfesselt. Der Kampf anarchistischer und kommunistischer Arbeiter gegen Stalins Werkzeuge war kein derartiger Krieg, sondern Abwehr eines gefährlichen Feindes. Barcelonas Volk kann allenfalls mit den Barrikadenkämpfern, keinesfalls mit der PSUC identifiziert werden. Es wurde nicht dieses Volk einer "Revolte" Herr, sondern Beschwichtiger vorwiegend aus dem anarchistischen Lager veranlassten die Kämpfer zur Selbstaufgabe der Barrikaden. Die Regierung Caballero hat weder POUM-Umtriebe begünstigt, noch wollte sie "die Volksfront spalten". Allerdings gab es in ihren Reihen Pläne, dem sich zum illegalen Staat im Staate entwickelnden pseudokommunistischen Krebsgeschwür mit seinen Folter- und Mordkommandos, das die Republik im Kampf mit dem Faschismus empfindlich schwächte, entgegenzutreten. Zu den Varianten der Anti-POUM-Lüge zählten neben der Verleumdung als trotzkistische und "sich links gebärdende" Organisation deren Darstellung als "anarchistisch" und "Spionageorganisation Francos". Jeder durfte sich aussuchen, was ihm passte, die Wahrheit passte nicht.

Unmittelbare Folge der Barrikadenkämpfe war der Sturz des spanischen Ministerpräsidenten und alten Arbeiterführers Largo Caballero. Dieser war schon seit einem PCE-Spitzentreffen mit Orlow und hohen Funktionären der Komintern Anfang März 1937 diskriminiert worden. Er wurde für den Fall Málagas einen Monat zuvor verantwortlich gemacht und für unfähig erklärt, Krieg zu führen. Am 13. 5. forderten  die kommunistischen Minister Hernández und Urribe ihn zur Demission als Kriegsminister auf. Für seinen weiteren Verbleib als Regierungschef stellten sie folgende Bedingungen: Verbot der POUM, Einziehung ihrer Gebäude und Druckereien, Verhaftung der Exekutive und aller Komitees, welche die Erhebung in Barcelona unterstützt hatten. Caballero weigerte sich, gegen eine Arbeiterpartei vorzugehen. Er stellte fest, die Barcelona-Barrikaden seien nicht konterrevolutionär oder gegen die Regierung gerichtet gewesen. Nur die anarchistischen Minister standen zu ihm. PCE, Bürgerliche und die unter Prieto rechtsorientierte PSOE erzwangen seinen Rücktritt, am 18. 5. die Bildung des weiter rechtsstehenden Kabinetts Négrin. Dessen Chef war Stalins Kandidat gewesen. Als Finanzminister hatte er Spaniens Gold an die UdSSR ausgeliefert und sich der Kollektivierung im Land entschieden widersetzt.

In sowjetischen Augen hatte Caballero übrigens mehr auf dem Kerbholz, als öffentlich zur Sprache kam. Er unterbreitete mit Generalstabschef Asensio einen Plan zur Offensive in Richtung Extremadura, durch dessen Realisierung die Streitmacht der Faschisten in ein Nord- und Südheer hätte gespalten werden können. Sowjetgeneral Kulik missfiel der Plan so sehr, dass er ihn mit seinem spanischen Kollegen Miaja sabotierte. Stalin ärgerte sich über Caballero, weil der die Ablösung des sowjetischen Botschafters erzwang, nachdem ihm dieser den unerbetenen Rat erteilt hatte, PSOE und PCE zu fusionieren. Der bisherige Ministerpräsident war auch dadurch unbotmäßig, dass er die "Checas" ablehnte, parteikommunistische Polizeioffiziere und Politkommissare feuerte und prüfen ließ, ob CGT und UGT gemeinsam Moskaus Machtambitionen entgegentreten könnten.

Das Kabinett Négrin wurde von der PCE "Regierung des Sieges" genannt. Es heimste immer schwerere Niederlagen ein und führte zum Zusammenbruch der Republik, was nicht nur an der faschistischen Übermacht, sondern auch am Verschulden eigener glorreicher Heerführer lag. Im Innern wurde Spanien durch den Abbau revolutionärer Errungenschaften, zwangsweise Dekollektivierung in Aragonien, Auflösung demokratischer Gremien und Instanzen, strengste Zensurmaßnahmen und Verbot jeder Kritik an der Sowjetunion, Einführung wichtiger Elemente stalinscher Terrorjustiz, Repression nun auch gegen Anarchisten, brutalste Verfolgung der POUM und anderer Linkskräfte tödlich geschwächt.

Am 11. 5. 1937 erklärte PSUC-Führer Valdès: "Man muss Nín und sein Freundes-Grüppchen ausrotten." Kurz darauf wurde das Zentralorgan der POUM "La Batalla" verboten, nachdem schon ein Prozess gegen das Blatt angekündigt worden war. Einen Höhepunkt erreichte die Verfolgungsjagd damit, dass am 16./17. Juni, wieder ohne Konsultation der Regierung, die POUM-Exekutive verhaftet wurde. Andres Nín schafften die Schergen nach Madrid, dann ins Haus der PCE-Mitglieder Luftwaffenchef Hidalgo de Cisneros und Constance de la Mora, Leiterin der Madrider Zensurbehörde, zu Alcalá de Hénares, in dem sich eine "Checa" befand. Nín wurde grausam gefoltert, war aber nicht zu einem "Geständnis" nach NKWD-Muster bereit, so dass kein entsprechender Prozess geführt werden konnte. Ende Juni holte ihn ein von Orlow bestelltes Kommando ab und erschoss ihn im Garten des Pardo. Folter und Mord wurden jahrzehntelang geleugnet, das Opfer damals durch die Fälschung diffamiert, es sei "von der Gestapo befreit" worden.
Níns Gefährten waren mehrtägig in der Generaldirektion der Sicherheit in Valencia festgesetzt worden. Sie wurden unter Druck der Öffentlichkeit formell freigelassen, aber gleich wieder aufgegriffen und in ein Madrider KP-Gefängnis geworfen. Die zahllosen Rechtswidrigkeiten beim Verfolgen der POUM, das fortwährende Übergehen zuständiger Minister und Ignorieren ihrer Proteste war typisch für die desolate Verfassung der Spanischen Republik. Neben dem offiziellen Staat gab es einen anderen, der im Eventualfall auch gegen die Regierung agierte und, durch die Sowjetunion sorgsam abgeschirmt, faktisch unangreifbar war.

Insgesamt wurden rund 1000 Mitglieder der POUM verhaftet, 50 ermordet. Wiederholt sind Soldaten, die unter die Fuchtel  parteikommunistischer Offiziere gerieten, füsiliert oder direkt ins feindliche Feuer geschickt worden. Andere fanden glücklicherweise bei anarchistischen Divisionen Aufnahme, ebenso wie die CNT Gewerkschaftern der POUM beizutreten erlaubte. Victor Alba, der auch die verhängnisvollen Fehler rechter Anarchistenführer kannte, bemerkte andererseits: "Aber wenn es nicht die CNT gegeben hätte, wären die POUMisten wie Ratten ausgerottet worden."

In Gefängnissen wie in Freiheit befindliche Anhänger der Partei organisierten den Widerstand. Die Verhaftung fast aller Mitglieder der neuen Exekutive im April 1938 – auch die Kasse fiel den Schergen in die Hände – war ein schwerwiegender Schlag. Doch blieben die alten Mitstreiter beieinander, kamen neue, jüngere hinzu. Ein wichtiger Erfolg war, dass durch internationale Solidarität Mauríns Rettung vor sofortiger Hinrichtung durch das Franco-Regime erreicht werden konnte. Er hatte sich im Juli 1936 in der Nordwestprovinz Galicien befunden, die beim Putsch sofort den Faschisten zufiel. Da jedes Zeichen von ihm ausblieb, hielt man ihn im republikanischen Spanien für tot. Nach missglücktem Versuch zum Übertritt in die Republik wurde Maurín im September 1937 von Faschisten festgesetzt, die seine Identität aufdeckten. Ein Austausch mit gefangenen Reaktionären wäre möglich gewesen,  kam aber nicht zustande, weil die PCE-Minister im Kabinett Negrín ihn ablehnten. Maurín war den meisten seiner Genossen vom BOC damals theoretisch wie politisch überlegen. Er wird von stalinistischer Seite bis heute diffamiert.

Ein halbes Jahr vor dem Ende der Republik trat in Barcelona ein Sondergericht zur Hauptverhandlung gegen die POUM-Exekutive zusammen. Angeklagt waren deren Mitglieder Gorkin, Arquer, Andrade und Gironella sowie zwei nicht zum Komitee gehörende Genossen. Das Verfahren fand vom 11. bis 22. 10. 1938 statt. Nach dem Willen seiner Betreiber sollte es mittels verleumderischer Anklagepunkten und Zeugenaussagen, gefälschter "Beweisen" und Selbstbezichtigungen der Angeklagten realisiert werden und mit sofort zu vollstreckenden Todesurteilen enden. Um Außendruck zu erzeugen, organisierten PCE und  PSUC Meetings in Betrieben und an der Front, bei denen "konsequente Abrechnung mit den trotzkistischen Verrätern" gefordert wurde. Auch Negrín trat für die Hinrichtung der Angeklagten ein. Der geplante Prozessablauf sollte auch dadurch sichergestellt werden, dass der Verteidiger der Angeklagten durch massive Drohungen zur Flucht veranlasst wurde. Auf gleiche Art war vorher ein Richter daran gehindert worden, das Schicksal Níns zu ergründen.

 Der Bericht des Untersuchungsrichters im POUM-Verfahren, eines ehemaligen Monarchisten, vom 23. 8. 1937 und die Anklageschrift vom 11. 6. 1938 enthielten die durch parteikommunistische Hetze bekannten Anwürfe. Die Anklage war ausführlicher. Sie barg insonderheit komplett jene Punkte, mit denen der POUM das Rückgrat gebrochen werden sollte. Erstens sei in Madrid ein faschistischer Agentenring unter Führung eines Herrn Golfin aufgedeckt worden, bei dem sich ein Plan der Verteidigungsanlagen angefunden habe, dazu auf der Rückseite die Mitteilung an Franco, man arbeite mit der POUM, besonders "N", zusammen. "N", so die geheimdienstliche Schlussfolgerung, sei "natürlich Nín". Zweitens habe es in Perpignan und Gerona eine weitere "poumistisch-frankistische Verschwörung" gegeben, an deren Anlaufstelle beim Geronaer Buchhändler Roca ein Koffer mit die POUM belastendem Material stand, jede einzelne Seite mit dem Stempel ihres Militärkomitees versehen.

Inzwischen hatte die Partei, z. T. mit anarchistischer Unterstützung, selbst Ermittlungen aufgenommen. Im Falle Golfin stellte sich heraus, dass ein Agent des Zuständigen für Innere Sicherheit bei der Madrider Verteidigungsjunta aus Angehörigen der "fünften Kolonne" den "faschistischen Ring" zurechtgezimmert hatte. Die Seite mit dem berühmten "N." war gefälscht. Golfin und seine Mitgefangenen  bestritten jede Zusammenarbeit mit der POUM. Bei der zweiten "Verschwörung" hatte ebenfalls ein stalinistischer Geheimpolizist die Hand im Spiel. Der Koffer voller "POUM-Material" war von einem Unbekannten beim Buchhändler Roca untergestellt worden, kurz bevor die Haussuchung begann. Roca wurde dann solange gefoltert, bis er die angebliche Kooperation mit der POUM "zugab". Im Prozess zu Barcelona widerrief er die Falschaussage.

Die Anklage und ihre außergerichtlichen "Helfer" hatten in dem Verfahren auch sonst nichts zu lachen. Nachdem die falschen "Beweise" geplatzt waren, traten stalinistische Offiziere als Zeugen auf, die auftragsgemäß über eine Zusammenarbeit von POUM-Soldaten und Faschisten berichteten. Sie mussten auf Befragen einräumen, dies nur vom Hörensagen, also wohl aus der eigenen Propaganda, zu wissen. Die Angeklagten selbst dachten nicht daran, klein beizugeben. Sie brachten ein Bild Níns in den Gerichtssaal und stellten es auf, bekannten sich zu ihren politischen Entscheidungen und Taten und klagten ihre Verleumder an. Zusätzlich zur internationalen Kampagne für sie bescheinigten ihnen im Saal Arbeiterführer und ehemalige Regierungsmitglieder wie Largo Caballero, Federica Montseny, Exbotschafter Araquistain, die früheren Minister Irujo und Zugazagoitia, dass sie aufrechte Antifaschisten mit langer revolutionärer Vergangenheit wären. Innerhalb des Kabinetts widersetzte sich der nunmehrige Justizminister González Pena dem Hinrichtungsbegehren Negríns.

Das Tribunal befand sich im Dilemma. Einesteils gehörte die Anklage auf den Müll, ließen sich die Vorwürfe wegen angeblicher Spionage und Zusammenwirken mit Franco unmöglich rechtfertigen. Sie wurden es auch nicht. Andernteils wäre ein Freispruch der Angeklagten zwar gerecht, aber für die Sowjetunion untragbar gewesen. Das Gericht fällte daher ein rein politisches Urteil, das den Versuch eines bewaffneten Aufstands gegen die gewählte Regierung, den es nicht gegeben hatte, anprangerte und Strafen zwischen 11 und 15 Jahren gegen die Komiteemitglieder verhängte, während es die beiden anderen Angeklagten freisprach. Ercoli/Togliatti, der ranghöchste Vertreter der Komintern in Spanien, nannte das Urteil skandalös. Er lag damit, was die Interessen seiner Auftraggeber betraf, durchaus richtig, da es, obwohl ebenfalls ungerecht, für sie eine fulminante Pleite war.

Mit Zeitungsartikeln in der Kominternpresse und einem in 18 Sprachen übersetzten Buch hatten die Stalinisten ihre Anwürfe und Pseudobeweise hunderttausendfach verbreitet. Diese waren nun nichts mehr wert. Die POUM trug ihrerseits dafür Sorge, dass der Urteilsspruch in Spanien publik wurde.

Infolge des faschistischen militärischen Übergewichts, der den Invasoren förderlichen Nichteinmischungspolitik der Westmächte und der stalinistischen Konterrevolution siechte die Spanische Republik dahin. Sie starb im Frühjahr 1939. In Mittelspanien steckten – mit Ausnahme der rechtzeitig ausgeflogenen Regierungsmitglieder und KP-Führer – alle Antifaschisten in der Falle. Aus Katalonien konnten sie fliehen. Der Chef des spanischen republikanischen Geheimdienstes hatte den Mitgliedern der POUM-Exekutive zugedacht, in Francos Hand zu fallen. Der sozialistische Gefängnisdirektor sorgte aber für Lastwagen, mit denen Inhaftierte wie Wachpersonal zur französischen Grenze gelangten. Andere Anhänger der POUM, solche der eigenen und der anarchistischen Jugendorganisation wurden von  Genossen befreit. Soweit sie in französische Lager kamen, erwartete sie auch dort ein schweres Schicksal.

   Die Entwicklung der POUM danach dauerte weit länger, kann aber kürzer dargestellt werden. Ab März 1939 bildeten sich aus schon vorher vorhandenen Gegensätzen ein rechter und ein linker Flügel heraus, dessen Hauptvertreter Rovira, der frühere Chef der Lenin-Division, einerseits, Andrade und Solano andererseits waren, ferner ein Zentrum mit Gorkin und Gironella. Der im zweiten Weltkrieg und danach in Frankreich ansässige rechte Parteiflügel erachtete die Fusion mit der ICE 1935 nun für falsch, die POUM für zu "trotzkistisch". Er plädierte für eine rein katalanische Organisation, die auf das übrige Spanien einwirken und seine Umwandlung zum Föderativstaat ansteuern sollte. Im zweiten Weltkrieg wirkte er, statt eine Umwandlung zum Bürgerkrieg zu fordern, mit den Westalliierten zusammen, nahm aber nicht am französischen Maquis teil. Innerparteilich befürwortete der Flügel ein Deckeln der Probleme, um formell die Einheit zu bewahren. Mit ehemals zur PSUC übergetretenen einstigen BOC-Mitgliedern fusionierte er Januar 1945 in Toulouse zum Movimento Socialista Catalunya (MSC).  

Der linke Flügel der POUM reorganisierte sich, rund 100 Mitglieder stark, auf traditioneller Grundlage in Spanien. Er nahm am Widerstand gegen Franco teil, unterstützte die 1944 von Sozialisten, Republikanern und Anarchisten gebildete Nationale Allianz der Demokratischen Kräfte (ANFD), war Mitgründer ihrer katalanischen und valencianischen Regionalorganisation. Mit Anhängern Largo Caballeros rief er Kataloniens neue UGT-Gewerkschaft ins Leben und stellte deren ersten Generalsekretär. 1945/46 spaltete sich die POUM. Rechter und linker Flügel wurden eigene Organisationen, wobei Erstgenannter von Anfang an zur Sozialdemokratie tendierte.
Nach dem Kriege bestand das Franco-Regime, besonders dank US-Unterstützung, weiter und konsolidierte sich. Der schwerste Schlag für die gesamte spanische Linke und alle Republikaner war das Referendum vom Juli 1947, mit welchem einerseits das Regime bestätigt, andererseits die Monarchie als sein Nachfolger festgelegt wurde. Die antifrankistischen Kämpfer von 1936-1939 unterlagen der alt-neuen Realität.

Aus dem Exil in Mexiko zurückgekehrt, wirkten danach Gorkin und Gironella in der aus Resten des einstigen Londoner Büros rekrutierten Bewegung für die Vereinigten Staaten von Europa. Sie nahmen, von links scharf kritisiert, Kurs auf Beitritt zur bürgerlichen Europäischen Bewegung, verließen schließlich die POUM und gingen zur PSOE. Auch Maurín, 1946 in eine anfangs "bedingte" Freiheit entlassen, rückte sukzessive von revolutionären Standpunkten ab. 1948 befürwortete er einen westeuropäischen demokratischen Block an der Seite der USA wider die "totalitäre Sowjetunion". Er polemisierte in aller Schärfe gegen die nun links stehende POUM-Gruppe in Frankreich und erklärte sich vor seinem Tode 1973 noch für den Putsch in Guatemala, gegen Castro und Allende.

  Die französische Gruppe gab noch immer "La Batalla" heraus. Sie schrumpfte durch sogenannten natürlichen Abgang ein. In der spanischen POUM setzte sich kurzzeitig ein Linkstrend durch,  bis die Verhaftungswelle von 1952 auch die neue Führung in den Kerker schwemmte. 1974 kam es in Katalonien nochmals zur POUM-Reorganisation. Die älteren Mitglieder gingen später zur Sozialistischen Partei, die mit katalanischen früheren PSOE-Vertretern zur Regionalorganisation der neuen PSOE fusionierte. Der in Barcelona noch existierende Rest der POUM löste sich Ende der 70er Jahre auf.

Reiner Tosstorff hat meines Erachtens darin Recht, dass es im nachfrankistischen Spanien für diese Partei keinen Platz mehr gab. Dasselbe trifft übrigens auf die Anarchisten, Altstalinisten und alten Sozialisten sowie die liberalen Republikaner zu. Eine Chance für das Weiterleben der POUM gab es auch deshalb nicht, weil eine relativ starke trotzkistische Bewegung entstanden war. Sie beruft sich z. T. – und das ist tröstlich – auf Traditionen  Andre Níns.

Mit dem Angebot, die Neuauflage des Buches der ArSti-Gruppe über den spanischen Krieg zu besprechen, holte ich mir vor kurzem u. a. bei INPREKORR und SoZ einen Korb. Es hieß, das Thema interessiere nicht hinreichend. Bereits die immer wieder aufflackernde Polemik darum erweist, dass es weiter aktuell bleiben wird.

Manfred Behrend, Berlin 2003


Auswahlbibliographie

Zur speziellen Problematik der POUM:
Julían Gorkin: Stalins langer Arm. Die Vernichtung der freiheitlichen Linken im spanischen Bürgerkrieg, Köln 1980

Reiner Tosstorff: Die POUM im spanischen Bürgerkrieg, Frankfurt/Main 1987

Allgemein zum Spanischen Krieg:
Manfred Behrend: "In Spanien stand’s um unsre Sache schlecht..." 60 Jahre nach dem Barrikadenkampf in Barcelona, in: Hintergrund, Osnabrück, Nr. I/1997

Pierre Broué/Émile Témime: Revolution und Krieg in Spanien, Frankfurt/Main 1968

Der spanische Bürgerkrieg. Mit Aufsätzen von August Thalheimer, Waldemar Bolze u. a. Herausgegeben von der Gruppe Arbeiterstimme, 2. erweiterte Auflage, München 2002

Siegfried Kogelfranz/Eckart Plate: Sterben für die Freiheit. Die Tragödie des Spanischen Bürgerkrieges, München 1989

Heleno Sana: Die libertäre Revolution. Die Anarchisten im spanischen Bürgerkrieg, Hamburg 2001



(Arbeiterstimme, Nürnberg, Nr. 140, 32. Jg., Sommer 2003)








 

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