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Beiträge zur Theorie  










Athanasios Karathanassis

Regulationstheorie und kapitalistische Entwicklung

Zum regulationstheoretischen Ansatz und seiner Analyse der kapitalistischen Entwicklung

Die Entwicklung kapitalistischer Gesellschaften ist sowohl von prozeßhafter Kontinuität, als auch von einer Reihe von Umbrüchen bestimmt.

Mit diesen Entwicklungen von gesellschaftlicher Praxis ist nun auch die Veränderung in ihrer Reflexion bzw. in der theoretischen Auseinandersetzung über diese im historischen Prozeß untrennbar mit den zuvor genannten Bestimmungen verknüpft.

Im Folgenden wird ein Einblick in das regulationstheoretische Herangehen an eine sich verändernde kapitalistische Wirklichkeit gegeben, wobei 1. die zentralen Kategorien der Regulationstheorie in ihrem Zusammenhang vorgestellt werden, um 2. dieses theoretisch-begriffliche Instrumentarium gesellschafts-analytisch anzuwenden. Hierbei wird der Gang der Entwicklung kapitalistischer Gesellschaften bis zur fordistischen Phase regulationstheoretisch entfaltet, wobei ein Einblick in das methodische Herangehen der Regulationstheorie gegeben wird und zudem ein wesentlicher theoretischer Hintergrund des regulationstheoretischen Ansatzes evident wird.

Zwei Kategorien sind in der Regulationstheorie zentral: Die erste ist das Akkumulationsregime.

Das jeweilige Akkumulationsregime drückt im Kern das Reproduktionsmuster der jeweiligen Wachstumsperiode aus. Es läßt sich durch ein Reproduktionsschema mit den beiden gesellschaftlichen Abteilungen der Produktion, der Produktionsmittelproduktion (Abteilung I) und der Konsumgüterproduktion (Abteilung II), mit spezifischen Proportionalitäten darstellen (Lipietz 1985).

Drei Varianten der Akkumulation hatten bzw. haben nun historisch besondere Bedeutung: die extensive Akkumulation, welche wesentlich durch einfaches Wachstum beider Abteilungen gekennzeichnet ist; die intensive Akkumulation ohne Massenproduktion, "bei der allein das Anwachsen des konstanten Kapitals das Wachstum der Abteilung I verwertet" (Lipietz 1985, S. 120), sowie die intensive Akkumulation bei wachsendem Massenkonsum.
Insbesondere durch die Ausweitung der letzteren Akkumulationsvariante muß das Wachstum der Produktion der beiden zuvor genannten gesellschaftlichen Abteilungen dem Wachstum des eingesetzten Kapitals und der Kaufkraft der Lohnabhängigen entsprechen, was durch die Entwicklung der Reproduktion der Arbeitskraft bzw. der Konsumtionssphäre zur verwertungsrelevanten Sphäre ermöglicht wird.

Seine Funktion als gesellschaftlicher Kohäsionsfaktor kommt dem Akkumulationsregime nun erst durch die Verbindung mit strukturellen Formen zu (Aglietta 1979), deren Zusammenhang und Artikulation als Regulationsweise bezeichnet wird, womit die zweite zentrale Kategorie der Regulationstheorie genannt ist.

Die Regulationsweise stellt den gesellschaftlichen Rahmen dar, innerhalb dessen die Kapitalakkumulation in einer Periode Unterstützung findet.
Strukturelle Formen, die eine Regulationsweise im wesentlichen ausmachen sind z.B. das Lohnverhältnis, das Geldverhältnis, das Konkurrenzverhältnis, das Weltmarktregime, oder die Staatsintervention, die den Durchdringungsgrad der Ökonomie durch den Staat anzeigt bzw. angibt, inwieweit staatlicherseits in Arbeits- und Kapitalmärkte sowie in die industriellen Beziehungen und die Arbeitskräftereproduktion regulierend eingegriffen wird.

Versagt nun eine spezifische kohärenzstiftende Regulationsweise in ihrem Zusammenwirken mit  einem  Akkumulationsregime, entsteht ein Reproduktionsungleichgewicht, was dann in der Regel in einer Krise mündet und eine Veränderung in der Regulationsweise nach sich zieht (1).

Einen zentralen Stellenwert in der Theorie der Regulation hat hierbei das Lohnverhältnis. Altvater schreibt hierzu: "Tatsächlich wird innerhalb der Regulationstheorie in erster Linie das Entsprechungsverhältnis zwischen den Steigerungsraten der Arbeitsproduktivität (Massenproduktion) und der Löhne (Massennachfrage), also das sogenannte "Lohnverhältnis" (unter historisch sich verändernden Bedingungen -d.Verf.) analysiert" (Altvater 1992b, S. 58). Dieses Verhältnis bestimmt die Bedingungen, unter denen die Arbeitskraft in der Produktion Anwendung findet und sich reproduziert. Seine Regulation beinhaltet u.a. die Festlegung von Zeitnormen, des Wertes der Arbeitskraft oder die Arbeitsintensität.

Idealtypisch lassen sich zwei Formen von Regulationsweisen unterscheiden: Die auf "Konkurrenz" beruhende Regulationsweise unterscheidet sich hierbei von der als "monopolistisch" bezeichneten im wesentlichen dadurch, daß bei der ersten die Verwertung des Kapitals erst im nachhinein durch den tatsächlichen Tausch von Ware gegen Geld auf dem Markt festgestellt werden kann, wohingegen die monopolistische Regulationsweise dadurch gekennzeichnet ist, daß durch ein ausgeprägtes Kreditsystem, kollektive Tarifverträge sowie Staatsinterventionen eine stabilisierte Nachfrage in der Regel bereits vor dem Marktakt  angenommen werden kann, sodaß ökonomische Prozesse einfacher antizipiert werden können.

Die Regulationstheorie unterscheidet nun idealtypisch zwischen zwei verschiedenen Varianten bzw. Konstellationen kapitalistischer Gesellschaften: Das extensive Akkumulationsregime mit konkurrenzkapitalistischer Regulationsweise und das intensive Akkumulationsregime mit monopolistischer Regulationsweise.

Auf dieser kategorialen Entfaltung läßt sich nun auch der Begriff Fordismus verorten, denn der Fordismus ist eben als ein spezifisches Ensemble von Akkumulationsregime, strukturellen Formen und entsprechender Regulationsweise zu verstehen.
Fordismus entspricht demnach in Idealgestalt dem vorwiegend intensiven Akkumulationsregime mit wachsendem Massenkonsum und monopolistischer Regulationsweise.
Die politischen Prozesse im regulativen Apparat sind hierbei zwar entscheidend, bleiben aber an den Zwang zur Mehrwertproduktion rückgebunden.

Mit diesem theoretisch-begrifflichen Instrumentarium der Regulationstheorie, lassen sich nun gesellschaftliche Entwicklungen analytisch erfassen.
Im Vorfordismus erfolgte die Kapitalakkumulation wesentlich in Abteilung I, woraus folgt, daß von Abteilung II keine bedeutsamen Wachstumsimpulse ausgingen. "Das Kapital reproduzierte sich in einer quasi nichtkapitalistischen, durch Subsistenzproduktion und traditionellen Lebensformen geprägten sozialen Umwelt" (Hirsch; Roth 1986, S. 86), da keine Regulationsweise, in der auf hohe Löhne abgezielt wurde existierte und die konkurrenzlos billige häusliche Konsumgüterproduktion das Entfalten der Konsumgüterindustrie bzw. der Abteilung II verhinderte.
Die Reproduktion der Arbeitskraft war also überwiegend noch nicht in die kapitalistische Verwertungslogik integriert, so daß die relative Mehrwertproduktion von der absoluten dominiert wurde.

Hurtienne folgert hieraus "... eine polarisierte Wachstumsdynamik von zwei relativ geschlossenen Reproduktionskreisläufen, die nur durch geringe Austauschbeziehungen miteinander verbunden waren" (Hurtienne 1986, S. 77).
Die Wachstumspotentiale der Ökonomie mußten also schwerpunktmäßig von der Ausdehnung der Abteilung I ausgehen. Steigerungen in der Arbeitsproduktivität u.a. durch Einführung neuer Technologien fanden hier zwar in Schüben bzw. in Zyklen statt, aber nicht kontinuierlich (Hurtienne 1986), was eben ihren dominant extensiven Charakter wesentlich miterzeugte.
Etwa zu Beginn dieses Jahrhunderts zeichnete sich nun ein Abklingen der bisherigen Wachstumssteigerungen in den jeweiligen Aufbauphasen der Industrien ab. Ein Grund hierfür ist, daß viele der zur damaligen Zeit einmal installierten Anlagen -so z.B. Eisenbahnschienen- sich durch die "Langlebigkeit" ihres Gebrauchswertes auszeichnen, wodurch kein schneller Ersatz zu erwarten ist. Die Kapitalzirkulation, die entsprechend dem Ziel maximalen Mehrwert zu erzeugen auf eine schnellstmögliche Umschlaggeschwindigkeit abzielt, vollzog sich dann relativ langsam, wodurch sich auch die Mehrwerterzeugung relativ langsam vollzog (2).

Die maximale Realisierung des Mehrwertes erforderte so zumindest ökonomische Veränderungen, denn "gegen Ende des 19. Jahrhunderts stößt die extensive Akkumulation an Grenzen, die ... (u.a. -d.Verf.) ihre Absatzmärkte (die im Außenhandel gesucht werden, der durch imperialistische Beziehungen geschützt<< ist) ... betreffen" (Lipietz 1985, S.123).

Die Folge - so Altvater - war gravierend: "Biologische Energiequellen (Pferdekraft, Muskelkraft der Menschen) werden (nun verstärkt -d.Verf.) von fossilen Energieträgern verdrängt, die ein Vielfaches der (Produktions)leistung pro Zeiteinheit zu bringen vermögen. Dort wo die Kraftquellen des Körpers ausschließlich oder vorwiegend genutzt werden, müssen sie mit fossil angetriebenen Energiewandlungssystemen konkurrieren" (Altvater 1992b, S. 70).
Entsprechend diesem beschleunigten Umwandlungsystem benötigte und benötigt die nun -relativ zur vorherigen Produktion- ermöglichte Massenproduktion Massen an Stoffen, die in Waren umgewandelt werden, sowie Massen an stofflichen, d.h. fossilen Energieträgern, die dieses System am Laufen halten, so daß der Prozeß der Produktivkraftsteigerung zugleich ein Prozeß enorm wachsender Ressourcennutzung wurde. Fossile Stoffe gewannen so zunehmend an Bedeutung.
Der produktivere Taylorismus mit seinem notwenig hohen "Throughput" an mineralischen und energetischen Stoffen, d.h. einer erheblichen Steigerung der "Stromgrößen (Sozialprodukt bzw. Wertschöpfung einerseits und Arbeitsinput andererseits in einem Zeitraum innerhalb der Zeitordnung des industriellen Systems) ... (relativ zu den -d.Verf.) Bestandsgrößen (Stromgrößen in biotischer und geologischer Eigenzeit)" (Altvater 1992b, S. 92) ist so die Ausgangsbedingung des Umschlags in der Dominanz des Akkumulationsregimes zu einem intensiven Akkumulationsregime, und somit Ausgangspunkt bzw. nun kontinuierlich produktive Grundlage eines entstehenden fossilistischen Fordismus, der sich in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts herausbilden konnte.

Die Folge der Produktivkrafterhöhung war die Überproduktionskrise der 30er Jahre, da die Produktivkraft schneller wuchs als die Kaufkraft. Die hierauf folgende Krise der Regulationsweise führte zu einer neuen, d.h. durch u.a. hohe Löhne geprägten Regulationsweise, was auf der Grundlage des intensiven Akkumulationsregimes nun möglich wurde, denn die kontinuierliche Produktivkraftsteigerung erlaubte sowohl steigenden Mehrwert als auch steigende Löhne.
Weitere wesentliche Regulationselemente sind nun die verstärkte Organisation der Beziehung zwischen Arbeit und Kapital sowie Staatsinterventionen. Ersteres ist u.a. dadurch geprägt, daß es den Gewerkschaften durch ihr Einschwenken auf den neu eingeschlagenen Wachstumspfad gelang, die Klassenauseinandersetzungen in Lohnkämpfe zu kanalisieren. Damit wurde der weitgehende Verzicht auf die Gestaltung der Arbeitsbedingungen durch eine erweiterte Teilnahme am Konsum "erkauft" und langfristige Sicherheiten für die unternehmerische Investitionstätigkeit geschaffen (Aglietta 1979). Durch diese Richtung der Regulationsweise im Verhältnis von Arbeit und Kapital haben so Klassenauseinandersetzungen durch das "Anheizen" der Wachstumsentwicklung eine Richtung eingeschlagen, die meines Erachtens das Aufbrechen des wesentlich antagonistischen Charakters von Arbeit und Kapital verhinderten.

Die Staatsinterventionen sind u.a. durch eine aktive Einflußnahme auf den Arbeitsmarkt in Form der Arbeitsmarktpolitik, staatlicher Investitionstätigkeit -auch im Rahmen antizyklischer Konjunkturpolitik- sowie durch den Ausbau des sozialen Sicherungssystems gekennzeichnet. Einer der ersten Beispiele der neuen staatsinterventionistischen Regulationsweise war der sogenannte New Deal der Rooseveltschen Politik in den USA der 30er Jahre. Dieser "New Deal" sollte durch sozialpolitische Maßnahmen den Absatz der Massenware mitgarantieren (3).
Hierdurch gelang es, sowohl die Beschäftigungs- und Lohnentwicklung zu stabilisieren, als auch die Risiken der Lohnarbeit,    -wie z.B. Arbeitslosigkeit- zu mindern, und so dieses ganz auf Massenwachstum abgestellte Akkumulationsregime zu stützen.

Zielten also die Interessen des Kapitals traditionell auf Wachstum ab, schwenkten nun mit dem intensiven Akkumulationsregime auch andere entscheidungsrelevante gesellschaftliche Gruppen, wie Gewerkschaften und der Staat hierauf ein, wodurch sich eine kommodifizierte Konsumnorm, d.h. ein durch Kauf und Nutzung von Waren bestimmtes bzw. dominiertes Konsumverhalten etablierte. - Der komplette Fordismus entstand.
Die durch die kontinuierlich entwickelte Produktivkraft im Fordismus initiierte Massenhaftigkeit ökonomischer Prozesse wird demnach mit Unterstützung von "außerökonomischen" Regulationselementen abgesichert und gefördert (4).

Dem so zur Massenproduktion entstandenen Pendant des Massenkonsums steht nun nichts mehr im Wege. Somit ist auch die Basis für die Expansion der inneren Märkte und für die Überwindung des vorfordistischen Dualismus der Abteilungen I und II (Hirsch 1986) gelegt, denn mit der Möglichkeit der Massenproduktion und - konsumtion erschloß sich erstmals die Arbeitskräftereproduktion als Kapitalanlage - und verwertungsrelevante Sphäre durch die nun rasch wachsende Kommodifizierung der Reproduktion der Arbeitskraft. Die Basis für die Durchsetzung neuer ökonomischer Branchen wie z.B. dem Automobilbau oder dem Haushaltsgerätebau war damit geschaffen. Die relative Mehrwertproduktion konnte sich so mit der Abteilung II allmählich voll entfalten, da nun die fordistischen Subjekte nicht nur als MehrwertproduzentInnen, sondern auch als WarenkonsumentInnen das Interesse des Kapitals gewannen.
Hierdurch bekam die Akkumulationsdynamik einen enormen Wachstumsschub. Durch die verstärkte Nachfrage nach Investitionsgütern aus Abteilung II verdichten sich nun auch die Austauschbeziehungen beider Abteilungen mit dem Resultat einer verstetigten gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die etwa ab 1950 -nachdem auch in Westeuropa das fordistische System zu greifen begann- neue Dimensionen des Wachstums erreichte, was u.a. aus empirischen Daten zum Wachstum der Industrie und zu den Verbräuchen fossiler Energieträger hervorgeht(5).

Massenproduktion und Massenkonsumtion sind demnach wesentlich durch die Produktivkraftsteigerung, ihrem Bindeglied der hohen Löhne sowie einer entsprechenden Regulationsweise ermöglicht worden, was nun die Verfügung über Massen an energetischen und mineralischen Stoffen erforderlich machte.
Lokal begrenzte Zugriffsräume -soweit diese überhaupt vorhanden waren- reichten also nicht mehr aus, so daß die hochproduktive fordistische Ökonomie der Endlosakkumulation eine Globalisierung des Raums bzw. die Globalisierung der Energie- und Rohstoffökonomie erforderte, um das System von Massenproduktion und -konsum in bestimmten privilegierten Regionen dieser Welt, d.h. im Raum der OECD-Staaten bedienen zu können (6).
Diese Globalökonomie fand dann auch regulative Entsprechungen auf globaler Ebene, d.h. sie wurde nun von international agierenden Regulationsinstitutionen, wie z.B. der Weltbank oder dem IWF mitreguliert.
Was diesem Fordismus nun mit den vorfordistisch-industriellen Phasen des Kapitalismus gemein ist, ist die kontinuierliche Kapitalakkumulation bzw. das maßlose Bestreben den Mehrwert mit der Ausweitung der Stofftransformationsprozesse ins Endlose zu steigern, denn -wie Marx formulierte- "die Natur des Kapitals bleibt dieselbe, in seiner unentwickelten, wie in seinen entwickelten Formen" (MEW 23, S. 304).

Was ihn aber wesentlich von allen vorherigen kapitalistischen Phasen unterscheidet, sind 1. seine technologische bzw. produktivistische Kompetenz, die 2. in Kombination mit entsprechend auf Wachstum ausgerichteten institutionellen Formen dahingehend reguliert wird bzw. abzielt, 3. sämtliche gesellschaftliche Bereiche zu kommodifizieren, d.h. in die weiterhin existente allgemeine und traditionelle Verwertungslogik des Kapitals zu integrieren bzw. sie unter diese zu subsummieren, und 4. hierfür -aufgrund der massenhaft benötigten Stoffe- eine Globalisierung u.a. von Rohstoffquellennutzungen auch und wesentlich durch die Manifestation einer bestimmten globalökonomischen Struktur zwischen Extraktions- und Rohstoffimportökonomien benötigt.

Dadurch, daß das Wachstum in den fordistischen Dimensionen also hohe gesellschaftliche Kohäsion der akkumulationsrelevanten Kompetenzen erfordert, wird der systemische Charakter des Fordismus offensichtlich. Altvater beschreibt dies folgendermaßen: "... die Dynamik des "fordistischen Systems" kann ... als ein Prozeß von "Systematisierungen" beschrieben werden, als ein komplexer Vorgang der Konstruktion einer "fabric of growth" und dann der Feinabstimmung aller Elemente des Systems. Diese systemische Vernetzung von Energiewandlungssystemen, "produktivistischer Kultur" und fossiler Basis hat für die Dynamik der Produktions- und Regulationsweise eine alles entscheidene Bedeutung" (Altvater 1992b, S. 61).

Die traditionelle und allgemeine kapitalistische Inhärenz der Maßlosigkeit findet in moderner produktivistischer Technologie-entwicklung nun seine historisch-kulturelle Entsprechung.
In der konsequent weitergeführten Umsetzung der allgemeinen ökonomischen Gesetze im Fordismus entstand so eine Variante der Kapitalakkumulation, deren integraler und wesentlicher Bestandteil weiterhin die sich um den Mehrwert zentrierenden ökonomischen Kategorien sind, welche sich als allgemeine kapitalistisch-immanente Ursachen einer Vielfalt menschlicher Probleme erwiesen.

Die Verdichtung der kapitalistischen Strukturen durch die zunehmende Kommodifizierung gesellschaftlicher Verhältnisse erfordert nun aber auch -wie zuvor dargestellt- die Ökonomie überschreitende Komponenten, die zur Garantie der Mehrwertmaximierung mitwirken sollen.
Hinsichtlich der Entwicklung des Kapitalismus läßt sich demnach auf Grundlage des regulationstheoretischen Ansatzes feststellen, daß innerhalb bestimmter Phasen in ihm spezifische Verwertungsstrukturen existieren, die nun jeweils räumlich und zeitlich unterschiedlich reguliert werden müssen, um ihre Reproduktion zu gewährleisten. Hirsch drückt dieses erweiternd folgendermaßen aus: "Der Kapitalismus ist ... sowohl zeitlich (historische Entwicklungsphasen) als auch räumlich (nationale Gesellschaften) durch unterschiedliche Formationen mit je spezifischen Wachstumsmodellen, Reproduktionszusammenhängen, institutionellen Konfigurationen, Konflikt- und Krisenformen gekennzeichnet. Aufgabe der wissenschaftlichen Analyse ist es, diese räumlich wie zeitlich miteinander verbundenen Formationen und ihre Transformationsprozesse ... zu untersuchen" (Hirsch 1990, S. 19f.).

Hinsichtlich der Regulationstheorie läßt sich demnach zusammenfassend feststellen:
Der regulationstheoretische Ansatz unternimmt den Versuch, den Zusammenhang der ökonomischen Strategien und institutionellen Formen, deren Arrangement die jeweilige Entwicklungsphase bezeichnet, aufzuzeigen. Dieser Zusammenhang wird hierbei wesentlich durch gesellschaftliche Krisen bestimmt, denn erst in ihnen bilden sich nach der Regulationstheorie die sozialen und institutionellen Strukturen heraus, deren Ensemble kohärenzstiftend für die jeweilige Akkumulationsperiode wirkt, und nur durch diese Krisen einer Vergesellschaftungsform entstehen die Bedingungen, die zur Grundlage einer neuen werden.

Der Ansatz der Regulationstheorie Agliettascher Prägung ermöglicht es so auf dem analytischen Hintergrund und in der Kontinuität Marxscher Theorie, eine Kritik an den historisch spezifischen Akkumulationsregimen und Regulationsweisen durchzuführen, denn zumindest der hier bearbeitete o.g. Regulationsansatz steht in wesentlichem Zusammenhang zur Marxschen Kritik der politischen Ökonomie. Auch die Marxsche Ökonomietheorie basiert u.a. auf dem Wechsel kapitalistischer Entwicklungsphasen, welche angetrieben durch eine kontinuierliche Produktivkraftentwicklung das Ziel der Profitmaximierung haben. Zudem finden in der Regulationstheorie zentrale Marxsche Kategorien, wie z.B. Akkumulation, Mehrwert oder Arbeitskraftreproduktion formale und inhaltliche Anwendung, die zur Analyse eines sich verändernden kapitalistischen Systems herangezogen werden.
So wird nach der Regulationstheorie ebenso wie in der Marxschen Ökonomietheorie die Entwicklung kapitalistischer Gesellschaften auf der Basis der allgemeinen Gesetze der kapitalistischen Produktionsweise vollzogen.

Die historischen Durchsetzungsformen dieser Entwicklungsgeschichte verändern sich nun aber mit der quantitativen Ausweitung und qualitativen Vertiefung der Kapital- und Lohnarbeitsverhältnisse kontinuierlich (Hurtienne 1986), sodaß diese nicht ohne spezifische Veränderungen aus der o.g. Basis ableitbar sind. Es bedarf somit weiterer theoretischer Auseinandersetzungen, die über die Marxsche Analyse hinausgehen müssen. Die Reproduktion der Kapitalverwertungsstrukturen und damit auch die Reproduktion des Lohnverhältnisses vollzieht sich nämlich nicht in abstrakten, sondern immer nur in konkreten Formen. Die historisch vorfindbaren Formen des Kapital- und Lohnarbeitsverhältnisses stellen hierbei nicht einfach ableitbare Konkretisierungen der allgemeinen Gesetzmäßigkeiten dar. Vielmehr bekommt Geschichte hier selbst einen systematischen Stellenwert bei der Untersuchung der Reproduktion kapitalistischer Strukturen und Verhältnisse.

Entsprechend dieser Legitimitätsgrundlage der Regulationstheorie (7) konzentriert sich ihr allgemeiner Gegenstand "auf die den ökonomischen Reproduktionsprozeß bestimmenden sozialen Verhältnisse, deren Variabilität und historische Veränderbarkeit" (Hirsch 1990, S. 17).

In der Unzulänglichkeit, aus den abstrakten Bewegungsgesetzen des Kapitals keinen direkten Zugriff auf konkrete historische und variierende Phasen bzw. Zustände der kapitalistischen Gesellschaft zu gewinnen, liegt nun also ein wesentlicher Ansatzpunkt der Regulationstheorie und läßt sich ein wesentlicher Zusammenhang zur Marxschen Theorie herstellen.

Demnach ist es sogar ein Hauptanliegen der Regulationstheorie, eine Verbindung zwischen der Marxschen Akkumulationstheorie und der konkreten Akkumulationsgeschichte kapitalistischer Gesellschaften herzustellen, um "die abstrakten Gesetzmäßigkeiten des homogenen Raumes des Wertes (Gegenstand der systematischen Analyse Marx' u.a. im "Kapital" -d.Verf.) mit den historisch-empirischen Prozessen zu vermitteln" (Hübner 1990, S. 71). Hierdurch ist dieses Konzept (8) als eine Erweiterung der Marxschen Theorie zu verstehen und kann auch als eine Weiterführung von Gesellschaftskritik angewendet werden.
Die Regulationstheorie - zumindest der Agliettaschen Prägung- ist somit in wesentlichen Punkten eine Weiterführung der Marxschen politischen Ökonomie(9) und liefert den konstitutionellen Rahmen, die Bewegungsformen und allgemeinen Gesetze kapitalistischer Ökonomien in ihren historisch konkreten Ausprägungen zu analysieren.

Die Marxsche Theorie einer Kritik der politischen Ökonomie bildet im Verbund mit dem o.g. regulationstheoretischen Ansatz so meines Erachtens ein angemessenes Instrumentarium zur Analyse der kapitalistischen Gesellschaft (10), d.h. diese in ihrem systemischen Verbund bzw. mit ihren Kohärenzen zu analysieren.


© Athanasios Karathanassis, Berlin 1998




Fußnoten:

1 Das Primat der Ökonomie läßt sich schon hier als implizite Voraussetzung der Regulationstheorie interpretieren.

2 Im Vergleich mit der Eisenbahn ist das Automobil schneller vernutzt, was meines Erachtens nicht unerheblichen Einfluß auf die Entwicklung der modernen automobilisierten Infrastruktur in den entwickelten kapitalistischen Ökonomien hat.

3 Interessanterweiser soll dieser "New Deal" zur Zeit aufgekündigt werden, was auf dem Hintergrund der Regulationstheorie meines Erachtens als Krisenreaktion und als ein Moment einer sich erneut verändernden Regulationsweise zu interpretieren ist, welche sich einem verändernden Akkumulationsregime anpasst.

4 Neben den zuvor genannten gesellschaftlichen Gruppen wirken noch eine Reihe anderer Regulationselemente an dieser Entwicklung mit, auf die ich aber hier und im Folgenden ebensowenig näher eingehe, wie auf die hier genannten Staatsinterventionen und die Rolle der Gewerkschaften, da das an dieser Stelle zu weit führen würde.

5 Vgl. hierzu ausführlich u.a.: OECD 1993.

6 Diese Globalisierung hatte und hat nun weitreichende Konsequenzen. Als mit das wichtigste sei hier nur die Manifestation und sogar der Ausbau der globalökonomischen Strukturen zwischen Kern und Peripherie mit den damit verbundenen immensen sozialen und materiellen Problemen - z.B. der Divergenz des Warenreichtums zwischen Kern und Pheripherie- genannt. (Vgl. hierzu ausführlich z.B.: Arrighi 1991).

7 Nach Hirsch ist dieser Grundcharakter der Regulationstheorie stark von der strukturalistischen Marx-Interpretation Althussers beeinflußt (vgl. hierzu ausführlich: Hirsch 1990, S. 16ff).

8 Inwieweit es sich bei der Regulationstheorie wirklich um eine Theorie in komplexerem Sinne oder eher um einen theoretischen Ansatz handelt, kann an dieser Stelle nicht ausreichend geklärt werden, und bedarf einer eingehenden Analyse.

9 Hübner teilt im wesentlichen diese Auffassung, indem er schreibt: "Agliettas Theorie kapitalistischer Regulation knüpft an die Marxsche Kritik der politischen Ökonomie, zentral an den Ausführungen im "Kapital" an ...." (Hübner 1990, S. 71).

10 Dieses ist meines Erachtens für die Regulationstheorie zumindest bis einschließlich der fordistischen Phase zutreffend. Inwieweit die Regulationstheorie zur kritischen Analyse postfordistischer Entwicklungen geeignet ist, bedarf einer weiterführenden Prüfung.


Literaturhinweise zur weiteren Auseinandersetzung mit dieser Thematik:

Aglietta, M.: A Theory of Capitalist Regulation. The US Experience. London: NLB 1979.

Altvater, E.: Die Zukunft des Marktes. Ein Essay über die Regulation von Geld und Natur nach dem Scheitern des >>real existierenden Sozialismus<<. 2. durchges. Aufl. Münster: Vlg. Westphälisches Dampfboot 1992a.

ders.: Der Preis des Wohlstands oder Umweltplünderung und neue Welt(un)ordnung. 1. Aufl. Münster: Vlg. Westphälisches Dampfboot 1992b.

Arrighi, G.: World Income Inequalities and the future of socialism. New left review, o.O., (1991) No. 189.

Cartelier, J.; De Vroey, M.:  Der Regulationsansatz: Ein neues Paradigma? Prokla, Berlin, (1988) Nr.72.

Hirsch, J.: Kapitalismus ohne Alternative? Materialistische Gesellschaftstheorie und Möglichkeiten einer sozialistischen Politik heute. Hamburg: VSA-Vlg. 1990.

Hirsch, J.: Internationale Regulation. Bedingungen von Dominanz, Abhängigkeit und Entwicklung im globalen Kapitalismus. Das Argument, Berlin, 198 (1993), S. 195-222.

ders.: Vom fordistischen Sicherheitsstaat zum nationalen Wettbewerbsstaat. Internationale Regulation, Demokratie und >>radikaler Reformismus<<. Das Argument, Berlin, 203 (1994), S. 7-21.

Hirsch, J.; Roth, R.: Das neue Gesicht des Kapitalismus. Vom Fordismus zum Post-Fordismus. Hamburg: VSA-Vlg. 1986.

Hübner, K.: Theorie der Regulation. Eine kritische Rekonstruktion eines neuen Ansatzes der Politischen Ökonomie. 2. durchges. und erw. Aufl. Berlin: Edition Sigma Bohn 1990.

Hübner, K.; Mahnkopf, B.:  Ecole de la Régulation. Eine kommentierte Literaturstudie. Berlin: 1988 (= WZB-papers FS II 88-201).

Hurtienne, T.: Fordismus, Entwicklungstheorie und Dritte Welt. Peripherie, Berlin, (1986) Nr. 22/23.

ders.: Entwicklungen und Verwicklungen - Methodische und entwicklungstheoretische Probleme des Regulationsansatzes. In: Der gewendete Kapitalismus. Kritische Beiträge zu einer Theorie der Regulation. Hrsg.: B. Mahnkopf. Münster: Vlg. Westphälisches Dampfboot 1988. S.182-224.

Lipietz, A.: Akkumulation, Krisen und Auswege aus der Krise: Einige methodische Überlegungen zum Begriff >>Regulation<<. Prokla, Berlin, (1985) Heft 58, S. 109-137.

ders.: Die Beziehung zwischen Kapital und Arbeit am Vorabend des 21. Jahrhunderts. Leviathan, Berlin, 19 (1991a), S. 78-101.

Lipietz, A.: Demokratie nach dem Fordismus. Das Argument, Berlin, 189 (1991b), S. 677-694.

Mahnkopf, B.: Soziale Grenzen "fordistischer Regulation". In: Der gewendete Kapitalismus. Kritische Beiträge zu einer Theorie der Regulation. Hrsg.: B. Mahnkopf. Münster: Vlg. Westphälisches Dampfboot 1988. S. 99-143.

Marx, K.: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie. 2. Aufl. Berlin: Dietz Vlg. 1974.

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GLASNOST, Berlin 1992 - 2019